Aktenzeichen 23 Ca 4324/16
BGB § 162 Abs. 2
SUrlV § 13
PostPersRG § 4 Abs. 3
Leitsatz
1. Das Wiederaufleben eines aufgrund Sonderbeurlaubung ruhenden Beamtenverhältnisses bei einem Konzernunternehmen stellt einen sachlichen Grund für eine entsprechende auflösende Bedingung eines Arbeitsverhältnisses mit einem weiteren Konzernunternehmen dar. Der sachliche Grund beruht darauf, dass die Parteien vorab und zum Zwecke der Rechtsklarheit einer möglichen Pflichtenkollision vorbeugen, die andernfalls im Falle des Wiederauflebens des Beamtenverhältnisses bei gleichzeitger Fortdauer des Arbeitsverhältnisses entstehen kann. (Rn. 23 und 27)
2. Für das Vorliegen eines sachlichen Grundes iSv § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG kommt es nicht darauf an, ob sich dieser dem Katalog in § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG zuordnen lässt. Der nicht enumerative Katalog schließt weder andere, von der Rechtsprechung ausdrücklich anerkannte noch weitere Sachgründe aus, die den Wertungsmaßstäben der Befristungskontrolle entsprechen (Anschluss an BAG BeckRS 2005, 42969). (Rn. 21) (red. LS Alke Kayser)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf € 16.660,00 festgesetzt.
Gründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Der Feststellungsantrag ist unbegründet. Zwischen den Parteien besteht kein Arbeitsverhältnis mehr.
Die Parteien haben das Arbeitsverhältnis unter einer zulässigen auflösenden Bedingung geschlossen, die eingetreten ist.
a) Das Arbeitsverhältnis der Parteien stand aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrages unter der in § 4 Abs. 3 der Anlage 1 zum Mantel-TV formulierten auflösenden Bedingung eines Auflebens des Beamtenverhältnisses. Die dort geregelte auflösende Bedingung ist (formal) wirksam Bestandteil des Arbeitsverhältnisses geworden.
aa) § 2 des Arbeitsvertrages enthält eine wirksame Bezugnahmeklausel.
Auf einschlägige Tarifverträge bezogene dynamische Bezugnahmeklauseln halten der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB stand. Sie sind weder überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB noch verletzen sie das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (BAG, Urteil vom 23.07.2014 – 7 AZR 771/12, AP TzBfG § 14 Nr. 120).
bb) § 2 des Arbeitsvertrages in Verbindung mit § 4 Abs. 3 der Anlage 1 zum Mantel-TV unterliegen keinen besonderen, formalen Anforderungen im Sinne von § 125 Satz 1 BGB. Die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG ist bei vertraglicher Bezugnahme auf einen Tarifvertrag nicht erforderlich.
Das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG findet keine Anwendung, wenn ein einschlägiger Tarifvertrag insgesamt – und nicht nur in einzelnen Re gelungen – auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist, der seinerseits eine Befristung oder eine auflösende Bedingung vorsieht (BAG, Urteil vom 23.07.2014 -7 AZR 771/12, AP TzBfG § 14 Nr. 120).
b) Die auflösende Bedingung nach § 2 des Arbeitsvertrages in Verbindung mit § 4 Abs. 3 der Anlage 1 zum Mantel-TV ist nach §§ 21, 14 Abs. 1 TzBfG zulässig. Sie ist durch einen sachlichen Grund im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG gerechtfertigt.
aa) Für das Vorliegen eines sachlichen Grundes kommt es nicht darauf an, ob sich dieser dem Katalog von § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG, insbesondere dem sachlichen Grund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG (in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe), zuordnen lässt. Der nicht enumerative Katalog schließt weder andere, von der Rechtsprechung ausdrücklich anerkannte noch weitere Sachgründe aus, die den Wertungsmaßstäben der Befristungskontrolle entsprechen (BAG, Urteil vom 25.05.2005 – 7 AZR 402/04, NZA 2006, 858).
