Aktenzeichen 5 Sa 498/15
Leitsatz
Verfahrensgang
1 Ca 134/15 2015-11-12 Endurteil ARBGBAMBERG ArbG Bamberg
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 12.11.2015, Aktenzeichen: 1 Ca 134/15, wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2b, c ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung erweist sich als unbegründet. Das Arbeitsgericht Bamberg hat zu Recht die Klage abgewiesen da die Kündigung vom 27.01.2015 das zwischen den beiden Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.07.2015 aufgelöst hat. Es kann insoweit voll umfänglich auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Ersturteils verwiesen und von einer lediglich wiederholenden Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind noch folgende ergänzende Ausführungen veranlasst:
1. Ein personenbedingter Grund für eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses liegt grundsätzlich – unbeschadet einer abschließenden Interessensabwägung – zumindest dann vor, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt noch eine Freiheitsstrafe von mehr als 2 Jahren zu verbüßen hat und eine vorherige Entlassung nicht sicher zu erwarten steht. In einem solchen Fall kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten. Dabei ist u.a. bedeutsam, dass bei zunehmender Haftdauer die Verwirklichung des Vertragszwecks in Frage gestellt wird. Eine mehrjährige Abwesenheit des Arbeitnehmers geht typischer Weise mit einer Lockerung seiner Bindungen an den Betrieb und die Belegschaft, sowie den Verlust von Erfahrungswissen einher, das aus der täglichen Routine resultiert. Dementsprechend muss der Arbeitgeber bei der Rückkehr eines langjährig inhaftierten Arbeitnehmers mit erhöhtem Einarbeitungsaufwand rechnen (BAG vom 22.10.2015, 2 AZR 381/14, vgl. vom 23.05.2013 – 2 AZR 120712 Rdnr. 20 ff insbesondere Rdnr. 37, BAG vom 24.03.2011 – 2 AZR 790/09 Rdnr. 12 ff und BAG vom 25.11.2010 – 2 AZR 984/08 jeweils zitiert nach Juris).
2. Diesen Grundsätzen folgend liegen die Voraussetzungen für eine wirksame personenbedingte Kündigung aufgrund der Freiheitsstrafe des Klägers im vorliegenden Fall bei Zugang der Kündigungserklärung am 27.01.2015 vor.
Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Kläger im geschlossenen Vollzug in der JVA bzw. aufgrund der Langzeitsuchttherapie in der geschlossenen Abteilung des Bezirkskrankenhauses Bayreuth. Unter Einbeziehung der Untersuchungshaft betrug der noch zu verbüßende Teil der Haftstrafe fast 5 Jahre.
In dieser Situation war die Beklagte zur fristgemäßen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt. Der vorliegende Fall weist keine Besonderheiten auf, die bei einer Abwägung der beiderseitigen Interessen eine andere Beurteilung verlangen würden. Soweit sich der Kläger aufgrund seiner Langzeittherapie auf zu erwartende Vollzugslockerung und eine zu erwartende Aussetzung eines Strafrechts zur Bewährung beruft ist das Vorbringen des Klägers nicht geeignet, ein Überwiegen seines Interesses ab Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Beendigungsinteresse der Beklagten zu begründen. Dies ergibt sich aus Folgenden:
a. Zum Zeitpunkt der Kündigung war nicht absehbar, ob und gegebenenfalls wann dem Kläger Vollzugslockerungen, insbesondere ein Freigängerstatus gewährt werden würde und ob etwaige Vollzugslockerungen den Kläger in die Lage versetzen würden, seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit bei der Beklagten vor dem Ende der Haftstrafe aufzunehmen.
Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 24.03.2011
– 2 AZR 790/09 – zitiert nach Juris, kann sich zwar aus § 241 Abs. 2 BGB eine Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben bei der Erlangung des Freigängerstatus des Arbeitnehmers mitzuwirken, wenn dies für den Arbeitgeber nicht risikobehaftet ist. Hier war allerdings zum Zeitpunkt der Kündigung völlig ungewiss, ob und ab welchem Zeitpunkt der Kläger einen Freigängerstatus würde erlangen können. Ungewiss war im Zeitpunkt der Kündigungsschutzerklärung auch, ob der Kläger überhaupt die Langzeittherapie antreten wird, ob er diese Langzeittherapie auch beenden wird und welche Folgen eine abgeschlossene Langzeittherapie für den weiteren Vollzug der Freiheitsstrafe haben würde.
b. Bei Zugang der Kündigung stand auch nicht fest, ob und gegebenenfalls wann der Strafrest des Klägers eventuell zur Bewährung ausgesetzt werden würde. Unmaßgeblich ist in diesem Zusammenhang wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass die Strafe nach der Hälfte der Verbüßung oder jedenfalls nach 2/3 der Verbüßung zur Bewährung ausgesetzt werden würde. Die zukünftige Möglichkeit bzw. Wahrscheinlichkeit, dass die Strafvollstreckungsbehörde einen Teil der Strafe zur Bewährung aussetzen wird, kann bei der Kündigungsentscheidung keine Rolle spielen. Denn nach § 57 Abs. 1 StGB ist wesentlicher Entscheidungsgesichtspunkt für die vorzeitige Haftentlassung u.a. das Verhalten der verurteilen Person im Vollzug mithin die Einwilligung der verurteilten Person erforderlich. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann vom Arbeitgeber nicht vorausschauend für den Zeitpunkt beurteilt werden, zu dem die Strafvollstreckungsbehörde voraussichtlich über die vorzeitige Haftentlassung entscheiden wird (so ausdrücklich BAG vom 25.11.2010 – 2 AZR 984/08 zitiert nach Juris).
c. Angesichts der Dauer der Haftstrafe des Klägers von über mehr als 2 Jahren zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung und der damit zusammenhängenden Störung des Austauschverhältnisses war der Beklagten ein Festhalten am Arbeitsverhältnis über die ordentliche Kündigungsfrist hinaus nicht zumutbar. Dies gilt ohne dass die Beklagte konkrete Betriebsablaufstörungen darlegen müsste. Die Kammer schließt sich insoweit den vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätzen zur haftbedingten Kündigung (BAG vom 25.11.2010 – 2 AZT 984/08 – zitiert nach Juris) an. Danach gilt Folgendes: Der Arbeitsvertrag ist auf den ständigen Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtet. Ist der Arbeitnehmer zur Erbringung seiner Arbeitsleistung nicht in der Lage, kann eine Nachleistung beiden Seiten nicht zugemutet werden. Zugleich ist der Arbeitgeber gehindert von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen und muss, wenn er seine bisherige Arbeitsorganisation unverändert aufrechterhalten will, für eine andere Erledigung der Arbeit sorgen. Bereits darin liegt eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen (BAG vom 25.11.2010, – 2 AZR 984/08 – und BAG vom 23.05.2013 – 2 AZR 120/12 – zitiert nach Juris).
Wenn im Kündigungszeitpunkt noch eine Haftstrafe von mehr als 2 Jahren zu verbüßen ist und eine Entlassung vor Ablauf von 2 Jahren nicht sicher zu erwarten steht, kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden lediglich Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass aufgrund einer mehrjährigen Abwesenheit des Arbeitnehmers typischerweise mit einer Lockerung seiner Bindungen an den Betrieb und die Belegschaft sowie den Verlust von Erfahrungswissen gerechnet werden muss, das aus der täglichen Routine resultiert (BAG vom 22.10.2015 – 2 AZR 381/14 ebenfalls zitiert nach Juris).
d. Auch bei einer abschließenden umfassenden Interessensabwägung ergibt sich, dass trotz der Betriebszugehörigkeit des Klägers seit 1997, seiner Unterhaltsverpflichtung und seiner Schwerbehinderung als auch des langjährig störungsfreien Bestandes des Arbeitsverhältnisses alleine aufgrund der Dauer der Freiheitsstrafe, die der Kläger bei Zugang der Kündigung noch zu verbüßen hatte, dass diese aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt ist.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
4. Es bestand keine Veranlassung die Revision zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind.