Arbeitsrecht

Schadensersatz, Arbeitnehmer, Arbeitsvertrag, Schadensersatzanspruch, Arbeitsentgelt, Arbeitsleistung, Leistungen, Widerruf, Fahrzeug, Urlaubsabgeltung, Anspruch, Zahlung, Vertragsschluss, Arbeitgeber, rechtliches Interesse, negative Feststellungsklage, zwei Wochen

Aktenzeichen  3 Ca 213/17

Datum:
31.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 148555
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Rosenheim
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als offenes Arbeitsentgelt für Januar 2017 brutto Euro 8.700,00 abzüglich bereits geleisteter Euro 1.898,74 netto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.02.2017 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als offenes Arbeitsentgelt für Februar 2017 brutto Euro 8.700,00 abzüglich bereits geleisteter Euro 1.898,00 netto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.03.2017 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte gegen den Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Euro 7.154,45 des Schadensersatzes hat.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Prämie für 2016 Euro 15.000,00 brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 18.02.2017 zu zahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein wohlwollend formuliertes, qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen und zu übersenden.
6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Schadensersatz für den Entzug des Dienstwagens einen Betrag in Höhe von 1.695,57 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 18.02.2017 zu zahlen.
7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Abgeltung für 6,25 nicht genommene Urlaubstage brutto 2.509,62 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.04.2017 zu zahlen.
8. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
9. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je zur Hälfte.
10. Der Streitwert wird festgesetzt auf 77.165,00 Euro.

Gründe

Die Klage ist insgesamt zulässig, jedoch nur im ausgeurteilten Umfange begründet.
I.
Die Klage ist insgesamt zulässig. Auch bezüglich des negativen Feststellungsantrags des Klägers besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Für eine negative Feststellungsklage ist ein rechtliches Interesse schon dann zu bejahen, wenn die Beklagte geltend macht, aus einem bestehenden Rechtsverhältnis könne sich unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch gegen den Kläger ergeben. Das negative Feststellungsinteresse entfällt vorliegend auch nicht deshalb, weil die Beklagte mit ihrer behaupteten Forderungen gegen Vergütungsansprüche des Klägers aufgerechnet hat, die ebenfalls Gegenstand des Rechtsstreits sind. Es besteht die Möglichkeit, dass die Vergütungsansprüche des Klägers aus rechtlichen Gründen bejaht werden, ohne dass verbindlich über die Gegenforderungen entschieden wird (z. B. aufgrund eines Aufrechnungsverbotes; aufgrund einer mangelhaften Aufrechnungserklärung etc.). Daher besteht auch im Falle einer Aufrechnung das negative Feststellungsinteresse des Klägers fort, dass die von der Beklagten gegen ihn erhobene Schadensersatzforderung nicht besteht.
II.
Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von jeweils 8.700,00 Euro brutto abzüglich bezahlter 1.898,74 Euro netto für die Monate Januar 2017 und Februar 2017 aus §§ 611, 615 BGB i.V.m.d. Arbeitsvertrag.
1. Grundsätzlich besteht zwischen den Parteien Einvernehmen, dass dem Kläger für Januar und Februar 2017 jeweils seine normale Bruttovergütung zusteht, weil der Kläger von der Beklagten im Zeitraum unter Fortzahlung seiner Vergütung freigestellt war. Entgegen der Auffassung des Klägers beträgt die Bruttovergütung jedoch 8.700,00 Euro. Die vom Kläger begehrte Bruttovergütung von 9.336,00 Euro inkludiert den Sachwertbezug des Dienstwagens, den der Kläger zusätzlich unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes geltend macht.