bb) Angesichts der von der Klägerin hervorgehobenen finanziellen Einbußen kann dahinstehen, ob der von der Rechtsprechung des Bundearbeitsgerichts grundsätzlich anerkannte Rechtfertigungsgrund der gesicherten Rückkehr in ein Ar-beits- oder Beamtenverhältnis (BAG, Urteil vom 14.07.2005 – 8 AZR 392/02, NZA 2005, 1411, zur Rechtslage vor Inkrafttreten von § 14 TzBfG; BAG, Urteil vom 25.05.2005 – 7 AZR 402/04, NZA 2006, 858 mwN, zu § 14 TzBfG) hier tatsächlich greift (so LAG Niedersachsen, Urteil vom 23.06.2016 – 5 Sa 1072/15, BeckRS 2016, 72221; ArbG München, Urteil vom 05.08.2016 – 3 Ca 667/16).
cc) Jedenfalls ist die auflösende Bedingung aufgrund der Besonderheiten und gesetzlichen Wertungen des PostPersRG gerechtfertigt. Nach § 4 Abs. 3 Post-PersRG a.F. (Fassung vom 01.07.2009 bis zum 31.12.2012, d.h. zum Zeitpunkt der letzten Befristung aufgrund letzter Beurlaubung) handelt es sich um ein auf die Bedürfnisse der Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost zugeschnittenes Instrument des Statuswechsels zur Erleichterung eines flexib len Personaleinsatzes und zur Erhöhung der „personellen Beweglichkeit“ (vgl. Ausführungen BAG, Urteil vom 25.05.2005 – 7 AZR 402/04, NZA 2006, 858, zu einer entsprechenden Vorgängerfassung). Die Beurlaubung im Beamtenverhältnis ist mit der Begründung des Arbeitsverhältnisses verknüpft; der Ab-schluss eines unbefristeten – bzw. nicht auflösend bedingten – Arbeitsverhältnisses neben dem Fortbestand des Beamtenverhältnisses ist der gesetzgeberischen Konzeption gerade nicht zugrunde gelegt, da die Beurlaubung nach § 4 Abs. 3 Satz 2 PostPersRG zeitlich zu beschränken ist. Besteht das Arbeitsverhältnis unbefristet/nicht auflösend bedingt über den Ablauf der Beurlaubung fort, kann diese Konstellation grundsätzlich zu einer Pflichtenkollision führen (BAG, Urteil vom 25.05.2005 – 7 AZR 402/04, NZA 2006, 858). Von Seiten des Arbeitnehmers bzw. Beamten kann diese Pflichtenkollision durch Eigenkündigung oder Entlassungsantrag gelöst werden. Möglich ist jedoch auch, eine (ausschließliche) Weiterarbeit im Arbeitsverhältnis verbunden mit einem Abwarten, ob, ggf. welche, disziplinarischen Maßnahmen im Beamtenverhältnis durch den Dienstherrn ergriffen und welche beamtenrechtlichen Konsequenzen folgen (vgl. BAG, Urteil vom 21.04.2016 – 2 AZR 609/15, NJW 2016, 2679). Oder der Beamte bzw. Arbeitnehmer entscheidet sich für einen (ausschließlichen) Dienst im Beamtenverhältnis verbunden damit, die arbeitsrechtlichen, insbesondere kündigungsrechtlichen Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis in Kauf zu nehmen. Diese Pflichtenkollision besteht auch nach der genannten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, auf die sich die Klägerin beruft, fort, auch wenn das Bundesarbeitsgericht verdeutlicht hat, dass ein theoretisch bevorstehender, jedoch noch nicht tatsächlich eingetretener Konflikt bzgl. der Erbringung der Arbeitsleistung nicht bereits im Voraus eine vorsorgliche