Arbeitsrecht

Ordentliche verhaltensbedingte Kündigung (Herabwürdigung und Diskreditierung Vorgesetzter, behauptetes Mobbing); Entscheidung nach Aktenlage; Beteiligung des Betriebsrates

Aktenzeichen  4 Sa 131/16

Datum:
11.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 14911
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1, § 9 Abs. 1 S. 2
ZPO § 331a
BetrVG § 102 Abs. 1

 

Leitsatz

Nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG ist eine Kündigung nicht nur dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat vorher angehört zu haben, sondern auch dann, wenn er seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachgekommen ist. (Rn. 176) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 AZR 217/15 2015-11-19 Urt BAG BAG Erfurt

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 06.11.2013, Az.: 2 Ca 5556/13, abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufungen sind zulässig.
Sie sind statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2b, und c ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.
Beide Berufungen setzen sich in ausreichendem Umfang mit den Entscheidungsgründen des Ersturteils auseinander.
Dies hat das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 19.11.2015 bestätigt (Rdz. 21, 22).
II.
Die Berufung der Beklagten erweist sich als sachlich begründet, denn ihre Kündigung vom 24.04.2009 hat das Arbeitsverhältnis der Klägerin rechtswirksam zum 30.06.2009 beendet. Wegen der wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht kein Anspruch der Klägerin auf ihre tatsächliche Weiterbeschäftigung und die Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Aus diesem Grund bleibt die Berufung der Klägerin erfolglos.
Über die von der Beklagten im Verhandlungstermin am 14.12.2018 gestellten Sachanträge ist von der Kammer nach Aktenlage zu entscheiden, § 331a ZPO.
1. Die Sachurteilsvoraussetzungen für eine Entscheidung nach Aktenlage liegen vor, denn es bedurfte keiner Vertagung der mündlichen Verhandlung am 14.12.2018 und infolge des Nichtverhandelns der Klagepartei im Termin vom 14.12.2018 sind die gesetzlichen Voraussetzungen für eine gerichtliche Entscheidung nach § 331a ZPO gegeben.
a) Dem Vertagungsgesuch der Klagepartei vom 14.12.2018 war nicht zu entsprechen, weil ein erheblicher Grund i.S.v. § 227 Abs. 1 ZPO nicht festgestellt werden konnte.
Alleine die kurzfristig dem Gericht gegenüber erklärte Mandatskündigung ist hierfür nicht geeignet, denn die Vollmacht des im Termin erschienenen bisherigen Prozessbevollmächtigten erlischt gem. § 87 Abs. 1 ZPO im Anwaltsprozess erst mit der Anzeige eines anderen Anwalts.
Hinzu kommt, dass das im Gesuch der Klägerin behauptete Zerwürfnis und die darauf beruhende Unzumutbarkeit einer weiteren Zusammenarbeit jeglicher Tatsachengrundlage entbehrten und erkennbar dem Ziel dienen sollten, eine gerichtliche Sachbehandlung im dem Verhandlungstermin zu verhindern. Diesem Ziel dienten bereits die Besetzungsrüge vom 02.05.2018 und der Befangenheitsantrag vom selben Tag, der auf einen seit Zustellung des Berufungsurteils am 07.04.2015 (!) bekannten Umstand gestützt worden ist.
Ausweislich der dienstlichen Stellungnahme der in der Geschäftsstelle eingesetzten Beamtin, hatte die Klägerin in einem von ihr geführten Telefonat am Vortag angegeben, an diesem Tag mit ihrem anreisenden Prozessbevollmächtigten telefonischen Kontakt gehabt zu haben. Dass dieser sich einen Tag später im Verhandlungstermin am 14.12.2018 hieran nicht mehr zu erinnern vermochte, hat nicht nur das Gericht verwundert. Dem ist sogar die Klägerin entgegengetreten und hat sich ausdrücklich auf ein mit ihm geführtes Telefonat um 12.00 Uhr des Vortages berufen (siehe Sitzungsprotokoll, Bl. 2386 d.A.).
Dies zeigt zur Überzeugung der erkennenden Kammer, dass die zur Stützung des Vertagungsgesuchs behaupteten Umstände nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen und nur vorgetäuscht wurden, um eine Sachentscheidung des Gerichts zu verhindern.
b) Im Verhandlungstermin, zu dem beide Parteien ordnungsgemäß geladen worden waren und auch erschienen sind, hat die Klagepartei nach Stellung ihres Verlegungsgesuches den Sitzungssaal verlassen. Sie hat ihre in der Berufungsinstanz bereits im Termin am 25.06.2014 gestellten Sachanträge nach der Zurückverweisung des Rechtsstreits und dem eingetretenen Wechsel bei den ehrenamtlichen Richtern nicht wiederholt und nicht zur Sache verhandelt.
Der im Verhandlungstermin am 14.12.2018 gestellte Vertagungsantrag genügt im Rahmen des § 333 ZPO hierfür nicht (vgl. Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 333 Rdz. 2).
Frühere Verhandlungen haben gem. § 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO in der Berufungsinstanz bereits stattgefunden, denn dem gesetzlichen Erfordernis wird auch durch einen Verhandlungstermin vor der erfolgten Zurückverweisung der Sache Rechnung getragen. Nach Zurückverweisung i.R.d. § 563 ZPO bilden die frühere und die neue Verhandlung eine Einheit (vgl. Zöller, aaO, § 563 Rdz. 2).
Bisher durchgeführte Beweisaufnahmen müssen deshalb nicht wiederholt zu werden. Dies gilt gem. § 355 ZPO auch bei einem zwischenzeitlich eingetretenen Richterwechsel, sofern sich die Bewertung früherer Zeugenaussagen und eines eingenommenen Augenscheins auch aus den erstellten Sitzungsniederschriften entnehmen lassen (vgl. Zöller, aaO, § 355 Rdz. 6).
Im vorliegenden Fall sind die beiden ausgeschiedenen ehrenamtlichen Richter durch die nach dem Geschäftsverteilungsplan zu berufenden ersetzt worden.
Die gem. § 309 ZPO zur Sachentscheidung berufenen Richter des Verhandlungstermins vom 14.12.2018 haben sich aufgrund des Inhalts der Sitzungsprotokolle vom 09.07.2014 und 07.08.2014 (Bl. 1431 ff, 1516 ff d.A.), des Beschlusses vom 06.11.2014 (Bl. 1678 ff d.A.) und der Anlage B 14 (Bl. 1206 d.A.) in der Lage gesehen, ohne erneute Durchführung der Beweisaufnahme die protokollierten Zeugenaussagen und den gerichtlichen Augenschein abschließend zu würdigen.
2. Nach den insoweit bindenden Feststellungen des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 19.11.2015 (Rdz. 27 – 34) hat die Beklagte durch ihr Schreiben vom 03.04.2009 hinsichtlich der beanstandeten Äußerungen der Klägerin nicht auf ein etwaiges Recht zur Kündigung verzichtet oder für eine kündigungsrechtlich relevante Unklarheit gesorgt, vgl. § 563 Abs. 2 ZPO.