2. Der Vergütungsanspruch des Klägers ist auch nicht in Höhe von jeweils 3.577,23 Euro netto durch Aufrechnung gemäß § 387 BGB erloschen, da der Beklagten eine aufrechnungsfähige Schadensersatzforderung gegen den Kläger nicht zustand.
a) Nach § 619 a BGB liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Kläger vorwerfbar seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat und nach § 280 Abs. 1 BGB der Beklagten zum Schadensersatz verpflichtet ist, bei der Beklagten. Dies gilt sowohl für die Pflichtverletzung als auch für das Vertreten müssen des Klägers (BAG vom 21.05.2015 – 8 AZR 116/14 – NZA 2015, 1517).
b) Unter Berücksichtigung der vorgenannten Anforderungen hat die Beklagte nicht substantiiert dargelegt, dass der Kläger gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat.
aa. Betreffend das Sponsoring des Innovationsmanagers Print 2016 ist zwischen den Parteien zwar unstreitig, dass der Kläger an dieser Veranstaltung teilgenommen und als Sponsor dort auch einen Vortrag gehalten hat. Der Kläger hat insoweit jedoch dargelegt, dass die Beklagte die Veranstaltung Innovationsmanager des Verbands Druck + Medien Bayern bereits seit 2011 jedes Jahr in gleicher Weise gesponsert und der Kläger seit 2012 jedes Jahr an dieser Veranstaltung teilgenommen hat.
Der Geschäftsführer der Beklagten konnte in der Kammerverhandlung auf Frage des Gerichts nicht mit Bestimmtheit sagen, ob nach 2012 Sponsorzahlungen für den Innovationsmanager Print des Verbands Druck + Medien Bayern von der Beklagten geleistet wurden. Der Geschäftsführer der Beklagten bekräftigte hingegen, dass er solche Sponsoring Tätigkeiten immer abgelehnt habe. Wenn Zahlungen erfolgt seien, sei dies ohne sein Wissen und seinen Willen geschehen.
Diese Einlassungen der Beklagten sind unsubstantiiert und im Übrigen auch widersprüchlich. Da der Kläger dargelegt hat, die Beklagte hätte seit 2012 jährlich in gleicher Weise die Veranstaltung des Verbands Druck + Medien Bayern gesponsert, hätte die Beklagte hierauf gemäß § 138 Abs. 4 ZPO substantiiert erwidern müssen. Im Übrigen ist nicht verständlich, weshalb der Geschäftsführer der Beklagten von Sponsoring Leistungen im Jahr 2013, 2014, 2015 nichts mitbekommen haben sollte, da davon auszugehen ist, dass die jeweiligen Rechnungen – wie auch die Rechnung vom 28.10.2016 (Bl. 65 d. A.) – an den Geschäftsführer der Beklagten adressiert wurden. Wenn aber die Beklagte seit 2011 jährlich die Veranstaltung des Verbands Druck + Medien in Bayern in gleicher Weise gesponsert hat, so hätte die Beklagte substantiiert darlegen müssen, weshalb der Kläger im Jahr 2016 davon ausgehen musste, dass ein erneutes Sponsoring nicht erfolgen sollte. Gleichermaßen wäre eine Pflichtverletzung vorstellbar, wenn der Kläger seit 2012 jährlich vorab ausdrücklich ein Einverständnis des Geschäftsführers einholen musste und eingeholt hat, diese Einwilligung 2016 jedoch wider besseren Wissens unterlassen hat. Auch hierfür fehlt jedoch jeder substantiierte Sachvortrag der Beklagten.
bb. Soweit die Beklagte einen Schadensersatzanspruch gegen den Kläger wegen dessen Zubilligung einer Aufwandspauschale für Waschmittelfreigabeprüfung an die Firma Baldwin geltend macht, ist dem Vortrag der Beklagten schon nicht zu entnehmen, wann der Kläger konkret welche Zusage gegenüber wem abgegeben haben soll. Die Beklagte hat keinen Vertrag, den der Kläger bei Überschreitung seiner Kompetenzen unterschrieben haben soll, vorgelegt. Auch Sachvortrag zu einem mündlichen Vertragsschluss fehlt gänzlich. Daher scheidet auch ein diesbezüglicher Schadensersatzanspruch der Beklagten aus.
Folglich waren die Vergütungsansprüche für Januar 2017 und Februar 2017 in Höhe von 8.700,00 Euro brutto abzüglich 1.898,74 Euro netto begründet.
III.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Prämienzahlung für 2016 in Höhe von 15.000,00 Euro gemäß § 611 BGB i.V.m. § 6 des Arbeitsvertrages zu.
1. Die Auslegung des Arbeitsvertrages ergibt zunächst, dass der Kläger grundsätzlich einen Anspruch auf „eine leistungsabhängige Prämie in Höhe von 15.000,00 Euro“ jährlich hat. Hierfür spricht der klare Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrages. Zwar enthält § 6 Abs. 1 Satz 3 des Arbeitsvertrags eine Regelung für die Zeit bis Ende 2013 (bis dahin „garantiert“). Dies ist jedoch nur dahingehend zu verstehen, dass die Prämie für 2013 in voller Höhe und für 2012 anteilig leistungsunabhängig ausgezahlt werden muss. Erst ab 2014 sollte nach dem Wortlaut des Vertrages die Prämie „leistungsabhängig“ gezahlt werden.
2. Soweit § 6 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrages die Prämienzahlung lediglich von der „Leistung“ abhängig macht („leistungsabhängig“) ist die Regelung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB mangels Transparenz unwirksam. Der Vertragsbestimmung ist nicht zu entnehmen, dass hierbei eine Rahmenvereinbarung getroffen werden sollte, die vorsieht, dass jährlich die konkreten Zielvorgaben zur Erreichung der Prämie im Rahmen einer Zielvereinbarung festgelegt werden sollen. Auch ist der Vereinbarung nicht zu entnehmen, dass die Festsetzung der Prämie billigem Ermessen (§ 315 Abs. 3 BGB) entsprechen soll. Vielmehr wird lediglich darauf abgestellt, dass die Prämie „leistungsabhängig“ gewährt werden solle. Über die entscheidende Frage, welche Leistungsaspekte hierbei relevant sein sollen und nach welchen Kriterien die Leistung bewertet werden solle, schweigt sich die Vereinbarung aus.
Gemäß § 306 Abs. 1 BGB führt die Transparenz nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Prämienregelung, vielmehr ist lediglich die „Leistungsabhängigkeit“ ohne nähere Konkretisierung in § 6 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrages nicht Vertragsbestandteil geworden bzw. unwirksam. Daher ergibt sich der Prämienanspruch des Klägers für 2016 unmittelbar aus § 6 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrages (und nicht etwa wie bei unterlassenen Zielvereinbarungen aus Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB).
Da die Einschränkung „leistungsabhängig“ mangels hinreichender Transparenz nicht Vertragsbestandteil geworden ist, kommt es auf den Einwand der Beklagten, der Kläger habe Schlechtleistungen erbracht bzw. die Prämienzahlungen seien mangels ausreichender Umsätze des Klägers vom Kläger erwirkt worden, nicht an.
IV.
Die Prämienansprüche für die Jahre 2014 und 2015 sind aufgrund der Ausschlussfrist des § 14 des Arbeitsvertrages untergegangen.
1. Der Prämienanspruch für 2014 ist mit Ablauf des 31.03.2015 zur Zahlung fällig gewesen. Der Prämienanspruch für 2015 ist mit Ablauf des 31.03.2016 zur Zahlung fällig gewesen. Der Kläger hat erkennbar die in § 14 Abs. 1 und 2 genannten Fristen nicht eingehalten.
2. Die Berufung auf die Ausschlussfrist kann nach § 242 BGB treuwidrig und damit unzulässig sein. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Schuldner den Gläubiger von der rechtzeitigen Geltendmachung abhält, in dem er die geschuldete Leistung wahrheitswidrig zusagt oder wenn er vom Gläubiger Unterlagen anfordert und sich dann auf den Fristablauf beruft. Gleiches ist der Fall, wenn der Schuldner schuldhaft – vorsätzlich oder fahrlässig – den Eindruck erweckt, der Gläubiger werde regelgerecht behandelt werden. Der Kläger ist für das Vorliegen von Tatsachen, die den Treuwidrigkeitseinwand gemäß § 242 BGB stützen können, vollumfänglich darlegungs- und beweisbelastet. Der Kläger hat insoweit vorgetragen, der Geschäftsführer der Beklagten habe den Kläger hinsichtlich der Prämienzahlung immer wieder hingehalten. Es habe zu keinem Zeitpunkt eine klare Absage gegeben. Auch seien in Gesprächen u. a. am 20.04.2015 und 24.05.2016 vom Geschäftsführer der Beklagten ausgesagt worden, dass er die endgültigen Umsatzzahlen abwarten wolle, bevor er über die Prämienzahlung entscheide.
Dieses Vorbringen des Klägers als wahr unterstellt, hat der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger gerade nicht zugesichert, dass dieser eine Prämie erhalten werde. Der Geschäftsführer der Beklagten hat auch nicht schuldhaft den Eindruck erweckt, der Kläger werde regelgerecht behandelt, da vorliegend eben gerade keine Regel für die Auszahlung der Prämie aus der vertraglichen Vereinbarung erkennbar ist. Da die Prämie für 2014 bereits zum 31.03.2015 fällig war, hätte der Kläger daher seinen behaupteten Prämienanspruch schriftlich geltend machen müssen und – bei vorliegender Voraussetzung nach § 14 Abs. 2 des Arbeitsvertrages – ggf. Klage erheben müssen. Gleiches gilt entsprechend für die Prämie für das Jahr 2015.
V.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung eines wohlwollend formulierten, qualifizierten Arbeitszeugnisses gemäß § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO. Soweit der Kläger darüber hinaus geltend macht, das Zeugnis müsse eine Gesamtbewertung „stets zur vollsten Zufriedenheit“ sowie eine Dankens-, Bedauerns- und Wunschformel enthalten, war die Klage abzuweisen. Dem Arbeitgeber steht ein Beurteilungsspielraum zu, welche positiven und negativen Leistungen und Eigenschaften des Arbeitnehmers er betont oder vernachlässigt und wie er das Zeugnis formuliert (BAG vom 15.11.2011 – 9 AZR 386/11 – Beck-RS 2012, 67197). Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis mit der Gesamtbeurteilung „befriedigend“. Soweit ein Arbeitnehmer eine bessere Note erhalten möchte, muss er die dazu führenden Tatsachen im Streitfall darlegen und beweisen (BAG vom 18.11.2014 – 9 AZR 584/13 – Beck-RS 2014, 74219). Vorliegend hat der Kläger insoweit keinen Sachvortrag gebracht, der eine Gesamtbeurteilung „sehr gut“ rechtfertigen könnte.
Ein Anspruch auf Aufnahme von Schlusssätzen besteht nach ständiger Rechtsprechung des BAG nicht (vgl. etwa BAG vom 20.02.2001 – 9 AZR 44/00 – NZA 2001, 843; BAG vom 11.12.2012 – 9 AZR 227/11 – NZA 2013 – 324). Zwar hat sich weitgehend eingebürgert, dass das qualifizierte Zeugnis mit Formulierung abgeschlossen wird, in den dem Arbeitnehmer für seine Arbeit gedankt wird und der Arbeitgeber gute Wünsche für den weiteren Berufsweg ausdrückt. Gelegentlich wird das Ausscheiden des Arbeitnehmers auch bedauert. Ein Rechtsanspruch auf die Aufnahme von solchen Schlusssätzen besteht nach der Rechtsprechung des BAG jedoch nicht.
VI.
Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.695,57 Euro als Schadensersatz wegen entfallender Nutzung des Dienstwagens zu privaten Zwecken nach § 280 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 283 Satz 1 BGB zu.
1. Die Widerrufsklausel in § 13.3 des Dienstwagenvertrages ist materiell wirksam. Nach § 307 Nr. 4 BGB ist die Vereinbarung eines Widerrufsrechts zumutbar, wenn der Widerruf nicht grundlos erfolgen soll, sondern wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig ist. Der Widerruf der privaten Nutzung eines Dienstwagens im Zusammenhang mit einer (wirksamen) Freistellung des Arbeitnehmers ist zumutbar. Der Arbeitnehmer muss bis zum Kündigungstermin keine Arbeitsleistung erbringen, insbesondere entfallen Dienstfahrten mit dem Pkw. Die Widerrufsklausel verknüpft die dienstliche und private Nutzung sachgerecht (vgl. BAG vom 21.03.2012 – 5 AZR 651/10 – NZA 2012, 616). Die Widerrufsklausel ist auch nicht unwirksam, weil sie keine Ankündigungs- oder bzw. Auslauffrist enthält (vgl. BAG vom 21.03.2012 – 5 AZR 651/10 – NZA 2012, 616).
2. Die Beklagte hat das Widerrufsrecht im Streitfall jedoch nicht wirksam ausgeübt und damit eine gegenüber dem Kläger bestehende Vertragspflicht verletzt. Neben der Inhaltskontrolle in den allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Widerrufsklausel steht die Ausübungskontrolle im Einzelfall gemäß § 315 BGB, denn die Erklärung des Widerrufs stellt eine Bestimmung der Leistung durch den Arbeitgeber nach § 315 Abs. 1 BGB dar. Der Widerruf muss im Einzelfall billigem Ermessen entsprechen. Vorliegend hat die Beklagte ihr Widerrufsrecht unbillig ausgeübt. Insbesondere hat sie keine Gründe vorgetragen, warum sie unmittelbar nach der Eigenkündigung des Klägers das Fahrzeug zurückgefordert hat. Da die Beklagte insoweit keine Gründe vorgetragen hat, die eine vorzeitige Rückgabe notwendig machten, der Kläger jedoch für seine Privatfahrten auf das Fahrzeug angewiesen war und darüber hinaus auch für den vollen Monat Januar der Sachwertbezug des Pkws steuerrechtlich in Ansatz zu bringen war, stellt sich die Ausübung des Widerrufsrechts als im Einzelfall unbillig dar.
Das Interesse des Klägers, den von ihm an sich überlassenen Dienstwagen zumindest bis Ablauf des Monats Januar 2017 privat nutzen zu können, überwiegt das abstrakte Interesse der Beklagten am sofortigen Entzug des Dienstwagens. Da der Widerruf am 10.01.2017 mit sofortiger Wirkung erfolgte, war dieser Widerruf unwirksam. Ein erneuter (ggf. wirksamer) Widerruf zum 31.01.2017 hat die Beklagte nicht erklärt.
3. Kommt der Arbeitgeber seiner Vertragspflicht, dem Arbeitnehmer die Nutzung des Dienstwagens zu privaten Zwecken weiter zu ermöglichen, nicht nach, wird die Leistung wegen Zeitablaufs unmöglich, so dass der Arbeitgeber nach § 275 Abs. 1 BGB von der Leistungspflicht befreit wird. Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall nach § 280 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 283 Satz 1 BGB Anspruch auf Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens. Zur Berechnung ist eine Nutzungsausfallentschädigung auf der Grundlage der steuerlichen Bewertung der Privatnutzungsmöglichkeit mit monatlich 1% des Listenpreises des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung anerkannt (vgl. BAG vom 21.03.2012 – 5 AZR 651/10 – NZA 2012, 616).
Vorliegend ergibt sich somit der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung.
VII.
Der Kläger hat auch Anspruch auf Abgeltung von 6,25 Urlaubstagen gemäß § 7 Abs. 1 BUrlG. Gemäß § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrages hat der Kläger Anspruch auf Jahresurlaub von 25 Arbeitstagen. Für den Zeitraum bis 31.03.2017 ergibt sich somit ein anteiliger Jahresanspruch von 6,25 Urlaubstagen. Diesen Urlaub konnte der Kläger nicht mehr nehmen, da er von der Beklagten freigestellt worden war, ohne dass im Rahmen der Freistellung Urlaub angerechnet werden sollte.
Die Höhe der Urlaubsabgeltung errechnet sich wie folgt:
„8.700,00 Euro brutto x 3 Monate: 65 Tage x 6,25 Urlaubstage.“
VIII.
Der Prämienanspruch für 2017 war abzuweisen. Zwar steht dem Kläger grundsätzlich ein Prämienanspruch auch für das Jahr 2017 anteilig zu. Dieser wird jedoch erst zum 31.03.2018 fällig werden.
IX.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO und berücksichtigt das jeweilige Obsiegen bzw. Unterliegen der Parteien.
X.
Bei der Streitwertfestsetzung wurden die Zahlungsanträge jeweils mit der eingeklagten Summe berücksichtigt. Der Feststellungsantrag betreffend den Schadensersatzanspruch in Höhe von 7.154,45 Euro wurde nicht gesondert bewertet, da dieser der Höhe nach bereits in den Zahlungsansprüchen bezüglich Januar und Februar 2017 mitenthalten war. Der Zeugnisanspruch wurde mit einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 9.336,00 Euro in Ansatz gebracht.

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