Arbeitsrecht

Örtlich zuständiges Gericht für Klage aus Beamtenverhältnis in der Elternzeit

Aktenzeichen  B 5 K 15.887

Datum:
19.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 52 Nr. 4, § 83 S.1
BayBesG BayBesG Art. 17 Abs. 1
BBesG BBesG § 15
BGB BGB § 7
BBG BBG § 92 Abs. 1
GVG GVG § 17a

 

Leitsatz

1. Auch in der Elternzeit ist der dienstliche Wohnsitz für die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts maßgebend. (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Sachverhalt bei einem Ruhestandsbeamten, einem Beamten in der Freistellungsphase oder einem auf unabsehbare Zeit beurlaubten Beamten unterscheidet sich von dem der Elternzeit, die lediglich vorübergehenden Charakter hat. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach.
2. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen ihre dienstliche Beurteilung zum Stichtag 31. Dezember 2014.
1. Die Klägerin steht als Lehrerin im Dienst des Beklagten und wurde zum 1. August 2012 in den Schulamtsbezirk … an die Grundschule B. versetzt. Zum 1. August 2013 wurde sie der A.-Grundschule in H. zugewiesen. Die angefochtene periodische Beurteilung des Jahres 2014 (Beurteilungszeitraum 14.3.2012-31.12.2014) wurde vom Staatlichen Schulamt im Landkreis … erstellt. Am 15. Mai 2015 hat die Klägerin eine Tochter geboren. Mit Bescheid vom 13. Juli 2015 gewährte ihr die Regierung von Mittelfranken antragsgemäß Elternzeit vom 11. Juli 2015 bis einschließlich 31. Juli 2016 zur Betreuung ihres Kindes. Der private Wohnsitz der Klägerin befindet sich in Bamberg.
2. Mit Schriftsatz vom 27. November 2015, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 30. November 2015 eingegangen, ließ die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten Klage gegen die dienstliche Beurteilung 2014 erheben. Hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit führten die Prozessbevollmächtigten aus, „dass sich die Klägerin derzeit in Elternzeit befindet und beurlaubt ist“. Mit gerichtlichem Schreiben vom 1. Dezember 2015 erhielten die Beteiligten Gelegenheit, sich zur Frage der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts zu äußern. Für den Beklagten teilte die Regierung von Mittelfranken unter Vorlage der Personalakte mit, dass ihres Erachtens der dienstliche Wohnsitz ungeachtet der Elternzeit der Klägerin bei der Regierung von Mittelfranken verbleibe. Diese sei auch weiterhin personalverwaltende Stelle. Der Klägerbevollmächtigte nahm mit Schreiben vom 21. Dezember 2015 sowie telefonisch zur örtlichen Zuständigkeit Stellung.
II.
Die Streitsache ist gemäß § 83 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) nach Anhörung der Beteiligten an das gemäß § 52 Nr. 4 VwGO i. V. m. Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO) örtlich zuständige Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach zu verweisen.
1. Nach § 52 Abs. 4 Satz 1 VwGO ist für Klagen aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamtenverhältnis grundsätzlich das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Hat der Kläger keinen dienstlichen Wohnsitz oder keinen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der handelnden Behörde, so ist gemäß Satz 2 das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Behörde ihren Sitz hat. Maßgebend für die Zuständigkeit sind die Umstände im Zeitpunkt der Klageerhebung (vgl. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 52 Rn. 7). Dienstlicher Wohnsitz ist gemäß Art. 17 Abs. 1 des Bayerischen Besoldungsgesetzes (BayBesG) der Ort, an dem die Behörde oder ständige Dienststelle des Beamten ihren Sitz hat. Dienststelle im Sinn dieser Vorschrift bzw. der Parallelnorm des § 15 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) ist die den Dienstposten des Beamten einschließende kleinste organisatorisch abgrenzbare Verwaltungseinheit, der ein örtlich und sachlich bestimmtes (Teil-)Aufgabengebiet zugewiesen ist (Kraft, in: Eyermann, a. a. O., § 52 Rn. 32 m. w. N.). Besteht kein dienstlicher Wohnsitz, ist auf den Wohnsitz im Sinn der §§ 7 bis 11 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), also auf den bürgerlichen Wohnsitz abzustellen.