Kündigung zu rechtfertigen vermag (vgl. BAG, Urteil vom 21.04.2016 – 2 AZR 609/15, NJW 2016, 2679, zur Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers bzgl. einer fehlenden Bereitschaft des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis trotz Auflebens des Beamtenverhältnisses weiterzuarbeiten). Den möglichen Konflikt löst die Bedingungsregelung des § 4 Abs. 3 der Anlage 1 zum Mantel-TV bereits im Vorfeld. Es besteht ein sachlicher Grund, zur Planungs- und Rechtssicherheit für den Arbeitgeber (und den Arbeitnehmer/Beamten) zu regeln, welche Rechte und (Beschäftigungs-)Pflichten er unmittelbar bei Ablauf der Sonderbeurlaubung hat, ohne dass er erst das oben dargestellte mögliche Alternativverhalten des Arbeitnehmers während ggf. längerer Kündigungsfristen abzuwarten hat. Für den Arbeitnehmer, der schließlich aus seinem bestehenden Beamtenverhältnis heraus in das Arbeitsverhältnis übernommen wurde, ist es hingegen nicht unbillig, die dargestellten „Wahlmöglichkeiten“ zwischen Weiterarbeit im Arbeitsverhältnis oder Tätigkeit im Beamtenverhältnis nicht zu eröffnen. Denn diese „Option“ geht letztlich damit einher, dass irgendwann die Gefahr einer Pflichtverletzung zumindest in einem der Rechtsverhältnisse durch den Arbeitnehmer/Beamten eintreten kann. Es ist gerade nicht unbillig, sondern angemessen, interessengerecht und sachlich gerechtfertigt, wenn dies ausgeschlossen und damit für den Arbeitnehmer bzw. Beamten letztlich wieder der status quo eintritt. Dies gilt umso mehr, wenn der Wechsel von einem der Rechtsverhältnisse in das andere innerhalb eines Konzerns erfolgt und die Konzerngesellschaften den Wechsel gerade mit Rücksicht auf die gegenseitigen Bedürfnisse vorgenommen haben und kraft gesetzlicher Wertung in § 4 Abs. 3 PostPersRG auch durften.
dd) Auch der Hinweis der Klägerin auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach der Eintritt einer auflösenden Bedingung nicht vom Belieben des Arbeitgebers abhängen dürfe (BAG, Urteil vom 23.07.2014 – 7 AZR 771/12, NZA 2014, 1341; BAG, Urteil vom 19.01.2005 – 7 AZR 250/04, NZA 2005, 873), führt hier nicht zur Unzulässigkeit der Bedingung des § 4 Abs. 3 der Anlage 1 zum Mantel-TV (a.A. zu einer ähnlichen Konstellation ArbG D-Stadt, Urteil vom 20.08.2015 – 3 Ca 1181/15).
§ 4 Abs. 3 der Anlage 1 zum Mantel-TV begründet gerade keine beliebige Entscheidungsfreiheit der Beklagten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Vielmehr hängt das Schicksal des Arbeitsverhältnisses vom Wiederaufleben des ruhenden Beamtenverhältnisses ab und damit von der Entscheidung eines Dritten, der Konzernmutter, über das Schicksal eines weiteren Rechtsverhältnisses (ähnlich ArbG Darmstadt, Urteil vom 16.12.2015 – 1 Ca 188/15).
c) Der Eintritt der auflösenden Bedingung nach § 4 Abs. 3 der Anlage 1 zum Mantel-TV – Nichtverlängerung des Sonderurlaubs und damit Wiederaufleben des Beamtenverhältnisses – ist hier von der Klägerin grundsätzlich nicht bestritten worden.
