Arbeitsrecht

Schadensersatz wegen entgangenen Elternunterhalts

Aktenzeichen  9 O 4229/16

Datum:
5.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 47387
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 32, § 128 Abs. 2
BGB § 100, § 823 Abs. 1, § 844 Abs. 2, § 1601
VVG § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
StVG § 10 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Nach § 844 Abs. 2 BGB bzw. nach § 10 Abs. 2 StVG besteht ein Anspruch wegen Unterhaltsentziehung, wenn der Getötete zur Zeit der Verletzung zu einem Dritten in einem Verhältnis stand, vermöge dessen er diesem gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, und wenn dem Dritten infolge der Tötung das Recht auf den Unterhalt entzogen ist, und zwar insofern, als der Ersatzpflichtige dem Dritten durch Entrichtung einer Geldrente insoweit Schadensersatz zu leisten hat, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen sein würde. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Kläger haben für den Unterhaltszeitraum ihre Bedürftigkeit nach allgemeinen Grundsätzen zu beweisen, wenn sie eine Zahlungsklage erheben. Die Beweislast erstreckt sich darauf, dass den Klägern weder anrechenbare Einkünfte noch verwertbares Vermögen zur Verfügung stehen. Für die Zeit nach Schluss der mündlichen Verhandlung ist eine Prognose anzustellen, ob und inwieweit sich die Bedürftigkeit fortsetzt. (Rn. 51 – 52) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1.Die Anträge aus der Klageschrift vom 29.09.2016 werden abgewiesen.
2.Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
3.Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. 
4.Der Streitwert wird auf € 11.200,- festgesetzt.

Gründe

A. Die zulässigen Klageanträge vom 29.09.2016 sind unbegründet.
I. Die Klageanträge vom 29.09.2016 sind zulässig.
1. Das Landgericht München II ist nach § 32 ZPO örtlich und nach §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich zuständig.
2. Zulässigkeitshindernisse sind nicht ersichtlich.
II. Die Klageanträge vom 29.09.2016 sind unbegründet.
Den Klägern steht jeweils kein Anspruch auf Zahlung von jeweils € 100,- monatlich seit dem Verkehrsunfalltod ihres Sohnes aus §§ 823 Abs. 1, 844 Abs. 2 S. 1 HS. 1 BGB i.V. m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 222 StGB i.V. m. § 844 Abs. 2 S. 1 HS. 1 BGB i.V. m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG bzw. nach §§ 7 Abs. 1, 10 Abs. 2 S. 12 StVG i. v. m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG gegenüber der Beklagten zu. Mangels Hauptanspruches entfallen auch die Nebenforderungen, zumal die vorgerichtlichen Anwaltskosten nicht im Rahmen der Verfolgung des Feststellungsbegehrens vom 23.02.2017 entstanden sind.
Nach § 844 Abs. 2 BGB bzw. nach § 10 Abs. 2 StVG besteht ein Anspruch wegen Unterhaltsentziehung, wenn der Getötete zur Zeit der Verletzung zu einem Dritten in einem Verhältnis stand, vermöge dessen er diesem gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, und wenn dem Dritten infolge der Tötung das Recht auf den Unterhalt entzogen ist, und zwar insofern, als der Ersatzpflichtige dem Dritten durch Entrichtung einer Geldrente insoweit Schadensersatz zu leisten hat, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen sein würde.
Die Kläger sind jedoch beweisfällig für ihre Behauptung geblieben, dass sie jeweils seit dem 31.05.2015 und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 19.02.2018 bedürftig i. S. d. §§ 1601, 1602 Abs. 1 BGB gewesen seien.
1. Die rechtswidrig und allein durch den Versicherungsnehmer der Beklagten verursachte und verschuldete Tötung des Sohnes der Kläger bei einem Verkehrsunfall vom 31.05.2015 ist unstreitig, §§ 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 222 StGB, § 7 Abs. 1 StVG.
2. Nach § 844 Abs. 2 S. 1 HS. 2 BGB i.V. m. § 843 Abs. 4 BGB ist es für den Anspruch unschädlich, dass in Person der beiden Enkelsöhne der Kläger bzw. der Tochter der Kläger weitere Unterhaltsverpflichtete i. S. d. § 1601 BGB vorliegen, weil nach der gesetzgeberischen Intention dies einem Schädiger nicht zugute kommen soll (vgl. BeckOK-Spindler, BGB, 45. Edition, Stand 01.11.2017, § 844 Rn. 15 m. w. N.; Pal.-Sprau, BGB, 77. Aufl. 2018, § 843 Rn. 20). Inwieweit sich der Mangel einer entsprechenden Verweisung auf § 843 Abs. 4 BGB in § 10 Abs. 2 StVG vorliegend auswirkt, kann dahinstehen, weil die Kläger ohnehin nicht nachgewiesen haben, bedürftig zu sein, wie im folgenden noch zu zeigen sein wird.
3. Die Leistungsfähigkeit des Verstorbenen nach § 1603 BGB ist unstreitig.
4. Der Bedarf der beiden Kläger beträgt gem. § 1610 BGB aufgrund der konkreten Einzelfallumstände jeweils € 836,-.
a) Indem beide Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in ihrem eigenen Hausstand in der M1. Straße in München wohnhaft waren und insbesondere trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch nicht etwa in einem Alters- oder Pflegeheim wohnhaft waren, richtet sich der Bedarf i. S. d. § 1610 Abs. 1 BGB nach dieser Lebensstellung der beiden Kläger; hiernach kommt es für den Bedarf der beiden Kläger auf die Sicherstellung ihrer Grundbedürfnisse, d. h. Mittel für Wohnung, Verpflegung, Kleidung, Kranken- und Pflegeversicherung, Unfallversicherung, Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben, an (vgl. BGH, Urteil vom 19.02.2003 – Az.: XII ZR 67/00 = NJW 2003, 1660 = FamRZ 2003, 860; BeckOK-Reinken, BGB, 45. Edition, Stand 01.11.2017, § 1601 Rn. 5a m. w. N.).
b) Der Bedarf von etwaigen Unterhaltsberechtigten richtet sich gem. § 1610 Abs. 1 BGB im Fall der Geltendmachung von Elternunterhalt nach § 1601 BGB in der Regel nach dem Existenzminimum als Untergrenze des Bedarfs und kann in Höhe des notwendigen Selbstbehalts eines Nichterwerbstätigen pauschaliert werden (vgl. BGH, Urteil vom 19.02.2003 – Az.: XII ZR 67/00 = NJW 2003, 1660 = FamRZ 3003, 860, 861; BGH, Urteil vom 16.12.2009 – Az.: XII ZR 50/08 = FamRZ 2010, 357 = NJW 2010, 937, 940 f. Tz. 34 ff., BGH, Urteil vom 17.02.2010 – Az.: XII ZR 140/08 = FamRZ 2010, 629 = NJW 2010, 1598, 1602 Tz. 32 f.; Pal.-Brudermüller, 77. Aufl. 2018, § 1601 Rn. 6 m. w. N.; BeckOK-Reinken, BGB, 45. Edition, Stand 01.11.2017, § 1601 Rn. 7 m.w. N.).
c) Insofern richtet sich der Bedarf im Regelfall nach der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle. Dies gilt auch im Fall eines Anspruchs nach § 844 Abs. 2 BGB wegen entgangenen Elternunterhalts (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 27.04.1990 – Az.: 2 U 111/89 = r+s 1991, 165).
Nach der für den Zeitraum vom 01.06.2015 bis 31.07.2015 seit dem Verkehrsunfalltod des Sohnes am 31.05.2015 gültigen Düsseldorfer Tabelle Stand 01.01.2015 A. Anm. 5 und B Anm. V belief sich der notwendige Selbstbehalt bei einem nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen auf monatlich € 880,-, worin € 380,- für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten waren.
Dieselben Maßgaben ergeben sich in der Düsseldorfer Tabelle Stand 01.08.2015, Stand 01.01.2016, Stand 01.01.2017 und Stand 01.01.2018.
d) Darüber hinaus ist der Selbstbehalt eines Unterhaltspflichtigen wegen des Zusammenlebens der beiden Kläger nach Maßgabe der Ziff. 21.5.3 der Süddeutschen Leitlinien Stand 01.01.2018 wegen ersparter Aufwendungen in der Regel um 10% zu reduzieren (dagegen um über 20%: OLG Stuttgart, Urteil vom 27.04.1990 – Az.: 2 U 111/89 = r+s 1991, 165, 166).
