Aktenzeichen 4 AZR 697/14
§ 3 Abs 1 TVG
§ 3 Abs 3 TVG
§ 4 Abs 1 TVG
§ 4 Abs 5 TVG
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Chemnitz, 5. Februar 2014, Az: 11 Ca 983/13, Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht, 26. September 2014, Az: 3 Sa 94/14, Urteil
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. September 2014 – 3 Sa 94/14 – wird zurückgewiesen, soweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 5. Februar 2014 – 11 Ca 983/13 – zu Ziff. 3 der Klage (tarifliche Einmalzahlung) zurückgewiesen worden ist.
2. Im Übrigen wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. September 2014 – 3 Sa 94/14 – auf die Revision des Klägers aufgehoben. Die Sache wird insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Differenzentgelt, eine Jahressonderzahlung für 2012 und eine tarifliche Pauschalzahlung, die sämtlich auf die Geltung von Tarifverträgen der Entsorgungswirtschaft im Arbeitsverhältnis der Parteien gestützt sind.
2
Der Kläger, seit 1996 Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) und später der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), ist seit 1992 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Abfall- und Entsorgungswirtschaft, vorwiegend in deren Niederlassung in C als Müllwerker beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist ein Arbeitsvertrag vom 12. August 1992, der danach mehrfach geändert wurde. Ab Januar 1997 erhielt der Kläger einen monatlichen Festlohn auf der Grundlage von 173 Arbeitsstunden im Monat in Höhe des Tariflohns nach Vergütungsgruppe (VergGr.) 5, Stufe 1 des Bundes-Entgeltrahmentarifvertrags für die private Entsorgungswirtschaft (BERT).
3
Die Beklagte war seit 1991 Vollmitglied im Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft e. V. (BDE), einem „Wirtschafts- und Arbeitgeberverband“, der nach Streitverkündung dem Rechtsstreit als Nebenintervenient beigetreten ist (im Folgenden BDE). Dessen Verbandssatzung sah seit 1995 die Möglichkeit vor, auf besonderen Antrag „nur die Mitgliedschaft im Wirtschaftsverband“ zu erwerben. Mit Schreiben vom 22. April 2002 kündigte die Beklagte ihre „Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband“ mit sofortiger Wirkung, und erklärte, dass „von dieser Kündigung … selbstverständlich die Mitgliedschaft im BDE nicht betroffen“ sei. Nach mehreren Telefonaten mit der Geschäftsführerin der Beklagten sowie verbandsinterner Beratung und Beschlussfassung bestätigte der BDE mit Schreiben vom 10. Juni 2002 den Austritt „aus dem Arbeitgeberverband bei Fortführung der Mitgliedschaft im Wirtschaftsverband“.
4
Am 21. Juni 2002 übersandte der BDE unter Bezugnahme auf den entsprechenden Präsidiumsbeschluss und verbunden mit einem Hinweis auf § 3 Abs. 3, § 4 Abs. 5 TVG einen neuen Mitgliedsausweis mit dem Vermerk „Mitglied nur im Wirtschaftsverband ab 1.5.2002“. Nachdem der BDE dies auch der Gewerkschaft ver.di mitgeteilt hatte, bestätigte diese mit Schreiben vom 12. Juli 2002 gegenüber der Beklagten diese Mitteilung und forderte sie – im Ergebnis vergeblich – zu Verhandlungen über einen Haustarifvertrag auf. Zum 30. November 2012 beendete die Beklagte ihre Mitgliedschaft im BDE vollständig.
5
Nach 2002 schlossen der BDE und die Gewerkschaft ver.di ua. noch den Bundes-Manteltarifvertrag, in Kraft ab 1. Januar 2009 (BMTV 2009) sowie die Bundes-Entgelttarifverträge, in Kraft ab 1. Januar 2011 (BETV 2011) und ab 1. April 2012 (BETV 2012).
6
Die Satzung des BDE aus dem Jahre 1999 wurde in den Jahren 2006/2007 und durch den am 23. Januar 2013 in das Vereinsregister eingetragenen Satzungsbeschluss vom 9. Mai 2012 geändert.
