Arbeitsrecht

Rückforderung der Ausbildungskosten zum Flugsicherungskontrolloffizier nach Entlassung aus der Bundeswehr wegen Kriegsdienstverweigerung

Aktenzeichen  6 B 17.300

Datum:
13.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 140188
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 67 Abs. 2 S. 1, § 133
SG 1995 § 49 Abs. 4

 

Leitsatz

1 § 49 Abs. 4 S. 3 SG 1995 ist dahin auszulegen, dass anerkannte Kriegsdienstverweigerer bei einem Ausscheiden aus dem Dienst vor Ablauf der Mindestdienstzeit die Kosten ihrer Ausbildung bei der Bundewehr nur im Umfang des geldwerten Vorteils erstatten müssen, der ihnen aus der genossenen Fachausbildung für ihr weiteres Berufsleben verbleibt. (Rn. 28 ) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zu den zurückzuzahlenden unmittelbaren Ausbildungskosten eines ausgeschiedenen Flugsicherungskontrolloffiziers gehören die vom Bund an die Deutsche Flugsicherung (DFS) geleisteten Lehrgangskosten im Umfang der auch bei einer zivilen Fluglotsenausbildung auf Grund einer Rückzahlungsklausel wegen Nichteinhaltung der dreijährigen Beschäftigungsdauer anfallenden Erstattungskosten. (Rn. 37 – 39) (redaktioneller Leitsatz)
3 Zu den zurückzuzahlenden mittelbaren Ausbildungskosten gehören Ausgaben für ersparte Lebenshaltungskosten, die sich an der Ausbildungszeit für eine vergleichbare Ausbildung bei der DFS unter Anlehnung an das steuerliche Existenzminimum orientieren. (Rn. 40 und 41) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 1 K 14.890 2015-09-16 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 16. September 2015 – RN 1 K 14.890 – geändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist unbegründet, die der Beklagten begründet.
Der Leistungsbescheid der Beklagten vom 9. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. März 2014 ist in dem noch streitigen Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 VwGO). Der Kläger ist dem Grunde nach verpflichtet, neben den unstreitigen Kosten für sein Studium auch die Kosten seiner Fachausbildung zum Flugsicherungskontrolloffizier zu erstatten, wobei sich die Erstattungspflicht wegen seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer auf den ihm verbleibenden Vorteil beschränkt (1.). Diesen Vorteil hat die Beklagte ohne Rechtsfehler ermittelt und für die (allein noch) streitige Fachausbildung auf 74.00,00 € für unmittelbare Ausbildungskosten sowie 25.792,22 € für Lebenshaltungskosten als mittelbare Ausbildungskosten bemessen (2.) Demnach ist die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils in vollem Umfang abzuweisen.
1. Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids ist § 49 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 3 des Soldatengesetzes in der Fassung vom 15. Dezember 1995 (BGBl I S. 1737 – SG 1995 –). Diese Vorschrift findet gemäß der Übergangsregelung des § 97 Abs. 1 Soldatengesetz (in der Neufassung vom 30.5.2005, BGBl I S. 1482, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.10.2016, BGBl I S. 2362 – SG –) Anwendung, weil der Kläger sein Studium am 1. Oktober 1997 und damit vor dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 19. Dezember 2000 (BGBl I S. 1815) begonnen hat. Da die Übergangsregelung darauf abzielt, die Soldaten vor Rechtsfolgen zu schützen, die zum Zeitpunkt ihrer Verpflichtungserklärung noch nicht absehbar waren, gilt die alte Rechtslage auch mit Blick auf die Fachausbildung, obwohl diese vom Kläger erst nach dem genannten Stichtag aufgenommen wurde (vgl. BVerwG, U.v. 12.4.2017 – 2 C 16.16 – juris Rn. 13).
Nach § 49 Abs. 4 Satz 1 SG 1995 muss ein Berufssoldat, der vor Ablauf der in § 46 Abs. 3 genannten Mindestdienstzeit auf seinen Antrag entlassen wird, die entstandenen Kosten des Studiums oder der Fachausbildung erstatten. Ein Berufssoldat ist nach seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus dem Dienstverhältnis eines Berufssoldaten zu entlassen (§ 46 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 1 SG 1995). Diese Entlassung gilt als Entlassung auf eigenen Antrag (§ 46 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 SG 1995).
Der Kläger hat eine Fachausbildung im Sinn der Vorschrift des § 49 Abs. 4 Satz 1 SG 1995 durchlaufen. Der Begriff der Fachausbildung ist eine besondere zur allgemeinen militärischen Ausbildung hinzutretende und für alle Teilnehmer einheitlich gestaltete Ausbildung mit einem bestimmten Ausbildungsziel, die – sei es nach einer Prüfung oder einem planmäßigen Abschluss – zu einer zusätzlichen Befähigung oder Berechtigung führt (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerwG, U.v. 28.10.2015 – 2 C 40.13 – juris Rn. 13). Die Ausbildung zum Flugsicherungskontrolloffizier ist eine solche Fachausbildung. Der Kläger hat einen geregelten Ausbildungsgang bestehend aus dem Lehrgang militärische Flugverkehrskontrolle und der Ausbildung am Arbeitsplatz für den Erlaubnisvermerk Flugplatzkontrolldienst (ADI) und Anflugkontrolldienst (APS) sowie der Ausbildung „überörtliche Flugsicherung“ und Ausbildung am Arbeitsplatz zum Erwerb der ersten Ausbildungsberechtigungsgruppe bei der DFS erfolgreich durchlaufen.
Der Kläger hat ferner die Mindestdienstzeit gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 SG nicht erfüllt. Diese entspricht bei einer Ausbildungsdauer von drei Jahren, elf Monaten und 28 Tagen (1.438 Ausbildungstage) der Höchstdauer von zehn Jahren. Die Ableistung der Mindestdienstzeit beginnt nach Abschluss der Fachausbildung am 21. Oktober 2007 und hätte frühestens mit Ablauf des 20. Oktober 2017 enden können. Bereits mit Ablauf des 11. Dezember 2009 wurde der Kläger entlassen.
Die Einbeziehung von anerkannten Kriegsdienstverweigerern in den Kreis der Soldaten, die bei vorzeitiger Entlassung Ausbildungskosten zu erstatten haben, ist mit Art. 4 Abs. 3 GG vereinbar (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerwG, U.v. 28.10.2015 – 2 C 40.13 – juris Rn. 13). Da das Dienstverhältnis des Berufssoldaten auf Lebenszeit angelegt ist, kann der Dienstherr, der für die Fachausbildung eines Berufssoldaten im dienstlichen Interesse erhebliche Kosten aufgewandt hat, regelmäßig davon ausgehen, dass ihm der Soldat die erworbenen Spezialkenntnisse und Fähigkeiten auf Dauer zur Verfügung stellen wird. Wenn der Berufssoldat später nach eigenem Entschluss aus dem Dienstverhältnis ausscheidet, stellen für ihn die auf Kosten des Dienstherrn erworbenen Spezialkenntnisse und Fähigkeiten im weiteren Berufsleben einen erheblichen Vorteil dar, während der Dienstherr die Kosten der Ausbildung insgesamt oder teilweise vergeblich aufgewendet hat. Diese Lage fordert einen billigen Ausgleich, den der Gesetzgeber durch die Normierung eines Erstattungsanspruchs verwirklicht hat. Die Höhe des Erstattungsanspruchs ist vom Gesetz nicht auf die Höhe der entstandenen Ausbildungskosten festgelegt. Der Dienstherr ist vielmehr ermächtigt, von einem Erstattungsverlangen ganz abzusehen oder den Betrag zu reduzieren, wenn die Erstattung der Ausbildungskosten eine besondere Härte für den Soldaten bedeuten würde (§ 49 Abs. 4 Satz 3 SG). Unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 3 GG ist § 49 Abs. 4 Satz 3 SG 1995 dahin auszulegen, dass anerkannte Kriegsdienstverweigerer die Kosten ihrer Ausbildung nur im Umfang des geldwerten Vorteils erstatten müssen, der ihnen aus der genossenen Fachausbildung für ihr weiteres Berufsleben verbleibt.