2. Hieran gemessen ist das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach für den Rechtsstreit örtlich zuständig. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
a) Die Klägerin hat nach wie vor bzw. weiterhin ihren dienstlichen Wohnsitz im Regierungsbezirk Mittelfranken. Der Umstand, dass sie sich zum Zeitpunkt der Klageerhebung in Elternzeit gemäß §§ 12 ff. der Verordnung über den Urlaub der bayerischen Beamten und Richter (Urlaubsverordnung – UrlV) befunden hat, vermag daran nichts zu ändern. Nach der Gesamtschau der Regelungen über die Elternzeit ist das „dienstliche Band“ zwischen der Klägerin und ihrer Dienststelle nicht so weit gelockert, dass dies zu einem Entfallen des dienstlichen Wohnsitzes führen könnte. Die Regierung von Mittelfranken, die weiterhin personalverwaltende Stelle ist, hat der Klägerin antragsgemäß Elternzeit für die Dauer von einem Jahr gewährt. Der Anspruch auf Elternzeit ist nach § 12 Abs. 3 Satz 1 UrlV auf die Zeit bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes beschränkt; er unterliegt vielfältigen Gestaltungs- und Abänderungsmöglichkeiten. Anhaltspunkte für mögliche Auswirkungen der – den dienstlichen Status unberührt lassenden – Elternzeit auf die Bestimmung des dienstlichen Wohnsitzes bestehen nicht. Mit Blick auf den vorübergehenden Charakter der Elternzeit scheidet trotz der gesetzgeberischen Wertung, dass der Kläger seine Klage an einem leicht erreichbaren Gericht anbringen können soll (vgl. BT-Drs. 3/1094, S. 6), ein Rückgriff auf den im Regierungsbezirk Oberfranken gelegenen bürgerlichen Wohnsitz der Klägerin als Anknüpfungspunkt für den Gerichtsstand aus. Insofern unterscheidet sich der Sachverhalt von denjenigen Fällen, in denen Kläger als Ruhestandsbeamte (vgl. etwa BayVGH, B. v. 24.6.2015 – 3 S 15.1102 – juris) oder als Beamte in der Freistellungsphase der Altersteilzeit (VG München, B. v. 6.3.2005 – M 12 K 05.497 – BayVBl 2006, 94) auf Dauer oder als beurlaubte Beamte zumindest auf unabsehbare Zeit (so VG Stuttgart, U. v. 10.8.2011 – DB 23 K 1060/11 – juris zur familienbedingten Beurlaubung nach § 92 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes – BBG) keinen Dienst mehr leisten.
b) Selbst wenn man mit der Klägerseite davon ausgehen sollte, dass die Klägerin aufgrund ihrer Elternzeit nicht über einen dienstlichen Wohnsitz im Sinn des § 52 Abs. 4 Satz 1 VwGO verfügt, würde dies wegen der Sonderzuweisung nach Satz 2 dieser Vorschrift nichts an der Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach ändern. Aus dieser Regelung folgt, dass – ungeachtet der jeweiligen Klageart (vgl. Kraft, in: Eyermann, a. a. O., § 52 Rn. 34) – der dienstliche oder der bürgerliche Wohnsitz eines Beamten zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nur dann maßgebend ist, wenn er innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde liegt. Da die Klägerin ihren bürgerlichen Wohnsitz in Oberfranken hat, wäre – das Nichtvorliegen eines dienstlichen Wohnsitzes unterstellt – auch insoweit die Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach als Gericht des Behördensitzes begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 83 VwGO i. V. m. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 83 Satz 2 VwGO unanfechtbar.

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