Arbeitsrecht

Ruhen der Approbation wegen Alkoholabhängigkeit

Aktenzeichen  B 4 K 14.503

Datum:
20.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 129886
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BÄO § 6 Abs. 1 Nr. 2
BÄO § 3 Abs. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Eine wesentliche Voraussetzung für die Eignung zur Ausübung des ärztlichen Berufes trotz Alkoholabhängigkeit ist die kontinuierliche Alkoholabstinenz. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2 Kontrollmaßnahmen sind kein geeignetes Mittel, um ein Ruhen der Approbation zu vermeiden. Durch Untersuchungen von Blut- oder Haarproben kann nur nachträglich ein abstinentes Verhalten bestätigt, aber nicht gewährleistet werden, dass danach kein Rückfall eintritt. Eine ständige Überwachung kann die zuständige Behörde nicht leisten. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 23.07.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a. Rechtsgrundlage für die Anordnung des Ruhens der Approbation ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 BÄO. Danach kann das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BÄO weggefallen ist. Dies ist der Fall, wenn der Arzt in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs ungeeignet ist. Der Arzt, dessen Approbation ruht, darf den ärztlichen Beruf nicht ausüben (§ 6 Abs. 3 BÄO).
Der Kläger war weder zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 23.07.2015 noch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 20.01.2016 in gesundheitlicher Hinsicht geeignet, den ärztlichen Beruf auszuüben.
Bei dem Kläger liegt die Diagnose Alkoholabhängigkeit (ICD 10; F 10.20) vor. Dies ergibt sich aus den Gutachten des Dr. … vom 09.01.2012 und 22.04.2014, wie auch aus dem im gerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten der LMU vom Oktober 2015, ergänzt im Dezember 2015.
Eine wesentliche Voraussetzung für die Eignung zur Ausübung des ärztlichen Berufes trotz Alkoholabhängigkeit ist die kontinuierliche Alkoholabstinenz (Gutachten Dr. … vom 09.01.2012, Seite 19, Gutachten LMU vom Dezember 2015, Seite 4). In seinem zweiten Gutachten vom 22.04.2014 hat Dr. … die weitere Überwachung auf Alkoholfreiheit nur deshalb nicht mehr für erforderlich gehalten, weil der Kläger während des Überwachungszeitraums von zwei Jahren einen gefestigten Abstinenzwillen gezeigt habe.
Dabei ist es jedoch nach der daraufhin erfolgten Einstellung des approbationsrechtlichen Verfahrens durch den Beklagten nicht geblieben. Vielmehr hat der Kläger wieder Alkohol zu sich genommen.
Es kann dahinstehen, ob die dem Beklagten durch das Gesundheitsamt und die Kassenärztliche Vereinigung gemeldeten Vorfälle in der Pfingstwoche 2014 (Unfähigkeit zur Ableistung der Bereitschaftsdienste am Pfingstwochenende, erfolgloses Anlegen einer Infusion bei einem Patienten infolge Trunkenheit am 30.05.2014) sich wie geschildert zugetragen haben. Auch wenn der Kläger das Ausmaß der damaligen Alkoholisierung bestreitet, hat er im Rahmen des Erörterungstermins vom 15.10.2014 jedenfalls eingeräumt, dass er sich am Freitag, den 06.06.2014 gegen 14:00 Uhr, nach dem Tausch des Bereitschaftsdienstes, in einem Biergarten befunden habe, wo er auch schon Alkohol getrunken hatte. Der Kläger nimmt für sich in Anspruch, in seiner Freizeit und im Urlaub Alkohol im gesellschaftlich üblichen Rahmen zu sich zu nehmen. Gegenüber dem Gutachter der LMU gab der Kläger an, alle 4 bis 6 Wochen trinke er 2 bis 3 Gläser Wein; im September 2015 habe er im Urlaub jeden Abend 2 bis 3 Gläser Wein zum Essen getrunken (CDT-Wert Ende September 3,4%). In der mündlichen Verhandlung vertrat der Kläger die Ansicht, eine Abstinenz sei bei Alkoholabhängigkeit nicht zwingend erforderlich, er halte ein „kontrolliertes Trinken“ für die richtige Methode um seine Alkoholabhängigkeit zu beherrschen; er könne „den Schalter sofort umlegen“, wenn es aus beruflichen Gründen notwendig sei.
