Aktenzeichen 11 Sa 26/19
Leitsatz
1. Grundsätzlich können Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihre ursprüngliche Lohnvereinbarung dahingehend abändern, dass in Zukunft anstelle eines Teils der monatlichen Zahlung vom Arbeitgeber eine Versicherungsprämie auf einen Lebensversicherungsvertrag zugunsten des Arbeitnehmers gezahlt werden soll (Gehaltsumwandlung) insoweit keine pfändbaren Ansprüche aus Arbeitseinkommen mehr entstehen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Vereinbart ein Arbeitnehmer jedoch nach Pfändung des Arbeitseinkommens mit seinem Arbeitgeber eine Entgeltumwandlung in der Form einer Direktversicherung, so ist die darin zugleich gegenüber dem Pfändungsgläubiger getroffene Verfügung über den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens gemäß § 829 ZPO iVm § 135 BGB relativ unwirksam. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der durch die Gehaltsumwandlung erfasste Betrag ist jedoch nicht einfach dem Nettoeinkommen des Arbeitnehmers hinzuzurechnen, da der Gläubiger so in der der Weise bevorzugt würde, als dass er besser gestallt wäre, als er stehen würde, wenn der Arbeitnehmer die Gehaltsumwandlung überhaupt nicht vorgenommen hätte. In diesem Falle ist eine fiktive Berechnung des Entgelts vorzunehmen. Darauf, dass der Arbeitnehmer tatsächlich nicht im entsprechenden Umfang Steuer oder Sozialversicherung bezahlt hat, kommt es insoweit nicht an, da die relative Unwirksamkeit der Verfügung zu der genannten Berechnung eines fiktiven Einkommens führt. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
40 Ca 6119/18 2018-12-18 Endurteil ARBGMUENCHEN ArbG München
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München (Az: 40 Ca 6119/18) vom 18.12.2018 aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger € 1.648,- nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.08.2018 zu bezahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt mit Wirkung ab August 2018 für die Dauer der Beschäftigung der Streitverkündeten bei ihr die pfändbaren Beträge des Einkommens der Streitverkündeten an den Kläger zu bezahlen bis zum vollständigen Ausgleich des Betrages von € 20.382,35 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 10.08.2018 mit der Maßgabe, dass die Beiträge an die Direktversicherung beim Volkswohl Bund, Vers.-Nr. 39292505, das pfändbare Einkommen der Streitverkündeten nicht reduzieren, sondern dem Bruttoeinkommen zuzurechnen sind.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 74/100, die Beklagte 26/100.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet.
I.
Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 und 2, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Sie ist daher zulässig.
II.
Die Berufung des Klägers ist teilweise insoweit begründet, als die Gehaltsumwandlung tatsächlich gegenüber dem Kläger nicht wirksam ist, der umgewandelte Betrag daher dem Bruttoeinkommen der Streitverkündeten zuzurechnen ist und entsprechend der darauf dann anfallenden Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge sich ein höheres Nettoeinkommen ergibt und damit ein höherer pfändbarer Betrag, der abzüglich der bereits erfolgten Zahlung an den Kläger auszuzahlen ist.
1. Der Kläger hat Anspruch auf Nachzahlung von € 1.648,00 für den Zeitraum von Mai 2016 bis Juli 2018, da infolge der Pfändung des Arbeitseinkommens der Streitverkündeten gemäß §§ 829, 832 ZPO in dieser Höhe infolge der relativen Unwirksamkeit der Gehaltsumwandlung, die die Streitverkündete mit der Beklagten vereinbart hat, ein höherer pfändbarer Nettolohn anzusetzen ist, aus dem sich der pfändbare Anteil des Arbeitseinkommens errechnet. Insoweit stehen die von Seiten des Klägers berechneten restlichen Lohnforderungen (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 15.05.2019, Blatt 148 f. d. A.) dem Kläger noch zu.
a) Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass grundsätzlich, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihre ursprüngliche Lohnvereinbarung dahingehend abändern, dass in Zukunft anstelle eines Teils der monatlichen Zahlung vom Arbeitgeber eine Versicherungsprämie auf einen Lebensversicherungsvertrag zugunsten des Arbeitnehmers gezahlt werden soll (Gehaltsumwandlung) insoweit keine pfändbaren Ansprüche aus Arbeitseinkommen mehr entstehen (vgl. BAG, Urteil vom 17.02.1998 – 3 ARZ 611/97; vom 30.07.2008 – 10 AZR 459/07). Grundsätzlich wäre daher im Zeitpunkt der jeweiligen Entstehung des monatlichen Gehaltsanspruches der Streitverkündeten keine Barlohnansprüche, die der Pfändung unterliegen könnten, gegeben gewesen, so dass die Pfändung diese auch nicht erfassen hätte können.
b) Jedoch bewirkte die vorher durch die Pfändung und Überweisung auch der künftigen Lohnforderungen der Streitverkündeten im pfändbaren Umfang, dass Verfügungen zum Nachteil des Gläubigers verboten werden und insoweit eine relative Wirkung des Verfügungsverbotes nach §§ 135, 136 BGB eintritt (vgl. Herget in Zöller, ZPO, § 829 Rdz. 18). Die dem Schuldner, also hier der Streitverkündeten, verbotene Verfügung ist dem Pfändungsgläubiger gegenüber unwirksam.
aa) Entgegen der Auffassung von Boewer in Handbuch Lohnpfändung (Rdz. 460) und Stöber in Forderungspfändung (Rdz. 919) ist nicht maßgeblich, dass die von Seiten der Streitverkündeten mit der Beklagten getroffene Vereinbarung nicht nur eine Lohnverwendungsabrede darstellt, sondern eine Veränderung des Arbeitsvertrages dahingehend, dass nunmehr kein Barlohn geschuldet ist, da die in der vereinbarten Entgeltumwandlung enthaltene Verfügung über den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens gemäß § 829 ZPO i. V. mit § 135 BGB relativ unwirksam ist.
bb) Insoweit ist die Situation vergleichbar mit der bereits vom BAG entschiedenen Fallkonstellation, wonach nach Eintreten einer Insolvenz bzw. Abtretung von Lohnansprüchen im Rahmen der Restschuldbefreiung an einen Treuhänder einer Entgeltumwandlung das Verfügungsverbot über die Lohnforderung entgegensteht. Denn das Bundesarbeitsgericht hat insoweit zum Fall der Abtretung entschieden (vgl. Urteil vom 30.07.2008 – 10 AZR 459/07), dass die entsprechende Vereinbarung eine Verfügung beinhaltet, die infolge der Abtretung nicht mehr erfolgen konnte. Nachdem § 829 ZPO i. V. mit § 135 BGB allerdings die infolge der Pfändung vorliegende Verfügungsbeschränkung beinhaltet, wonach also beeinträchtigende Verfügungen relativ unwirksam sind, mag zwar eine Einflussnahme auf das Grundverhältnis, das Arbeitsverhältnis mit der entsprechenden Lohnvereinbarung, durch getroffene Verfügungen das Grundverhältnis an sich betreffen und nicht nur die einzelne Lohnforderung, die aber hierin liegende beeinträchtigende Verfügung ist wegen der gesetzlichen Regelung gegenüber dem Kläger jedenfalls unwirksam. Denn aufgrund der Wirkung des § 832 ZPO, wonach auch künftige Forderungen des Arbeitseinkommens bereits von der ursprünglichen Pfändung erfasst werden, d. h. also auch erst künftig entstehende, aber schon durch die Pfändung erfasste Lohnforderungen, für die ausreichend ist, dass der Entstehungstatbestand der Forderung bereits gesetzt wurde durch Abschluss des Arbeitsvertrages (vgl. BAG, Urteil vom 17.02.1993 – 4 AZR 161/92) würde durch die Verfügung die insoweit bereits veranlasste Pfändung betroffen. Im Zeitpunkt des Ergreifens dieser künftigen Lohnforderung durch die Pfändung wäre diese jedenfalls durch die getroffene Verfügung beeinträchtigt. Gegenüber dem Kläger ist damit aber diese Verfügung relativ unwirksam, sodass die Pfändung tatsächlich das Arbeitseinkommen erfasst in der Höhe, wie es der Streitverkündeten ohne die entsprechende Gehaltsumwandlung zugestanden hätte, d. h. also sich die Pfändung auf dasjenige Nettoeinkommen bezieht, das die Streitverkündete erhalten hätte, wenn die Gehaltsumwandlung tatsächlich nicht stattgefunden hätte. Dem Kläger gegenüber gilt diese Gehaltsumwandlung praktisch als nicht erfolgt, da ansonsten sein Pfändungspfandrecht beeinträchtigt würde. Der Kläger ist also so zu stellen, wie wenn die Pfändung das entsprechende Arbeitseinkommen ohne Gehaltsumwandlung erfasst hätte.
