Aktenzeichen 6 Ta 20/17
Leitsatz
Verfahrensgang
2 Ca 1659/16 2016-12-19 Bes ARBGWUERZBURG ArbG Würzburg
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg vom 19.12.2016, Az.: 2 Ca 1659/16, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die nach ihrer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Prozesskostenhilfe berechtigte Antragstellerin ist Diplom-Betriebswirtin (FH) und Diplom-Juristin. Sie bewarb sich am 24.04.2016 auf eine Stellenausschreibung der Antragsgegnerin, mit der diese einen Hauptgeschäftsführer/eine Hauptgeschäftsführerin suchte. Mit E-Mail vom 08.08.2016 erhielt die Antragstellerin eine Absage. Mit Schreiben vom 22.08.2016 machte die Antragstellerin Entschädigungsansprüche gemäß § 15 AGG geltend. Die Antragsgegnerin lehnte die Forderung mit Schreiben vom 05.09.2016 ab.
In dem am 21.11.2016 bei Gericht eingegangenen Antrag auf Prozesskostenhilfe nebst Klageentwurf vertritt die Antragstellerin die Auffassung, ihr stehe eine Entschädigung zu, da sie wegen des Geschlechts, wegen des Alters und wegen der Ethnie (Herkunft aus den „neuen“ Bundesländern“) diskriminiert worden sei.
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, die beabsichtigte Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da die Antragstellerin den Entschädigungsanspruch nicht innerhalb der Dreimonatsfrist des § 61 b ArbGG gerichtlich geltend gemacht habe.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Prozesskostenhilfe abgewiesen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete (§ 11 a Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, zutreffend weise die Antragsgegnerin darauf hin, dass die Antragstellerin die dreimonatige Klagefrist gemäß § 61 b Abs. 1 ArbGG versäumt habe. Hiernach müsse eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden sei, erhoben werden. Hieran fehle es vorliegend.
Unter „Klageerhebung“ verstehe man gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 253 Abs. 1 ZPO die Zustellung der Klageschrift. Ein bloßer Klageentwurf stelle keine Klageschrift dar und werde auch nicht zugestellt. Die Antragstellerin habe deutlich gemacht, dass es sich lediglich um einen Klageentwurf handele. Zum einen sei das 17-seitige Schriftstück vom 20.11.2016 mit „ENTWURF“ überschrieben. Zum anderen enthalte der Prozesskostenhilfeantrag vom gleichen Tag ebenfalls die Bezeichnungen „Klageentwurf“ und „Entwurf“.
Aufgrund der schriftlichen Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs am 22.08.2016 habe die dreimonatige Klagefrist mit Ablauf des 22.11.2016 geendet. Dem am 21.11.2016 bei Gericht eingegangenen Klageentwurf könne auch nicht über § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 167 ZPO fristwahrende Wirkung beigemessen werden, weil diese Bestimmung nur für eine anhängig gemachte Klage gelte, an der es vorliegend fehle.
Gegen diesen der Antragstellerin am 21.12.2016 zugestellten Beschluss legte diese mit Schreiben vom 05.01.2017, beim Arbeitsgericht Würzburg eingegangen am 09.01.2017, Beschwerde ein. Die Antragsgegnerin erwiderte hierzu mit Schriftsatz vom 01.02.2017.
Mit Beschluss vom 03.02.2017 half das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht ab und legte sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vor. Das Arbeitsgericht verweist in seinem Nichtabhilfebeschluss auf seinen vorherigen Beschluss und führt weiter aus:
Soweit die Antragstellerin auf das BGH-Urteil vom 30.11.2011 (IV ZR 143/10) verweise, sei dort – im Gegensatz zum hiesigen Verfahren – eine Klage zugestellt worden.
Die von der Antragstellerin angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts befassten sich mit der Thematik „effektiver Rechtsschutz“ im Zusammenhang damit, dass dem Rechtssuchenden kein außer Verhältnis stehendes Kostenrisiko aufgebürdet werden dürfe und dass gegebenenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei. Der Antragstellerin werde jedoch kein unverhältnismäßiges Kostenrisiko aufgebürdet, wenn man von ihr verlange, innerhalb der Dreimonatsfrist nicht lediglich einen Klageentwurf, sondern eine Klage einzureichen: In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen müsse kein Gerichtskostenvorschuss gezahlt werden (§ 11 GKG); im Urteilsverfahren erster Instanz bestehe nicht das Risiko, die Kosten des gegnerischen Rechtsanwalts zahlen zu müssen (§ 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG); die Klage könne bis zur streitigen Verhandlung zurückgenommen werden, ohne dass Gerichtsgebühren anfallen (Nr. 8210 Abs. 2 des Kostenverzeichnisses zum GKG). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei bei Klagen nach § 61 b ArbGG im Gesetz bewusst nicht vorgesehen (ErfK-Koch, 17. Aufl. Rdnr. 2 zu § 61 b ArbGG).