Die Erstattungspflicht, der sich ein wegen seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer kraft Gesetzes zu entlassender Soldat gegenübersieht, stellt in der Regel eine besondere Härte i.S.d. § 49 Abs. 4 Satz 3 SG 1995 dar, die den Dienstherrn nach dieser Vorschrift zu Ermessenserwägungen über den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf einen Ausgleich der Ausbildungskosten zwingt. Der Erstattungsbetrag darf nicht höher sein als der Betrag, den der als Kriegsdienstverweigerer anerkannte Soldat dadurch erspart hat, dass die Bundesrepublik Deutschland den Erwerb von Spezialkenntnissen und Fähigkeiten, die ihm im späteren Berufsleben von Nutzen sind, finanziert hat. Durch diese Beschränkung der zu erstattenden Kosten auf den durch die Fachausbildung erlangten Vorteil ist sichergestellt, dass die Erstattung nicht zu einer Maßnahme wird, die den Betroffenen von der Stellung des Antrags auf Kriegsdienstverweigerung abhält. Mit der Abschöpfung lediglich des durch die Fachausbildung erworbenen Vorteils erleidet der anerkannte Kriegsdienstverweigerer keine Einbuße an Vermögensgütern, über die er unabhängig von dem Wehrdienstverhältnis verfügt. Durch den Vorteilsausgleich wird nur die Situation wieder hergestellt, die in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht bestand, bevor der Soldat die Fachausbildung absolviert hat. Mehr soll und darf bei verfassungskonformer Auslegung des Gesetzes nicht abgeschöpft werden.
Der Vorteil aus der Fachausbildung, den der Dienstherr nach § 49 Abs. 4 Satz 3 SG 1995 in Ausübung seines Ermessens zu bestimmen und zu bemessen hat, besteht in der Ersparnis von Aufwendungen, nicht in der Aussicht auf künftige oder fiktive Einnahmen. Bestimmen, wenn auch generalisierend und pauschalisierend, lassen sich die Aufwendungen, die der Berufssoldat dadurch erspart hat, dass er die Fachausbildung nicht auf eigene Kosten hat absolvieren müssen. Abgeschöpft werden darf nur die eingetretene Ersparnis.
Zwischen der Ausbildung und den zu erstattenden Kosten muss ein adäquater Zusammenhang bestehen. Erspart hat sich der ehemalige Berufssoldat stets die unmittelbaren Ausbildungskosten im engeren Sinn wie Ausbildungsgebühren und Aufwendungen für Ausbildungsmittel. Erspart hat sich der ehemalige Berufssoldat des Weiteren aber auch die mittelbaren Kosten der Ausbildung wie Reisekosten und Trennungsgeld sowie die ersparten Lebenshaltungskosten und die Kosten für die Krankenversicherung.
Die Prüfung von nach § 49 Abs. 4 SG 1995 abzuschöpfenden Vermögensvorteilen darf nicht von hypothetischen Umständen (wie fiktiven Ausbildungsvergütungen) abhängig gemacht werden, die einer Beweisführung nicht zugänglich sind. Das gilt auch deshalb, weil überhaupt nicht feststeht, ob für den Auszubildenden zum Zeitpunkt der Aufnahme einer Fachausbildung des Berufssoldaten überhaupt ein gleichwertiger betrieblicher Ausbildungsplatz zur Verfügung gestanden hätte. Deshalb ist eine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise geboten (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.2015 – 2 C 40.13 – juris Rn. 14 ff m.w.N.; BVerwG, U.v. 12.4.2017 – 2 C 16.16 – juris Rn. 29).
2. Gemessen an diesen Maßstäben hat die Beklagte die Härtefallregelung des § 49 Abs. 4 Satz 3 SG 1995 ohne Rechtsfehler angewandt und die nach § 49 Abs. 4 Satz 1 SG 1995 zu erstattenden, noch streitigen Beträge für die Fachausbildung zum Flugsicherungskontrolloffizier in nicht zu beanstandender Weise auf 74.000,00 € als unmittelbare Ausbildungskosten und 25.792,22 € für Lebenshaltungskosten als mittelbare Ausbildungskosten festgesetzt.
a) Die unmittelbaren Ausbildungskosten, die der Kläger durch seine militärische Fachausbildung zum Flugsicherungskontrolloffizier erspart hat, wurden von der Beklagten entgegen der Auffassung des Klägers (ebenso VGH BW, U.v.10.11.2015 – 4 S 2429/13 –) in Ausübung ihres durch § 49 Abs. 4 Satz 3 1995 eröffneten Ermessens sachgerecht bewertet.
Die Fachausbildung des Klägers zum Flugsicherungskontrolloffizier umfasste unter anderem die lehrgangsgebundene Ausbildung „Überörtliche Flugsicherung“ (17.10.2005 bis 16.11.2006) bei der DFS, dem einzigen Ausbildungsanbieter in Deutschland für den Erwerb der entsprechenden Lizenzen nach Maßgabe der Flugsicherungspersonalausbildungsverordnung in der vom 7. Juli 1999 bis 16. Oktober 2008 geltenden Fassung (BGBl I 1999, S. 1506). Die Bundeswehr hat dafür an die DFS Lehrgangskosten für die theoretische Ausbildung in Höhe von 207.754,77 € gezahlt, während die anschließende praktische Ausbildung am Arbeitsplatz bei der DFS kostenfrei erfolgt ist. Die von der Bundeswehr finanzierte Ausbildung des Klägers ist Voraussetzung für den Erwerb der Fluglotsenlizenz und damit für das zivile Berufsleben von messbarem Nutzen, weil sie die Einstellungschancen als Fluglotse auf dem Arbeitsmarkt, wie der weitere berufliche Werdegang des Klägers belegt, eindeutig erhöht hat. Der für den Kläger kostenlose Erwerb dieser Fähigkeiten stellt einen Vorteil dar und ist durch Erstattung eines Geldbetrags abzuschöpfen (vgl. BVerwG, U.v. 30.3.2006 – 2 C 18.05 – juris Rn. 23).
Die von der Bundeswehr an die DFS gezahlten Lehrgangskosten sind allerdings nicht automatisch deckungsgleich mit der Ersparnis im Sinn des oben dargelegten Vorteilsbegriffs. Erspart hat sich der Kläger durch die von der Bundeswehr finanzierten Lehrgänge nur den Anteil, der den Marktpreis für den entsprechenden Teil einer zivil durchgeführten Fluglotsenausbildung darstellt (vgl. BVerwG, U.v. 30.3.2006 – 2 C 18.05 juris – Rn. 21 zur Pilotenausbildung). Den Marktwert einer Fluglotsenausbildung zu bestimmen, bereitet allerdings Schwierigkeiten. Denn einzige Ausbildungsstätte in Deutschland ist die DFS, die zugleich auch wichtigster Arbeitgeber ist. Die DFS bildet also im Wesentlichen den eigenen Nachwuchs aus und muss nicht ernsthaft befürchten, dass die von ihr erfolgreich Ausgebildeten zu einem Konkurrenzunternehmen abwandern.
Die Schwierigkeiten der Bewertung angesichts dieser Besonderheiten eines eng begrenzten, auf einen Arbeitgeber konzentrierten Ausbildungsmarktes rechtfertigen allerdings nicht die Annahme, der vom Kläger auszugleichende Vorteil sei mit Null anzusetzen. Es sprechen vielmehr gute Gründe dafür, den von der Bundeswehr an die DFS gezahlten Betrag von ca. 206.000 € als den Marktpreis für eine Fluglotsenausbildung zu betrachten. Jedenfalls hält die Beklagte sich im Rahmen des ihr durch § 49 Abs. 4 Satz 3 SG 1995 eröffneten Bewertungsermessens, wenn sie die unmittelbaren Ausbildungskosten zugunsten des Klägers deutlich niedriger mit 74.000 € ansetzt.
