Arbeitsrecht

Scheinselbständigkeit und Einzug von Beiträgen für die Sozialversicherung

Aktenzeichen  2 Ws 627/18

Datum:
20.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
wistra – 2019, 297
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 73, § 73b Abs. 1, § 73c, § 73d, § 266a Abs. 1, Abs. 2
StPO § 111e Abs. 1, § 111j Abs. 1
EGStGB Art. 316h S. 1

 

Leitsatz

Für die Anordnung eines Vermögensarrestes nach § 111e StPO genügt ein einfacher Tatverdacht; das Sicherungsbedürfnis ist zu bejahen, wenn wegen der zu erwartenden Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen die Insolvenz des Arbeitgebers droht, weil der Vermögensarrest ein grundsätzlich insolvenzfestes Sicherungsrecht entstehen lässt. (redaktioneller Leitsatz)
1. Die aus einem nach den tatsächlichen Verhältnissen bestehenden abhängigen Beschäftigungsverhältnis resultierenden sozialversicherungsrechtlichen Abführungspflichten im Sinne des § 266a StGB können nicht durch eine abweichende Vertragsgestaltung der Vertragsparteien beseitigt werden (Fortführung von BGH BeckRS 2014, 11497 Rn. 15). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht folglich der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (Bestätigung von BSG BeckRS 2012, 75372). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

12 Qs 23/18 2018-08-30 LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Auf die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth wird der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth – 12. Strafkammer – vom 30.08.2018 unter Wiederherstellung der im Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg – Ermittlungsrichter – vom 25.07.2018 (Geschäftsnummer: 57 Gs 6597/18) getroffenen Anordnungen aufgehoben.
2. Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg – Ermittlungsrichter – vom 25.07.2018 (Geschäftsnummer: 57 Gs 6597/18) wird als unbegründet verworfen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie des Verfahrens der weiteren Beschwerde hat der Beschuldigte zu tragen.

