Aktenzeichen 2 BvR 1979/08
§ 40 Abs 1 BBesG
§ 18 Abs 1 Nr 2 BVerfGG
§ 19 Abs 1 BVerfGG
§ 23 Abs 1 S 2 BVerfGG
§ 92 BVerfGG
§ 93 Abs 1 S 1 BVerfGG
§ 152a Abs 2 S 6 VwGO
Verfahrensgang
vorgehend BVerwG, 20. August 2008, Az: 2 C 14.08, Beschlussvorgehend BVerwG, 15. November 2007, Az: 2 C 33.06, Urteilvorgehend VG Frankfurt, 13. November 2006, Az: 9 E 3777/06 (V), Urteil
Tenor
Das Ablehnungsgesuch wird als unzulässig verworfen.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
A.
1
                            Der seit 2002 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebende Beschwerdeführer – ein Studienrat – wendet sich gegen behördliche
      und gerichtliche Entscheidungen, die seinem Antrag auf rückwirkende Gleichbehandlung mit verheirateten Beamten hinsichtlich
      des Familienzuschlages der Stufe 1 gemäß § 40 Abs. 1 Nummer 1 Bundesbesoldungsgesetz – BBesG – nicht entsprochen haben.
   
I.
2
                            Nachdem das Bundesverwaltungsgericht die Sprungrevision gegen das klageabweisende Urteil erster Instanz mit Urteil vom 15.
      November 2007 – 2 C 33.06 – (NJW 2008, S. 868) zurückgewiesen hatte, erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge, zu deren Begründung
      er vortrug, das Bundesverwaltungsgericht habe sich mit einzelnen Teilen seiner rechtlichen Argumentation nicht in einer dem
      Anspruch auf rechtliches Gehör genügenden Weise auseinandergesetzt.
   
3
                            Das Bundesverwaltungsgericht verwarf die Anhörungsrüge mit Beschluss vom 20. August 2008 – 2 C 14.08 – als unzulässig. Die
      Begründung der Anhörungsrüge ergebe nicht, dass der Senat entscheidungserhebliches Vorbringen des Beschwerdeführers nicht
      zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen habe.
   
II.
4
                            Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz vom 24. September 2008 gegen alle ergangenen behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen
      Verfassungsbeschwerde erhoben, mit der er unter anderem eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch die beiden Entscheidungen
      des Bundesverwaltungsgerichts rügt und die Richter Di Fabio und Landau als befangen ablehnt, weil diese bei ihrer Mitwirkung
      an den Beschlüssen der für das öffentliche Dienstrecht zuständigen Kammer des Zweiten Senats vom 20. September 2007 – 2 BvR
      855/06 – (BVerfGK 12, 169), vom 8. November 2007 – 2 BvR 2526/06 – (juris) sowie vom 6. Mai 2008 – 2 BvR 1830/06 – (BVerfGK
      13, 501) gegen Verfassungsprozessrecht und materielles Verfassungsrecht verstoßen hätten.
   
B.
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                            Das gegen den Richter Di Fabio gerichtete Ablehnungsgesuch bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung, weil dieser
      nicht Mitglied der zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde berufenen Kammer ist. Das Ablehnungsgesuch gegen den Richter
      Landau ist unzulässig.
   
I.
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                            Ein Ablehnungsgesuch, das keine Begründung oder lediglich Ausführungen enthält, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit
      gänzlich ungeeignet sind, ist unzulässig. Bei offensichtlicher Unzulässigkeit bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme
      des abgelehnten Richters; dieser ist auch bei der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch nicht
      ausgeschlossen (vgl. BVerfGK 8, 59 ).
   