cc) Entgegen der Auffassung des Klägers ist der durch die Gehaltsumwandlung erfasste Betrag von € 248,00 nicht einfach dem Nettoeinkommen, das die Streitverkündete in den jeweiligen Zeiträumen verdient und ausgezahlt bekommen hat, hinzuzurechnen, so dass sich hieraus die pfändbare Forderung errechnen ließe. Denn hierdurch würde der Gläubiger bevorzugt. Er würde bessergestellt, als er stehen würde, wenn die Streitverkündete die Gehaltsumwandlung überhaupt nicht vorgenommen hätte. Dies ist aber nicht Sinn und Zweck des Pfändungspfandrechtes gemäß § 829 ZPO und der relativen Unwirksamkeit beeinträchtigender Verfügungen gemäß § 135 BGB. Hierdurch sollen nur die beeinträchtigenden Verfügungen relativ gegenüber dem Kläger als unwirksam angesehen werden. Damit kommt es zu einer fiktiven Berechnung des Entgelts, das die Streitverkündete in den jeweiligen Zeiträumen letztlich verdient hat. Darauf, dass die Streitverkündete tatsächlich nicht im entsprechenden Umfang Steuer oder Sozialversicherung bezahlt hat, kommt es insoweit nicht an, da die relative Unwirksamkeit der Verfügung zu der genannten Berechnung eines fiktiven Einkommens führt. Dies ist im Übrigen auch dem Pfändungsrecht nicht fremd, da etwa auch im Falle des § 850 h ZPO im Falle von verschleiertem Arbeitseinkommen ein fiktives Einkommen mit entsprechenden berechneten Steuer- und Sozialversicherungsbeiträgen angesetzt wird oder auch etwa im Falle einer absichtlichen Gläubigerbenachteiligung durch Veränderung der Lohnsteuerklasse eine entsprechende Lohnsteuerklasse als beibehalten gilt. Sinn und Zweck all dieser Forderungen ist es, letztenendes den Gläubiger so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Schuldner nicht zulasten des Gläubigers gehandelt hätte. Der Gläubiger soll aber nicht bevorzugt werden oder einen Vorteil daraus erlangen, dass der Schuldner entsprechende Handlungen vorgenommen hat. Daher konnte die Berufung des Klägers, soweit sie darauf abzielt, letztlich an den Kläger weitere € 248,00 oder aber jedenfalls unter Hinzurechnung zum Nettoeinkommen von € 248,00 den sich hieraus errechneten pfändbaren Betrag an den Kläger auszubezahlen, keinen Erfolg haben. Insoweit war die Berufung zurückzuweisen.
dd) Der Einwand der Beklagten, die insoweit vom Kläger zuletzt im Schriftsatz vom 15.05.2019 durchgeführte Berechnung, sei nicht zutreffend, weil darzustellen sei, wie die Differenz des Nettos ohne und mit Gehaltsumwandlung ausfalle, greift nicht. Denn genau dies hat der Kläger getan. In der Tabelle auf Seite drei dieses Schriftsatzes ist die Differenz gerade dargestellt. Die fiktive Berechnung mit den Abzügen hat die Beklagte nicht angegriffen. Damit ist aber ersichtlich, was dem Kläger noch zusteht. Entsprechend war insoweit der Berufung stattzugeben.
2. Auch der Hilfsantrag des Klägers konnte insoweit keinen Erfolg haben, da auch dieser letztlich auf eine Hinzurechnung des umgewandelten Betrages Nettoeinkommen hinausliefe.
3. Soweit der Kläger für künftige Beträge ab August 2018 die entsprechende Klage erhoben hat, ist diese tatsächlich zulässig. Zwar ist insoweit der Beklagten zuzugeben, dass die hinreichende Bestimmtheit des Antrages auf den ersten Blick nicht als gegeben erscheint, da die gewählte Formulierung, „mit der Maßgabe, dass die Beiträge an die Direktversicherung beim Volkswohl Bund das pfändbare Einkommen der Streitverkündeten nicht reduzieren darf“ nicht eindeutig erscheint. Letztlich ist aber dieser Antrag im Wege der Auslegung (vgl. z.B. BAG v. 07.02.2019 – 6 AZR 84/18) dahingehend zu bestimmen, dass der Kläger zum einen erreichen will, dass die € 248,00 entweder an den Kläger vollständig ausbezahlt werden, oder aber dem Nettoeinkommen, das die Beklagte für den jeweiligen Monat errechnet, unter Berücksichtigung der Gehaltsumwandlung hinzugerechnet werden und sich hieraus dann der pfändbare Teil des Nettoeinkommens errechnen soll, jedenfalls aber unter fiktiver Berechnung des Bruttoeinkommens ohne Berücksichtigung der Gehaltsumwandlung das sich hieraus errechnende Nettoeinkommen von der Pfändung erfasst sein soll. Insoweit ist dieses Begehren des Klägers aus seiner Begründung zu entnehmen und der Antrag des Klägers dahingehend auszulegen und insoweit hinreichend bestimmt. Wie oben bereits dargelegt, kann jedoch der Kläger mit der an sich von ihm primär gewünschten Zielrichtung seines Antrages, der Hinzurechnung jedenfalls von € 248,00 zum Nettoeinkommen oder deren Abführung keinen Erfolg haben. Dem Antrag ist aber als Minus jedenfalls auch zu entnehmen, dass damit auch gewollt ist eine fiktive Berechnung des Bruttoeinkommens und Errechnung des pfändbaren Nettoeinkommens hieraus und Abführung der jeweiligen sich dann errechnenden gepfändeten Beträge des Arbeitseinkommens. Jedenfalls in dieser Form war auch dem Antrag Ziffer III. stattzugeben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
5. Anlass, die Revision zuzulassen besteht im Hinblick auf die oben zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung nicht, da hier die maßgeblichen Grundsätze den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts bereits zu entnehmen sind. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird verwiesen.