Aktenzeichen M 5 K 16.4348
Leitsatz
Bleibt der Beamte einer rechtmäßig angeordneten testpsychologischen Zusatzbegutachtung wiederholt ohne zureichenden Grund fern, kann nach Art. 65 Abs. 2 S. 2 BayBG von seiner Dienstunfähigkeit ausgegangen und er in den Ruhestand versetzt werden. Hat der Dienstherr für den Fall einer Erkrankung die Vorlage eines amtsärztlichen Attestes angeordnet, genügt eine private Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zur Entschuldigung nicht. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Das Gericht konnte gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) trotz Ausbleibens der Klägerin über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Klägerin per Postzustellungsurkunde am 24. Dezember 2016 ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde.
II. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 11. Juli 2016, mit dem die Ruhestandsversetzung der Klägerin verfügt worden ist, und dessen Widerspruchsbescheid vom 24. August 2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Beklagte durfte gemäß Art. 65 Abs. 2 Satz 2 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) von der Dienstunfähigkeit der Klägerin ausgehen und demgemäß nach Art. 66 Abs. 2 Satz 2 BayBG ihre Versetzung in den Ruhestand verfügen. Nach Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBG kann derjenige so behandelt werden, wie wenn die Dienstunfähigkeit amtsärztlich festgestellt worden wäre, der sich trotz wiederholter schriftlicher Aufforderung ohne hinreichenden Grund der Verpflichtung, sich nach Weisung des oder der Dienstvorgesetzten untersuchen oder beobachten zu lassen, entzieht. Nach Art. 66 Abs. 2 Satz 2 BayBG entscheidet die für die Versetzung in den Ruhestand zuständige Behörde über die Ruhestandsversetzung, wenn die Monatsfrist zur Erhebung von Einwendungen gegen die mitgeteilte beabsichtigte Ruhestandsversetzung abgelaufen ist (vgl. Art. 66 Abs. 2 Satz 1 BayBG). Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind eingehalten, insbesondere hat sich die Klägerin ohne hinreichenden Grund mindestens drei Mal der schriftlichen Aufforderung, sich der Zusatzbegutachtung zu unterziehen, entzogen. Daher begann ihr Ruhestand mit dem Ende des Monats, in dem die Ruhestandsverfügung zugestellt wurde – vorliegend am 11. Juli 2016 -, also zum Ablauf des Monats Juli 2016, Art. 71 Abs. 3 BayBG.
2. Die Ruhestandsversetzungsverfügung ist formell rechtmäßig. Sie wurde von der Regierung von Oberbayern als nach Art. 71 Abs. 1 Satz 1, Art. 18 Abs. 1 Satz 1, 4 BayBG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung über beamten-, richter-, besoldungs-, reisekosten-, trennungsgeld- und umzugskostenrechtliche Zuständigkeiten für Staatsbeamte im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr und über die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Versagung der Aussagegenehmigung für Kommunalbeamte (StMI Zuständigkeitsverordnung Beamtenrecht – ZustV-IM) zuständige Stelle verfügt.
Die nach Art. 28 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) erforderliche Anhörung der Klägerin erfolgte durch das Anhörungsschreiben vom 25. Mai 2016. Nach dieser Bestimmung ist den Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens vor Erlass eines in deren Rechte eingreifenden Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Die Klägerin hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht und keine Einwendungen erhoben.
Der Personalrat wurde auf den Antrag der Klägerin hin gemäß Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Satz 3 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes (BayPVG) am Verfahren beteiligt. Mit Schreiben vom 10. Juni 2016 hat dieser der beabsichtigten Maßnahme zugestimmt.
3. Die Ruhestandsversetzungsverfügung ist auch materiell rechtmäßig.
Die Klägerin ist ihrer Verpflichtung, sich untersuchen zu lassen, trotz wiederholter schriftlicher Aufforderung ohne hinreichenden Grund nicht nachgekommen.
a) Die Untersuchungsaufforderungen des Dienstherrn waren rechtlich nicht zu beanstanden. Die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung gemäß Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG muss nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit inhaltlichen und formellen Anforderungen genügen (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17/10; U.v. 30.5.2013 – 2 C 68/11; B.v. 10.4.2014 – 2 B 80/13, jeweils juris). Die Untersuchungsanordnung hat zur Voraussetzung, dass aufgrund hinreichend gewichtiger tatsächlicher Umstände zweifelhaft ist, ob der Beamte wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, die Dienstpflichten seines abstrakt-funktionellen Amtes zu erfüllen (BVerwG, U.v. 30.5.2013, a.a.O., Rn. 19). Die Behörde muss die tatsächlichen Umstände, auf die sie die Zweifel an der Dienstfähigkeit stützt sowie Art und Umfang der beabsichtigten Untersuchungsmaßnahmen in der Anordnung angeben (BVerwG, U.v. 30.5.2013, a.a.O., Rn. 20; BVerwG, U.v. 26.4.2012, a.a.O., Rn. 19). Der Beamte muss anhand der darin gegebenen Begründung entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das in der Anordnung Verlautbarte die Zweifel an seiner Dienstfähigkeit zu rechtfertigen vermag (BVerwG, U.v. 23.10.1980 – 2 A 4.78 – juris Rn. 27; U.v. 26.4.2012, a.a.O.; B.v. 10.4.2014 a.a.O.). Gleichermaßen muss es für den Beamten überprüfbar sein, ob die beabsichtigten Untersuchungsmaßnahmen verhältnismäßig sind, so dass diese nicht frei dem Amtsarzt überlassen werden dürfen. Entspricht die Anordnung nicht diesen Anforderungen, können Mängel nicht nachträglich durch Nachschieben von Gründen geheilt werden (BVerwG, U.v. 26.4.2012, a.a.O., Rn. 21).
b) Die Aufforderungen zur Teilnahme an den jeweiligen Untersuchungstermin genügen diesen Anforderungen. Dabei sind die Bescheide vom 25. August und 25. November 2015 mit den beiden Terminbestimmungen vom 5. und 15. Oktober 2015 in Zusammenhang zu sehen.
Die Untersuchungsaufforderungen sind aus sich heraus verständlich und ausreichend bestimmt. Der Dienstherr hat die Klägerin hierin informiert, dass die Amtsärztin ein testpsychologisches Zusatzgutachten für notwendig erachtet. Zu einer darüber hinausgehenden Begründung zum Anlass der Zusatzuntersuchung war er nicht verpflichtet. Denn der Dienstherr kann lediglich das wiedergeben, was der Amtsarzt ihm mitteilt. Hält der Amtsarzt ein testpsychologisches Zusatzgutachten für erforderlich und gibt an, andernfalls kein abschließendes Gesundheitszeugnis erstellen zu können, sind dem Dienstherrn keine darüber weitergehenden Begründungspflichten aufzuerlegen. Er kann sich vielmehr auf die Angaben des Amtsarztes stützen.
Die Untersuchungsanordnungen sind auch nach Art und Umfang hinreichend bestimmt. Gegenstand ist eine testpsychologische Zusatzuntersuchung sowie ggf. organische Abklärung mit dem Ziel, die Dienstfähigkeit der Klägerin zu überprüfen. Durch die Anordnung einer (erneuten) psychiatrischen Begutachtung der Klägerin, in Form der Durchführung einer testpsychologischen Diagnostik, hat der Dienstherr die Grundzüge der Untersuchung selbst bestimmt und diese nicht dem Gutachter überlassen, sowie die nach Einschätzung der Amtsärztin hierfür erforderlichen Untersuchungen genannt. Welche Untersuchungsmaßnahmen im Einzelnen durchgeführt werden sollen, kann der Dienstherr nicht bereits in der Anordnung angeben. Die Auswahl der Testverfahren obliegt dem untersuchenden Facharzt. Die Beamtin kennt aber den Rahmen und den Inhalt der weiteren Begutachtung durch eine testpsychologische Diagnostik. Die Eingriffsintensität wird maßgeblich durch die Art der Untersuchung und deren Zielrichtung bestimmt. Damit kann die Beamtin beurteilen, ob die angeordnete Untersuchung erforderlich ist, um ihren Gesundheitszustand im Hinblick auf die Dienstfähigkeit zu überprüfen (vgl. BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 3 CE 15.1042 – Rn. juris 42; OVG Hamburg, B.v. 5.12.2013 – 1 Bs 310/13 – juris Rn. 12).
c) Die Klägerin ist ihrer Verpflichtung ohne hinreichenden Grund nicht nachgekommen. Entsprechend der Anordnung des Dienstherrn im Bescheid vom 25. August sowie 25. November 2015 war die Klägerin verpflichtet, im Falle einer Erkrankung ein amtsärztliches Attest vorzulegen. Sie wurde darauf hingewiesen, dass ein privatärztliches Attest nicht ausreichend sei. Dennoch legte sie für den Untersuchungstermin am 1. Dezember 2015 lediglich eine privatärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Die Absage des Termins am 15. Oktober 2015 beruhte laut den Angaben der Klägerin auf einem Schwächegefühl und darauf, dass sie sich fahruntüchtig gefühlt habe. Ein amtsärztliches Attest konnte sie hierfür ebenfalls nicht vorweisen. Hinsichtlich des Termins am 25. September 2015 sind überhaupt keine Hinderungsgründe vorgetragen. Damit blieb die Klägerin diesen drei Terminen ohne hinreichenden Grund fern. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Teilnahme an einer Lehrerfortbildung als Referentin am 25. September 2015 ein entschuldigtes Fernbleiben darstellt, oder ob ein Verschieben der Fortbildung bzw. eine Übernahme des Referats durch eine Vertretung zuzumuten gewesen wäre.
Somit hat sich die Klägerin trotz mehrfacher Aufforderung einer ärztlichen Untersuchung in Form der Zusatzbegutachtung mindestens drei Mal entzogen, sodass die Voraussetzungen des Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBG erfüllt sind.
4. Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).