7
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde das Bruttogehalt des Klägers aufgrund von Vereinbarungen zwischen den Parteien mehrfach erhöht. So erhielt er ab August 2008 ein monatliches Entgelt von 1.970,00 Euro brutto. Ab dem Jahr 2007 zahlte die Beklagte dem Kläger eine stets mit dem Novembergehalt geleistete Jahressonderzahlung in unterschiedlicher Höhe, zuletzt für die Jahre 2009 und 2010 jeweils in Höhe von 1.477,50 Euro brutto. Im Jahr 2011 erhielt er mit dem Entgelt für den Monat November 2011 eine Jahressonderzahlung in Höhe von 640,00 Euro brutto. Für das Jahr 2012 erbrachte die Beklagte keine Jahressonderzahlung.
8
In einer im Jahr 2012 beim Arbeitsgericht erhobenen Klage machte der Kläger für das Jahr 2011 die Differenz zwischen der ihm geleisteten Sonderzahlung von 640,00 Euro und der ihm nach dem BMTV 2009 seiner Meinung nach zustehenden Sonderzahlung geltend. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen die Klage vorrangig mit der Begründung ab, die Beklagte sei durch ihren „Übertritt“ zum Wirtschaftsverband innerhalb des BDE nicht mehr tarifgebunden; die Satzung des BDE unterscheide wirksam zwischen tarifgebundenen Mitgliedern des sog. Arbeitgeberverbandes im BDE und nicht tarifgebundenen Mitgliedern des sog. Wirtschaftsverbandes im BDE. Mit Urteil vom 21. Januar 2015 (- 4 AZR 802/13 -) hob der Senat das Berufungsurteil auf und gab der Klage statt.
9
Der Kläger machte mit Schreiben vom 23. Januar 2013, das der Beklagten am selben Tag zuging, erfolglos weitere tarifliche Leistungen geltend.
10
Mit der der Beklagten am 8. Mai 2013 zugestellten Klage und den später erfolgten Klageerweiterungen hat der Kläger seine Ansprüche weiterverfolgt. Er hat die Auffassung vertreten, er sei in der Zeit von – zuletzt – 1. Oktober 2012 bis 30. September 2013 nach dem für ihn maßgebenden BERT in der VergGr. 5 eingruppiert und habe deshalb Anspruch auf die – rechnerisch unstreitige – Differenz zwischen dem hierfür nach dem BETV 2012 vereinbarten Tariflohn und der ihm von der Beklagten tatsächlich gezahlten Vergütung in Höhe von monatlich 287,99 Euro brutto. Auch stünden ihm die Sonderzahlung nach § 13 BMTV 2009 für das Jahr 2012 in Höhe von 1.693,49 Euro brutto sowie die tarifliche Einmalzahlung gemäß § 5 BETV 2012 in Höhe von 125,00 Euro brutto zu. Zur Begründung seines Anspruchs hat er sich ferner auf eine zwischen den Parteien aus seiner Sicht vereinbarte Verweisungsklausel auf die genannten Tarifverträge berufen.
11
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
1.
2.015,93 Euro brutto (Vergütungsdifferenz für sieben Monate)
2.
1.693,49 Euro brutto (Sonderzahlung 2012)
3.
125,00 Euro brutto (tarifliche Einmalzahlung 2012)
4.
575,98 Euro brutto (Vergütungsdifferenz für zwei weitere Monate)
5.
863,97 Euro brutto (Vergütungsdifferenz für drei weitere Monate)
jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
12
Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag ua. damit begründet, sie sei als Mitglied des „Wirtschaftsverbandes“ im BDE nicht an den Bundes-Manteltarifvertrag gebunden. Sie sei einvernehmlich zum 30. April 2002 aus dem „Arbeitgeberverband“ im BDE ausgetreten. Durch den Austritt falle sie zudem nicht mehr unter den fachlichen Geltungsbereich der vom BDE später geschlossenen Tarifverträge BMTV 2009 und BETV 2012. Weiterhin habe der Kläger im maßgebenden Zeitraum kein „aufgrund der tariflichen Regelungen gezahltes Entgelt“ erhalten. Dies aber setze der Bundes-Manteltarifvertrag für einen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung voraus. Im Übrigen erfülle er nicht die Anforderungen der VergGr. 5 BERT. Schließlich habe der Kläger auch nicht die tarifliche Ausschlussfrist gewahrt.
13
Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Die gegen die Teilabweisung gerichtete Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat es das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage vollständig abgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klageziel weiter.