Arbeitsrecht

Rückforderung von überzahlten Versorgungsbezügen eines Soldaten

Aktenzeichen  M 21 K 15.5164

Datum:
9.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 812 Abs. 1 S. 1, § 818 Abs. 3, § 819 Abs. 1
SVG SVG § 38 Abs. 1, Abs. 4, § 49 Abs. 2, § 53

 

Leitsatz

1 Ein Soldat kann sich bei der Überzahlung von Versorgungsbezügen nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, wenn er den Mangel des Rechtsgrundes erkennen konnte. Zu den Sorgfaltspflichten des Soldaten gehört es auch, Bezügeabrechnungen bei Änderungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. (Rn. 21 und 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Billigkeitsentscheidung, von einer Reduzierung der Rückforderung abzusehen, ist nicht beanstanden, wenn keine überwiegende Mitverantwortung des Dienstherrn für die Überzahlung vorliegt, sondern nur ein Fehler, wie er bei der “Massenverwaltung” immer passieren kann. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet. Der Ausgangsbescheid vom 29. Juni 2015 und der Widerspruchsbescheid vom 4. November 2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Bescheids ist § 49 Abs. 2 Satz 1 SVG. Danach regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ist wer durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ihm zur Herausgabe verpflichtet.
Die Voraussetzungen für die auf § 49 Abs. 2 Satz 1 SVG i.V.m. §§ 812 ff. BGB gestützte Rückforderung liegen zur Überzeugung des Gerichts vor. Der Kläger hat die Versorgungsbezüge ohne rechtlichen Grund erhalten (1.) und kann sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, weil er den Mangel des rechtlichen Grundes bei Empfang der Leistung kannte oder hätte erkennen können (2.). Die von der Beklagten nach § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG getroffene Billigkeitsentscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden (3.).
1. Die streitgegenständliche erhöhte Ausgleichszahlung gemäß § 38 Abs. 4 SVG in Höhe von 1.276,00 € hat der Kläger für die Zeit vom 1. November 2012 bis 31. März 2015 ohne rechtlichen Grund erhalten.
Der gemäß § 1 Abs. 1 PersAnpassG mit Vollendung des 50. Lebensjahres in Ruhestand versetzte Kläger hat zwar gemäß § 38 Abs. 1 SVG Anspruch auf einen einmaligen Ausgleich. Den gemäß § 38 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 SVG erhöhten Ausgleich kann der Kläger jedoch nicht beanspruchen. Diese Erhöhung ist nämlich gemäß Satz 4 der Vorschrift für diejenigen Monate ausgeschlossen, in denen Einkünfte von mehr als 400,00 € (jetzt 450,00 €) erzielt werden, wobei ein zweimaliges Überschreiten dieses Betrages innerhalb eines Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Diese Voraussetzung liegt beim Kläger vor. Er ist seit 1. November 2010 erwerbstätig. Sein monatliches Einkommen beträgt bereits seit Beginn seiner Erwerbstätigkeit mehr als 1.000 €. Damit überschreitet das Einkommen des Klägers die in § 38 Abs. 4 Satz 4 SVG genannte Grenze, so dass die Gewährung eines erhöhten Ausgleichs ausgeschlossen ist. Der erhöhte Ausgleich ist daher in monatlichen Teilbeträgen von 44,00 € im Rahmen der Ruhensberechnung von den Versorgungsbezügen des Klägers in Abzug zu bringen, ohne dass es mangels Anwendbarkeit der Rechtsgrundsätze über den Vertrauensschutz des Begünstigten einer Rücknahme des ursprünglichen, unter Vorbehalt gestellten, Bewilligungsbescheides bedurfte (vgl. BVerwG, U. v. 24.11.1966 – II C 119.64 – BVerwGE 25, 291).
2. Die dem Kläger obliegende Verpflichtung zur Herausgabe ist auch nicht wegen Wegfalls der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, denn der Kläger war bei Empfang der Leistungen nicht gutgläubig. Eine verschärfte Haftung nach § 819 Abs. 1 BGB tritt ein, wenn der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang kennt. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung steht es gemäß § 49 Abs. 2 Satz 2 SVG gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur wortlautgleichen Parallelnorm des § 12 Abs. 2 BBesG ist ein Mangel offensichtlich, wenn der Empfänger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat, oder – mit anderen Worten – er den Fehler etwa durch Nachdenken oder logische Schlussfolgerung hätte erkennen müssen (vgl. BVerwG, U. v. 28.6.1990 – 6 C 41.88 – NVwZ-RR 1990, 622). Zu den Sorgfaltspflichten des Soldaten gehört es aufgrund seiner soldatenrechtlichen Treuepflicht auch, die Bezügeabrechnungen bei besoldungsrelevanten Änderungen im dienstlichen oder persönlichen Bereich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. Er darf sich insbesondere dann, wenn er ohne erkennbaren Grund höhere Leistungen erhält, nicht ohne weiteres auf die Rechtmäßigkeit der Zahlung verlassen. Offensichtlichkeit im Sinne von § 49 Abs. 2 Satz 2 SVG liegt vor, wenn dem Soldaten aufgrund seiner Kenntnisse auffallen muss, dass die ausgewiesenen Beträge nicht stimmen können. Ihm muss sich aufdrängen, dass die Bezügeabrechnungen fehlerhaft sind.
Eine solche Fallgestaltung liegt zur Überzeugung des Gerichts hier vor. Dem Kläger wurde bereits bei Bewilligung des erhöhten Ausgleichsbetrages mit Bescheid vom 29. April 2010 mitgeteilt, dass dieser Anspruch für solche Monate entfällt, in denen Einkünfte von mehr als 400 € erzielt werden. Der sich im Übrigen auch aus der Anlage dieses Bescheides ergebende monatliche Teilbetrag von 44,00 € wurde in der Folgezeit auch einbehalten. Hierauf wurde der Kläger mehrfach, zuletzt mit Schreiben der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 24. August 2011, hingewiesen. Überdies ist der Einbehalt auch in den Bezügeabrechnungen deutlich gekennzeichnet. Dem Kläger musste sich daher seit November 2012 aufgedrängt haben, dass angesichts des Umstandes, dass seine Versorgungsbezüge nun nicht mehr um den monatlichen Teilbetrag von 44,00 € gekürzt wurden, etwas nicht stimmen konnte, zumal sich zu diesem Zeitpunkt weder die Höhe des Ruhegehalts noch die Höhe seines Einkommens geändert hat (vgl. die Berechnung auf Bl. 195 der Versorgungsakte). Diese Ungereimtheit hätte, erst Recht vor dem Hintergrund der genau zu diesem Zeitpunkt eingetretenen Entfristung seines ursprünglich befristeten Arbeitsvertrages, dem Kläger Anlass geben müssen, sich bei der Beklagten zu erkundigen, was nicht geschehen ist. Spezifisch besoldungsrechtliche Kenntnisse waren dafür nicht erforderlich.
3. Der Kläger hat schließlich keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte aus Billigkeitsgründen auf die Rückforderung ganz oder teilweise verzichtet. Ausweislich der Gründe des Bescheids vom 29. Juni 2015 und des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2015 hat die Beklagte in Ausübung ihrer durch § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG auferlegten Verpflichtung eine Billigkeitsentscheidung getroffen und damit ihr Ermessen erkannt und ausgeübt. Auch in der Sache begegnet die Billigkeitsentscheidung der Beklagten keinen Bedenken.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 8.8.1998 – 2 C 21.97 – DVBl. 1999, 29) hat die Billigkeitsentscheidung die Aufgabe, eine den Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Berechtigten tragbare Lösung zu ermöglichen. Bei ihr ist von besonderer Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder ein Mitverschulden hierfür ursächlich war. In der Regel ist von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt.
Im vorliegenden Fall hat sich die Beklagte ermessensfehlerfrei dahingehend entschieden, von einer Reduzierung der Rückforderung Abstand zu nehmen. Eine überwiegende Mitverantwortung des Dienstherrn für die Überzahlung ist nicht anzunehmen. Zwar hat die Beklagte mit der fehlerhaften Berechnung den ersten Verantwortungsbeitrag zur Überzahlung geleistet, welcher aber aufgrund der Fehleranfälligkeit von Massenverwaltung – wie bei der Auszahlung von Versorgungsbezügen – nur zu einem geringfügigen Verschulden der Behörde führen kann. Ein solcher Fehler kann für die Verringerung der Rückforderung nicht ausreichen, da das geringfügige Verschulden durch den Verantwortungsbeitrag des Klägers überlagert wird. Bei der Bundeswehrverwaltung, um die es hier geht, handelt es sich um eine „Massenverwaltung“, von der nicht verlangt werden kann, regelmäßig sämtliche Besoldungs- und Bezügemitteilungen auf nicht gänzlich vermeidbare Fehler zu kontrollieren. Das Erfordernis eines solchen Kontrollmechanismus würde die Bundeswehr angesichts der zahlreichen Veränderungen in den Mitteilungen aufgrund von Veränderungen verschiedenster Besoldungsmerkmale vor einen nicht zu bewältigenden Verwaltungsaufwand stellen. Denn diejenigen Fehler, die – wie auch der vorliegende – erst nach längerer Zeit auffallen, werden gerade nicht vom Computersystem, sondern nur durch menschlichen Aufwand entdeckt. Ein flächendeckender Kontrollmechanismus würde also Kräfte bündeln, die die Bundeswehr nicht zur Verfügung hat (VG Köln, Gb. v. 23.1.2017 – 23 K 1053/15 – juris).
Soweit die Beklagte im Rahmen der Billigkeitsentscheidung auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen zu berücksichtigen hat, ist auch dies ermessensfehlerfrei geschehen. Dass der Kläger durch die Rückzahlung in eine Notlage gerät, also der Lebensunterhalt für sich und seine Familie wegen der Rückzahlung nicht mehr gesichert wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Überdies hat der Kläger seine wirtschaftlichen Verhältnisse und daher auch die Grundlagen, die für die Billigkeitsentscheidung eine Rolle spielen, nicht offengelegt. Demgemäß ist es nicht zu beanstanden, wenn die Behörde die Billigkeitsentscheidung nach Aktenlage getroffen hat.
Nach alldem begegnet der Rückforderungsbescheid der Bundesfinanzdirektion Südwest – Service-Center … – in Gestalt des Widerspruchsbescheides keinen rechtlichen Bedenken, so dass die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen war.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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