Arbeitsrecht

Ruhestandsversetzung, Polizeidienstunfähig, Laufbahnwechsel, Vorrang, Verfassungsschutz, Gesundheitszeugnis

Aktenzeichen  M 5 K 15.323

Datum:
3.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG §§ 26,27 BeamtStG
BayBG Art. 65, 128 BayBG

 

Leitsatz

Tenor

I.
Der Bescheid des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz vom … Oktober 2014 und dessen Widerspruchsbescheid vom … Januar 2015 werden aufgehoben.
II.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz vom … Oktober 2014 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom … Januar 2015 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten und sind daher aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO). Für die in den angesprochenen Bescheiden verfügte Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit besteht keine hinreichende Rechtsgrundlage.
1. Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz/BeamtStG) sind Beamtinnen auf Lebenszeit und Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Als dienstunfähig in diesem Sinne können Beamtinnen und Beamte auch dann angesehen werden, wenn sie infolge einer Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst geleistet haben und keine Aussicht besteht, dass sie innerhalb von weiteren sechs Monaten wieder voll dienstfähig werden (Art. 65 Abs. 1 Bayerisches Beamtengesetz/BayBG i. V. m. § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG). Von der Versetzung in den Ruhestand soll abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist (§ 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG). Gemäß § 26 Abs. 2 BeamtStG ist eine anderweitige Verwendung möglich, wenn der Beamtin oder dem Beamten ein anderes Amt derselben oder eine anderen Laufbahn übertragen werden kann. In diesen Fällen ist die Übertragung eines anderen Amtes ohne Zustimmung zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Grundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und wenn zu erwarten ist, dass die gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes erfüllt werden. Die vorstehenden Vorschriften finden im Falle der Polizeidienstunfähigkeit (Art. 128 BayBG i. V. m. § 26 Abs. 1 Satz 4 BeamtStG) entsprechende Anwendung.
Maßstab für die Beurteilung der allgemeinen Dienstfähigkeit ist nicht der vom Beamten konkret inne gehabte Dienstposten, sondern das Amt im abstrakt-funktionellen Sinn. Demgegenüber ist die Dienstunfähigkeit eines Beamten im Polizeivollzugsdienst in Art. 128 BayBG besonders geregelt. Dies ist der Anforderung geschuldet, dass ein Beamter im Polizeivollzugsdienst grundsätzlich zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder Stellung einsetzbar sein muss, die seinem statusrechtlichen Amt entspricht. Für eine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand ist allerdings auch für einen polizeidienstunfähigen Beamten im Polizeivollzugsdienst grundsätzlich erforderlich zu prüfen, ob eine Weiterverwendung dieses Beamten im Polizeivollzugsdienst in eingeschränkter Funktion (die besondere gesundheitliche Anforderungen nicht mehr uneingeschränkt verlangt, vgl. Art. 128 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz BayBG) möglich ist bzw. begrenzte Dienstfähigkeit im Sinne von Art. 128 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 27 BeamtStG vorliegt und schließlich, ob ein Amt einer anderen Laufbahn in Betracht kommt. Für Polizeivollzugsbeamte ist die der Ruhestandsversetzung vorgehende Pflicht zum Laufbahnwechsel in Art. 128 Abs. 3 BayBG durch die dort vorgenommene Verweisung auf § 26 Abs. 2 BeamtStG ausdrücklich ausgesprochen (vgl. BVerwG, B. v. 6.11.2014 – 2 B 97/13 – ZBR 2015, 87, 89, juris, Rn. 15; VG Minden, U. v. 10.9.2015 – 4 K 2457/14 – juris, Rn. 51; für Art. 56 Abs. 4 BayBG in der bis 31. März 2009 geltenden Fassung: BayVGH, B. v. 11.1.2012 – 3 B 10.346 – juris, Rn. 29 sowie Summer in: Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand September 2015, § 26 BeamtStG, Rn. 34). Eine Suchpflicht für eine dementsprechende Verwendung entfällt nur dann, wenn feststeht, dass der Beamte krankheitsbedingt voraussichtlich keinerlei Dienst mehr leisten kann oder erhebliche Fehlzeiten zu erwarten sind (BVerwG, B. v. 6.11.2014, a. a. O.).
Ob nach Vorstehendem die notwendigen Voraussetzungen für eine Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit vorliegen, unterliegt einschließlich der dabei anzustellenden gesundheitlichen Eignungsprognose der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (BVerwG, B. v. 6.11.2014, a. a. O., Rn. 12; BVerwG, U. v. 25.7.2013 – 2 C 12.11 – BVerwGE 147, 244 sowie juris). Maßgeblich hierfür ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (BayVGH, B. v. 11.1.2012 – 3 B 10.346 – juris, Rn. 19), vorliegend fixiert durch den Widerspruchsbescheid des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz vom … Januar 2015.
2. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte seiner Suchpflicht gemäß den vorstehenden Anforderungen nicht auseichend entsprochen.
Dabei bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob die mit Schreiben des Staatsministeriums des Innern vom … Oktober 2013 vorgenommene Stellenabfrage, bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids im Januar 2015, noch hinreichende Aktualität besaß. Dies kann allerdings, wie auch die Frage, ob in dieser Stellenabfrage die unterschiedlichen vom Kläger bisher wahrgenommenen Verwendungen innerhalb der Verwaltung des Bundes und des Beklagten hinreichend ausführlich für eine erfolgversprechende Verwendung des Klägers dargelegt wurden, offen bleiben.
Der Beklagte hat es nämlich unterlassen, einen Laufbahnwechsel des Klägers von der Fachlaufbahn „Polizei- und Verfassungsschutz“ (3. Qualifikationsebene) in die Fachlaufbahn „Verwaltung und Finanzen“ (3. Qualifikationsebene) zu prüfen. Eine solche Prüfung hat der Beklagte ersichtlich nicht vorgenommen und die Stellenabfrage des Staatsministeriums des Innern vom … Oktober 2013 schließt derartige – nach einem Laufbahnwechsel in den Blick zu nehmende – Stellen nicht ein.
Es ist auch nicht davon auszugehen, dass ein solcher Laufbahnwechsel im Falle des Klägers nicht möglich oder – im Hinblick auf seine gesundheitliche Eignungsprognose – nicht erfolgversprechend wäre. Denn die in der mündlichen Verhandlung als sachverständige Zeugin vernommene Polizeiärztin, Frau Dr. med. K., führte aus, dass die Grundsituation des Klägers, verglichen mit dem Zeitpunkt des Gesundheitszeugnisses vom … Dezember 2013, die gleiche gewesen sei, so dass die dort getroffenen Schlussfolgerungen auch noch zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom … Januar 2015 Geltung beanspruchten. Demnach sei – gemäß der im Gesundheitszeugnis vom … Dezember 2013 getroffenen Aussage, bestätigt durch Schreiben vom … Juni 2013 – der Kläger für eine Verwendung im allgemeinen Beamtendienst (Innen- und Verwaltungsdienst) unter der Voraussetzung eines Einsatzes im heimatnahen (… oder …, alternativ …) Bereich noch geeignet. Aus fachärztlicher Sicht ergäben sich keine Einschränkungen hinsichtlich der Zumutbarkeit eines Laufbahnwechsels, etwa zur Fachlaufbahn „Verwaltung und Finanzen“. Maßgeblich sei, ob der Kläger sich dies zutraue. Da er angegeben habe, grundsätzlich arbeiten zu wollen und zwar im Innendienst, könne davon ausgegangen werden, dass ihm ein entsprechender Laufbahnwechsel zumutbar sei. Eine konkrete Prognose, ob bei einer Tätigkeit im Innendienst bei einer anderen Behörde im Raum … gehäufte Fehlzeiten auftreten werden, könne kaum abgeben werden. Denn der Kläger sei dafür schon zu lange dienstunfähig erkrankt. Es könne allerdings davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger hinsichtlich seines Leistungsvermögens ganz gut selbst einschätzen könne. Wenn man ihm da entgegenkomme und eine geeignete Stelle finde, sei die Prognose grundsätzlich günstig.
Diese Aussagen der sachverständigen Zeugin sind in sich plausibel und nachvollziehbar. Danach kommt ein Laufbahnwechsel in die Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen (Art. 5 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der Bayerischen Beamten und Beamtinnen – Leistungslaufbahngesetz/LlbG) im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung des Klägers durchaus in Betracht. Auch in rechtlicher Hinsicht ist nach Aktenlage nicht erkennbar, dass nach der Vorbildung des Klägers, seiner Ausbildung und bisher ausgeübten Tätigkeiten ein Fachrichtungswechsel gemäß Art. 9 Abs. 2 LlbG nicht in Betracht käme. In Ansehung der bisher vom Kläger ausgeübten Verwendungen, insbesondere in der allgemeinen und inneren Verwaltung des Bundes, liegt ein solcher Fachlaufbahnwechsel sogar nahe. Auch der Einsatz des Klägers beim Landesamt für Verfassungsschutz innerhalb der Fachlaufbahn „Polizei und Verfassungsschutz“, dürfte im Vergleich zum allgemeinen Polizeivollzugsdienst einer Verwaltungstätigkeit näher stehen und für einen derartigen Fachrichtungswechsel sprechen.
Die vom Beklagten nicht vorgenommene Prüfung eines solchen Laufbahnwechsels führt wegen des in der Systematik der Vorschriften der §§ 26, 27 BeamtStG zum Ausdruck kommenden Vorrangs einer Weiterverwendung vor Versorgung (vgl. BVerwG, U. v. 19.3.2015 – 2 C 37/13 – NVwZ-RR 2015, 625 sowie juris, Rn. 19) zur Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Verfügung.
3. Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.

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