Arbeitsrecht

Nichtannahmebeschluss: Organisationsermessen des Dienstherrn auch hinsichtlich der Frage, ob eine ausgeschriebene Stelle dem Funktionsvorbehalt des Art 33 Abs 4 GG unterliegt – hier: keine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs einer Bewerberin durch Versagung von Eilrechtsschutz gegen Stellenbesetzung mit tarifbeschäftigtem Mitbewerber – keine Bedenken gegen Erstreckung des Anforderungsprofils auf Bewerber ohne Befähigung für höheren allgemeinen Verwaltungsdienst bei vergleichbarer Verwaltungserfahrung

Aktenzeichen  2 BvR 2305/11

Datum:
25.11.2011
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Nichtannahmebeschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2011:rk20111125.2bvr230511
Normen:
Art 33 Abs 2 GG
Art 33 Abs 4 GG
§ 90 Abs 2 S 1 BVerfGG
Spruchkörper:
2. Senat 1. Kammer

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 27. September 2011, Az: 4 S 28/11, Beschlussvorgehend VG Potsdam, 7. Juni 2011, Az: 2 L 48/11, Beschluss

Gründe

A.
1
Die Beschwerdeführerin wendet sich als unterlegene Bewerberin auf die Position einer Abteilungsleiterin des Ministeriums der
Finanzen des Landes Brandenburg gegen die beabsichtigte Besetzung der Stelle mit einem tarifbeschäftigten Mitbewerber.

I.
2
Die Beschwerdeführerin ist Vizepräsidentin des Amtes für S. (Besoldungsgruppe A 16). Sie bewarb sich auf die Stelle der Leiterin/des
Leiters der Abteilung 4 (Landesvermögen, Besoldungsrecht, Liegenschafts- und Bauverwaltung) im Ministerium der Finanzen des
Landes Brandenburg (Ministerialdirigent/in, Besoldungsgruppe B 5). Die Stelle war für Beamte und Beschäftigte ausgeschrieben
worden. Die Ausschreibung forderte unter anderem die “Befähigung für die Laufbahn des höheren allgemeinen Verwaltungsdienstes
oder vergleichbare Verwaltungserfahrung auf der Grundlage einer abgeschlossenen wissenschaftlichen, insbesondere juristischen
oder wirtschaftswissenschaftlichen Hochschulausbildung”.

3
Mit Bescheid vom 10. Januar 2011 teilte das Ministerium der Finanzen der Beschwerdeführerin mit, dass die Stelle einem Mitbewerber
(im Folgenden: Beigeladener) übertragen werde. Laut Auswahlbericht ist der Beigeladene Tarifbeschäftigter und als Referatsleiter
in der Senatsverwaltung für Finanzen des Landes B. auf einer mit B 2 bewerteten Stelle tätig. Gegen die Auswahlentscheidung
legte die Beschwerdeführerin Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht Potsdam den Erlass einer einstweiligen
Anordnung hinsichtlich der Besetzung der Stelle.

4
Das Verwaltungsgericht Potsdam lehnte den Antrag mit Beschluss vom 7. Juni 2011 ab. Es könne dahinstehen, ob der von der Beschwerdeführerin
gerügte Verstoß gegen den Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG durch die geplante Besetzung der Stelle mit einem Angestellten
überhaupt als Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs geltend gemacht werden könne. Da die Abteilungsleiterstellen zahlenmäßig
überwiegend mit Beamten besetzt seien, würde sich die Besetzung der streitbefangenen Stelle mit dem Beigeladenen jedenfalls
als zulässige Ausnahme von der nach Art. 33 Abs. 4 GG regelmäßig gebotenen Besetzung mit Beamten darstellen. Bei dieser Sachlage
genüge das Interesse an der Auswahl des am besten geeigneten Bewerbers als sachlicher Grund dafür, die Stelle nicht einem
(weniger geeigneten) Beamten zu übertragen. Entgegen der Rüge der Beschwerdeführerin erfülle der Beigeladene die in der Ausschreibung
vorgesehenen Anforderungen. Zwar habe er mangels Laufbahnprüfung nicht die Befähigung für die Laufbahn des höheren allgemeinen
Verwaltungsdienstes. Er habe jedoch offensichtlich vergleichbare Verwaltungserfahrung, da er seit 16 Jahren – davon acht Jahre
als Referatsleiter – in der Senatsverwaltung für Finanzen mit Aufgaben des höheren allgemeinen Verwaltungsdienstes betraut
sei. Vorher sei er als Referent im Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen tätig gewesen.