Die von der Antragstellerin herangezogenen Entscheidungen zu § 4 KSchG könnten auf die Einhaltung der Klagefrist des § 61 b ArbGG nicht übertragen werden. Bei unverschuldeter Versäumung der Klagefrist des § 4 KSchG bestehe die Möglichkeit, gemäß § 5 KSchG die nachträgliche Klagezulassung zu beantragen, wobei es sich hier um ein den Wiedereinsetzungsvorschriften (§§ 233 ff. ZPO) nachgebildetes Verfahren handele. Diese Möglichkeit bestehe bei § 61 b ArbGG nicht, da der Gesetzgeber die Absicht verfolge, in absehbarer Zeit Rechtsklarheit zu schaffen (ErfK-Koch a.a.O.). Der mögliche Entschädigungsanspruch verfalle, wenn keine Klage innerhalb der Frist zugestellt oder zumindest bei Gericht anhängig gemacht wird. Es bestehe kein Anlass, in diesem Zusammenhang entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut die Einreichung eines bloßen Klageentwurfes genügen zu lassen.
Mit Schreiben vom 19.02.2017 nahm die Antragstellerin hierzu Stellung, die Antragsgegnerin erwiderte mit Schriftsatz vom 01.03.2017 hierauf, worauf die Antragstellerin mit Schreiben vom 08.03.2017 Stellung bezog.
Bezüglich den weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte, insbesondere die Schriftsätze der Parteien vom 20.11.2016, 09.12.2016, 05.01.2017, 01.02.2017, 09.02.2017, 19.02.2017, 01.03.2017 und 08.03.2017 Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 127 Abs. 2 ZPO statthaft, insbesondere liegt der Streitwert der Hauptsache über dem in § 511 ZPO genannten Betrag. Die Beschwerde ist auch innerhalb der Frist von einem Monat, § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO eingelegt worden.
Die Beschwerde ist sachlich nicht begründet. Insoweit ist zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts in seinen Beschlüssen Bezug zu nehmen.
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber mit § 61 b ArbGG bewusst und abweichend von der Gestaltung in den §§ 4, 5 KSchG für die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 15 AGG eine materielle Ausschlussfrist bestimmt hat. Eine Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist nach § 61 b ArbGG scheidet aus, da diese Frist keine Notfrist im Sinne von § 233 ZPO darstellt. Auch eine nachträgliche Klagezulassung scheidet aus, da der Gesetzgeber gerade keine dem § 5 KSchG entsprechende Regelung geschaffen hat. Eine entsprechende Anwendung dieser Ausnahmevorschrift scheidet ebenfalls aus. Eine entsprechende Lücke im Gesetz kann auch nicht angenommen werden, da der Gesetzgeber in Kenntnis der getroffenen Regelungen der §§ 4, 5 KSchG keine entsprechende Regelung getroffen hat. Im Schrifttum ist, soweit ersichtlich, einhellige Meinung, dass nur die Erhebung einer Klage die Frist des § 61 b ArbGG wahren könne; anstelle vieler Fundstellen vergleiche GK-ArbGG Schütz zu § 61 binsbesondere Rdnr. 6 und 13. Die Frist des § 61 b ArbGG hat den Sinn, innerhalb absehbarer Zeiträume endgültige Rechtsklarheit zu schaffen.
Die Antragstellerin hat auch keine bedingte Klage erhoben, auf die gegebenenfalls § 167 ZPO anzuwenden wäre. Die Antragstellerin hat vielmehr ausdrücklich Prozesskostenhilfe beantragt und lediglich einen Klageentwurf beigefügt, einen Entwurf für eine beabsichtigte Klageerhebung zur Begründung der Erfolgsaussichten ihres PKH-Antrages. Eine zustellungswahrende Fiktion nach §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 167 ZPO scheidet damit aus.
Die Antragstellerin hat damit die Klagefrist des § 61 b ArbGG nicht gewahrt und ist daher mit entsprechenden möglichen Ansprüchen ausgeschlossen.
Nach Ansicht der erkennenden Kammer kann die Antragstellerin auch nichts anderes herleiten unter dem Gesichtspunkt des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz (vgl. BVerfG vom 01.12.2010, Az.: 1 BvR 1682/07, zu tariflichen Ausschlussfristen). Auch wenn bei der Frist des § 4 KSchG nicht durchgehend eine klageweise Geltendmachung gefordert wird, kann dies aus obigen Gründen jedenfalls nicht auf § 61 b ArbGG übertragen werden. Auch das sehr eingeschränkte Kostenrisiko im arbeitsgerichtlichen Verfahren erfordert nach Ansicht der erkennenden Kammer keine andere Beurteilung. Die beabsichtigte Klage hat daher nur ganz entfernte Aussicht auf Erfolg.
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts erweist sich damit als zutreffend, die Beschwerde ist zurück zuweisen.
III.
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter erfolgen, § 78 Satz 3 ArbGG.