Aus dem Schreiben werde vielmehr erkennbar, dass sie eine kündigungsrechtliche Bewertung der Vorgänge bis zum Eingang einer Stellungnahme der Klägerin lediglich zurückgestellt habe. Die Beklagte habe zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Basis für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erst wieder sehe, wenn sich die Klägerin innerhalb einer Frist bis zum 17. April 2009 von ihren Äußerungen distanziere und sich bei den betroffenen Mitarbeitern entschuldige.
Das Schreiben sei weder als Abmahnung bezeichnet noch als solche formuliert. Die Aufforderung zur Stellungnahme diene erkennbar dazu, der Klägerin vor einer abschließenden Bewertung Gelegenheit zu einer Entschuldigung und damit zur Abmilderung der Vorwürfe zu geben.
Auch die widerrufliche Freistellung sei lediglich „bis zur endgültigen Klärung des Vorganges“ erfolgt und ließ sich nicht als abschließende Reaktion auf das beanstandete Verhalten verstehen.
3. Die Kündigung der Beklagten vom 24.04.2009 zum 30.06.2009 ist sozial gerechtfertigt gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, denn die Klägerin hat durch ihr Verhalten die Basis für eine weitere Zusammenarbeit zerstört.
Sie hat in ihren E-Mails vom 21.09.2008, 05.02.2009 und 30.03.2009 ihren unmittelbaren Vorgesetzten und die gesamte Führung des Unternehmens in einem Maße herabgewürdigt und diskreditiert und damit ihre Rücksichtnahmepflichten so gravierend verletzt, dass der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Es standen auch keine milderen Mittel zur Verfügung, um eine den Betriebszwecken dienende weitere Zusammenarbeit zu ermöglichen. Im Rahmen der Interessenabwägung sprachen keine ausreichenden Umstände dafür, dass der Klägerin trotz ihrer Störungen der betrieblichen Zusammenarbeit eine Weiterarbeit ermöglicht werden müsste.
a) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrages zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebes nach Treu und Glauben verlangt werden kann (so BAG vom 08.05.2014 – 2 AZR 249/13 – NZA 2014, 1258; m.w.N.).
Droht der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mit einem empfindlichen Übel, um die Erfüllung eigener streitiger Forderungen zu erreichen, kann darin – je nach den Umständen des Einzelfalls – ein erheblicher, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigender Verstoß gegen seine Pflicht zur Wahrung von dessen Interessen liegen. Eine auf solch ein Verhalten gestützte Kündigung setzt regelmäßig die Widerrechtlichkeit der Drohung voraus. Unbeachtlich ist demgegenüber, ob das Verhalten den Straftatbestand der Nötigung (§ 240 StGB) erfüllt. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann einen Kündigungsgrund bilden (so BAG, a.a.O.).
Eine Drohung setzt objektiv die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgendeiner Weise als von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird. Sie muss nicht ausdrücklich ausgesprochen werden. Die Drohung kann auch versteckt erfolgen, beispielsweise durch eine Warnung oder einen Hinweis auf nachteilige Folgen. Als Übel genügt jeder Nachteil. Das In-Aussicht-Stellen eines zukünftigen Übels ist widerrechtlich, wenn entweder das Mittel, d.h. das angedrohte Verhalten, oder der Zweck, d.h. die erwartete Willenserklärung, oder jedenfalls der Einsatz des fraglichen Mittels zu dem vertraglichen Zweck von der Rechtsordnung nicht gedeckt ist (so BAG a.a.O.).
Auf diese bisherige Rechtsprechung stützt sich auch das Bundesarbeitsgericht in der vorliegenden Entscheidung vom 19.11.2015 (Rdz. 36) und trägt dem Berufungsgericht auf, die E-Mails der Klägerin an den Vorstandsvorsitzenden der Beklagten vom 21.09.2008 und 05.02.2009 dahingehend zu prüfen, um einen diesbezüglichen Erklärungsinhalt gegebenenfalls durch Auslegung zu ermitteln.
Aus Sicht des Erklärungsempfängers, § 133 BGB, durfte die Ankündigung der Klägerin, die amerikanische Presse und die Medien einzuschalten, sollte der Vorstandsvorsitzende nicht ihren Forderungen nachkommen, als eine Drohung aufgefasst werden. Die Klägerin hat in der E-Mail vom 21.09.2008 gefordert, sie von dem „7-jährigen Martyrium“, das sie erlitten habe, dadurch zu befreien, dass man sie „als erstes von einem Frauen- und Ausländerhasser“ trennt. Sie gibt in dem Schreiben ausreichend deutlich zu erkennen, dass sie sich andernfalls gezwungen sehe, „über die gegebenen Probleme die amerikanische Presse oder Fernsehmedien“ zu informieren.
Anders ist die Textpassage, „gerade deshalb wende ich mich also an Sie, verehrter Herr Dr. L…, weil ich es als unfair erachten müsste, wenn Sie über die gegebenen Probleme direkt aus der amerikanischen Presse oder etwa aus der Oprah-Winfrey-Show informiert werden würden, obwohl doch die Entfernung zwischen Nürnberg und München erheblich kürzer ist, als diejenige zwischen Nürnberg und welchem Ort auch immer in den USA“, nicht zu verstehen. Aus dem letzten Halbsatz wird erkennbar, dass die Klägerin bereit sei, auch diesen längeren Weg zu gehen, falls ihren Erwartungen nicht ausreichend entsprochen würde. Durch die Angabe ihres Wohnorts Nürnberg wird klargestellt, dass sie diejenige sein werde, die hier aktiv werden würde. Verstärkt wird dieser Erklärungsgehalt durch die in dem Schreiben getroffene weitere Aussage, dass sie sich zur Loyalität und Geheimhaltung gegenüber ihrer Arbeitgeberin nur solange verpflichtet sieht, als diese ihre Schutzpflicht gegenüber ihr wahrnimmt.
Nachdem zu diesem Zeitpunkt bereits die Bemühungen des Sozialberaters Sel… liefen, den Konflikt der Klägerin mit ihrem Vorgesetzten K… zu entschärfen, und wegen ihrer Vorwürfe gegenüber dem Vorgesetzten auch der Compliance-Officer V…, die Personalreferenten Le… und Ki…, ein Strafrechtler und ein Ombudsmann eingeschaltet wurden, um die Sachverhalte zu prüfen und Konfliktlösungen zu finden, wollte die Klägerin einen Handlungsdruck auf die Beklagte ausüben, die Angelegenheit in ihrem Sinne einer Lösung zuzuführen. Die Ankündigung, die Reputation der Beklagten in der Öffentlichkeit, insbesondere der amerikanischen, zu beeinträchtigen und zwar zeitnah und vor Ausschöpfung des Instanzenweges, stellt in laufenden Verfahren der eingeschalteten zuständigen Stellen eine widerrechtliche Maßnahme dar.