5
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wies am 27. September 2011 die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
zurück. Ob sich ein Bewerber im Rahmen seines Bewerbungsverfahrensanspruchs auf die Verletzung von Art. 33 Abs. 4 GG berufen
könne, könne dahingestellt bleiben. Die Aufgaben des Leiters der Abteilung 4 des Finanzministeriums bestünden nur teilweise
in der Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Besetzung der Stelle eines Abteilungsleiters
mit dem Beigeladenen eine zulässige Ausnahme darstellte, sei nicht zu beanstanden. Es sei vom Organisationsermessen des Dienstherrn
gedeckt, wenn dieser bei vergleichbarer Verwaltungserfahrung auf die Laufbahnbefähigung verzichte. Das Merkmal der “vergleichbaren
Verwaltungserfahrung” sei nicht zu unbestimmt. Der Beigeladene werde den Anforderungen durch langjährige und gehobene Tätigkeiten
in unterschiedlichen Bereichen der Verwaltung gerecht. Die berufspraktische Ausbildung im Vorbereitungsdienst dürfe nicht
überschätzt werden. Einer Mitwirkung des Landespersonalausschusses bedürfe es für die Feststellung der vergleichbaren Verwaltungserfahrung
nicht. Dieser sei nur zuständig, wenn es um die Verleihung der Laufbahnbefähigung beziehungsweise die Ernennung zum Beamten
gehe.

II.
6
Mit der Verfassungsbeschwerde gegen den Bescheid des Finanzministeriums und die gerichtlichen Entscheidungen macht die Beschwerdeführerin
eine Verletzung ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs nach Art. 33 Abs. 2 GG geltend.

7
Die Besetzung des streitigen Dienstpostens mit dem Beigeladenen verstoße gegen den Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG.
Der Funktionsvorbehalt zähle zu den Eignungskriterien im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG, deren Verletzung der unterlegene Bewerber
rügen könne. Der fragliche Dienstposten sei schwerpunktmäßig von Hoheitsaufgaben geprägt und könne daher nicht mit einem Nichtbeamten
besetzt werden. Eine Ausnahme vom Funktionsvorbehalt bedürfe eines sachlichen Grundes, der hier fehle. Darüber hinaus habe
das Ministerium der Finanzen das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands nicht schriftlich niedergelegt, wie dies für die wesentlichen
Auswahlerwägungen geboten sei.

8
Dem Beigeladenen, der nicht über die Laufbahnbefähigung für die Laufbahn des höheren allgemeinen Verwaltungsdienstes verfüge,
fehle auch eine vergleichbare Verwaltungserfahrung. Das Kriterium der vergleichbaren Verwaltungserfahrung sei zu unbestimmt.
Die Ausschreibung hätte zumindest bestimmte Verwaltungsbereiche und Mindestzeiten festlegen müssen. Der Beigeladene weise
die erforderliche Bandbreite an Verwaltungstätigkeit nicht auf. Zudem könne es eine der Laufbahnbefähigung für den höheren
allgemeinen Verwaltungsdienst vergleichbare Verwaltungserfahrung gar nicht geben. Der Vorbereitungsdienst und die Laufbahnprüfung
hätten gerade den Zweck, den Beamtenanwärter durch umfassende Vermittlung von Kenntnissen und Einblicken auf die Laufbahn
des höheren Dienstes vorzubereiten. Vergleichbare Verwaltungserfahrung könne dies nicht ersetzen. Der Vergleich von Verwaltungserfahrung
mit den Anforderungen der Laufbahnbefähigung für den höheren Verwaltungsdienst hätte vom Landespersonalausschuss des Landes
Brandenburg vorgenommen werden müssen.

B.
9
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG
nicht erfüllt sind. Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist die Annahme zur Durchsetzung
der Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt.

I.
10
Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Ministeriums für Finanzen vom 10. Januar 2011 wendet, ist die Verfassungsbeschwerde
mangels Rechtswegerschöpfung unzulässig (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Die Beschwerdeführerin hat unmittelbar gegen die Auswahlentscheidung
bisher nur Widerspruch erhoben. Das von der Beschwerdeführerin betriebene verwaltungsgerichtliche Eilverfahren hat hinsichtlich
der Auswahlentscheidung nicht zu einer Rechtswegerschöpfung geführt. Gegenstand des Eilverfahrens war nicht die Auswahlentscheidung
selbst, sondern der Anspruch der Beschwerdeführerin auf vorläufige Sicherung ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs (vgl. BVerfGK
10, 474 ; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Mai 2011 – 2 BvR 764/11 -, NVwZ 2011, S. 1191).

