Aktenzeichen 3 K 232/17
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 27.10.2016 sowie der Bescheid über die Ablehnung der Festsetzung des Kindergeldes ab dem 01.11.2016 vom 11.10.2016 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sind nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, da sie im Klagezeitraum keinen Anspruch auf Kindergeld hat.
Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld für Z sind nicht erfüllt, weil die Klägerin nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird, jedoch die Voraussetzungen für die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG nicht vorliegen.
Nach § 62 Abs. 1 EStG hat Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG, wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Nr.1) oder ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nach § 1 Abs. 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist (Nr.2a) oder nach § 1 Abs. 3 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird (Nr.2b).
1. Die Klägerin ist nicht kindergeldberechtigt nach § 62 Abs. 1 Nr. 2b EStG. Nach dieser Bestimmung kann ein Kindergeldanspruch für Personen gegeben sein, die ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, nach § 1 Abs. 3 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden. Die Klägerin ist ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Aufgrund eines Antrags der Klägerin wurde diese gemäß der Bestätigung des Finanzamtes T und auch nach den eingereichten Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2014 und 2015 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig nach § 1 Abs. 3 EStG behandelt. Damit könnte die Klägerin zwar grundsätzlich Anspruch auf Kindergeld haben.
Jedoch muss auch die Tochter Z die Anspruchsvoraussetzungen des § 63 EStG erfüllen. Als Kinder werden nach § 63 Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigt Kinder im Sinne des § 32 Absatz 1, vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten und vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Enkel. Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, haben, werden jedoch für das Kindergeld nicht berücksichtigt, es sei denn, sie leben im Haushalt eines Berechtigten im Sinne des § 62 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a (§ 63 Abs. 1 Satz 6 EStG). Z lebte im Klagezeitraum mit der Klägerin in Moskau. Da das Kind den Wohnsitz nicht in der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, hatte, scheidet ein Kindergeldanspruch nach dieser Bestimmung aus.
2. Die Klägerin ist auch nicht kindergeldberechtigt nach § 62 Abs. 1 Nr. 2a EStG.
a) Nach dieser Bestimmung kann ein Kindergeldanspruch für Personen ohne inländischen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt gegeben sein, wenn sie die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2 EStG erfüllen. Unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind nach dieser Bestimmung auch deutsche Staatsangehörige, die zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen. Da § 1 Abs. 2 EStG nur auf den Bezug von Arbeitslohn aus öffentlichen Kassen abstellt, kommt es zwar nicht darauf an, ob die Person den Arbeitslohn als Diplomatin oder als Mitarbeiterin erhält (BFH-Urteil vom 19. September 2013 V R 9/12, BStBl II 2014, 715, Rn. 14). Jedoch ist ein Dienstverhältnis nur dann anzunehmen, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber (öffentliche Körperschaft, Unternehmer, Haushaltsvorstand) seine Arbeitskraft schuldet (vgl. § 1 Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung), d.h. wenn die tätige Person unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (BFH-Beschluss vom 19. September 2013 III B 53/13, BFH/NV 2014, 38, Rn. 13). So hat der BFH entschieden, dass eine Lehrkraft nicht gemäß § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt steuerpflichtig ist, wenn sich aus dem Gesamtbild der Verhältnisse ergibt, dass sie unter Fortfall ihrer Dienstbezüge vom inländischen Arbeitgeber beurlaubt und von einem ausländischen Schulträger angestellt ist, um an einer Schule im Ausland zu unterrichten (BFH-Urteil vom 2. März 1988 I R 96/84, BStBl. II 1988, 768 und BFH-Beschluss vom 19. September 2013 III B 53/13, BFH/NV 2014, 38).
b) Die Klägerin hat im Streitfall keinen Arbeitslohn für ein Dienstverhältnis zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts bezogen. Nach Auffassung des Gerichts muss für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG das Dienstverhältnis zu demselben Rechtsträger bestehen, aus dessen inländischer öffentlicher Kasse der Arbeitslohn bezogen wird. Insbesondere durch Verknüpfung von Dienstverhältnis und Arbeitslohn durch das Wort „dafür“ bei § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG ergibt sich aus dem Gesetz, dass das Dienstverhältnis zu demselben Rechtsträger bestehen muss, aus dessen inländischer öffentlichen Kasse der Arbeitslohn bezogen wird. Die Klägerin ist eine Person mit deutscher Staatsangehörigkeit ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Im Streitfall besteht jedoch ein Dienstverhältnis zum Freistaat Bayern mit einer Beurlaubung zur Dienstleistung an der ausländischen Schule, ein Arbeitsverhältnis der Klägerin besteht mit der deutschen Schule in Moskau und es erfolgt eine Zahlung aus einer inländischen öffentlichen Kasse des Bundes. Die freiwilligen Zuwendungen, die die Klägerin von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen –ZfA- erhält, werden zwar von einer inländischen öffentlichen Kasse gezahlt, es handelt sich dabei aber nicht um Arbeitslohn für ein Dienstverhältnis zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts. Dem Bundesverwaltungsamt – Zentralstelle für Auslandsschulwesen ZfA obliegt die Vermittlung, finanzielle Betreuung, Vorbereitung und Weiterbildung der von der ZfA vermittelten Lehrerinnen und Lehrer, die weltweit im Einsatz sind. Zwar ist Voraussetzung für die Zuwendung nach Tz. 1.1.1. der Richtlinie des ZfA das Bestehen eines Dienstvertrages mit der ausländischen Bildungseinrichtung. Jedoch erhält die Klägerin nicht Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse für ein Dienstverhältnis zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts im Sinne des § 1 Abs. 2 EStG. Nach Tz. 1.1. der Richtlinie für die Gewährung von Zuwendungen an Lehrkräfte im Auslandsschuldienst des Bundesverwaltungsamtes, Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (Stand: 22.09.2016) wird durch die Gewährung der Zuwendungen für Auslandsdienstlehrkräfte kein Arbeitsverhältnis zur Bundesrepublik Deutschland begründet. Die nichtselbständige Arbeit der Klägerin bestand darin, an der D. Schule in Moskau Unterricht zu geben. Für diese Arbeit wurde sie bezahlt. Dass die Entlohnung von einem Dritten (Bundesrepublik) und nicht von dem Verein in Moskau bezahlt wurde, ändert nichts daran, dass die erhaltenen Bezüge Ertrag aus dieser Tätigkeit waren. Dieser Arbeitslohn wurde nicht für, d.h. zur Erfüllung eines Dienstverhältnisses zu einer inländischen juristischen Person gezahlt. Die Zuwendung gemäß §§ 23, 44 Bundeshaushaltsordnung wurde weder für ihre Stellung als beurlaubte Beamtin bezahlt noch weil sie in Moskau arbeitete, sondern weil die Bundesrepublik im Rahmen der kulturellen Verflechtungen ein Interesse an der Tätigkeit der Klägerin an einer D. Schule in Moskau hatte. Ein Dienstverhältnis ist anzunehmen, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber (öffentliche Körperschaft, Unternehmer, Haushaltsvorstand) seine Arbeitskraft schuldet (vgl. § 1 Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung -LStDV-), d.h. wenn die tätige Person unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1988 I R 96/84, BStBl. II 1988, 768). Ein solches Dienstverhältnis lag zwischen dem Schulträger in Moskau und der Klägerin vor, nicht jedoch zwischen der Klägerin und der Bundesrepublik. Denn der Klägerin schuldete ihre Arbeitskraft dem Verein in Moskau.
c) Etwas anderes ergibt sich im Streitfall auch nicht aus der Bescheinigung der Botschaft in Moskau vom 04.11.2016. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten ist diese keine Grundlagenbescheid für die steuerliche Behandlung der Klägerin und für die Kindergeldfestsetzung.
Ein Grundlagenbescheid ist nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt, der für die Festsetzung einer Steuer bindend ist. Die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids besteht darin, dass er als selbständig anfechtbarer und zu eigener Bestandskraft fähiger Verwaltungsakt Vorentscheidungen über bestimmte Besteuerungsgrundlagen (§ 157 Abs. 2 AO) trifft (BFH-Beschluss vom 14. Juli 2008 VIII B 176/07, BStBl II 2009, 117; Koenig/Cöster, AO, 3. Auflage § 171 Rz. 148; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 171 AO Rz. 90). Gegenüber dem Folgebescheid ist er damit inhaltlich vorrangig. Zwar können auch Verwaltungsakte anderer Behörden als der Finanzbehörden zu einer Bindungswirkung führen. Diese Bindung gilt allerdings nur, soweit die andere Behörde im Rahmen ihrer Sachkompetenz geblieben ist. Sind in der Bescheinigung Fragen entschieden, die in die Regelungskompetenz der Finanzverwaltungsbehörden fallen, so sind diese insoweit an die Bescheinigung nicht gebunden (BFH-Urteile vom 20. März 1987 III R 16/82, BStBl II 1987, 506, Rn. 13; vom 13. Dezember 1985 III R 204/81, BStBl II 1986, 245; Koenig/Cöster, AO, 3. Auflage § 171 Rz. 148; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 171 AO Rz. 90a).
Die Bescheinigung der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau vom 04.11.2016 ist jedoch kein Grundlagenbescheid für die steuerliche Behandlung der Klägerin und die Kindergeldfestsetzung. Zum einen steht der Botschaft diese Regelungskompetenz nicht zu. Ob eine erweiterte unbeschränkt Steuerpflicht der Klägerin nach § 1 Abs. 2 EStG besteht, haben ausschließlich die Finanzbehörden und nicht eine Botschaft der Bundesrepublik Deutschland zu beurteilen. Die zuständige Finanzbehörde hat jedoch im Streitzeitraum eine Veranlagung nach § 1 Abs. 3 EStG durchgeführt (unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag). Zum anderen enthält die Bescheinigung der Botschaft in Moskau vom 04.11.2016 nach Auffassung des Gerichts keine Regelung der steuerlichen Behandlung der Klägerin und somit keinen Verwaltungsakt, sondern nur eine Darlegung einer Rechtsmeinung.
d) Eine erweiterte unbeschränkt Steuerpflicht der Klägerin ergibt sich auch nicht aus den BMF Schreiben vom 10. November 1994 und vom 17. Juni 1996 (BStBl. I 1994, 853; BStBl. I 1996, 688) zur steuerlichen Behandlung von nach den U.S.A. oder Ecuador bzw. Kolumbien vermittelten Lehrkräften, da Russland nicht in den Bereich dieser Verfügungen aufgenommen wurde.
3. Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung ist § 70 Abs. 2 EStG. Hiernach ist die Festsetzung des Kindergeldes aufzuheben, soweit in den Verhältnissen, die für die Zahlung des Kindergeldes erheblich sind, Änderungen eingetreten sind. Die Aufhebung hat mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, also ggf. auch rückwirkend zu erfolgen. Ein Ermessensspielraum steht der Familienkasse im Rahmen des § 70 Abs. 2 EStG nicht zu (vgl. BFH-Urteil vom 14. Oktober 2003 VIII R 56/01, BStBl II 2004, 123).
4. Da die Kindergeldfestsetzungen für die streitbefangenen Monate Oktober 2013 bis Oktober 2016 gemäß § 70 Abs. 2 EStG aufgehoben wurden, hat die Klägerin das Kindergeld ohne rechtlichen Grund erhalten und deshalb gemäß § 37 Abs. 2 AO zu erstatten. Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt nach § 37 Abs. 2 Satz 2 AO auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassungsgründe vorliegt. Die Entscheidung folgt der gefestigten Rechtsprechung des BFH. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Satz 1 FGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.