Diese Intention des Schreibens hatte die Klägerin bereits in dem E-Mail an Dr. Seg… vom 12.09.2008 (Bl, 51, 52 d.A.) zum Ausdruck gebracht, wo sie ausführt: „Ein Skandal, der lebhaft nach Gerechtigkeit schreit, und den man offensichtlich über „Emma“ oder die internationale Presse der Öffentlichkeit zugänglich machen muss. Da darf Herr Dr. L… sich dann doch einmal um die verlassenen, verratenen, verkauften und verhöhnten Frauen in seinem Unternehmen kümmern. Und dann wird er erfahren, wie sehr die Damen und Herren – nicht nur Herren – der amerikanischen Börsenaufsicht den spezifisch deutschen Humor der S… AG abzuwägen und zu würdigen wissen werden“.
Diese Eskalation des Konflikts der Klägerin mit den Vorgesetzten ist nicht aufgrund der von ihr behaupteten Mobbingmaßnahmen der Vorgesetzten We… und K… in den Jahren 2003/2004 und ab Oktober 2008 gerechtfertigt. Denn diese zum Teil Jahre zurückliegenden Vorkommnisse (Bl. 1942, 1943 d.A.) können nicht geeignet sein, eine Öffentlichkeitskampagne gegenüber der Arbeitgeberin zu starten, und den bereits eingeleiteten Konfliktlösungsverfahren vorzugreifen.
Der Inhalt dieser E-Mails ist dem Betriebsrat als Anlage 2b und 2c des Anhörungsschreibens zugeleitet worden (was unter Ziffer 4 der Entscheidungsgründe noch näher ausgeführt wird), weshalb die Anhörung des Betriebsrats sich auch auf diesen Sachverhalt bezieht.
b) Einen gewichtigen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB), die eine Kündigung rechtfertigen können, stellen auch grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, dar.
Der Arbeitnehmer kann sich dafür nicht auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen. Dieses Grundrecht schützt weder Formalbeleidigungen und Schmähungen noch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen. Die Meinungsfreiheit wird nicht schrankenlos gewährleistet und wird insbesondere durch das Recht der persönlichen Ehre gemäß Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt und muss mit diesem in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Zwar können Arbeitnehmer unternehmensöffentlich Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich gegebenenfalls auch überspitzt oder polemisch äußern. Im groben Maß unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen. Schon die erstmalige Ehrverletzung kann kündigungsrelevant sein und wiegt umso schwerer, je überlegter sie erfolgt (so BAG vom 10.12.2009 – 2 AZR 534/08 – NZA 2010, 698; m.w.N.).
Bei der rechtlichen Würdigung sind allerdings die Umstände zu berücksichtigen, unter denen diffamierende oder ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte und/oder Kollegen gefallen sind. Geschah dies in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen, vermögen sie eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht ohne weiteres zu rechtfertigen. Der Arbeitnehmer darf anlässlich solcher Gespräche regelmäßig darauf vertrauen, seine Äußerungen würden nicht nach außen getragen. Er muss nicht damit rechnen, durch sie werde der Betriebsfrieden gestört und das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber belastet. Vertrauliche Äußerungen unterfallen dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG). Die vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre ist Ausdruck der Persönlichkeit und grundrechtlich gewährleistet. Äußerungen, die gegenüber Außenstehenden oder der Öffentlichkeit wegen ihres ehrverletzenden Gehalts nicht schutzwürdig wären, genießen in Vertraulichkeitsbeziehungen als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre des durch die Äußerung Betroffenen vorgeht. Hebt der Gesprächspartner später gegen den Willen des sich negativ äußernden Arbeitnehmers die Vertraulichkeit auf, geht dies arbeitsrechtlich nicht zu dessen Lasten (so BAG aaO.).
Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist die Bezeichnung des unmittelbaren Vorgesetzten K… in der E-Mail an den Vorstandsvorsitzenden Dr. L… vom 21.09.2008 als „unterbelichteter Frauen- und Ausländerhasser (weder Abitur, noch Studium, noch internationale Arbeitserfahrung, noch weniger interkulturelle Erfahrung), dem ich täglich die Grundlagen der BWL… erläutern darf…“ eine solche verbale Entgleisung der Klägerin, die eine Schmähung und Herabwürdigung des Vorgesetzten zum Inhalt hat und für die keine ausreichende Tatsachengrundlage besteht.
Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang weder den Nachweis erbracht, bei dem Vorgesetzten würde es sich um einen dummen und dämlichen Menschen handeln, für den das Prädikat „unterbelichtet“ angemessen sei. Auch wenn in einem Gespräch unter Kollegen der Vorgesetzte Redewendungen bedient, wie „seinen Schwanz einziehen“ oder „angepisst sein“ kann allein hieraus noch nicht auf eine niedrige Intelligenz, eine fehlende Allgemeinbildung oder weit unterdurchschnittliches Fachwissen geschlossen werden. Letzteres folgt auch nicht aus dem von der Klägerin mehrfach geschilderten fachlichen Defizit, was die betriebswirtschaftliche Unterscheidung von „cost“ und „price“ anlangt.
Es ist ebenso wenig feststellbar, dass der Vorgesetzte K… mit den Kolleginnen oder Frauen generell ein Problem hat, um ihn als „Frauenhasser“ zu bezeichnen.
Alleine die Konfliktsituation mit der Klägerin, die mit seiner Beförderung im Jahr 2007 zu deren Vorgesetzten zusammenhängen, vermag diesen Vorwurf nicht zu begründen. Weder aus der geschilderten sprachlichen Entgleisung, sie einmal als „Walross“ bezeichnet zu haben, noch aus seiner E-Mail vom 15.05.2008 mit der angehängten Grafik über die „weiblichen Gedanken“. Die E-Mail beginnt nämlich mit der Aussage, „a bisserl was zum Schmunzeln muss auch mal sein…“, was dafür spricht, die übersandte Grafik sei ironisch gemeint und solle als Spaß verstanden werden.
Auch wenn die Klägerin diesem Humor nichts abgewinnen konnte und die Angelegenheit auf sich bezogen hat, kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, der Vorgesetzte K… verabscheue das weibliche Geschlecht. Wenn man sich über jemanden lustig macht, muss man ihn noch lange nicht hassen und verabscheuen.
Gleiches gilt hinsichtlich der Bezeichnung des Vorgesetzten als „Ausländerhasser“. Aus der in diesem Zusammenhang geschilderten Aussagen des Vorgesetzten K… – aus der Gegend wo die Klägerin herkomme – Afghanistan – möchte er nicht herkommen – kann hierauf nicht geschlossen werden. Ein Großteil der Bevölkerung in Europa dürfte angesichts der ausgetragenen Glaubenskonflikte im Mittelalter und der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Neuzeit ein ähnliches Unbehagen verspüren. In ein Umfeld von Stammesfehden, religiöser Auseinandersetzungen bis hin zu Selbstmordattentaten auf Andersgläubige, eines archaischen Strafrechts (Auspeitschungen, Steinigungen u.ä.), eines jahrelangen Bürgerkriegs mit völliger Zerstörung der Infrastruktur und einer fehlenden von den Gedanken der Säkularisation und der Aufklärung getragenen Rechts- und Sozialordnung möchte wohl keiner gern hineingeboren werden. Diese Entwicklungsphasen einer Gesellschaft wünscht man sich der Vergangenheit angehörend.
Hieraus kann nicht darauf geschlossen werden, der Vorbehalt gelte für jedes Ausland. Auch aus den behaupteten Äußerungen, „Ihr Araber seid alle gleich“ und „Ein Japaner bleibt ein Japaner, auch wenn er die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt“ kann eine ausländerfeindliche Tendenz nicht bescheinigt werden. Tragen diese Aussagen doch dem Umstand Rechnung, dass der einzelne Mensch und sein Verhalten nicht nur genetisch geprägt werden, sondern auch durch Traditionen, Glauben, familiäre und schulische Ausbildung sowie das private Umfeld. Der so geprägte Mensch unterscheidet sich deshalb sehr wohl danach, ob es sich um einen Menschen arabischer Abstammung mit muslimischen Glauben handelt, einen Japaner buddhistischen oder shintoistischen Glaubens oder einen Mitteleuropäer evangelischen oder katholischen Glaubens. Diese menschliche Prägung verliert man nicht dadurch, dass man in einem anderen Land wohnt und arbeitet oder gar die dortige Staatsangehörigkeit annimmt. Wer dies zum Ausdruck bringt ist noch lange kein Ausländerhasser, weil damit keine Geringschätzung des Mitmenschen anderer Abstammung oder anderen Glaubens verbunden ist.
Die gravierendste Herabwürdigung und Diskreditierung des Vorgesetzten K… ist in der E-Mail der Klägerin vom 30.03.2009 zu sehen, denn dort wird von Anfang bis Ende ein menschlich und fachlich vernichtendes Urteil über diesen Mitarbeiter abgegeben. Die Zuleitung an mehrere seiner Kollegen und an seine Vorgesetzten bis in die Vorstandsetage der Beklagten diente dem Ziel, den Ruf dieses Mitarbeiters gänzlich zu zerstören und sein Ansehen herabzusetzen.
All die Vorwürfe, die die Klägerin gegen diesen Kollegen erhebt, seitdem er im Jahr 2007 zu ihrem Vorgesetzten befördert worden ist, sind auch nicht ansatzweise geeignet, diese beabsichtigte Rufschädigung zu rechtfertigen. Schon gar nicht der Anlass einer ungerecht empfundenen Beurteilung, die auf anderem Weg einer Überprüfung zugeführt werden kann. Kein Arbeitskollege und Vorgesetzter wird gänzlich frei von menschlichen Schwächen und fachlichen Defiziten sein. Soweit dies zu kollegialen Konflikten oder fachlicher Differenzen führt, sind diese zur Wahrung der Interessen der Arbeitgeberin auf der Basis innerbetrieblicher Richtlinien oder einer nebenvertraglichen Rücksichtnahmepflicht so einer Konfliktlösung zuzuführen, dass die Basis kollegialer Zusammenarbeit dadurch nicht völlig zerstört wird. Die Form eines offenen Briefes mit der erkennbaren Tendenz, den betroffenen Kollegen oder Vorgesetzten in seinem Arbeitsbereich unmöglich zu machen, verstößt in eklatanter Weise gegen das Gebot der Rücksichtnahme und der Wahrung des Betriebsfriedens. Insoweit kann es der Beklagten nicht verwehrt werden, schon allein deshalb die Kündigungskonsequenz zu ziehen, denn die Klägerin hat es trotz des ausdrücklichen Hinweises in dem Schreiben vom 03.04.2009 unterlassen, sich bei ihrem Vorgesetzten wegen dieser Briefaktion förmlich zu entschuldigen und gegenüber dem breiten Adressatenkreis der E-Mail vom 30.03.2009 eine entsprechende offene Gegenerklärung abzugeben.
Die Klägerin hat ihr persönliches Arbeitsumfeld und das des Vorgesetzten K… in einem solchen Maße beeinträchtigt, dass dies jegliche weitere gedeihliche Zusammenarbeit ausschließt.
Sie kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, ihre Äußerungen seien in einem engen kollegialen Freundeskreis abgegeben worden. Denn es handelt es sich weder bei dem Vorstandsvorsitzenden noch dessen Mitarbeiter im Vorstandsbüro und auch nicht dem Adressatenkreis der E-Mail vom 30.03.2009, um einen intimen kollegialen Freundeskreis der Klägerin wie von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gefordert.
Aus diesem Grund scheitern jegliche Versuche der Klägerin, die herabwürdigenden Äußerungen unter Verweis auf den Schutz ihrer Privatsphäre und ihres Grundrechts auf Meinungsfreiheit zu rechtfertigen. Hätte die Klägerin einen Gedanken daran verschwendet, wie es ihr erginge und sie reagieren würde, hätten dieselben Äußerungen und die nach außen getragenen Herabwürdigungen ihre Person betroffen, würde sie wahrscheinlich die Notwendigkeit erkannt haben, auf das Anschreiben der Beklagten vom 03.04.2009 anders zu reagieren als durch eine Verniedlichung der Angelegenheit und den Versuch einer sachlichen Rechtfertigung.
Wer eine solche E-Mail schreibt über das menschliche Verhalten und fachliche Wissen eines Kollegen oder Vorgesetzten wie die vom 30.03.2009, der weiß, dass er damit die Basis für eine weitere Zusammenarbeit zerstört und damit sein Arbeitsumfeld aufgegeben hat. Diesbezüglich brauchte die Klägerin durch eine Abmahnung nicht auf die Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens hingewiesen zu werden. Die Chance, einen Beitrag zu einer Wiedergutmachung zu leisten, hat sie versäumt und sich dem widersetzt. Insofern kann die Beklagte nicht erwarten, dass die Klägerin ihr Verhalten gegenüber einem männlichen Vorgesetzten ändert, wenn sie sich in ihrer Rolle als intellektuelle Frau internationalen Formats nicht ausreichend gewürdigt sieht.
Dies allein rechtfertigt bereits den Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung.
c) Der Vergleich betrieblicher Verhältnisse und Vorgehensweisen mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem und erst recht mit den in Konzentrationslagern begangenen Verbrechen bildet in der Regel einen Grund für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die Gleichsetzung noch so umstrittener betrieblicher Vorgänge und der Vergleich des Arbeitsgebers unter der für ihn handelnden Menschen mit den vom Nationalsozialismus geförderten Verbrechen und den Menschen, die diese Verbrechen begingen, stellt eine grobe Beleidigung der damit angesprochenen Personen und zugleich eine Verharmlosung des in der Zeit des Faschismus begangenen Unrechts und eine Verhöhnung seiner Opfer dar (so BAG vom 07.07.2011 – 2 AZR 355/10 – NZA 2011, 1412; vom 24.11.2005 – 2 AZR 584/04 – NZA 2006, 650; jeweils m.w.N.).
Diesbezüglich hat das Bundesarbeitsgericht die Berufungskammer in seiner Entscheidung vom 19.11.2015 (RZ 38) aufgefordert, durch Auslegung zu bestimmen, wie der Äußerung der Klägerin in ihrem E-Mail vom 05.02.2009 in Bezug auf das Leid der Juden beizumessen ist.
Betrachtet man die Textpassagen der Klägerin in der E-Mail vom 05.02.2009 an den Vorstandsvorsitzenden und die am 24.09.2008 dem Vorstandsbüro zugeleitete weitere E-Mail vom 12.09.2008 an Herrn Dr. Seg… so wird hieraus für einen verständigen Erklärungsempfänger, § 133 BGB, schon klar, dass die Klägerin darin das Handeln von Vertretern der Beklagten so empfindet wie das nationalsozialistischer Verbrecher und von Mitgliedern der Mafia und sie sich diesbezüglich in der Opferrolle sieht.
Die Klägerin äußert sich diesbezüglich wie folgt:
„Die Opfer? die haben keine Rechte in der gerechten Welt der S… AG. In jedem andern Land der Welt – außer in Deutschland, versteht sich – wären die unmenschlichen Taten, die hier gegeben sind, selbstverständlich beantwortet worden, wie es sich gehört“.
„Ich darf Ihnen hiermit schriftlich bestätigen, dass kein Jude in diesem Land jemals solche seelischen Qualen erleiden musste, wie ich; und das ist meiner Leben und Empfinden, und kein Gesetz der Welt kann mir verbieten, darüber zu berichten. In keinem Land der Welt, in keinem Unternehmen der Welt hab ich so viele Intrigen erlebt, sei es mit Personal, sei es mit Lieferanten. Das Ganze hält die Erinnerung wach an meinen Lieblingsfilm:
Der Pate. Alles in Allem: Was mir bis heute geboten wird – das kann ich doch nicht annehmen: Es beleidigt meine Intelligenz“.
In der E-Mail vom 12.09.2008, die sich hauptsächlich auf die von ihr als frauenfeindlichen Akt verstandene E-Mail des Vorgesetzten K… vom 15.05.2008 (Kopie Blatt 53 – 58 d.A.) bezieht, die dieser als Scherz bezeichnet hat, führt sie Folgendes aus:
„An dieser Stelle erlaube ich mir, Ihnen einen Witz aus der Zeit des Nationalsozialismus zu zitieren:
Ein SS-Mann zieht seine Pistole und hält sie einem Juden an die Stirn und fragt: „Jud, fürchtest du dich?“
Auf die Antwort „Ja“ zieht der SS-Mann die Pistole zurück und sagt „Es war doch nur ein Scherz“.
Später wurde der Jude vergast. Und jetzt überlass ich Ihnen die Parallele aus dieser lustigen Anekdote zu ziehen. Also über die Frau werden Scherze gemacht und man setzt sie auch als erste vor die Tür. Wo ist denn hier der Witz?“
Eigentlich muss ich für das jahrelange Leiden und den dort erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigungen von S… AG auf Lebenszeit ein Schloss mit freier Holzzuteilung zur Verfügung gestellt bekommen, damit ich meine Wunden heile. Da ich jedoch ein sehr bescheidener Mensch bin, sage ich, mir genügt eine Kammer mit ein paar Gasflaschen, damit ich für den Rest meines Lebens – wie lange es auch dauern mag – warm bleibe“.
Diese Textpassagen zeigen, dass die Klägerin das Vorgesetztenverhalten der Herren We… und K… – das sie bereits mit den Werturteilen bezeichnet hat, hierdurch würde ihr Leben „zur Hölle“ gemacht und sie habe ein jahrelanges „Martyrium“ erlebt – mit den noch drastischeren Vergleichen zu Handlungsweisen von SS-Schergen und Angehörigen der Mafia bewertet. Anders lassen sich Äußerungen, die erlittenen seelischen Qualen würden auf ihrem „Erleben und Empfinden“ beruhen und der intrigante Umgang mit dem Personal bei der Beklagten erinnere sie an ihren Lieblingsfilm „Der Pate“, nicht interpretieren. Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch den angeblichen Judenwitz, der kein solcher ist, und die ausdrücklich gezogene Parallele zu ihrer beruflichen Situation. Zudem spricht sie in der E-Mail vom 12.09.2008 davon, sie begnüge sich mit einer „Kammer mit ein paar Gasflaschen“. Auch dies weist einen Bezug zum Massenmord während der NS-Diktatur auf.
Die Klägerin, die Wert darauf legt, auf ihr internationales Format hinzuweisen, wählt Vergleiche und zieht Parallelen, die ganz bewusst die Beklagte als international tätiges Unternehmen hinsichtlich ihrer Führungsstruktur und dem Verhalten ihrer Vertreter in die Nähe verbrecherischer NS-Organisationen und der Mafia stellt. Hierbei handelt es sich um eine nicht hinzunehmende Schmähung und Herabwürdigung ihrer Arbeitgeberin, die sie damit als deutsches Unternehmen besonders treffen wollte.
Ihr wurde mit Schreiben der Beklagten vom 03.04.2009 ausreichend konkret vor Augen geführt, wie diese die schriftlichen Ausführungen der Klägerin verstanden habe, und dass es für sie nicht akzeptabel sei, mit den gemachten Anspielungen auf die Zeit des Nationalsozialismus diskreditiert zu werden. Es wäre deshalb zu erwarten gewesen, dass die Klägerin sich in ihrer Stellungnahme vom 16.04.2009 von den Äußerungen distanziert und sich bei Vorstand und Management ausdrücklich entschuldigt.
Die Klägerin sieht hiervon nicht nur ab, sondern bekräftigt dies mit folgender Passage ihrer Stellungnahme vom 16.04.2009:
„Der Vorwurf des Antisemitismus, respektive unverantwortlichen Umgangs mit dem scheußlichsten Kapitel deutscher Geschichte ist folgendermaßen zu beantworten:
Nach meinem subjektiven Erleben muss ich feststellen, dass mitten in der schönsten Demokratie ein Mensch gemobbt, gebosst und diskriminiert werden kann, wobei ihm, wenn er sein von Ihnen betontes Beschwerderecht ausübt, Entgegnungen geschehen, die eben sehr wohl an das erinnern, woran ich zu erinnern gezwungen wurde: Die junge und – wie sich in der Folge zeigte – sehr zerbrechliche Demokratie konnte den Opfern des Terrorregimes keine Hilfe angedeihen lassen. Wie anders heute! Wir alle sind ungeheuer multikulturell, international und was weiß ich: Da trifft einen die Keule eben auf eine besondere Weise. Wir alle sind derart gleichberechtigt, dass diejenige Frau, welche Herrn K… nicht passt, halt weg muss. So viel zu den Lehren aus der Geschichte“.
d) Die Kündigung der Beklagten wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und ist unter Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien nicht zu beanstanden.
Vor Ausspruch einer Kündigung hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob unter Berücksichtigung des Kündigungssachverhalts für ihn nicht mildere Mittel zur Verfügung stehen, um eine weitere Beeinträchtigung seiner Interessen zu vermeiden und damit eine Basis für eine weitere Zusammenarbeit im Interesse der Erhaltung des Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers zu schaffen. Der Arbeitgeber hat im Interesse des Inhalts- und Bestandsschutzes ihm zumutbare alternative Möglichkeiten zu ergreifen, bevor er in den Bestand oder den Inhalt des Arbeitsverhältnisses eingreift. Falls er dies tut, darf er immer nur von dem für den Arbeitnehmer mildesten und ihm noch zumutbaren Mittel Gebrauch machen.