II.
11
Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch die angegriffenen gerichtlichen
Entscheidungen richtet, ist sie jedenfalls unbegründet. Die angegriffenen Gerichtsentscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin
nicht in ihrem Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG.

12
1. a) Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu
jedem öffentlichen Amt. Danach sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Bestenauslesegrundsatzes zu besetzen. Die Geltung dieses
Grundsatzes wird durch Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet. Die Vorschrift dient zum einen dem öffentlichen
Interesse an der bestmöglichen Besetzung des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt Art. 33 Abs. 2 GG dem berechtigten Interesse
der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass er grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens-
und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Die von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen
können grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der
Bewerber betreffen (vgl. BVerfGK 12, 184 ; 12, 284 ; BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26.
November 2010 – 2 BvR 2435/10 -, NVwZ 2011, S. 746 ; vom 11. Mai 2011 – 2 BvR 764/11 -, NVwZ 2011, S. 1191). Mit den
Begriffen “Eignung, Befähigung und fachliche Leistung” eröffnet Art. 33 Abs. 2 GG bei Entscheidungen über Beförderungen einen
Beurteilungsspielraum des Dienstherrn. Dieser unterliegt schon von Verfassungs wegen einer nur begrenzten gerichtlichen Kontrolle
(vgl. BVerfGE 39, 334 ; 108, 282 ; zu dienstlichen Beurteilungen BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats
vom 29. Mai 2002 – 2 BvR 723/99 -, NVwZ 2002, S. 1368; vom 11. Mai 2011 – 2 BvR 764/11 -, NVwZ 2011, S. 1191). Art. 33 Abs.
2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verleiht Beamten in diesem Rahmen das Recht, eine dienstrechtliche Auswahlentscheidung
dahingehend überprüfen zu lassen, ob der Dienstherr ermessens- und beurteilungsfehlerfrei über ihre Bewerbung entschieden
hat (vgl. BVerfGE 39, 334 ; BVerfGK 1, 292 ; 10, 474 ). Als Voraussetzung für wirksamen Rechtsschutz folgt
aus Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG die Verpflichtung des Dienstherrn, die wesentlichen Auswahlerwägungen
schriftlich niederzulegen (vgl. BVerfGK 11, 398 ).

13
b) Über die Einrichtung und nähere Ausgestaltung von Dienstposten entscheidet der Dienstherr nach organisatorischen Bedürfnissen
und Möglichkeiten, ohne dass hierauf subjektive Rechte Einzelner bestünden. Es obliegt daher auch seinem organisatorischen
Ermessen, wie er einen Dienstposten zuschneiden will (vgl. BVerfGK 12, 265 ). Zum Organisationsermessen einer Behörde
gehört es, zu entscheiden, welche Aufgaben ihren einzelnen Untergliederungen zugewiesen werden und inwieweit damit die Besetzung
der dafür vorgesehenen Stellen dem Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG unterliegt, nach dem die Ausübung hoheitsrechtlicher
Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Beamten zu übertragen ist.

14
c) Bei der Bewerberauswahl hat der Dienstherr die gesetzlichen Vorgaben – und damit insbesondere den Grundsatz der Bestenauslese
– zu berücksichtigen und darf sich nicht von sachwidrigen Erwägungen leiten lassen (vgl. BVerfGK 12, 265 ). Soweit objektive
Rechtsnormen maßgebend für die Eignung des ausgewählten Konkurrenten sind, ist deren Einhaltung im Rahmen des Anspruchs auf
eine fehlerfreie Entscheidung über die Bewerbung aus Art. 33 Abs. 2 GG inzident zu prüfen (vgl. BVerfGK 12, 265 ).
Der Bewerbungsverfahrensanspruch beschränkt sich dabei auf das Auswahlverfahren und die Auswahlentscheidung. Er endet grundsätzlich
mit der Auswahlentscheidung und erstreckt sich nicht auch auf den Status, der dem ausgewählten Bewerber bei Übertragung des
Dienstpostens zuerkannt wird.

15
d) Die Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung können vom Dienstherrn in Bezug auf den Aufgabenbereich eines
konkreten Amtes durch die Festlegung eines Anforderungsprofils bereits im Vorfeld der Auswahlentscheidung konkretisiert werden
(BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. November 2010 – 2 BvR 2435/10 -, NVwZ 2011, S. 746 ). Inwieweit
dem Dienstherrn im Rahmen seiner Organisationsgewalt bei der Festlegung des Anforderungsprofils ein mehr oder weniger großer
Einschätzungsspielraum zuzugestehen ist, lässt sich nicht abstrakt formulieren, sondern ist bereichsspezifisch anhand des
jeweiligen Fachrechts unter Berücksichtigung grundgesetzlicher Vorgaben näher zu bestimmen (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer
des Zweiten Senats vom 26. November 2010 – 2 BvR 2435/10 -, NVwZ 2011, S. 746 ). Fehler im Anforderungsprofil führen
grundsätzlich auch zur Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens, weil die Auswahlerwägungen dann auf sachfremden, nicht am Leistungsgrundsatz
orientierten Gesichtspunkten beruhen (BVerfGK 12, 184 ; 12, 265 ; 12, 284 ; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer
des Zweiten Senats vom 26. November 2010 – 2 BvR 2435/10 -, NVwZ 2011, S. 746 ). Im Übrigen unterliegt es nur eingeschränkter
gerichtlicher Kontrolle, welchen der zur Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu rechnenden Umständen der Dienstherr
im Rahmen seines Auswahlermessens das größere Gewicht beimisst (vgl. BVerfGK 12, 106 ; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer
des Zweiten Senats vom 26. November 2010 – 2 BvR 2435/10 -, NVwZ 2011, S. 746 ).

16
e) Bei der Überprüfung einer Auswahlentscheidung kann der Beamte sowohl geltend machen, selbst in rechtswidriger Weise benachteiligt
worden zu sein, als auch eine auf sachfremden Erwägungen beruhende unzulässige Bevorzugung des ausgewählten Konkurrenten rügen.
Der Fehler kann daher sowohl in der Qualifikationsbeurteilung des Beamten als auch in derjenigen des erfolgreichen Bewerbers
oder im Leistungsvergleich zwischen den Bewerbern liegen. Ein derartiger Fehler liegt auch dann vor, wenn dem ausgewählten
Mitbewerber bereits die Eignung für die zu besetzende Stelle fehlt. Denn die in der Auswahl liegende Feststellung, dass der
Mitbewerber für die Wahrnehmung der Stelle geeignet ist – und zwar besser als der Konkurrent -, trifft dann nicht zu. In diesem
Fall ist die Auswahlentscheidung nicht auf Grundlage der in Art. 33 Abs. 2 GG vorgegebenen Maßstäbe erfolgt und damit fehlerhaft.
Die Auswahl eines Bewerbers, der die Mindestqualifikation für die in Rede stehende Stelle nicht besitzt, verletzt daher den
unterlegenen Bewerber in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch (BVerfGK 12, 265 ).

17
2. Gemessen an diesem Maßstab sind die angegriffenen Gerichtsentscheidungen nicht zu beanstanden. Sie haben die Anforderungen
des Art. 33 Abs. 2 GG weder außer Acht gelassen noch ihren Inhalt verkannt.

18
a) Die fachgerichtlichen Entscheidungen mussten nicht eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs der Beschwerdeführerin
daraus herleiten, dass sich die Stellenausschreibung an Beamte und Beschäftigte richtete und mit dem Beigeladenen ein Angestellter
für die Stelle ausgewählt wurde.

19
aa) Dass sich die Ausschreibung an Beamte und Beschäftigte richtete, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ohne dass
hierzu eine grundsätzliche Rechtspflicht bestünde, dient die Öffnung des Auswahlverfahrens auch für Angestellte der Mobilisierung
eines umfassenden Bewerberfelds und damit dem Grundsatz der Bestenauslese. Diese Öffnung steht nicht in Konflikt mit dem Strukturprinzip
des Art. 33 Abs. 4 GG, wonach die ständige Ausübung hoheitlicher Befugnisse nicht in größerem Umfang auf Nichtbeamte übertragen
werden darf (BVerfGE 9, 268 ). Eine solche Ausschreibung schließt vielmehr noch nicht aus, dass dem ausgewählten Bewerber,
sofern er Angestellter ist, die Funktion unter Berufung in das Beamtenverhältnis übertragen wird.

