Aktenzeichen 0102 C 403/18
ZPO § 91, § 296 a, § 709
BGB § 566 Abs. 1, § 573 Abs. 3
Leitsatz
Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarf ist grundsätzlich die Angabe der Personen, für die die Wohnung benötigt wird und die Darlegungen des Interesses, das diese Personen an der Erlangung der Wohnung haben, ausreichend (vgl. BGH-Urteil vom 17.03.2010, 8 ZR 70/2009). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 7.176,00 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I.
Die zulässige Klage ist weder im Haupt- noch im Hilfsantrag begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Räumung gegen die Beklagten, da zwischen den Parteien ein Mietverhältnis besteht, welches weder durch die Kündigung vom 22.05.2017 noch durch die Kündigung vom 31.01.2018 wirksam beendet wurde. Die mit Schriftsatz vom 28.11.2018, also nach Schluss der mündlichen Verhandlung, schriftsätzlich erklärte erneute Kündigung war nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger ist unstreitig durch Zuschlagsbeschluss im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundstücks geworden und damit gemäß § 57 ZVG i.V. mit § 566 Abs. 1 BGB anstelle des vormaligen Eigentümers und Vermieters der Beklagten in die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten eingetreten. Der Kläger ist damit aktivlegitimiert.
Ein Räumungs- und Herausgabeanspruch besteht jedoch nicht, da das Mietverhältnis nicht wirksam beendet wurde.
Gemäß § 573 Abs. 3 BGB sind die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind. Der Zweck der Vorschrift besteht darin, den Mieter zum frühest möglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderlich zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarf ist daher grundsätzlich die Angabe der Personen, für die die Wohnung benötigt wird und die Darlegungen des Interesses, das diese Personen an der Erlangung der Wohnung haben, ausreichend (BGH-Urteil vom 17.03.2010, 8 ZR 70/2009).
Vorliegend ist bereits fraglich, ob die Angaben des Klägers im Kündigungsschreiben diesen Anforderungen genügen. In beiden Kündigungsschreiben hat der Kläger angegeben, dass er gegenwärtig mit seiner Ehefrau … sehr beengt in einer 15 m² Wohnung leben würde und beide minderjährige Kinder gegenwärtig in … bei den Großeltern lebten. Der Kläger wolle mit seiner Ehefrau und seinen Kindern zusammenziehen und benötige dafür die gegenwärtig von den Beklagten bewohnte Wohnung bzw. das Haus, zudem wolle er seinen an Hepatitis C erkrankten Bruder zu sich holen, um ihn zu pflegen.
Nach Durchführung der Beweisaufnahme konnte der insoweit beweisbelastete Kläger nicht nachweisen, dass die Ausführungen zur derzeitigen Wohnsituation zutreffen. Die Zeugin … hat entgegen dem klägerischen Vortrag angegeben, in der Vergangenheit immer für eine gewisse Zeit nach Deutschland gekommen zu sein und dann wieder zurückgegangen zu sein. Sie könne sich nicht erinnern, wie lange sie in den einzelnen Fällen hier gewesen sei; manchmal für einen Monat, manchmal für zwei Wochen, manchmal für eine Woche. Sie konnte sich auch nicht erinnern, wie oft sie in Deutschland war. Sie sei oft da gewesen, sie habe jedoch nicht so oft kommen können, weil sie die Kinder in … habe, die in die Schule gingen. Im Jahre 2018 sei sie nunmehr zum dritten Mal hier. Um die 2009 und 2014 geborenen Töchter kümmere sie sich, wobei die Mutter des Klägers ihr dabei helfe.
Auf Vorhalt, dass vorgetragen sei, dass sie bei dem Kläger in … lebe und die beiden Kinder bei den Großeltern in …, erklärte die Zeugin, dass sie in … gemeldet sei, jedoch bei ihren Kindern sein müsse. Manchmal seien die Kinder bei den Großeltern, meistens jedoch bei ihr. Sie würde gerne nach Deutschland umziehen, deswegen hätten sie das Haus gekauft. Der Kläger sei meistens in Deutschland, weil er hier arbeite. Wenn er Urlaub habe, besuche er die Zeugin und die Kinder. Er lebe in … in einem Container, der von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt worden sei. Außer ihr, den Kindern und dem Kläger solle auch der Bruder des Klägers in das Haus einziehen. Eventuell solle auch ihre Mutter dort wohnen, da diese Krebs habe.
Auf weiteren Vorhalt, dass der Kläger angebe, dass die Zeugin mit dem Kläger in Deutschland gewohnt habe und dann nach … zurückgegangen sei, um ihre kranke Mutter zu pflegen, hat die Zeugin angegeben, dass sie einmal etwas länger habe bleiben wollen, dann aber zurück gemusst habe, da ihre Mutter krank gewesen sei. Die Kinder hätten sich damals jedoch nicht bei ihrer Mutter befunden. Sie selbst besuche derzeit einen Sprachkurs, um Deutsch zu lernen. Die Kinder sprächen kein Deutsch. Sie versuche jedoch, diesen spielerisch etwas Deutsch beizubringen. Auf Frage, wann ursprünglich der Umzug geplant war, als das Haus ersteigert wurde, erklärte die Zeugin, dass der Zustand des Hauses nicht bekannt gewesen sei, so dass sie nicht gewusst hätten, wie lange es dauern würde, das Haus herzurichten. Wenn dies erfolgt sei, hätten sie umziehen wollen.
Über Schulen in der Umgebung habe sie sich informiert, nicht jedoch bereits Kontakt zu Schulen aufgenommen.