Danach kommt eine Beendigungskündigung, gleichgültig ob sie auf betriebs-, personen- oder verhaltensbedingte Gründe gestützt wird, als äußerstes Mittel (ultimaratio) erst in Betracht, wenn sie zur Beseitigung betrieblicher Beeinträchtigungen geeignet und erforderlich ist. Der Arbeitgeber muss von mehreren gleich geeigneten zumutbaren Mitteln das auswählen, das den Arbeitnehmer am wenigsten belastet. Eine Kündigung ist nur als letztes Mittel zulässig (so KR-Griebeling, 10. Aufl., § 1 KSchG Rz. 214, 215 m.w.N.).
Die von der Klägerin zum Ausdruck gebrachte Beharrlichkeit in der Bewertung des Konflikts mit ihrem Vorgesetzten und der angezogenen Vergleiche mit den Opfern eines Terrorregimes zeigt, wie sehr zerrüttet die vertragliche Beziehung auch aus Sicht der Klägerin ist.
Mit einer Änderung ihres Verhaltens konnte die Beklagte nicht mehr rechnen, da sie bereits in dem Schreiben vom 03.04.2009 auf die Kündigungsrelevanz hingewiesen hatte und die Klägerin keine Veranlassung gesehen hat, zur Wiederherstellung der Vertrauensbasis einen aktiven Beitrag zu leisten.
Insoweit waren weder eine Abmahnung noch eine Versetzung in eine andere Abteilung geeignet, die Grundlage für eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit zu schaffen.
Die von der Klägerin datumsgemäß aufgelisteten Fehlverhaltensweisen der Vorgesetzten We… und K… auf Bl. 1942 und 1943 der Akte sind keinesfalls geeignet, die Beklagte und ihre Vertreter in die Nähe verbrecherischer Organisationen zu rücken, wie geschehen. Insofern liegt weder eine Tatsachengrundlage für die beleidigenden Äußerungen der Klägerin vor noch eine von den Vorgesetzten verursachte Ausnahmesituation, die das Verhalten der Klägerin im milderen Licht erscheinen lassen könnten. Selbst wenn sie sich durch behauptete Mobbinghandlungen von Vorgesetzten aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Herkunft Diskriminierungen ausgesetzt sehen durfte, was in dem Parallelverfahren zwischen den Parteien noch geprüft wird, erlaubt dies nicht die von ihr angestrengten Vergleiche.
Diese entbehren jeglicher Realitätsnähe. Hätte die Klägerin den Erhalt des Schreibens vom 03.04.2009 und den Ausspruch der Kündigung zum Anlass genommen, sich mit dem Leid der Juden während des NS-Unrechtsstaats zu befassen, wäre ihr unschwer möglich gewesen, zu erkennen, dass das von ihr empfundene Unrecht mit dem von den Juden erlittenen in keinerlei Relation steht. Die Juden wurden während der Zeit des Nationalsozialismus nämlich nicht nur wegen ihrer Rasse und ihres Glaubens verbal und schriftliche diskriminiert, erniedrigt und gedemütigt. Vielmehr wurden sie darüber hinaus unter Zerstörung familiärer Beziehungen aus ihren Wohnungen getrieben, in Viehwaggons gepfercht und auf Verladerampen selektiert, um anschließend entweder zu Tode malträtiert oder einer industriellen Massenvernichtung zugeführt zu werden.
Kein deutsches Unternehmen, das internationale Geschäftsbeziehungen pflegt, kann es sich erlauben, hinsichtlich ihres Geschäftsgebarens oder der Vorgehensweise ihres Führungspersonals mit der NS-Terrorherrschaft in Verbindung gebracht zu werden. Gerade was das Ansehen in angelsächsischen Ländern und im Land Israel anlangt, sind die hiermit verbundenen Nachteile offensichtlich.
Es hätte für die Klägerin aufgrund ihrer Bildung und ihres selbst in Anspruch genommenen internationalen Formats naheliegen müssen, zur Wiederherstellung des Vertrauens in ihre Person die von ihr getätigten Äußerungen zurückzunehmen und sich um Wiedergutmachung zu bemühen.
Die Klägerin hat ihre Worte sehr wohl gewählt und ganz bewusst verletzend gesetzt. Dass sie sich hierbei in einem wochen- und monatelangen Morphinrausch befunden haben sollte, ist nicht anzunehmen und wird auch nicht ausreichend belegt. Schon die in den Schreiben zum Ausdruck gekommene sprachliche Gewandtheit spricht dafür, dass die Verfasserin des Schreibens durchaus im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte gewesen ist.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, infolge der Nichtbehandlung der Konfliktsituation, die sie erlebt hat, hätte die Beklagte einen aktiven Beitrag zur Zerrüttung der Vertragsbeziehung geleistet. Aus dem übereinstimmenden Sachvortrag beider Parteien wird nämlich sehr wohl klar, dass sowohl der betriebsärztliche Dienst als auch der Sozialberater eingeschaltet waren, um zu einer Konfliktlösung beizutragen und die gesundheitliche Situation der Klägerin zu verbessern. Bezüglich des behaupteten Fehlverhaltens und der diskriminierenden Behandlung durch den Vorgesetzten K… waren zudem die Personalabteilung, zwei Personalreferenten, der Compliance-Officer und der Ombudsmann eingeschaltet gewesen, um Sachverhalte zu klären, bestehende Missstände zu beheben und Lösungen für eine zukünftige Zusammenarbeit zu finden.
Die Klägerin wurde darauf hingewiesen, dass auch sie sich um eine Verbesserung der Situation bemühen müsse, da sie nicht damit rechnen könne, zum jetzigen Zeitpunkt einen neuen Vorgesetzten oder einen anderen Job zu bekommen. Damit liegt weder ein organisatorisches Verschulden der Beklagten vor, was das Vorhandensein von Konfliktlösungsinstrumenten anbelangt, noch kann ein schuldhaftes Verhalten der Personen festgestellt werden, die zur Sachverhaltsaufklärung und Konfliktlösung auf Arbeitgeberseite beitragen sollten.
Hätte die Klägerin nicht in den Monaten Februar und März ihrerseits zu einer weiteren Eskalation der Konfliktsituation beigetragen, sich zu beleidigenden Äußerungen gegenüber einzelnen Vorgesetzten und dem Management der Firma insgesamt hinreißen lassen, hätten eventuell sogar Lösungen gefunden werden können.
Aufgrund der schuldhaft herbeigeführten weiteren Eskalation der Klägerin fallen ihre Sozialdaten, insbesondere die Unterhaltspflicht gegenüber mehreren noch in der Ausbildung befindlichen Kinder, ihr Lebensalter und die Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit nicht so nennenswert ins Gewicht, dass die zu erwartenden Nachteile, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit sich bringt, das berechtigte Interesse der Beklagten überwiegen, zu befürchtende weitere betriebliche Beeinträchtigungen und Störungen durch Ausspruch der Kündigung zu vermeiden,.
Die vorzunehmende abschließende Interessenabwägung fällt deshalb zugunsten der Beklagten aus. Dieser ist nicht zuzumuten ist, das Arbeitsverhältnis der Klägerin aufgrund der erheblichen Wiederholungsgefahr bei ähnlich gelagerten Konfliktsituationen auf demselben oder einem anderen Arbeitsplatz innerhalb des Betriebes fortzusetzen. Aufgrund des gezeigten beharrlichen Verhaltens der Klägerin kann nicht ausgeschlossen werden, dass von ihr in einer irgendwie gearteten Konfliktsituation mit einem männlichen Vorgesetzten deutscher Herkunft eine Fortsetzung des empfundenen Mobbings und Bossings gesehen wird und sich die Klägerin wiederum als Opfer verbrecherischer Machenschaften versteht.
Diese erhebliche Wiederholungsgefahr, die aufgrund der Erfahrungen der eingeschalteten Fachleute (Sozialberater, Ombudsmann) letztlich darauf beruht, dass es der Klägerin an einer ausreichenden Distanz zur eigenen Position fehlt, rechtfertigt es, eine Lösung der künftig zu erwartender Konfliktsituationen nur in der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu sehen.
Die Einschätzung der Experten der Beklagten kann von der erkennenden Kammer durchaus nachvollzogen werden, sie deckt sich mit den Erfahrungen des Gerichts aufgrund des ungebührlichen Auftretens der Klägerin im Verhandlungstermin am 14.12.2018.
4. Das Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist von der Beklagten ordnungsgemäß durchgeführt worden.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte mit Schreiben vom 21.04.2009 nebst Anlagen den im Beschäftigungsbetrieb bestehenden Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört und erst nach Vorliegen der schriftlichen Zustimmung des Betriebsrats am 24.04.2009 die Kündigungserklärung aus ihrem Machtbereich hinausgegeben.
Dies ist auch vom Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 19.11.2015 ausdrücklich bestätigt worden (Rdz. 42 – 56). Auf die dortigen Ausführungen wird vollumfänglich Bezug genommen.
Nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ist eine Kündigung nicht nur dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat vorher angehört zu haben, sondern auch dann, wenn er seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachgekommen ist (vgl. BAG vom 15.11.2001 – 2 AZR 380/00 – NZA 2002, 970).
Die Beklagte hat den bei ihr bestehenden Betriebsrat über die persönlichen Daten der Klägerin und den aus ihrer Sicht maßgeblichen Kündigungssachverhalt mit Anhörungsschreiben vom 21.04.2009 nebst Anlagen ordnungsgemäß unterrichtet.
Die ordnungsgemäße Einleitung des Anhörungsverfahrens durch die Überlassung des Anhörungsschreibens nebst Anlagen an den zuständigen Betriebsratsvorsitzenden E… folgt für die erkennende Kammer aus der protokollierten durchgeführten umfangreichen Beweisaufnahme – der Aussage der Zeugen E… am 09.07.2014, der weiteren Zeugen H… W…, G… und Ki… am 07.08.2014, der Klägerin als Partei im selben Termin sowie der Einsichtnahme der vom Zeugen E… im Verhandlungstermin vom 09.07.2014 vorgelegten Anhörungsunterlagen im Wege eines gerichtlichen Augenscheins.
Die in dem Anhörungsschreiben zu niedrig angegebenen Unterhaltspflichten der Klägerin führen im vorliegenden Fall nicht zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrates, denn dieser war unabhängig vom Inhalt des Anhörungsschreibens über die Unterhaltspflichten der Klägerin positiv informiert und konnte zudem den Umfang der Unterhaltspflichten aus der Anlage 2c) des Anhörungsschreibens ersehen.
Der Zeuge E… hat in Bezug auf den Beweisbeschluss vom 09.07.2014 zu a) ausgesagt, dass bei dem Betriebsrat aufgrund der mehrfachen Vorbefassung mit der Klägerin, insbesondere auch im Zusammenhang mit betriebsbedingten Personalabbaumaßnahmen, eine konkrete Aktenlage bezüglich der Arbeitnehmerdaten bestand. Insoweit hat er bestätigt, dass beim Betriebsrat hinsichtlich der Familienverhältnisse der Klägerin die Informationen vorlagen.
Des Weiteren hat der Zeuge ausgeführt, dass in dem Anhörungsdeckblatt von einem unterhaltsberechtigten Kind gesprochen worden ist, im weiteren Inhalt der Anhörungsunterlagen aber von einer höheren Anzahl.
Der Zeuge gab in diesem Zusammenhang an, die Unterlagen vor dem Beweistermin nicht erneut eingesehen und sich mit deren Inhalt vertraut gemacht zu haben. Es verwundert folglich nicht, dass ihm aufgrund des mehr als fünfjährigen zeitlichen Abstands zu dem Anhörungsverfahren die genaue Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder der Klägerin bei seiner Zeugeneinvernahme nicht mehr erinnerlich waren und er sich diesbezüglich auch nicht festlegen konnte. Dies entwertet die Aussage des Zeugen nicht, sondern spricht für seine Glaubwürdigkeit.
Der Zeuge gab weiter an, die ihm damals übergebenen Unterlagen komplett mitgebracht zu haben. Nach dem protokollierten Augenschein der damaligen Kammer am 09.07.2014 hat die unter Hinzuziehung der Parteivertreter vorgenommene Einsichtnahme ergeben, dass die von dem Zeugen vorgelegten Unterlagen inhaltlich identisch sind mit den in der Gerichtsakte befindlichen Kopien des Anhörungsschreibens (Bl. 23, 24 d.A.) und der Anlagen 1 (Bl. 25, 26 d.A.), 2a (Bl. 27 – 29 d.A.), 2b (Bl. 30 – 58 d.A.), 2c (Bl. 59-64 d.A.) und 3 (Bl. 65 – 69 d.A.).
Auch wenn der Zeuge im weiteren Verlauf seiner Einvernahme auf Zwischenfragen des Klägerinvertreters beide alternative Fragen zur Vollständigkeit der Anlagen verneinte (vgl. Sitzungsprotokoll Bl. 1434 d.A.), was gegen Denkgesetze verstieß, entwertet dies seine Aussage in Bezug auf die übergebenen Anlagen nicht grundsätzlich. Der Zeuge konnte nämlich wieder sicher ausschließen, dass dem Betriebsrat nachträglich weitere Anhörungsunterlagen zugeleitet worden sind. Diese hätten auch einen weiteren Eingangsvermerk beim Betriebsrat aufgewiesen. Einen solchen von der Eingangsbestätigung 21.04.09 abweichenden Eingangsvermerk weisen die mit den Originalunterlagen identischen Kopien (Bl. 23 – 69 d.A.) indes nicht auf.
Auf den Zeitaufwand, das gesamte Anhörungskonvolut den Betriebsräten in der Sitzung vorzulesen, ist nicht entscheidend abzustellen, denn nach Angaben des Zeugen war die Kündigungsangelegenheit der Klägerin Gegenstand zweier Betriebsratssitzungen am 23. und 24.04.2009 und ist es dem Betriebsratsvorsitzenden überlassen, auf welche Weise er die ihm vom Arbeitgeber überlassenen Anhörungsunterlagen dem Betriebsratsgremium zur Kenntnis bringt.