20
bb) Auch, dass mit dem Beigeladenen konkret ein Angestellter ausgewählt wurde, haben die Fachgerichte nicht beanstanden müssen.
Die Angestellten- oder Beamteneigenschaft ist auch unter dem Blickwinkel des Art. 33 Abs. 4 GG grundsätzlich kein Gesichtspunkt,
der unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betrifft (vgl. auch Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2007 – VfGBbg 11/07 EA -, NVwZ 2008, S. 210; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom
1. Juni 2007 – OVG 4 S 4.07 -, juris, Rn. 7 f.; anders OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Januar 2011 – 1 M
159/10 -, LKV 2011, S. 178 ; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Mai 2008 – 1 B 1786/07 -, juris,
Rn. 50 ff.). Für den Fall, dass der Dienstposten die ständige Ausübung hoheitlicher Befugnisse beinhaltet und keine Ausnahme
vom Regelvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG gegeben sein sollte, obliegt es dem Dienstherrn, eine Verbeamtung des ausgewählten
Bewerbers vorzunehmen. Hierauf bezieht sich der Bewerbungsverfahrensanspruch der Beschwerdeführerin nicht mehr. Dass eine
Verbeamtung beim Beigeladenen von vornherein ausschiede, ist weder mit der Verfassungsbeschwerde vorgetragen noch ansonsten
ersichtlich.

21
b) Nach dem oben dargelegten Maßstab stellt es weiterhin keinen Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG dar, wenn die Fachgerichte
nicht beanstandet haben, dass der Dienstherr in seinem Anforderungsprofil die Befähigung für die Laufbahn des höheren allgemeinen
Verwaltungsdienstes oder vergleichbare Verwaltungserfahrung auf der Grundlage einer abgeschlossenen wissenschaftlichen, insbesondere
juristischen oder wirtschaftswissenschaftlichen Hochschulausbildung forderte. Die Fachgerichte durften annehmen, dass sich
die Fassung des Anforderungsprofils in den Grenzen des Organisationsermessens und des Einschätzungsspielraums des Dienstherrn
hält. Dem Grundsatz der Bestenauslese entspricht es, wenn das Anforderungsprofil nicht nur starr auf die Laufbahnbefähigung
abstellt, sondern Alternativen in den Blick nimmt. In Anbetracht des Einschätzungsspielraums des Dienstherrn ist das Merkmal
der vergleichbaren Verwaltungserfahrung auch nicht zu unbestimmt, zumal die mit dem Adjektiv “vergleichbar” in Bezug genommene
Laufbahnbefähigung für den höheren allgemeinen Verwaltungsdienst Anknüpfungspunkte für eine Konkretisierung schafft. Die Fachgerichte
mussten auch nicht von Verfassungs wegen davon ausgehen, dass es eine der Laufbahnbefähigung vergleichbare Verwaltungserfahrung
nicht geben könne. Die fachgerichtlichen Ausführungen dazu, dass Berufserfahrung durch langjährige und gehobene Tätigkeiten
in der Verwaltung mit den im Vorbereitungsdienst vermittelten berufspraktischen Fähigkeiten vergleichbar sein können, sind
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

22
c) Soweit die Beschwerdeführerin rügt, dass die Verwaltungstätigkeiten des Beigeladenen keine “vergleichbare Verwaltungserfahrung”
ergäben, verkennt sie den begrenzten Kontrollauftrag des Bundesverfassungsgerichts. Die Würdigung eines Sachverhalts ist primär
Sache des Dienstherrn und allenfalls durch die Fachgerichte überprüfbar (stRspr; vgl. BVerfGE 18, 85 ; 68, 361 ).
Auch diese trifft wegen des Einschätzungsspielraums des Dienstherrn nur eine eingeschränkte Prüfungspflicht. Die Ausführungen
der Verwaltungsgerichte, der Beigeladene werde den Anforderungen durch langjährige und gehobene Tätigkeiten in unterschiedlichen
Bereichen der Verwaltung gerecht, stellt die Verfassungsbeschwerde vor diesem Hintergrund nicht substantiiert in Frage.

23
d) Weshalb eine einfachrechtlich nicht vorgesehene Mitentscheidung des Landespersonalausschusses beim Eignungsvergleich der
Bewerber verfassungsrechtlich geboten sein sollte, erschließt sich nicht.

24
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Befristeter Arbeitsvertrag – Regelungen und Ansprüche

Dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit einem befristeten Vertrag eingestellt werden, ist längst keine Seltenheit mehr. Häufig taucht der Arbeitsvertrag auf Zeit bei jungen Mitarbeitenden auf. Über die wichtigsten Regelungen und Ansprüche informieren wir Sie.
Mehr lesen