Damit zeigt der Kläger, dass er nicht willens und/oder nicht in der Lage ist, auf Alkohol gänzlich zu verzichten. Eine Abstinenz sehen aber beide Gutachter als eine wesentliche Voraussetzung für die Eignung zur Ausübung des ärztlichen Berufes an. In dem Gutachten vom 09.01.2012 wird ausgeführt, der Kläger müsse davon ausgehen, dass er ohne Abstinenz eine gleichbleibende Selbstkontrolle und Leistungsfähigkeit nicht sicherstellen könne. Gerade der Rückfall im Februar 2011, als der Kläger nach eigenen Angaben (S. 10 des Gutachtens vom 09.01.2012) „habe austesten wollen, ob er kontrolliert trinken könne“, zeigt, dass bei jedem erneuten Alkoholkonsum die Gefahr eines Kontrollverlusttrinkens gegeben ist. Wenn der Kläger dies immer noch verkennt, bestätigt sich die Annahme des Gutachters Dr. …, dass der Kläger nur einen geringen Kenntnisstand bezüglich der Problematik eines Abhängigkeitssyndroms und eine eingeschränkte Krankheitseinsicht hat.
Damit liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anordnung des Ruhens der Approbation nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BÄO vor.
b. Auch die Ermessensausübung im Bescheid vom 23.07.2014 weist keine Rechtsfehler auf (Art. 40 BayVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO).
Der Beklagte hat die Gefährdungssituation für die Patienten des alkoholabhängigen Klägers einerseits und sein eigenes Interesse an der grundgesetzlich geschützten Berufsausübung andererseits berücksichtigt. In die Abwägung wurde auch eingestellt, dass der Kläger es abgelehnt habe, seine gesundheitlichen Probleme durch eine stationäre Behandlung zu bessern. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass der Beklagte das Interesse der Patienten, nicht infolge von Fehlbehandlungen durch einen suchtkranken Arzt in ihrer Gesundheit geschädigt zu werden, höher gewichtet hat.
Die in der mündlichen Verhandlung angesprochene Bereitschaft des mittlerweile 61jährigen Klägers, sich in den verbleibenden Jahren bis zu einem Anspruch auf Ruhegeld regelmäßigen Alkoholmissbrauchskontrollen zu unterziehen, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Während der Dauer des gerichtlichen Verfahrens hat das Gericht es für angemessen gehalten, die aufschiebende Wirkung der Klage im Wege eines Auflagenbeschlusses (Beschluss vom 04.12.2014 – B 4 S 14.502), der solche Missbrauchskontrollen vorsah, wiederherzustellen. Dem Kläger sollte dadurch die Gelegenheit gegeben werden, seinen Abstinenzwillen (erneut) unter Beweis zu stellen. Schon dies ist ihm nicht nachhaltig gelungen, wenn man seinen selbst eingeräumten Alkoholkonsum und seine Äußerungen zum „kontrollierten Trinken“ in Betracht zieht. Auf unbestimmte Zeit notwendige Kontrollmaßnahmen sind kein geeignetes milderes Mittel, um zugunsten des Klägers eine Ruhensanordnung zu vermeiden. Durch regelmäßige Untersuchungen von Blut- oder Haarproben kann nur nachträglich ein abstinentes Verhalten bestätigt, aber nicht gewährleistet werden, dass danach kein Rückfall mit einer Schädigung von Patienten eintritt. Eine ständige Überwachung kann die zuständige Behörde auch nicht leisten.
Es obliegt damit dem Kläger, sich selbst in ambulante und/oder stationäre Therapien zu begeben, um einen Nachweis für eine wiedererlangte Eignung zur Ausübung des ärztlichen Berufes zu erbringen. Dann kann gemäß § 6 Abs. 2 BÄO die Ruhensanordnung wieder aufgehoben werden.
2. Als unterliegender Teil trägt der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO, § § 708 ff. ZPO.

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