Aktenzeichen M 5 K 18.2372
BGB § 812, § 818, § 819, § 820
Leitsatz
1. Verbindlichkeiten, die im Vorgriff auf eine erwartete Leistung eingegangen werden, können keine Entreicherung begründen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Fall des Verlusts der Ansprüche auf Versorgungsbezüge kraft Gesetz aus Umständen, die der Versorgungsbeziehende zu vertreten hat, wie einer strafgerichtlichen Verurteilung, unterliegen die Versorgungsbezüge dem immanenten Vorbehalt der Rückforderung. In einem solchen Fall ist eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung nicht zulässig. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist zulässig, die Nettobeträge bezahlter Versorgungsbezüge zurückzufordern, wenn der Betroffene beim Finanzamt keinen (vollständigen) Ausgleich für die an den Dienstherrn zurückgezahlte Lohnsteuer erreichen kann. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
1. Der Bescheid des Landesamts vom … September 2017 und dessen Widerspruchsbescheid vom … April 2018 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei der des Erlasses bzw. der Zustellung des Widerspruchsbescheids vom … April 2018 an den Kläger am … April 2018.
a) Rechtsgrundlage für die Rückforderung von Versorgungsbezügen von Ruhestandsrichtern ist Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Bayerisches Beamtenversorgungsgesetz (BayBeamtVG). Diese Norm ist auf den Kläger sowohl in zeitlicher als auch persönlicher Hinsicht anwendbar. Zur näheren Begründung wird auf die Ausführungen im Urteil der erkennenden Kammer vom 17. Oktober 2017 (M 5 K 17.293), bestätigt durch den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. August 2019 (3 ZB 17.2479), zu Art. 80 Abs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG (Verlust der Versorgung infolge Verurteilung) verwiesen, die hier sinngemäß gelten.
b) Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Nach Satz 2 steht es der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass die Empfänger ihn hätten erkennen müssen. Von der Rückforderung kann aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abgesehen werden (Satz 3).
aa) Dem Kläger wurden für den Zeitraum vom … Oktober 2016 bis … Dezember 2016 zu viel Versorgungsbezüge bezahlt. Denn mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils des Landgerichts München I vom 12. November 2015 am 10. Oktober 2016 durch unanfechtbaren Beschluss des Oberlandesgerichts München von diesem Tage hat der Kläger kraft Gesetz seine Rechte als Ruhestandsrichter verloren, weil er wegen vorsätzlicher Taten zu Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden ist, Art. 80 Abs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG (vgl. BayVGH, B.v. 5.8.2019 – 3 ZB 17.2479 – juris; VG München, U.v. 17.10.2017 – M 5 K 17.293).
bb) Der Kläger hat die Überzahlung von Versorgungsbezügen nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen herauszugeben. Eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung ist nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG i.V.m. § 818 Abs. 3 BGB zwar grundsätzlich möglich, vorliegend dem Kläger aber nicht.
(1) Nach § 818 Abs. 3 BGB ist die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Eine Entreicherung setzt allerdings begrifflich voraus, dass zunächst eine Bereicherung eingetreten ist. Die §§ 812 ff. BGB dienen der Rückabwicklung rechtsgrundlos erlangter Leistungen. Hat ein Leistungsaustausch aber noch nicht stattgefunden, so ist auch die Herausgabe einer ohne Rechtsgrundlage erlangten Leistung nicht denkbar. Folglich kann bei dem Empfänger der Leistung diese auch nur dann wegfallen, wenn er sie zuvor erlangt hat. Verbindlichkeiten, die im Vorgriff auf eine erwartete Leistung eingegangen werden, können daher begrifflich keine Entreicherung begründen (vgl. Kathke in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Juni 2019, Art. 15 BayBesG Rn. 53; VGH BW, U.v. 19.12.1978 – IV 1535/78 – juris Rn. 16).
So liegt der Fall beim Kläger. Er kann sich wegen der Reise ab … Dezember 2016 insgesamt nicht auf Entreicherung berufen, weil er diese unter Schließung eines entsprechenden Reisevertrags bereits im Juni 2016 buchte. Er verpflichtete sich zur Entrichtung des Reisepreises von insgesamt 12.132,06 EUR damit bereits weit vor dem Zufluss der streitgegenständlichen Versorgungsbezüge für Oktober, November und Dezember 2016.