Bei einer entsprechenden „zivilen“ (Fluglotsen-)Ausbildung bei der DFS müssen, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, von den Auszubildenden zwar keine Ausbildungsgebühren entrichtet werden. Es muss aber bereits bei Abschluss eines Ausbildungsvertrages die Verpflichtung eingegangen werden, nach Abschluss der Ausbildung und Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mindestens drei Jahre für die DFS tätig zu sein und für den Fall, dass der Betreffende vor Ablauf dieser Frist aus einem von ihm zu vertretenden Grund aus der DFS ausscheidet, 74.000 € als einen Teilbetrag der effektiv angefallenen Ausbildungskosten zurückzuzahlen. Eine solche bei einer entsprechenden „zivilen“ Ausbildung unvermeidbare Rückzahlungsklausel mit einer dreijährigen Bindungsdauer stellt eine nicht unerhebliche geldwerte Gegenleistung des Auszubildenden dar, auch wenn ihre Wirksamkeit fraglich erscheinen mag (so VGH BW, U.v. 10.11.2015 – 4 S 2429/13, andererseits aber BAG, U.v. 16.10.1974 – 5 AZR 575/73 – juris). Diese Gegenleistung bei einer „zivilen“ Ausbildung hat sich der Kläger durch die militärische Ausbildung erspart. Die Tatsache, dass der spätere Arbeitsvertrag des Klägers eine erneute Rückzahlungsklausel besaß, ist schon deshalb nicht von Bedeutung, weil sie weitere Ausbildungskosten betraf.
Der ersparte Aufwand ist freilich nicht identisch mit dem ausbildungsvertraglich vereinbarten Rückzahlungsbetrag, sondern lediglich eine Bewertungshilfe. Die tatsächliche Ersparnis kann naturgemäß, ähnlich wie die Ersparnis durch ein von der Bundeswehr finanziertes Studium, nicht genau beziffert, sondern lediglich entsprechend den allgemeinen Regeln generalisierend und pauschalisierend bewertet werden. Auf dieser Ebene ist eine Bemessung unter Rückgriff auf den Rückzahlungsbetrag von 74.000 € sachgerecht und angesichts der vom Dienstherrn an die DFS gezahlten Ausbildungskosten in Höhe von rund 208.000 € auch ohne weiteres angemessen.
b) Zu Recht hat die Beklagte ferner mittelbare Ausbildungskosten für „ersparte Lebenshaltungskosten“ angesetzt. Die Beklagte hat diesen Vorteil ohne Rechtsfehler ermittelt und auf 25.792,22 € bemessen.
Bei den Lebenshaltungskosten ist die Beklagte in nachvollziehbarer Weise fiktiv von einer Ausbildungszeit, die der vergleichbaren Ausbildung bei der DFS entspricht, von dreieinhalb Jahren ausgegangen (6.8.2001 bis 5.2.2005) und hat sie in Anlehnung an das jeweilige steuerliche Existenzminimum berechnet. Diese Lebenshaltungskosten während einer durchschnittlichen (fiktiven) Ausbildungszeit hat der Kläger sich durch die militärische Fachausbildung erspart, weshalb sie vom Vorteilsausgleich erfasst werden. Die Erstattungsforderung ist insoweit entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht um den Betrag zu vermindern, den der ehemalige Soldat bei einer vergleichbaren Ausbildung außerhalb der Bundeswehr als Ausbildungsvergütung erhalten hätte. Die auf die Abschöpfung von ersparten Aufwendungen beschränkte Erstattungspflicht eines Kriegsdienstverweigerers lässt die ihm gewährten Geld- und Sachbezüge (§ 30 SG) außer Betracht. Wegen dieses unterschiedlichen Ansatzes müssen auch (zivile) Ausbildungsvergütungen bei der Vorteilsbestimmung nach § 49 Abs. 4 Satz 3 SG 1995 außer Betracht bleiben. Schließlich ist es nicht gewiss, ob der Kläger einen Ausbildungsplatz als Fluglotse bei der DFS erhalten hätte. Von solchen hypothetischen Umständen eines alternativen Lebens- oder Ausbildungsweges, die einer Beweisführung nicht zugänglich sind, darf die Prüfung der nach § 49 Abs. 4 SG 1995 abzuschöpfenden Vermögensvorteile nicht abhängig gemacht werden. Es handelt sich danach entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht um eine (teilweise) Rückforderung des Solds, sondern um eine Erstattung des Vorteils in Form von Aufwendungen, die sich der Soldat durch die Ausbildung bei der Bundeswehr erspart hat.
Die Härtefallentscheidung der Beklagten begegnet in dem noch streitigen Umfang keinen weiteren rechtlichen Bedenken, sodass die Klage auch insoweit abzuweisen ist.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10‚ § 711 ZPO.
Die Revison ist nicht zuzulassen‚ weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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