Auch eine etwaige Unbeachtlichkeit des Bedingungseintritts nach § 162 Abs. 2 BGB lässt sich unter dem von der Klägerin angeführten Gesichtspunkt des unzulässigen „Beliebens“ nicht begründen (vgl. zu diesem Ansatz LAG Niedersachsen, Urteil vom 23.06.2016 – 5 Sa 1072/15, BeckRS 2016, 72221). Selbst wenn man von Abstimmungsprozessen im Konzern ausgeht, lässt sich hier – entgegen der Ansicht der Klägerin – nicht auf eine beliebige, quasi willkürliche oder treuwidrige und letztlich unzulässige Einflussnahme der Beklagten schließen. Es ist schon fraglich, ob sich aus der von der Klägerin angeführten Formulierung im Schreiben der T. AG vom 22.03.2016 („Daher handeln wir im Namen und im Auftrag Ihres Arbeitgebers“) eine entscheidende inhaltliche Einflussnahme der Beklagten ableiten lässt. Das Schreiben gliedert sich in einen ersten Teil mit Ausführungen zur beamtenrechtlichen Beurlaubung durch die T. AG und in einen zweiten Teil mit Ausführungen zum Arbeitsverhältnis mit der Beklagten, insbesondere zur auflösenden Bedingung und dem Angebot eines Aufhebungsvertrags. Es liegt eher eine Auslegung nahe, nach der die von der Klägerin angeführte Formulierung im Schreiben einfach als Offenlegung der Vertretungsbefugnisse zu verstehen ist, soweit das Arbeitsverhältnis bzw. der Aufhebungsvertrag betroffen sind, nicht jedoch zwingend als Wiedergabe irgendwelcher Entscheidungs- und Einflussnahmestrukturen. Selbst wenn Umstrukturierungsmaßnahmen – und damit Entscheidungen – der Beklagten die Frage einer Verlängerung der Beurlaubung und damit notwendig auch die Frage der Dauer des Arbeitsverhältnisses geprägt haben sollten, stellt dies kein mit der Fiktion des Nichteintritts der Bedingung zu sanktionierendes, treuwidriges „Belieben“ dar. Mit § 4 Abs. 3 PostPersRG wird im Gesetz gerade ausdrücklich das Interesse an einem flexiblen Personaleinsatz in den Nachfolgeunternehmen der Deutschen Post anerkannt. Es ist nicht ersichtlich, dass dieses Interesse lediglich ausschließlich in die eine Richtung anerkannt wird (aus dem Beamtenverhältnis heraus) und nicht auch wieder in die andere Richtung (aus dem Arbeitsverhältnis zurück ins Beamtenverhältnis). Vielmehr spricht die Notwendigkeit, die Sonderbeurlaubung nach § 4 Abs. 3 Satz 2, 3 PostPersRG a.F. (bzw. § 4 Abs. 2 Sätze 5 und 6 PostPersRG n.F.) zwingend zu befristen, für die gesetzliche Billigung eines entsprechend flexiblen Personalaustausches. Es stünde im Widerspruch zu dieser gesetzlichen Wertung, mögliche Abstimmungen zwischen den Konzernunternehmen über den Personaleinsatz als unzulässiges „Belieben“ zu qualifizieren oder sogar die Darlegung eines dringenden betrieblichen Erfordernisses im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG für einen konkreten Personaleinsatz bzw. dessen Beendigung zu verlangen.
2. Da das Arbeitsverhältnis aufgrund Eintritts der wirksamen, auflösenden Bedingung zum 31.05.2016 beendet wurde, steht der Klägerin kein Anspruch auf entsprechende Weiterbeschäftigung zu.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Streitwertfestsetzung im Urteil beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Es wurde ein Betrag in Höhe von 2.500,00 € (in Anlehnung an § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG mangels anderweitiger Anhaltspunkte: Hälfte des Auffangwertes; je 1.250,00 € für die Anträge zu 1) und 2) und 1.250,00 € für den Antrag unter 3), im Ergebnis entsprechend dem Ansatz der Klägervertreterin in der Klageschrift) angesetzt.
III.
Die Klägerin kann gegen diese Entscheidung Berufung zum Landesarbeitsgericht München nach Maßgabe der beiliegenden Rechtsmittelbelehrungeinlegen.