II.
7
                            So liegt der Fall hier. Der Beschwerdeführer hat seinen Ablehnungsantrag gegenüber dem Richter Landau ausschließlich mit dessen
      Mitwirkung an drei Beschlüssen der für das öffentliche Dienstrecht zuständigen Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts
      begründet, in denen jeweils die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft beim Familienzuschlag der
      Stufe 1 für verfassungsgemäß erachtet wurde. Diese Begründung ist offensichtlich ungeeignet, einen Ausschluss des abgelehnten
      Richters zu rechtfertigen (vgl. auch BVerfGK 8, 59 ).
   
8
                            Eine Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 19 BVerfGG kann allein aus einer richterlichen Vorbefassung mit einer im anhängigen
      Verfahren entscheidungserheblichen Rechtsfrage nicht begründet werden (vgl. BVerfGK 8, 59 ). Insoweit bestimmt § 18 Abs.
      1 Nr. 2 BVerfGG abschließend, dass die richterliche Vorbefassung mit einer Sache nur dann zum Ausschluss führt, wenn sie in
      einem früheren Rechtszug erfolgt ist und eine Mitwirkung an der angefochtenen Entscheidung zum Inhalt hatte (vgl. BVerfGK
      3, 36 ). Nicht ausgeschlossen ist ein Richter, der sich bereits früher – in anderen Verfahren – zu einer entscheidungserheblichen
      Rechtsfrage in bestimmter Weise geäußert hat. Selbst wenn er eine bestimmte Rechtsprechung ständig vertritt, ist er in einem
      Verfahren nicht ausgeschlossen, das gerade auf die Änderung dieser Rechtsprechung abzielt (vgl. BVerfGE 78, 331 ).
   
C.
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                            Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG
      nicht erfüllt sind. Soweit sie sich gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. November 2007 sowie die vorausgegangenen
      Entscheidungen wendet, ist sie entgegen § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des – den
      Rechtszug abschließenden – Urteils des Bundesverwaltungsgerichts erhoben worden. Die Erhebung der Anhörungsrüge konnte die
      Verfassungsbeschwerdefrist nicht offen halten, weil die vom Beschwerdeführer erhobene Anhörungsrüge offensichtlich aussichtslos
      war (vgl. unten I.). Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts über die Anhörungsrüge
      vom 20. August 2008 wendet, ist die Verfassungsbeschwerde mangels einer hinreichenden Substantiierung einer Grundrechtsverletzung
      unzulässig (vgl. unten II.).
   
I.
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                            1. Verlangt der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (vgl. § 90 Abs. 2 BVerfGG) die Einlegung einer Anhörungsrüge,
      so beginnt der Lauf der Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung
      über die Anhörungsrüge. Etwas anderes gilt jedoch im Fall der Einlegung einer für den Beschwerdeführer erkennbar offensichtlich
      unzulässigen (vgl. BVerfGK 11, 203 ; 13, 496 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. Juni
      2009 – 1 BvR 893/09 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 2010 – 2 BvR 2253/06 -, juris,
      Rn. 23; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. April 2011 – 2 BvR 597/11 -, juris, Rn. 4 f.) oder offensichtlich
      aussichtslosen (vgl. BVerfGK 7, 115 ; 13, 472 ; 13, 480 ; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats
      vom 26. August 2008 – 2 BvR 1516/08 -, juris, Rn. 1; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. August 2010 – 2 BvR
      619/10 -, juris, Rn. 1; Beschluss der 1. Kammer des Erstens Senats vom 8. März 2011 – 1 BvR 2063/10 -, juris) Anhörungsrüge.
      Denn der Beschwerdeführer soll sich nicht durch einen offensichtlich unzulässigen oder offensichtlich aussichtlosen Rechtsbehelf
      die Möglichkeit zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde offen halten können. Offensichtlich unzulässig oder aussichtslos
      ist ein Rechtsbehelf, über dessen Unzulässigkeit oder Aussichtslosigkeit der Beschwerdeführer bei seiner Einlegung nach dem
      Stand der Rechtsprechung und Lehre nicht im Ungewissen sein konnte (vgl. BVerfGE 5, 17 ; 16, 1 ; 19, 323 ;
      91, 93 ).
   