Der Kläger arbeite sei drei bis vier Jahren in …. Am Anfang sei sie seltener hergekommen. Wenn sie hier gewesen sei und die Kinder in …, dann seien diese bei der Mutter des Klägers gewesen. Sie sei in … gemeldet, weil sie hin und wieder hierherkomme und da sich gehöre, dass sie und ihr Mann zusammen wohnen würden. Sie würde gerne die ganze Zeit hier wohnen, könne aber die Kinder nicht herbringen, da sie mit diesen hier nicht wohnen könne, da der Container zu klein sei und die Miete eines Hauses sehr teuer sei. Der Arbeitgeber habe keine Wohnung für Ferien oder Ähnliches angeboten.
Damit hat die Zeugin die derzeitige Wohnsituation erheblich anders geschildert als der Kläger in der Kündigung. Relevant ist hier insbesondere die Tatsache, dass der Kläger selbst angibt, er wohne gegenwärtig mit seiner Ehefrau sehr beengt in einer 15 m² großen Wohnung, während die Zeugin angibt, dass diese ihn lediglich dort besuche. Der längste von ihr angegebene Besuch hat einen Monat gedauert. Von einem gemeinsamen Zusammenleben in der Wohnung kann vor diesem Hintergrund keine Rede sein. Auch die Tatsache, dass angegeben wurde, die beiden Kinder wohnten gegenwärtig in … bei den Großeltern, lässt sich mit der Schilderung der Zeugin nicht in Einklang bringen.
Die Abweichungen sind so erheblich, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese, wie vom Klägervertreter nunmehr vorgetragen, auf sprachlichen Schwierigkeiten beruhen bzw. darauf, dass tatsächlich die Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung geschildert wurden, welche sich eben nachträglich verändert hätten.
Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass die Angaben bereits zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung falsch waren und sich nicht nachträglich erst verändert haben. Allein durch die Verwendung des Wortes „gegenwärtig“ wird ein Besuch der Ehefrau des Klägers nicht zu einem gemeinsamen Wohnen in einer Wohnung, worunter ein dauerhaftes Wohnen zu verstehen ist. Dabei wurde auch berücksichtigt, dass seitens des Beklagtenvertreters im weiteren Verlauf des Verfahrens darauf hingewiesen hat, dass schriftsätzlich später vorgetragen wurde, der Kläger habe seine Ehefrau zu sich holen wollen, woraufhin der Kläger hat vortragen lassen, dass die Ehefrau bei ihm gewohnt habe, jedoch aufgrund der Erkrankung der Mutter habe zurückgehen müssen. Auch dies weicht erheblich von dem von der Zeugin geschilderten Sachverhalt, wonach lediglich Besuche vorlagen, und sie einmal habe länger bleiben wollen, dann jedoch ihre Mutter erkrankt sei, ab. Auch die Wohnsituation der Kinder, die laut Kündigung bei den Großeltern leben, hat sich als falsch herausgestellt.
Zudem liegen zwischen den Kündigungen vom 22.05.2017 und der Kündigung vom 31.01.2018 mehr als vier Wochen. Die Kündigungsgründe werden absolut gleichlautend geschildert, obwohl jedenfalls zum Zeitpunkt der zweiten Kündigung dies nicht mehr damit erklärt werden kann, dass die Zeugin wieder gegenwärtig bei dem Kläger gewohnt habe.
Vor diesem Hintergrund spricht aus rechtlichen Gründen bereits viel dafür, die Kündigung bereits als formell unwirksam anzusehen, da nicht lediglich dramatisiert wird oder geringfügige Abweichungen vorliegen, sondern vom Kläger und der Zeugin eine gänzlich andere Situation geschildert wird.
Die Frage der formellen Wirksamkeit der Kündigung kann jedoch dahinstehen, da die erheblichen Abweichungen der Angaben der Zeugin … zu den Angaben des Klägers dazu führen, dass das Gericht nicht davon überzeugt ist, dass der Kläger das Anwesen tatsächlich selbst und mit seiner Ehefrau, seinen Kindern sowie seinem Bruder bewohnen möchte. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger nunmehr vorträgt, dass diese Unrichtigkeiten lediglich auf sprachlichen Schwierigkeiten beruhen. Der Kläger war bei Abgabe der Kündigungserklärung anwaltlich vertreten, so dass davon ausgegangen werden muss, dass ihm die Wichtigkeit der von ihm im Rahmen der Kündigungserklärung gemachten Angaben bewusst war. Da der Eigennutzungswunsch des Klägers nicht lediglich mit der eigenen Wohnsituation sondern insbesondere auch mit der Wohnsituation der anderen Familienmitglieder verknüpft wurde, wirkt sich die Tatsache, dass die in den Kündigungserklärungen geschilderte Situation nicht nachgewiesen werden konnte, auch auf die Überzeugung des Gerichts hinsichtlich eines Eigennutzungswunsches des Klägers negativ aus. Zudem bestehen angesichts der bislang nach Angaben der Zeugin fast nicht erfolgten Vorbereitung eines Umzuges nach Deutschland, insbesondere die Planungen eines Schul – oder Kindergartenbesuches der Töchter betreffend und deren Sprachkenntnisse, auch Zweifel des Gerichts daran, dass diese tatsächlich beabsichtigen, in das verfahrensgegenständliche Anwesen zeitnah nach einer Räumung durch die Beklagten einzuziehen.
Vor diesem Hintergrund ist unerheblich, inwieweit die Kündigung vom 22.05.2017 den Beklagten zugegangen ist.
Die erneute Kündigung im Schriftsatz vom 28.11.2018 war gemäß § 296 a ZPO nicht zu berücksichtigen, da diese erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erklärt wurde. Die Erklärung erfolgte zwar innerhalb einer Stellungnahmefrist, diese war jedoch lediglich zum Ergebnis der Beweisaufnahme gesetzt.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.