Der Zeuge gab an, sich handschriftliche Notizen über ein mit der Klägerin geführtes Telefonat nach Erhalt des Anhörungsschreibens gemacht zu haben. Ausweislich dieses Vermerks hat der Zeuge mit der Klägerin in Anwesenheit des weiteren Betriebsratsmitglieds Ra… am 23.04. ein Telefonat geführt und ihr die Kündigungsbegründung der Beklagten eröffnet. Nach Angabe des Zeugen ist der Klägerin mitgeteilt worden, dass dem Betriebsrat diverse E-Mails, u.a. auch an den Vorstandsvorsitzenden Dr. L…, vorliegen würden. Es sei auch der dort enthaltene Vergleich mit dem Leid der Juden Inhalt des Telefonats gewesen.
Nach Angabe des Zeugen lag dem Betriebsrat im Zeitpunkt des Telefonats mit der Klägerin die Anlage 2c vor, die die beiden E-Mails an den Vorstandsvorsitzenden L… vom 05.02.2009 und 21.09.2008 umfasste. In ihnen wird die Situation bei der Beklagten mit dem Leid der Juden und dem Film „Der Pate“ in Verbindung gebracht und von der Klägerin auch mitgeteilt, gegenüber drei von vier Kindern unterhaltspflichtig zu sein.
Die Angaben des Zeugen wurden nicht durch die noch im Verhandlungstermin vom 09.07.2014 aufgestellten Behauptungen widerlegt, die Anlage 2c sei nicht Gegenstand des geführten Telefonats gewesen, das Telefonat habe nicht am 23.04.2009, sondern am 21.04.2009 um ca. 14.00 Uhr stattgefunden und von Seiten des S… Vorstandsbüros habe es die Anweisung gegeben, die Anlagen 2b und 2c dem Betriebsrat nicht zuzuleiten.
Dies haben nämlich die Einvernahme des Ehemannes der Klägerin sowie der Mitarbeiter G… und Ki… sowie die Vernehmung der Klägerin als Partei nicht ergeben.
Der Zeuge W… hat den noch im Schriftsatz der Klägerin vom 05.08.2014 behaupteten Zeitpunkt des Telefonats am 21.04.2009 um 14.00 Uhr nicht bestätigt. Dies hätte auch dem Inhalt der E-Mail der Klägerin vom 23.04.2009 (Anlage B 14, Bl. 1206 d.A.) widersprochen.
Ausweislich dieses E-Mails hat das Telefonat nämlich am 23.04.2009 stattgefunden und es wurden in dem Telefonat die E-Mails an den Vorstandsvorsitzenden Dr. L… erwähnt, die nach Angaben des Betriebsratsvorsitzenden E… dem Betriebsrat vollständig vorlagen. Insoweit spricht der Inhalt dieser E-Mail, in dem die Klägerin bestätigte, dass „laut Herrn E… der gesamte Briefwechsel vorliegt“, für die Richtigkeit der Angaben des Zeugen E… hinsichtlich des Zeitpunkts des Telefonats mit der Klägerin, dessen Inhalt und dem damaligen Vorliegen der beiden E-Mails der Klägerin an den Vorstandsvorsitzenden Dr. L… Dass es im Zusammenhang mit der Beteiligung des Betriebsrats zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin eine Weisung gegeben habe, die beiden E-Mails an den Vorstandsvorsitzenden nicht dem Betriebsrat zuzuleiten, hat die durchgeführte weitere Beweisaufnahme nicht ergeben.
Eine solche Empfehlung oder Weisung hat weder der hierzu vernommene Zeuge G… bestätigt und auch nicht der Zeuge Ki…, der in Bezug auf die Personalangelegenheiten der Klägerin vom Vorstandsbüro beauftragt worden ist. Nach Angaben des Zeugen Ki… umfasste dies nicht das Betreiben der Kündigung sondern die Mobbingvorwürfe der Klägerin und ihre schriftlichen Beschwerden beim Vorstandsvorsitzenden.
Auch die Parteieinvernahme der Klägerin im Verhandlungstermin vom 07.08.2014 brachte keine weiteren Erkenntnisse, was die Zuleitung der Anlage 2c an den Betriebsrat im Rahmen der Kündigungsanhörung betrifft. Zwar hat die Klägerin die von ihr erstellte Zusammenfassung mehrerer E-Mails zur Anlage 2b erklärt und die hierdurch verursachten innerbetrieblichen Prüfungen der Compliance-Problematik. Zum Betreiben der Kündigungsangelegenheit durch die zuständigen Mitarbeiter der Beklagten enthielt ihre Aussage keine Fakten, die den Angaben des vernommenen Betriebsratsvorsitzenden E… widersprachen.
Insoweit stand aufgrund der protokollierten Aussagen der Zeugen, des vom Gericht am 09.07.2014 eingenommenen Augenscheins und der Anlage B 14 zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dem Betriebsrat mit dem Anhörungsschreiben jedenfalls auch die Anlage 2c zugeleitet worden ist, in dem das vollständige Judenzitat enthalten war und die Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder der Klägerin. Einer nochmaligen Durchführung der Beweisaufnahme bedurfte es deshalb nicht.
Nach alledem wurde seitens der Beklagten mit Anhörungsschreiben vom 21.04.2009 nebst den beigefügten Anlagen der Betriebsrat über die Personalien der Klägerin umfassend informiert. Ebenso über die der Klägerin vorgeworfenen Drohungen, despektierlichen Äußerungen bzw. Beleidigungen gegenüber den Vorgesetzten K… und We… sowie die Vergleiche zwischen den Zuständen bei der Beklagten und der Behandlung der Juden bzw. den Verhältnissen bei der Mafia. Der Betriebsrat konnte aus den einzelnen Absätzen der Anlage 1 die verschiedenen Kündigungskomplexe erkennen und hat der Kündigung in der Sitzung vom 24.04.2009 ausdrücklich zugestimmt.
Die Klägerin selbst hat im Schriftsatz vom 05.08.2014 unstreitig gestellt, dass die Zustimmung des Betriebsrats dem Personalreferenten Wei… vorlag, bevor das Kündigungsschreiben ihr durch einen Mitarbeiter des Werkschutzes am 24.04.2009 zugeleitet worden ist.
5. Wegen der wirksamen Beendigung des Vertragsverhältnisses steht der Klägerin keine Erteilung eines Zwischenzeugnisses zu.
Ein qualifiziertes Endzeugnis hat sie unter dem Datum 30.06.2009 bereits erhalten (Kopie Bl. 386, 387 d.A.).
6. Die Berufung der Klägerin gegen die erstinstanzliche Abweisung ihrer Klage auf tatsächliche Weiterbeschäftigung ist sachlich nicht begründet.
Wegen der Beendigung des Vertragsverhältnisses zum 30.06.2009 steht der Klägerin über diesen Zeitpunkt hinaus kein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung zu.
III.
1. Die Kosten des Rechtsstreits hat gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die unterlegene Klägerin zu tragen.
2. Im Hinblick auf die kündigungsrechtliche Bewertung herabwürdigender Äußerungen über Vorgesetzte und die Firmenleitung in einer bestehenden Konfliktsituation und ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats wird dem vorliegenden Rechtsstreit über den Einzelfall hinausgehende rechtliche Bedeutung beigemessen und deshalb die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zugelassen.

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