11
                            2. Gemessen hieran konnte die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers die Verfassungsbeschwerdefrist nicht offenhalten. Der Beschwerdeführer
      konnte über die Aussichtslosigkeit seiner Anhörungsrüge nicht im Ungewissen sein. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem
      die Anhörungsrüge als unzulässig verwerfenden Beschluss vom 20. August 2008 zutreffend festgestellt hat, fehlte es schon an
      der für die Zulässigkeit einer Anhörungsrüge erforderlichen Darlegung einer entscheidungserheblichen Verletzung des Gehörsanspruchs
      (vgl. § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO).
   
12
                            Zwar umfasst die Garantie des rechtlichen Gehörs nicht nur die Berücksichtigung des tatsächlichen Vorbringens der Prozessbeteiligten,
      sondern auch die Berücksichtigung ihrer rechtlichen Erwägungen (vgl. BVerfGE 55, 1 ; 60, 175 ; 64, 135 ; 86,
      133 ). Eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG kann somit auch darin liegen, dass eine für den Prozessausgang wesentliche
      rechtliche Erwägung einer Prozesspartei überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden
      ist (vgl. BVerfGE 65, 293 ; 70, 288 ; 86, 133 ). Allerdings muss sich im Einzelfall klar ergeben, dass das
      Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene
      Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen
      der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfGE 42, 364 ; 86, 133 ).
      Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt danach nur dann vor, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass
      das Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht
      erwogen worden ist (BVerfGE 47, 182 ; 70, 288 ; 86, 133 ). Besondere Umstände liegen etwa vor, wenn das
      Gericht auf den wesentlichen Kern des Vortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung
      ist, nicht eingeht, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert
      war (vgl. BVerfGE 86, 133 ; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 10. Februar 2009 – 1 BvR 1232/07 -,
      juris, Rn. 36; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 15. Oktober 2009 – 1 BvR 3474/08 -, juris, Rn. 61).
   
13
                            Das Vorliegen solcher besonderen Umstände hat der Beschwerdeführer nicht einmal ansatzweise dargelegt. Mit den Ausführungen
      des Beschwerdeführers zur Herleitung seines Anspruchs aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz musste sich das Bundesverwaltungsgericht
      in Anbetracht der von ihm angenommenen Nichtanwendbarkeit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes offensichtlich nicht befassen.
      Ebenfalls offenkundig ohne Relevanz für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht über die Rechtfertigung der Besserstellung
      der Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG war der Hinweis des Beschwerdeführers darauf, dass Art. 6 Abs. 1 GG ausweislich des Urteils
      des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 2002 (BVerfGE 105, 313 ) keine verfassungsrechtliche Pflicht
      zur Besserstellung der Ehe enthält. Soweit der Beschwerdeführer schließlich beklagte, das Bundesverwaltungsgericht habe sich
      nicht mit seiner Ansicht auseinandergesetzt, es komme für das Vorliegen einer mittelbaren Ungleichbehandlung im Sinne der
      Richtlinie 2000/78/EG nicht auf die rechtlichen Unterschiede zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft an, so beanstandete er der
      Sache nach lediglich, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem (verschiedene Unterschiede zwischen den Familienständen
      aufzeigenden) Urteil seinem rechtlichen Standpunkt nicht gefolgt war.
   
II.
14
                            Hinsichtlich des fristgerecht angegriffenen Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. August 2008 über die Anhörungsrüge
      wird die Verfassungsbeschwerde dem Begründungserfordernis aus § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG nicht gerecht, wonach
      der Beschwerdeführer substantiiert darlegen muss, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme
      kollidiert und die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung deutlich zu machen ist (vgl. BVerfGE 108, 370 ). Dies ist
      hier nicht geschehen, nachdem der Beschwerdeführer zur Begründung der geltend gemachten Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches
      Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG lediglich seinen Vortrag im Anhörungsrügeverfahren wiederholt hat.
   
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                            Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
   