Gründe

I.
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth führt gegen den Beschuldigten S… B… als Alleingesellschafter und Geschäftsführer der B… A… GmbH mit Sitz in Z… (eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Fürth unter HRB 5823), ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 115 tatmehrheitlichen Fällen gemäß § 266a Abs. 1 und 2, § 53 StGB.
Sie legt dem Beschuldigten zur Last, bei der B… A… GmbH zehn Personen (A… K…, S… J… F…, J… B…, N… F… D… C…, A… B…. G… B…, D…-C… L…, G… G… und I… G…) bewusst formell als selbstständige Subunternehmer, die tatsächlich aber sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer gewesen seien, beschäftigt zu haben und im Zeitraum Januar 2008 bis Juli 2017 materiell geschuldete Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 655.374,01 € (hiervon 320.941,50 € Arbeitgeberanteile und 334.432,51 € Arbeitnehmeranteile) nicht an die zuständige Einzugsstelle abgeführt zu haben.
Das Amtsgericht Nürnberg hat mit Beschluss vom 25.07.2018 (Az.: 57 Gs 23/18) auf Antrag der Staatsanwaltschaft zur Sicherung der Einziehung des Wertes von Taterträgen für den Freistaat Bayern, vertreten durch die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, den Vermögensarrest in Höhe von 655.374,01 € in das bewegliche und unbewegliche Vermögen der B… A… GmbH, Z…, angeordnet. Hinsichtlich der Namen, der Beschäftigungszeiträume und der konkreten monatlichen Beträge der nicht abgeführten Beiträge zur Sozialversicherung wird auf den genannten Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg verwiesen.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der B… A… GmbH, der das Amtsgericht Nürnberg nicht abgeholfen hat, hat das Landgericht Nürnberg-Fürth – 12. Strafkammer – mit Beschluss vom 30.08.2018 den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 25.07.2018 aufgehoben.
Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 31.08.2018 weitere Beschwerde eingelegt.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit Beschluss vom 03.09.2018 der Beschwerde der Staatsanwaltschaft nicht abgeholfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg tritt in ihrem Vorlageschreiben vom 05.09.2018 der Beschwerde der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth bei.
Die B… A… GmbH erwiderte mit Schreiben des Verteidigers des Beschuldigten vom 17.09.2018.
Wegen der näheren Einzelheiten nimmt der Senat auf den jeweiligen Inhalt der vorgenannten Beschlüsse und Schreiben Bezug.
II.
Die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30.08.2018 ist zulässig (§ 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO) und hat in der Sache auch Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung der im Arrestbeschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 25.07.2018 getroffenen Anordnungen.
Das Amtsgericht Nürnberg hat zu Recht gemäß § 111 e Abs. 1, § 111 j Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 73, 73b Abs. 1 Nr. 1, §§ 73c, 73d, 266a StGB den Vermögensarrest in Höhe von 655.374,01 Euro in das bewegliche und unbewegliche Vermögen der B… A… GmbH angeordnet.
1. Auch wenn der Zeitraum der dem Beschuldigten vorgeworfenen Taten überwiegend vor dem 01.07.2017 liegt, sind gemäß Art. 316h Satz 1 EGStGB und § 14 EGStPO die durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 neu gefassten Vorschriften über den Vermögensarrest anzuwenden.
2. Das Amtsgericht Nürnberg geht zutreffend davon aus, dass gegen den Beschuldigten der Verdacht des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 115 tatmehrheitlichen Fällen gemäß § 266a Abs. 1 und 2, § 53 StGB besteht und aufgrund dieses Tatverdachts dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass sich die GmbH die zu Unrecht nicht abgeführten Sozialbeiträge erspart hat.
a) Nach § 111 e Abs. 1 StPO kann zur Sicherung der Vollstreckung der Vermögensarrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Betroffenen angeordnet werden, wenn die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz vorliegen. Die Anordnung eines Vermögensarrestes steht somit grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Strafverfolgungsbehörden. Hierfür reicht es aus, dass bestimmte Tatsachen die Annahme im Sinne einer gewissen Wahrscheinlichkeit begründen, dass die Voraussetzungen für eine spätere gerichtliche Anordnung der Einziehung von Wertersatz vorhanden sind. Hierfür genügt der einfache Verdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO einer rechtswidrigen (§§ 73, 73c, 74b, 74c StGB) oder vorsätzlichen (§§ 74, 74c StGB) Tat (vgl. Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl. § 111 e Rn. 3). Liegen dringende Gründe für diese Annahme vor, so soll der Vermögensarrest angeordnet werden (§ 111 e Abs. 2 StPO). Die Anordnung ist dann der gesetzliche Regelfall (vgl. Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 111 e Rn. 12).
Vorliegend besteht nicht nur ein einfacher, sondern sogar ein dringender Tatverdacht, dass der Beschuldigte als Geschäftsführer der B… A… GmbH in Bezug auf die Beschäftigung der unter I. genannten Personen die Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung nach § 266a Abs. 1 StGB sowie die Beiträge des Arbeitgebers zur Sozialversicherung nach § 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB vorenthalten hat.