Wenn man wegen der gestreckten Zahlung des Reisepreises dennoch auf die tatsächlich erbrachten Teilzahlungen abstellen wollte, ergibt sich jedenfalls weder im Hinblick auf die unmittelbar nach Buchung erbrachte Teilzahlung von 2800 EUR noch im Hinblick auf die erst nach der Restzahlung vom … November 2016 zugeflossenen Versorgungsbezüge für Dezember 2016 inklusive (anteiliger) Sonderzahlung (3819,57 EUR + 389.85 EUR = 4209,42 EUR) etwas anderes.
Hinsichtlich des dann noch relevanten Restbetrages in Höhe von 5122,64 EUR, der im Übrigen 5486,01 EUR niedriger ist als der Rückforderungsbetrag von 10.608,65 EUR, könnte sich der Kläger nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, weil er der verschärften Haftung unterlag.
(2) Nach § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1 BGB haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften, wenn er den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang kennt oder später erfährt. So verhält es sich beim Kläger (einem promovierten Juristen), der bei der Entrichtung des Restbetrags für die Reise am – nach seinen eigenen Angaben – … November 2016 bereits positive Kenntnis vom Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 10. Oktober 2016 und damit der Rechtskraft der Verurteilung durch das Landgericht München I vom 12. November 2015 hatte. Andernfalls hätte Rechtsanwalt Dr. G. für ihn nicht bereits – wiederum nach den Angaben des Klägers – am … November 2016 Verfassungsbeschwerde gegen die strafgerichtlichen Entscheidungen einlegen können. Dass der Kläger für sich – nach seiner Auffassung gestützt durch die Beschlüsse des Bayerischen Dienstgerichts für Richter vom 23. März 2016 und des Bayerischen Dienstgerichtshofs für Richter vom 28. Juni 2016 – in Anspruch nahm, die Rechtsfolge des Art. 80 Abs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG werde für ihn nicht gelten, ist dagegen rechtlich irrelevant und hat sich auch als rechtsirrtümlich herausgestellt (BayVGH, B.v. 5.8.2019 – 3 ZB 17.2479; VG München, U.v. 17.10.2017 – M 5 K 17.293).
(3) Der Kläger haftet aber daneben noch verschärft nach § 818 Abs. 4, § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften, wenn die Leistung aus einem Rechtsgrund, dessen Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde, erfolgt ist und der Rechtsgrund wegfällt. Das ist hier im Hinblick auf die Verurteilung durch das Landgericht München I vom 12. November 2015 der Fall. Auch wenn dieses Urteil nicht sogleich rechtskräftig wurde, haftete den nach diesem Urteil bzw. dessen Zustellung an den Kläger ausgezahlten Versorgungsbezügen der Makel des potentiell jederzeit möglichen Verlusts der Rechte des Klägers als Ruhestandsrichter nach Art. 80 Abs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG an. Im Hinblick auf eine jederzeit mögliche Entscheidung des Oberlandesgerichts München über die Revision des Klägers unterlagen ausgezahlte Versorgungsbezüge aus den Umständen des vorliegenden Falls heraus einem immanenten Vorbehalt der Rückforderung. In einem solchen Fall ist eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung nicht zulässig (Findeisen, PdK Bay C-21 [beck-online], Stand: September 2014, Art. 7 BayBeamtVG Nr. 2.2.2 Wegfall der Bereicherung). Denn die Festsetzung und Auszahlung von Versorgungsbezügen stehen unter dem gesetzesimmanenten Vorbehalt, dass die Bezüge infolge späterer Anwendung von Ruhensvorschriften gekürzt und die Überzahlungen zurückgefordert werden. Dieser Gedanke ist mit Blick auf die ungewisse Entwicklung der Einkommensverhältnisse eines Versorgungsempfängers während des Zahlungszeitraums entwickelt worden (BVerwG, U.v. 8.6.2017 – 2 C 46.16 – ZBR 2018, 200, juris Rn. 29 mit zahlreichen Nachweisen). Er ist auch auf andere Fälle auszudehnen, in denen der Versorgungsempfänger mit einer anteiligen oder vollständigen Rückzahlung der Versorgungsbezüge aufgrund gesetzlicher Vorschriften zu rechnen hat. Solches hat die Rechtsprechung auch für aktive Beamte bereits entschieden in Fällen des Verlusts der Besoldung bei schuldhaftem Fernbleiben vom Dienst (vgl. VG SH, U.v. 16.8.2019 – 12 A 157/17 – juris Rn. 24 m.w.N.). Für den vorliegenden Fall des Verlusts der Ansprüche auf Versorgungsbezüge kraft Gesetz aus Umständen, die der Kläger zu vertreten hat, nämlich seiner strafgerichtlichen Verurteilung zu zwei Jahren Freiheitsstrafe (auf Bewährung), kann nichts anderes gelten. Im Übrigen hat der Kläger auch gegen seine nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG bestehenden Anzeige- und Mitteilungspflichten verstoßen, indem er der Pensionsbehörde nicht unmittelbar nach seiner Kenntnis die Tatsache des Beschlusses des Oberlandesgerichts München vom 10. Oktober 2016 mitteilte. Hätte er dies getan, hätte zumindest die Auszahlung der Versorgungsbezüge für Dezember 2016 mit der jährlichen Sonderzahlung noch rechtzeitig gestoppt werden können.
(4) Daher kann es offen bleiben, ob der Kläger – wie er vorträgt – auf der Reise bis … Januar 2017 und damit nach letztem Zufluss der hier streitgegenständlichen Versorgungsbezüge noch weitere Ausgaben in Höhe mehrerer Tausend Euro getätigt hat. Ohnehin hat er solche weder konkret beziffert, noch substantiiert dargelegt und überdies in keiner Weise mit Nachweisen belegt
cc) Die Rückforderung erweist sich auch der Höhe nach als rechtmäßig. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesamt vom Kläger lt. in der mündlichen Verhandlung übergebener Zusammenstellung nur die diesem selbst zugeflossenen Nettobeträge in Höhe von 10.608,65 EUR (Überzahlung vom …10.2016 bis …12.2016 inklusive anteiliger Sonderzahlung 2016) zurückverlangt.
Zwar sind nach Nr. 7 Bayerische Verwaltungsvorschriften zum Versorgungsrecht (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 20.9.2012 [FMBl 2012, S. 394]; BayVV-Versorgung) i.V.m. Nr. 15.2.12.5 Bayerische Verwaltungsvorschriften zum Besoldungsrecht und Nebengebieten (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 22.10.2010, zuletzt geändert durch Bekanntmachung v. 22.10.2018 [FMBl S. 186]; BayVwVBes) Bruttobeträge zurückzufordern; deren steuerliche Behandlung richte sich nach den Vorschriften des Steuerrechts.
Anders ist jedoch zu verfahren, wenn der Betroffene beim Finanzamt keinen (vollständigen) Ausgleich für die an den Dienstherrn zurückgezahlte Lohnsteuer erreichen kann, weil er z.B. im Jahr der Rückzahlung keine Dienstbezüge mehr hat, bei deren Versteuerung die Rückzahlung abgesetzt werden kann (Kathke, a.a.O., Art. 15 BayBesG Rn. 121). Das ist beim Kläger nach seinen – vom Beklagten unbestrittenen – Angaben der Fall, nach denen er gegenwärtig lediglich eine Rente auf Sozialhilfeniveau erhält.
dd) Die vom Landesamt in Anwendung des Art. 7 Abs. 2 Satz 3 BayBeamtVG getroffene Billigkeitsentscheidung, von der Rückforderung nicht abzusehen, ist gerichtlich nicht zu beanstanden. Zur Begründung insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom … April 2018 verwiesen, denen das Gericht folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat auf das Anhörungsschreiben vom … März 2017 hin bis zum Erlass bzw. der Zustellung des Widerspruchsbescheids keine vollständigen Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere eventuelles Vermögen, gemacht. Das Angebot der Ratenzahlung trägt den Interessen des Klägers ausreichend Rechnung.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
4. Dem Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung war nicht zu entsprechen, weil Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen; § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO.