Arbeitsrecht

Schadensersatzanspruch wegen Fürsorgepflichtverletzung, hier : Bewilligung einer Beurlaubung ohne Klärung der Dienstfähigkeit

Aktenzeichen  AN 1 K 17.02708

Datum:
18.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19411
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 26 Abs. 1, § 45
BGB § 123, § 143, § 276 Abs. 2, § 278
BayDG Art. 65 Abs. 1

 

Leitsatz

1. In der Bewilligung einer arbeitsmarkpolitischen Beurlaubung ohne Prüfung der aktuellen Dienstfähigkeit liegt keine Fürsorgepfichtverletzung des Dienstherrn; aufgrund der Beurlaubung stellt sich die Frage einer aktuellen Dienstfähigkeit nicht, so dass deren Klärung durch den Dienstherrn zutreffend erst rechtzeitig vor Dienstantritt erfolgt. (Rn. 142) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Täuschungshandlung des Dienstherrn liegt nicht darin, dass er der Beamtin trotz Kenntnis von der Erkrankung ihrer Tochter nur das Formblatt für eine arbeitsmarktpolitische Beurlaubung, nicht aber das für eine familienpolitische Beurlaubung übersendet (hier: keine Kenntnis des Dienstherrn von der ggf. eine familienpolitische Beurlaubung begründenden Pflegebedürftigkeit der Tochter; keine allgemeine Belehrungs- und Beratungspflicht). (Rn. 158 – 161) (Rn. 142) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Zeitraum von 2 Monaten zwischen dem Untersuchungsauftrag und dem Untersuchungstermin ist für die Beamtin ausreichend zur Vorbereitung, um ggf. noch behandelnde Privatärzte aufzusuchen und auch juristischen Rat einholen zu können. (Rn. 152) (redaktioneller Leitsatz)
4. Aus der in § 45 BeamtStG normierten allgemeinen Fürsorgepflicht lässt sich keine gesonderte Aufklärungspflicht des Dienstherrn über alle denkbaren Möglichkeiten einer Beurlaubung und deren Voraussetzungen ableiten; vielmehr obliegt es dem Beamten, sich selbst um diejenigen Angelegenheiten zu kümmern, die seinem eigenen Interesse dienen, und sich die entsprechenden (rechtlichen) Kenntnisse durch angemessene Mühegabe selbst zu verschaffen. (Rn. 160) (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2017 und der Widerspruchsbescheid vom 29. November 2017 sind nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch, der auf eine Verletzung der Fürsorgepflicht der Beklagten als früherer Dienstherrin der Klägerin gestützt wird, nicht zu.
Gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen.
Bereits das Reichsgericht hat eine unmittelbare Haftung des Dienstherrn für die durch die Verletzung der Fürsorgepflicht entstandenen Schäden anerkannt. Zur Begründung hat das Gericht zunächst auf eine analoge Anwendung des § 618 BGB verwiesen (RG, U.v. 18.5.1909 – III 272/08 -, RGZ 71, 243 [246]). Nachdem sich in der Rechtsprechung und Rechtslehre die Erkenntnis durchgesetzt hatte, alle dem Beamtenverhältnis entspringenden Ansprüche dem öffentlichen Recht zuzuschreiben, hat das Reichsgericht zur Begründung der Schadensersatzpflicht des Dienstherrn bei schuldhafter Fürsorgepflichtverletzung auf den in § 618 BGB manifestierten Rechtsgedanken verwiesen (RG, U.v. 5.10.1917 – III 145/17 -, RGZ 91, 21 [24]).
Die Fürsorgepflicht begründet eine quasivertragliche Verbindlichkeit des Dienstherrn, auf die die Normen über die vertragliche Haftung entsprechend anzuwenden sind (vgl. BVerwG, U.v. 18.10.1966 – VI C 39.64 -, Buchholz 232 § 79 BGB Nr. 18; Hartung in Fürst GKÖD BBG, Rn 54 zu § 78; a.A. wohl Conrad in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Rn 48 zu § 45 BeamtStG, der den Schadensersatzanspruch bei Fürsorgepflichtverletzung unmittelbar in § 45 verortet). Einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage für den Schadensersatzanspruch wegen Fürsorgepflichtverletzung bedarf es damit nicht (BVerwG, U.v. 24.8.1961 – II C 165.59 -, Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 1; zum Ganzen: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Stand: April 2015, Rn 114 zu § 45 BeamtStG).
Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass ein Schadensersatzanspruch eines Beamten gegen den Dienstherrn wegen Verletzung der Fürsorgepflicht neben einem bezifferbaren Schaden voraussetzt, dass sich der Dienstherr gegenüber dem Beamten rechtswidrig und schuldhaft verhalten hat, dass dieses Verhalten den Schaden adäquat kausal herbeigeführt hat und dass der Beamte seiner Schadensabwendungspflicht nach § 839 Abs. 3 BGB nachgekommen ist (vgl. BayVGH, B.v. 29.3.2019 – 3 ZB 16.1749 -, juris Rn 10; Plog/Wiedow BBG, Rn 94 ff. zu § 78; Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, a.a.O. Rn 50 zu § 45 BeamtStG; Kohde in v. Roetteken/ Rothländer BeamtStG, Rn 100 zu § 45; Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 8. Aufl., Rn 59 zu § 10).
Objektiv erforderlich ist ein pflichtwidriges Handeln des Dienstherrn durch ein Tun oder Unterlassen eines seiner Amtsträger oder eines Erfüllungsgehilfen. Auf der subjektiven Ebene setzt der Anspruch ein Verschulden der für den Dienstherrn handelnden Personen voraus. Es gilt der allgemeine Verschuldensmaßstab des BGB. Damit haftet der Dienstherr nach § 276 Abs. 2 BGB für Vorsatz und Fahrlässigkeit.
Da der Dienstherr als juristische Person des öffentlichen Rechts nicht selbst pflichtwidrig handeln kann, bedarf es einer Zurechnungsnorm, die dem Dienstherrn ein Verhalten bzw. Verschulden Dritter zurechnet. Das Handeln von Organen wird dem Dienstherrn nach § 89 i.V.m. § 31 BGB zugerechnet (BVerwG, U.v. 18.10.1966 – VI C 39.64 -, Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 18). In der Praxis bedarf es keiner trennscharfen Prüfung der Organstellung des Handelnden, da dem Dienstherrn im Übrigen das Verhalten Dritter nach § 278 BGB zugerechnet wird (Schütz/Maiwald, a.a.O.. Rn. 122 zu § 45 BeamtStG; a.A. etwa Weiß/Niedermaier/Summer/ Zängl, Rn 64 zu § 45 BeamtStG). Die Zurechenbarkeit eines Handelns Dritter nach § 278 BGB kann im Beamtenrecht nicht abbedungen werden, da beamtenrechtliche Ansprüche vertraglich nicht disponibel sind (vgl. Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Rn 62 zu § 45 BeamtStG).
Dem Dienstherrn ist nach § 278 Satz 1 BGB als bedeutsamste Zurechnungsnorm das Verhalten bzw. das Verschulden eines Erfüllungsgehilfen zuzurechnen. Eine Exkulpation unter Hinweis auf eine sorgfältige Auswahl und Überwachung ist dem Dienstherrn nicht möglich. Erfüllungsgehilfe ist, wer nach den rein tatsächlichen Umständen mit dem Willen des Schuldners (Dienstherr) bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit (Wahrung der Fürsorgepflicht) als seine Hilfsperson tätig wird (st. Rspr.; BGH, U.v. 14.11.2002 – III ZR 131/01 -, BGHZ 152, 380 [383]). Maßgebend ist nicht, in welcher Beziehung der Gehilfe zum Schuldner steht. Der Gehilfe muss den Weisungen des Schuldners nicht unterliegen (BGH, U.v. 4.3.1987 – IVa ZR 122/85 -, BGHZ 100, 117 [122]). Dem Dienstherrn ist nicht nur ein Verschulden seiner Bediensteten zuzurechnen, sondern jedes Dritten, soweit sich der Dienstherr diesem zur Erfüllung seiner Fürsorgepflicht bedient (Schütz/Maiwald, a.a.O., Rn. 122 zu § 45 BeamtStG).
Hiervon ausgehend hat die Beklagte im Zusammenhang mit der Bewilligung der von der Klägerin beantragten Beurlaubungen für den Zeitraum vom 1. September 2011 bis 31. August 2013 dieser gegenüber ihre beamtenrechtliche Fürsorgepflicht nicht verletzt.
Die Frage des Vorliegens einer derartigen Fürsorgepflichtverletzung war bereits Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens AN 1 K 14.01563, in welchem die Klägerin die rückwirkende Aufhebung der Beurlaubung für den oben genannten Zeitraum erreichen wollte.
In diesem Verfahren hat die Kammer eine Verletzung der Fürsorgepflicht durch die antragsgemäße Bewilligung der Beurlaubung verneint (Urteil vom 12.05.2015). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 21. Juni 2016 – 3 ZB 15.4191 – abgelehnt.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Beschluss u.a. aus:
„Die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit der Frage einer Verletzung der Fürsorgepflicht befasst. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Anfechtbarkeit seien insoweit unvollständig. Sie führt einerseits aus, sie sei nicht über den genauen Untersuchungsauftrag vom 17. Mai 2011 informiert, nicht über das Untersuchungsergebnis vom 19. Juli 2011 unterrichtet worden und auch nicht darüber, warum Frau Dr. … einen weiteren Termin angesetzt habe. Im Unterlassen der Mitteilungen liege eine Täuschung im Sinne des § 123 BGB. Andererseits verweist sie darauf, dass ihr nur ein Antrag für die arbeitsmarktpolitische Beurlaubung übersandt worden sei, nicht aber für die familienpolitische Beurlaubung, obwohl der Beklagten bekannt gewesen sei, dass ihre Tochter zum damaligen Zeitpunkt schwer erkrankt gewesen sei. Fürsorgepflichtwidrig habe die Beklagte aufgrund der Beurlaubung eine Klärung der Dienstfähigkeit nicht weiter verfolgt und damit billigend in Kauf genommen, dass sie ihre „vielfachen Ansprüche durch den Beurlaubungsanspruch“ verlöre.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich daraus bereits deshalb nicht, weil der streitgegenständliche Antrag vom 18. März 2014 nicht als Anfechtungserklärung im Sinne des § 143 BGB zu werten ist. Das Schreiben lässt nicht eindeutig (vgl. Jauernig, Kommentar zum BGB, 16. Aufl. 2016, § 143 Rn. 2) erkennen, dass die den genehmigten Urlauben zugrunde liegenden Anträge wegen eines Willensmangels (§ 119 BGB) bzw. einer arglistigen Täuschung durch den Dienstherrn (§ 123 BGB) angefochten werden sollten.
Davon abgesehen, konnte die Klägerin im Zulassungsverfahren nicht darlegen, dass sie die Urlaube bei umfassender Information und Aufklärung seitens der Beklagten nicht beantragt hätte. Ausweislich des vorgelegten Attests ihres behandelnden Arztes Dr. … vom 17. Dezember 2013 hatte die Klägerin von der im Raum stehenden Ruhestandsversetzung wegen zumindest vorübergehender Dienstunfähigkeit Kenntnis und wollte dies durch die Beurlaubung gerade verhindern. Die reklamierten Mitteilungen (Auftrag an das Gesundheitsamt, Unterrichtung vom Untersuchungsergebnis und weitere Behandlung durch Frau Dr. …) waren damit für die Beantragung der Urlaube nicht ursächlich (vgl. zur Kausalität der Täuschung: Jauernig, Kommentar zum BGB, 16. Aufl. 2015, § 123 Rn. 18). Die Klägerin rügt, die Beklagte sei aufgrund des eingegangenen Urlaubsantrags der Frage ihrer aktuellen Dienstfähigkeit nicht weiter nachgegangen. Eine Täuschungshandlung bezogen auf die beantragten Urlaube liegt darin nicht. Im Übrigen bestand aufgrund der Beurlaubung keinerlei Anlass, der Frage der aktuellen Dienstfähigkeit der Klägerin weiter nachzugehen. Die Beklagte hat daher zutreffend eine Klärung der Dienstfähigkeit rechtzeitig vor Dienstantritt in den Blick genommen.
Die Klägerin fühlt sich auch deshalb getäuscht, weil ihr trotz Kenntnis der Beklagten von der Erkrankung ihrer Tochter nur das Formblatt für eine arbeitsmarktpolitische Beurlaubung nicht aber das für eine familienpolitische Beurlaubung übersandt worden sei. In der behaupteten unterlassenen Übersendung des Formblatts für eine familienpolitische Beurlaubung liegt bereits deshalb keine Täuschungshandlung, weil keine entsprechende Rechtspflicht zur Aufklärung (Offenbarungspflicht) bestand (vgl. Beck’scher Online-Kommentar BGB, Stand: Mai 2016, § 123 Rn. 11; Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2015, § 123 Rn. 30). Der Beklagte war lediglich bekannt, dass die Tochter der Klägerin „zur Zeit schwer erkrankt“ war. Grundsätzlich ist es Sache jeder Partei, ihre eigenen Interessen selbst wahrzunehmen (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Aufl. 2016, § 123 Rn. 5).“
Das Vorbringen des Bevollmächtigten der Klägerin im vorliegenden Verfahren führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Dieser wiederholt sein bisheriges Vorbringen und rügt zunächst erneut, dass die Klägerin nicht ausreichend über die Gründe für die am 19. Juli 2011 durchgeführte Untersuchung im Gesundheitsamt der Beklagten informiert worden sei und die aus Sicht der Klägerin nicht hinnehmbaren Umstände der Untersuchung die Klägerin letztlich genötigt hätten, einen Antrag auf Beurlaubung zu stellen.
Soweit es die vorherige Information der Klägerin über die Gründe der amtsärztlichen Untersuchung betrifft, wurde der Klägerin durch das Personalamt der Beklagten mit Schreiben vom 17. Mai 2011 (lediglich) mitgeteilt, dass der amtsärztliche Dienst wegen der gesundheitlichen Situation der Klägerin um eine Stellungnahme gebeten worden sei. Ein Untersuchungstermin werde der Klägerin von dort direkt mitgeteilt. Der Untersuchungsauftrag an das Gesundheitsamt vom selben Tag, der eine Prüfung der Dienstunfähigkeit im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG zum Gegenstand hatte, wurde der Klägerin nicht zur Kenntnis gegeben.
In diesem Vorgehen liegt jedoch keine schuldhafte Dienstpflichtverletzung gegenüber der Klägerin.
Nach Art. 65 Abs. 1 BayDG können als dienstunfähig nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG Beamte und Beamtinnen auch dann angesehen werden, wenn sie infolge einer Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst geleistet haben und keine Aussicht besteht, dass sie innerhalb von weiteren sechs Monaten wieder voll dienstfähig werden. Unerheblich ist, ob der jeweilige Fehltag auch ein Arbeitstag des Beamten bzw. der Beamtin oder dienstfrei i.S.d. arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen war. Dies ergibt sich daraus, dass weder beim Gesamtzeitraum von 6 Monaten noch bei der Summe der Fehltage, den 3 Monaten, danach zu fragen ist, in welchem Umfang darauf arbeitsfreie Tage i.S.d. Arbeitszeitrechts entfallen (v. Roetteken in: v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, 15. Update 5/2019, § 26 Rn. 258).
Zum Zeitpunkt der Erteilung des Untersuchungsauftrags am 17. Mai 2011 war die Klägerin in einem Zeitraum von sechs Monaten bereits an 89 Tagen erkrankt gewesen, wobei eine Krankmeldung bis zum 10. Juni 2011, also für weitere drei Wochen vorlag. Es stand deshalb bereits zu diesem Zeitpunkt fest, dass die Klägerin innerhalb von sechs Monaten für mehr als drei Monate keinen Dienst geleistet haben würde. Ein weiteres Zuwarten der Beklagten, bis die Erkrankung der Klägerin einen Zeitraum von insgesamt drei Monaten erreicht hatte, war deshalb nicht veranlasst, zumal nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5/18 -, juris Rn. 42) eine Untersuchungsanordnung bereits dann gerechtfertigt sein kann, wenn die Fehlzeiten unterhalb der zeitlichen Mindestgrenze des Art. 65 Abs. 1 BayBG liegen. In dieser Fallkonstellation bedarf die Untersuchungsanordnung gegenüber dem betroffenen Beamten keiner über die Angabe der Dauer der krankheitsbedingten Fehlzeiten hinausgehende Begründung (BVerwG, a.a.O., juris Rn. 47).
In dem Schreiben des Personalamts der Beklagten vom 17. Mai 2011 an die Klägerin wird zwar die Dauer der krankheitsbedingten Fehlzeiten nicht genannt. Diese war der Klägerin jedoch bekannt. Im Hinblick auf die Formulierung, dass die amtsärztliche Untersuchung im Hinblick auf die gesundheitliche Situation der Klägerin erfolge, konnte die Klägerin ohne weiteres schließen, dass Anlass der Anordnung ihre häufigen und langandauernden Fehlzeiten waren.
Selbst wenn man mangels Angabe der Fehlzeiten in dem Schreiben vom 17. Mai 2011 von einer Rechtswidrigkeit der Untersuchungsanordnung ausgehen wollte, hätte die Klägerin dieser gleichwohl Folge leisten und sich auch einer von dem beauftragten Amtsarzt für erforderlich gehaltenen psychiatrischen Zusatzbegutachtung durch einen Facharzt des Gesundheitsamtes unterziehen müssen (vgl. BVerwG, a.a.O., juris Rn. 26 ff. und 56). Zwar darf ein Amtsarzt nicht selbst eine Zusatzbegutachtung anordnen, da er lediglich als sachverständige Hilfsperson des Dienstherrn fungiert (BVerwG, a.a.O., Rn. 56). Der Untersuchungsauftrag der Beklagten vom 17. Mai 2011 war jedoch ohne Einschränkungen formuliert, so dass jedenfalls eine amtsärztlich als notwendig angesehene Begutachtung durch einen weiteren Facharzt des Gesundheitsamtes von der Anordnung der Beklagten mit umfasst war.
Die Einschätzung der die Klägerin untersuchenden Amtsärztin, dass eine psychiatrische Begutachtung durch eine Kollegin beim Gesundheitsamt zur Beurteilung der Dienstfähigkeit der Klägerin erforderlich ist, erscheint plausibel, da die Klägerin bei der Untersuchung ein Attest des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. med. … … vom 11. Juli 2011 vorgelegt hatte, wonach sie sich seit dem 26. November 2010 in regelmäßiger ambulanter Behandlung befunden hatte und eine Anpassungsstörung ICD 10 F43.2 diagnostiziert worden war.
Dass die Amtsärztin in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit einer Ruhestandsversetzung der Klägerin hingewiesen und nach deren Vortrag auch die Möglichkeit einer stationären psychiatrischen Untersuchung angesprochen hat, begründet keine Fürsorgepflichtverletzung. Im Gegenteil war es sachgerecht, die Klägerin bei der Untersuchung möglichst umfassend aufzuklären.
Soweit die Klägerin vorträgt, sie habe sich mangels Kenntnis des Untersuchungsumfangs nicht ausreichend auf den Untersuchungstermin beim Gesundheitsamt vorbereiten können, vermag sie damit nicht durchzudringen. Zum einen lag zwischen dem Zugang des Schreibens des Personalamts der Beklagten vom 17. Mai 2011 und der amtsärztlichen Untersuchung am 19. Juli 2011 ein Zeitraum von 2 Monaten, in welchem die Klägerin Gelegenheit hatte, zur Vorbereitung des Termins die sie behandelnden Privatärzte aufzusuchen. Die Klägerin hat im Vorfeld (zumindest) Herrn Dr. med. … … am 11. Juli 2011 konsultiert.
Zudem hätte sich die Klägerin im Rahmen der ihr obliegenden Schadensabwendungspflicht nach § 839 Abs. 3 BGB in dem genannten Zweimonatszeitraum bei der Beklagten bzw. dem Gesundheitsamt der Beklagten zu den Gründen und zum Ablauf der vorgesehenen amtsärztlichen Untersuchung erkundigen, danach nochmals die sie behandelnden Ärzte zu dem bevorstehenden Untersuchungstermin konsultieren und gegebenenfalls auch juristischen Rat einholen können.
Es liegt im Verantwortungsbereich der Klägerin, dass sie sich entschieden hat, sich keinesfalls der für den 1. August 2011 vorgesehenen psychiatrischen Untersuchung durch eine andere Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes der Beklagten zu unterziehen. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, dass die Klägerin krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen wäre, insoweit eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen oder im Vorfeld dieser weiteren Untersuchung juristischen Rat einzuholen. Entsprechende Feststellungen enthalten die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Atteste nicht. Vielmehr spricht das genannte Attest vom 11. Juli 2011 von einem geordneten Denkablauf der Klägerin, die nach der Untersuchung vom 19. Juli 2011 auch in der Lage war, am 25. Juli 2011 beim Personalamt der Beklagten einen Urlaubsantrag anzufordern und einen Tag später den Antrag auf Beurlaubung aus arbeitsmarktpolitischen Gründen gemäß Art. 90 Abs. 1 Nr. 1 BayBG zu stellen.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 28. Juli 2011 dem Gesundheitsamt der Beklagten mitgeteilt, sie gehe davon aus, dass sich die Wahrnehmung des Termins am 1. August 2011 erledigt habe, da die von Herrn Dr. med. … bestätigte Arbeitsunfähigkeit am Freitag den 29. Juli 2011 ende. Dieses Schreiben wurde unter dem 8. August 2011 durch das Gesundheitsamt an die Personalstelle der Beklagten übermittelt. Da das Untersuchungsverfahren zur Feststellung der Dienstfähigkeit der Klägerin durch die Absage der fachpsychiatrischen Untersuchung am 1. August 2011 durch die Klägerin nicht abgeschlossen worden war, war eine Übermittlung eines Untersuchungsergebnisses an das Personalamt bzw. an die Klägerin auf der Grundlage des Art. 67 Abs. 1 und 3 Satz 2 BayBG nicht möglich und auch nicht zulässig.
Das Personalamt der Beklagten durfte aufgrund des Schreibens der Klägerin vom 28. Juli 2011 davon ausgehen, dass die Klägerin ab dem 30. Juli 2011 nicht mehr arbeitsunfähig ist.
Weitere Ermittlungen vor der Bewilligung der von der Klägerin mit Schreiben vom 26. Juli 2011 beantragten Beurlaubung aus arbeitsmarktbezogenen Gründen zu einer möglichweise fortbestehenden Dienstunfähigkeit waren deshalb nicht veranlasst (BayVGH, B.v. 21.6.2016 – 3 ZB 15.4191 -, Rn. 9).
Ebenso wenig liegt eine Fürsorgepflichtverletzung darin, dass das Personalamt der Beklagten auf die von der Klägerin per E-Mail vom 25. Juli 2011 geäußerte Bitte, ihr einen Urlaubsantrag zuzuschicken, dieser nur einen Antrag für eine Beurlaubung aus arbeitsmarktbezogenen Gründen bei Lehrkräften übersandt hat.
Für die Beklagte war nicht erkennbar, dass möglicherweise auch die Voraussetzungen für eine familienpolitische Beurlaubung nach Art. 89 BayBG vorliegen könnten. Dem Personalamt war durch einen Telefonanruf der Klägerin lediglich bekannt, dass deren Tochter erkrankt war. Diese war damals bereits volljährig, über eine eventuelle Pflegebedürftigkeit im Sinne des Art. 89 Abs. 1 Nr. 1 BayBG lagen dem Personalamt der Beklagten keine Erkenntnisse, insbesondere kein ärztliches Attest zum Nachweis einer Pflegebedürftigkeit, vor.
Eine gesonderte Aufklärungspflicht der Beklagten über alle denkbaren Möglichkeiten einer Beurlaubung und deren Voraussetzungen bestand unter diesen Umständen nicht. Denn aus der in § 45 BeamtStG normierten allgemeinen Fürsorgepflicht kann keine allgemeine Belehrungs- und Beratungspflicht des Dienstherrn über den Inhalt sämtlicher Vorschriften, die für die Rechte und Pflichten und für das Wohl des Beamten von Bedeutung sind, abgeleitet werden (BVerwG, U.v. 30.1.1997 – 2 C 10.96 -, ES/B III 1 Nr. 25; NRW OVG, B.v. 7.1.2015 – 6 B 1303/14 -, juris Rn 7). Vielmehr obliegt es dem Beamten, sich selbst um diejenigen Angelegenheiten zu kümmern, die seinem eigenen Interesse dienen und sich die entsprechenden (rechtlichen) Kenntnisse durch angemessene Mühegabe selbst zu verschaffen (vgl. BVerwG, U.v.11.2.1977 – VI C 105.74 -, BVerwGE 52, 70 = Buchholz 238.4 § 46 SG Nr. 9; NRW OVG, B.v. 6.8.2012 – 6 A 3015/11 -, juris Rn 9; VGH BW, B.v. 3.12.2013 – 4 S 221/13 -, juris Rn 24).
Die Klägerin hat sich jedoch bei der Beklagten nicht nach sonstigen Möglichkeiten einer Beurlaubung erkundigt. Zudem hätte sie sich ohne Schwierigkeiten im Internet, z.B. durch die dort abrufbare Broschüre „Teilzeitbeschäftigung, Beurlaubung und Altersteilzeit für Beamtinnen und Beamte des Freistaats Bayern“ informieren können. Die dortigen Ausführungen sind auf Beamte der Beklagten entsprechend anwendbar.
Auch in der Folgezeit hat die Klägerin das Personalamt der Beklagten nicht über ihre (angeblich) fortbestehende Dienstunfähigkeit während der Beurlaubung ab dem 1. September 2011 in Kenntnis gesetzt. Das diesbezügliche Attest des Dr. med. … vom 17. Dezember 2013 ging dem Personalamt der Beklagten erstmals am 19. März 2014 zu. Auch insoweit bestand deshalb keine Veranlassung für die Beklagte, während des zunächst bewilligten Urlaubszeitraums von Amts wegen das Fortbestehen der Dienstfähigkeit der Klägerin zu überprüfen (vgl. BayVGH, B.v. 21.7.2016 – 3 ZB 15.4191 -).
Im Hinblick auf die von der Klägerin zunächst geplante Dienstaufnahme zum Schuljahr 2012/2013 mit einer nur verminderten Stundenzahl veranlasste die Beklagte unter dem 19. März 2012 eine erneute amtsärztlichen Untersuchung der Klägerin durch das Gesundheitsamt. Hierauf reagierte die Klägerin durch die am 25. März 2012 erfolgte erneute Beantragung einer Beurlaubung aus arbeitsmarktpolitischen Gründen für den Zeitraum vom 1. September 2012 bis zum 31. August 2013, wodurch eine amtsärztliche Untersuchung zur Feststellung einer eventuellen Dienstunfähigkeit (erneut) entbehrlich wurde.
Zudem hätte die Klägerin jederzeit die Möglichkeit gehabt, bei einer von ihr angenommenen Dienstunfähigkeit selbst einen Antrag auf Ruhestandsversetzung nach Art. 66 Abs. 1 BayBG zu stellen. Von dieser hat die Klägerin jedoch erst mit Schreiben vom 2. April 2013 Gebrauch gemacht. Im Rahmen der nachfolgenden amtsärztlichen Begutachtung der Klägerin wurde ein HNOärztliches Gutachten des Herrn Prof. Dr. … … vom 28. September 2013 eingeholt, auf dessen Grundlage die Dienstunfähigkeit der Klägerin festgestellt wurde.
Schließlich muss sich die Klägerin auch vorhalten lassen, sich mit der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches wegen einer behaupteten Fürsorgepflichtverletzung durch die Beklagte in Widerspruch zu Ihrem bisherigen Verhalten zu setzen. Die Klägerin hat durch das von ihr erfolgreich betriebene Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Ansbach mit dem Aktenzeichen AN 1 K 13.00883 deutlich gemacht, dass es sehr wohl ihr Wunsch war, für den Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. August 2013 ohne Dienstbezüge beurlaubt zu werden, allerdings nicht aus arbeitsmarktpolitischen, sondern aus familienpolitischen Gründen, um den Beihilfeanspruch während der Beurlaubung nicht zu verlieren.
Die Beklagte hat für den Zeitraum vom 1. September 2012 bis zum 31. August 2013 auf Antrag der Klägerin einen entsprechenden Austausch der Rechtsgrundlage vorgenommen, für den Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. August 2012 erfolgte die entsprechende Entscheidung zu Gunsten der Klägerin nach dem vorhergehenden Verbescheidungsurteil der Kammer vom 17. November 2015 – AN 1 K 13.00883.
Das jetzige Vorgehen der Klägerin verstößt deshalb gegen das aus dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben folgende Verbot des widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“). Dieser Rechtsgrundsatz findet auch im Beamtenrecht Anwendung (Battis, Bundesbeamtengesetz, 5. Auflage 2017, Rn. 32 zu § 4).
Die Klage war deshalb abzuweisen.
Die Kostentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124 a VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.

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