Indem hier aber der Fall gegeben ist, dass beide in einem Haushalt Zusammenlebenden auch jeweils einen Elternunterhaltsanspruch über § 844 Abs. 2 BGB geltend machen, muss bei jedem Kläger nach Maßgabe des Halbteilungsgrundsatzes (vgl. etwa Ziff. 15.2 der Süddeutschen Leitlinien Stand 01.01.2018) von dem notwendigen Selbstbehalt ein Anteil von 5% abgezogen werden, so dass sich für jeden Kläger ein notwendiger Selbstbehalt in Höhe von € 880,- abzüglich € 44,- = € 836,- ergibt.
e) Außergewöhnliche Umstände, die den Bedarf gegenüber den Regelsätzen der Düsseldorfer Tabelle im Sinne eines Mehrbedarfs oder gar eines Sonderbedarfs i. s. d. § 1613 Abs. 2 Nr. 1 erhöhen würden, wurden nicht vorgetragen.
Das fortgeschrittene Alter der Kläger oder auch die Aussage der Klägerin zu 1) vom 30.01.2017, sie leide an Brustkrebs (S. 2 des Protokolls; Bl. 21 d. A.), könnten zwar zu einem alters- oder krankheitsbedingten Mehrbedarf oder Sonderbedarf führen, doch wurde solches anwaltlich nicht aufgegriffen und auch sonst nicht weiter substantiiert.
5. Die beiden Kläger sind trotz mehrfacher rechtlicher Hinweise vom 30.01.2017, 26.04.2017, 27.06.2017 und vom 08.09.2017 beweisfällig geblieben für die Frage, inwiefern sie bedürftig i. S. d. § 1602 Abs. 1 BGB waren und sind.
Die Kläger haben für den Unterhaltszeitraum ihre Bedürftigkeit nach allgemeinen Grundsätzen zu beweisen, wenn sie eine Zahlungsklage erheben, während für die durch das Teilanerkenntnisurteil betroffene Feststellungsklage nicht erforderlich ist, dass bereits zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung eine Bedürftigkeit vorliegt (vgl. BGH NJW 1980, 393, 395 = FamRZ 1980, 126, 128; BeckOK-Spindler, BGB, 45. Edition, Stand 01.11.2017, § 844 Rn. 12 m. w. N.).
Die Beweislast erstreckt sich darauf, dass den Klägern weder anrechenbare Einkünfte noch verwertbares Vermögen zur Verfügung stehen. Für die Zeit nach Schluss der mündlichen Verhandlung ist eine Prognose anzustellen, ob und inwieweit sich die Bedürftigkeit fortsetzt (vgl. BeckOK-Reinken, BGB, 45. Edition, Stand 01.11.2017, § 1602 Rn. 64 m. w. N.).
a) Die Klägerin zu 1) verfügte unstreitig zum Zeitpunkt des Todes ihres Sohnes über eine Rente in Höhe von € 339,93 und seit dem 01.03.2016 in Höhe von € 337,66 (Anlage K 1), und der am 08.03.1936 geborene Kläger zu 2) unstreitig zum Zeitpunkt des Todes seines Sohnes über eine Rente in Höhe von € 692,22 und seit dem 01.03.2016 in Höhe von € 687,58 (Anlage K 2).
Daher ist wegen des im Unterhaltsrecht geltenden Halbteilungsgrundsatzes (vgl. BGH, Urteil vom 20.03.2002 – Az.: XII ZR 216/00 = FamRZ 2002, 742 = NJW 2002, 1646; BGH, Urteil vom 19.03.2003 – Az.: XII ZR 123/00 = FamRZ 2003, 866 = NJW 2003, 2306; OLG Oldenburg, Urteil vom 18.11.2003 – Az.: 12 UF 69/03 = FamRZ 2004, 295 = NJW-RR 2004, 364, 365) zunächst von einem unterhaltsrechtlich relevanten Altersrenteneinkommen der beiden Kläger vom 01.06.2015 bis zum 29.02.2016 in Höhe von jeweils € 1.032,15 / 2 = € 516,08 und dann seit dem 01.03.2016 in Höhe von jeweils € 1.025,24 / 2 = € 512,62 auszugehen.
Somit ist allein hiernach jeweils noch eine Lücke zu dem Bedarf von € 836,- in Höhe von € 319,92 bzw. € 323,38 gegeben.
b) Hinzuzurechnen zu dem Altersrenteneinkommen der beiden Kläger wäre allerdings für den Zeitraum vom 01.06.2015 bis zum Beginn der Wirksamkeit des Mietvertrags mit Ablauf des 31.05.2017 noch jeweils der Wohnwert der durch die beiden Kläger mietfrei bewohnten Eigentumswohnung, ggfs. auch nur ein Anteil hiervon.
(1) Denn zu den unterhaltsrechtlich relevanten Einkünften nicht nur auf Seiten eines Elternunterhaltsschuldners, sondern auch seitens der Elternunterhaltsberechtigten gehören gem. § 100 BGB auch die Gebrauchsvorteile in Gestalt des mietfreien Wohnens in der durch die Kläger bewohnten Eigentumswohnung (vgl. BGH, Urteil vom 17.10.2012 – Az.: XII ZR 17/11 = NJW 2013, 1305 = FamRZ 2013, 868 Tz. 19; OLG Hamm, Beschluss vom 17.12.2012 – Az.: II-9 UF 64/12 = BeckRS 2013, 3934 = FamRZ 2013, 1146; OLG München, Urteil vom 17.11.1983 – Az.: 26 UF 1122/83 = BeckRS 2010, ; BeckOK-Reinken, BGB, 45. Edition, Stand 01.11.2017, § 1601 Rn. 19 m. w. N.).
Dabei können auch bei der im Streitfall vorliegenden Eigentumswohnung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die im Hausgeld enthaltenen monatlichen Kosten für die Instandhaltung und die entsprechenden Rücklagen abgezogen werden (vgl. BGH NJW 2014, 1173 = FamRZ 2014, 538; BeckOK-Reinken, BGB, 45. Edition, Stand 01.11.2017,§ 1601 Rn. 19 m. w. N.).
Führt dies dazu, dass dem Elternunterhaltsgläubiger wegen des damit verbundenen fehlenden realen Zuflusses finanzieller Mittel keine ausreichenden Barmittel zur Deckung des eigenen Unterhaltsbedarfs mehr verbleiben, kann dem über eine Angemessenheitskontrolle (z. B. durch Absehen von einer Herabsetzung oder Erhöhung des ihm zu belassenden Selbstbehalts) begegnet werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 17.12.2012 – Az.: II-9 UF 64/12 = BeckRS 2013, 3934 = FamRZ 2013, 1146; OLG München, Urteil vom 17.11.1983 – Az.: 26 UF 1122/83 = BeckRS 2010, : Berücksichtigung nur bis zu einem Drittel des Wohnwertes; BeckOK-Reinken, BGB, 45. Edition, Stand 01.11.2017, § 1601 Rn. 19 m. w. N.).
(2) Zwar wäre nach Maßgabe dieser Prämissen und allein auf der Grundlage des klägerischen Tatsachenvortrags, dass von einem anzusetzenden Wohnwert in Höhe von € 600,- und einem monatlich zu leistenden Wohngeld in Höhe von € 313,- auszugehen wäre, zunächst von einem weiteren anrechenbaren Gebrauchsvorteil des mietfreien Wohnens, gesondert für jeden Kläger, in Höhe von € 600,- / 2 abzüglich € 313 / 2 = € 143,50 auszugehen, so dass sich insgesamt je Kläger ein monatliches einzusetzendes Einkommen in Höhe von € 659,58 bzw. von € 656,12 ergeben würde, so dass sich im Hinblick auf den jeweiligen Bedarf von € 836,- noch eine Lücke von € 176,42 bzw. von € 179,88 ergeben würde.
Es ist aber durch die Kläger trotz des insofern genügenden Bestreitens durch die Beklagtenpartei weder nachgewiesen worden, wie hoch der Wohnwert des mietfreien Wohnens sei, noch wie hoch die tatsächlich geleisteten Wohngeldzahlungen seien. Weder wurden Unterlagen vorgelegt, die die Höhe und die Zahlung des Wohngeldes belegen würden, noch wurde trotz des Hinweis- und Beweisbeschlusses vom 27.06.2017 über die Erholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zu der klägerischen Behauptung eines Wohnwertes von € 600,- (Bl. 46 – 48 d. A.) binnen der zum 21.07.2017 gesetzten Frist ein Auslagenvorschuss durch die Kläger einbezahlt, sondern vielmehr am 06.06.2017 unter Verschweigung der zwischenzeitlichen schon im April 2017 erfolgten Veräußerung an die erstmals auftauchende Tochter der Kläger und der angeblichen Rückanmietung dieser Eigentumswohnung im Mai 2017 geschrieben, dass das Gericht den Wohnwert wegen angeblicher Unwirtschaftlichkeit der Erholung eines Sachverständigengutachtens selbst schätzen solle – bei gleichzeitigem Bestreiten der einzig durch die Beklagte gelieferten Anknüpfungstatsache eines m²-Mietpreises von € 24,67 (Bl. 42 d. A.) -, und sodann am 14.07.2017 noch geschrieben, dass sich wegen der Veräußerung der Wohnung eine Begutachtung erübrige (Bl. 50 d. A.).
Angesichts der herausragenden Lage der Eigentumswohnung in der M1. Straße in München, einer der besten Wohngegenden der ganzen Stadt, und angesichts des jahrelangen exorbitanten Anstieges der Mietpreise in der Stadt gerade in der Zeit auch seit 2015 ist die klägerische Behauptung eines Wohnwertes von nur € 600,- auch nicht ernst zu nehmen.
c) Die Kläger sind weiterhin beweisfällig geblieben hinsichtlich der Frage, inwiefern die Kläger Vermögen im Zeitraum seit dem Verkauf der Eigentumswohnung an die Tochter der Kläger im April 2017 einzusetzen haben, bzw. inwiefern sie sich weiterhin auch in diesem Zeitraum den Wert eines mietfreien Wohnens anrechnen lassen müssen.
(1) Trotz gerichtlicher Hinweise sind die Kläger schon beweisfällig dahingehend geblieben, ob sie überhaupt tatsächlich die Eigentumswohnung an die Tochter wirksam dinglich veräußert haben.
So steht in dem notariellen Kaufvertrag vom 19.04.2017 auf S. 2 in der Vorbemerkung, dass die Veräußerung von einer Zustimmung des Verwalters (nach S. 7 des Vertrags: Verwaltungsgesellschaft für Haus- und Grundbesitz H. & Partner GmbH in der A. Straße in München) abhängig ist. Ob eine solche Zustimmung erklärt wurde, wurde nicht vorgetragen. Merkwürdig ist in diesem Zusammenhang unter anderem auch, dass die Kläger trotz gerichtlicher Nachfrage danach, ob die Vermieterseite zum Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses überhaupt schon Eigentümer geworden seien, nicht beantwortet hat.
Das klägerische Beweisangebot vom 14.07.2017, die Tochter B. S4. als Zeugin zum Verkauf der Eigentumswohnung und zur klägerischen Verpflichtung zur Mietzahlung zu befragen, hilft hier nicht weiter, da sich beides ohnehin schon aus der vorgelegten notariellen Urkunde ergibt, und weil die Tochter B. S4. nicht als Zeugin bezüglich einer erfolgten Eigentumsübertragung und einer tatsächlichen Zahlung der Miete angeboten worden ist.
Es wäre wohl unter normalen Umständen ein Leichtes, statt einer Zeugenvernehmung entsprechende Unterlagen seitens des Verwalters oder einen Grundbuchauszug oder Kontoauszüge vorzulegen.
(2) Sofern gleichwohl von einer tatsächlich erfolgten, auch dinglich wirksamen Veräußerung der Eigentumswohnung auszugehen wäre, sind die Kläger beweisfällig geblieben, inwiefern hier überhaupt tatsächlich eine Leistung des Kaufpreises erfolgt ist, und in welcher Höhe.
Denn merkwürdigerweise legen die Kläger zum Beweis der Behauptung der Immobilienveräußerung den notariellen Kaufvertrag zwar vor, schwärzen hierin jedoch den Kaufpreis und behaupten schriftsätzlich am 20.09.2017 auf verwunderte gerichtliche Nachfrage vom 08.09.2017 zugleich lakonisch, dass der Kaufpreis doch gerichtsbekannt sei (Bl. 59, 60 d. A.); gerichtsbekannt ist freilich nur der bestrittene klägerische Tatsachenvortrag.
In gleicher Weise wurde auch kein Nachweis über den Empfang eines Kaufpreises seitens der Tochter bzw. des Schwiegersohnes vorgelegt. Dass es sich also tatsächlich um eine Schenkung an die Tochter handelte, oder ob der Kaufpreis höher oder niedriger als € 180.000,- lag, bleibt mithin durchaus möglich.
Wiederum ist das klägerische Angebot einer Zeugenvernehmung der Tochter B. S4. vom 14.07.2017 unbehelflich (Bl. 49 d. A.), weil diese wiederum nicht als Zeugin zu dem Thema der tatsächlichen Erbringung des Kaufpreises angeboten wurde.
Auch hier wäre es unter normalen Umständen ein Leichtes, entsprechende notarielle Bescheinigungen und auch einen ungeschwärzten Vertrag vorzulegen.
(3) Wäre hingegen tatsächlich von einer wirksamen Veräußerung gegen Erhalt von € 180.000,- Kaufpreis auszugehen, müsste dieser Betrag durch die Kläger bei der Ermittlung ihrer Bedürftigkeit als Vermögen eingesetzt werden, so dass es im Ergebnis nicht darauf ankommt, ob die Behauptung der Kläger über den erfolgten Verkauf an die Tochter zutrifft oder nicht:
Denn wenn dies nicht zutreffen sollte, müssten sich die Kläger den Wert des mietfreien Wohnens anrechnen lassen, wenn es hingegen richtig sein sollte, müssten die Kläger den erzielten Verkaufserlös einsetzen, so dass es auch nicht auf die durch die Beklagte aufgeworfene Frage einer mutwilligen Herbeiführung einer Bedürftigkeit durch die Kläger infolge der Wohnungsveräußerung ankommt:
(a) Denn aus einem Umkehrschluss zu dem für minderjährige Kindesunterhaltsberechtigte geltenden § 1602 Abs. 2 BGB resultiert insofern wie für geschiedene Unterhaltsberechtigte nach § 1577 Abs. 3 BGB auch für Elternunterhaltsberechtigte nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Obliegenheit, den Vermögensstamm in gewissen Grenzen wie etwa des sozialhilferechtlichen Schonvermögens für den eigenen Unterhalt einzusetzen (vgl. BGH FamRZ 1966, 28; OLG Köln FamRZ 2001, 437; MüKo-Born, BGB, 7. Aufl. 2017, § 1601 Rn. 16 m. w. N.; BeckOK-Reinken, BGB, 45. Edition, Stand 01.11.2017, § 1601 Rn. 14 m. w. N.).
(b) Zwar könnte i. S. d. § 1577 Abs. 3 BGB eine Verwertung der einzigen eigengenutzten Immobilie der Kläger unwirtschaftlich oder unzumutbar sein, doch wegen der im konkreten Einzelfall ohnehin bereits behaupteten Veräußerung der Eigentumswohnung für € 180.000,- an die Tochter der Kläger durch notariellen Kaufvertrag vom 19.04.2017 würde sich die Frage der Unzumutbarkeit oder Unwirtschaftlichkeit nicht mehr stellen, weil die Verwertung von nicht angelegtem Kapitalvermögen regelmäßig nicht als unwirtschaftlich angesehen werden kann, und weil sich auch die Verwertung eines Teils des Vermögens der Kläger in Form des ihnen etwa aus dem Verkauf der Wohnung zugeflossenen Erlöses zum Bestreiten ihres Unterhalts unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegend nicht als unbillig darstellen würde (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 16. 5. 2007 – 9 UF 77/06 = FamRZ 2008, 698 = NJW-RR 2007, 1377; Pal.-Brudermüller, BGB, 77. Aufl. 2018, § 1577 Rn. 31 m. w. N.).
(4) Ob die Kläger überhaupt jemals auf der Grundlage des Mietvertrags vom Mai 2017 – dieser enthält keine Kautionszahlungspflicht und weist eine unrealistisch niedrige Miete aus – Mietzahlungen an ihre Tochter und ihren Schwiegersohn vorgenommen haben, ist durch die Kläger ebenfalls nicht nachgewiesen; hierauf kommt es aber wegen der mangelnden Nachweisung der dinglichen Veräußerung und der Erbringung eines Kaufpreises nicht mehr an:
(a) Denn selbst wenn es der Wahrheit entsprechen sollte, dass die Kläger nunmehr ihre ehemalige Eigentumswohnung von ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn zurückmieten würden und hierfür monatlich € 560,- zuzüglich € 220,- Nebenkostenvorauszahlungen erbringen, so wäre doch wegen des nunmehr vorhandenen Barvermögens der Kläger von € 180.000,- nicht von einer Bedürftigkeit auszugehen, denn hiermit könnte mehr als 19 Jahre lang die Mietwohnung bezahlt werden, wobei dies angesichts des Alters der Kläger (Kläger zu 2): 82 Jahre, Klägerin zu 1): 77 Jahre) ohnehin unrealistisch ist, so dass monatlich genügend Geld vorhanden wäre, zumal immer noch beiderseits die monatliche Altersrente bezogen würde.
(b) Im Übrigen wäre auch das klägerische Beweisangebot einer Zeugenvernehmung der Schwiegertochter der Kläger, Frau Sabine L., zum Nachweis der Erbringung der Mietzahlungen (Bl. 58 d. A.), unbehelflich, freilich erst recht wegen der Merkwürdigkeit, dass es sich nicht um die angebliche Empfängerin von Eigentumswohnung und Mietzahlungen handelt, sondern um deren Schwägerin, und dass es leichter wäre, Kontoauszüge vorzulegen, wenn denn tatsächlich etwas überwiesen würde.
d) Da § 844 Abs. 2 BGB bzw. § 10 Abs. 2 StVG auf eine kraft Gesetzes bestehende Unterhaltspflicht abstellen, kommt der klägerischen Argumentation mit einer gewohnheitsrechtlichen Übung zwischen den Familienangehörigen, die etwa ungeachtet des aktuellen Fehlens einer Bedürftigkeit gleichwohl zu einer begründeten Leistungsklage führen würde, keine Bedeutung zu.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 93, 100 Abs. 1 ZPO.
Die Kosten der Klage vom 29.09.2016 tragen die Kläger als unterliegende Parteien nach §§ 91, 100 Abs. 1 ZPO jeweils zur Hälfte.
Die Kosten der Klageerweiterung vom 23.02.2017 tragen die Kläger nach §§ 93, 100 Abs. 1 ZPO ebenfalls jeweils zur Hälfte. Denn es liegt ein sofortiges Anerkenntnis vor, indem die Beklagte vorprozessual nicht zu einer entsprechenden Erklärung ihrer Einstandspflicht aufgefordert worden ist.
Im Übrigen kommt es auf die Frage der Kostentragung im Hinblick auf die Feststellungsklage wegen § 45 Abs. 1 GKG nicht an, weil der Teilstreitwert der Feststellungsklage vollständig im Streitwert der Leistungsklage enthalten ist.
C. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.
D. Der Streitwertbeschluss beruht auf §§ 3, 4 Abs. 1 HS. 2, 5, 9 ZPO.
Eine Anwendbarkeit des § 51 FamGKG ist mangels Vorliegens einer Familienstreitsache und eine Anwendbarkeit des § 42 GKG ist mangels Vorliegens der hierin bezeichneten wiederkehrenden Leistungen nicht gegeben.
Damit richtet sich der Teilstreitwert der durch das Teilanerkenntnisurteil betroffenen Feststellungsklage nach § 9 S. 1 ZPO, mithin nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezugs, wobei wegen des Vorliegens einer Feststellungsklage ein Abschlag vorzunehmen ist in Höhe von 20%. Hiermit ergibt sich ein Teilstreitwert der Feststellungsklage in Höhe von € 200,- * 42 Monate * 80/100 = € 6.720,-.
Hinzu kommt der Teilstreitwert der Leistungsklage, wobei insofern gem. § 45 Abs. 1 GKG eine teilweise wirtschaftliche Identität bezüglich der seit dem 01.09.2016 zu zahlenden Beträge mit der Feststellungsklage vorliegt. Der Teilstreitwert der Klage vom 29.09.2016 beläuft sich auf die Summe aus den Rückständen in Höhe von € 2.800,- und dem sich aus § 9 S. 1 ZPO errechnenden Betrag von 200,- € * 42 Monate = 8.400,-.
Zinsen und Anwaltskosten bleiben wegen § 4 Abs. 1 HS. 2 ZPO außer Betracht.
Hiermit ergibt sich Streitwert von € 2.800 + € 8.400,- = € 11.200,-.

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