b) Die B… A… GmbH ist Arbeitgeber der im Beschluss des Amtsgerichts namentlich bezeichneten Personen.
aa) Wer Arbeitgeber im Sinne von § 266a StGB ist, richtet sich nach dem Sozialversicherungsrecht, das seinerseits insoweit auf das Dienstvertragsrecht der §§ 611 ff. BGB abstellt. Arbeitgeber ist danach derjenige, dem gegenüber der Arbeitnehmer zur Erbringung von Arbeitsleistungen verpflichtet ist und zu dem er in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis steht, das sich vor allem durch die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb des Arbeitgebers äußert (BGH NStZ 2017, 354, juris Rn. 15). Das Bestehen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses bestimmt sich nach den tatsächlichen Gegebenheiten, die einer wertenden Gesamtbetrachtung zu unterziehen sind. In diese Gesamtbetrachtung sind insbesondere die Frage des Bestehens eines umfassenden Weisungsrechts, das Inhalt, Zeit, Ort, Dauer und Art der Ausführung der Tätigkeit umfasst, die Gestaltung des Entgelts und seine Berechnung (etwa Entlohnung nach festen Stundensätzen), Art und Ausmaß der Einbindung in den Betriebsablauf des Arbeitgeberbetriebes sowie die Festlegung des täglichen Beginns und des Endes der konkreten Tätigkeit einzustellen (BGH NStZ-RR 2014, 246 juris Rn. 15; NStZ 2016, 348 juris Rn. 7). Für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses in dem genannten Sinne kann insbesondere ein umfassendes Weisungsrecht, die Bestimmung der Arbeitszeiten und die Bezahlung nach festen Entgeltsätzen sowie der Umstand sprechen, dass der Arbeitnehmer kein unternehmerisches Risiko trägt (BGH, NStZ 2016, 348 juris Rn. 7; Fischer StGB, 65. Aufl., § 266a Rn. 4a m.w.N.). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Die Vertragsparteien können aus einem nach den tatsächlichen Verhältnissen bestehenden Beschäftigungsverhältnis resultierende sozialversicherungsrechtliche Abführungspflichten nicht durch eine abweichende Vertragsgestaltung beseitigen (BGH NStZ-RR 2014, 246 juris Rn. 15; zum Ganzen BGH, NStZ 2014, 321, juris Rn. 10 m.w.N.).
Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung, wobei nicht auf ein abstraktes Tätigkeitsbild, sondern auf die konkrete Gestaltung der jeweils in Rede stehenden Tätigkeit abzustellen ist. Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale im Rahmen der vorzunehmenden umfassenden Gesamtabwägung überwiegen (vgl. zum Ganzen BGH, NStZ 2016, 348 juris Rn. 7). Zur Feststellung des Gesamtbildes kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, BSGE 111, 257 = NZA-RR 2013, 252, juris Rn. 16).
Demgemäß ist es etwa nach der zu Waschstraßenbetreibern ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu beanstanden, wenn trotz des Umstandes, dass die betreffenden Personen nicht zu höchstpersönlichen Leistungen verpflichtet, sondern befugt waren, selbst weitere Personen zu beschäftigen, und sogar die Befugnis hatten, sogenannte Eigengeschäfte wie Felgenspezialreinigungen und Ähnliches anzubieten und selbstständig abzurechnen, vor dem Hintergrund der für ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis sprechenden Umstände, insbesondere des Umstands, dass der Arbeitgeber die Arbeitskleidung stellte und die auf Provisionsbasis erfolgende Vergütung ebenso wie die Öffnungszeiten der Waschstraßen einseitig festlegte, ein Arbeitsverhältnis bejaht wurde (BGH NStZ 2016, 348 juris Rn. 8).
bb) Dies zugrunde gelegt kommt der Senat aufgrund des Akteninhalts, und vor allem der Niederschriften über die in der Zeit vom 21.12.2017 bis 12.01.2018 erfolgten Vernehmungen der Beschäftigten A… K…, S… J… F…, J… B…, N… F…, Da… C…, A… B…, G… G… und I… G… hinsichtlich jedes Einzelnen der zehn in Frage stehenden Personen zum Ergebnis, dass unselbstständige Arbeit geleistet wurde.
(1) Das Bild der praktizierten Vertragsgestaltung mit den Beschäftigten entspricht nicht demjenigen von selbständigen Unternehmern, die – in Konkurrenz mit Mitbewerbern stehend – aufgrund von Ausschreibungen Angebote abgeben, auf deren Grundlage ihnen dann vom Auftraggeber (hier also der B… GmbH) entsprechende Aufträge erteilt werden.
Geht man von den vertraglichen Vereinbarungen aus, ist festzustellen, dass die Verträge der Beschäftigten mit der B… GmbH nur mündlich abgeschlossen worden sind (vgl. die Angaben der Beschäftigten C…, B…, F…, J… B…, I… G…, G… G…, Bl. 8 ff. d.A.). Die Auftragsvergabe erfolgt nach Angaben des Zeugen I… G… dadurch, dass der Beschuldigte den Betroffenen Arbeit gegeben hatte, dem I…-I… G… etwa, weil dieser gut arbeitete.
In zahlreichen Fällen waren die von der B… GmbH Beschäftigten beim ersten Auftrag nicht bereits als selbständige Unternehmer tätig. Vielmehr waren in diesen Fällen die betroffenen Personen arbeitssuchend und gelangten über Bekannte, die bereits für die GmbH arbeiteten, in Kontakt zum Beschuldigten, der diese aber nicht formell einstellte, sondern ihnen – nachdem sie jeweils ein Gewerbe angemeldet hatten – Aufträge als Scheinselbständige erteilte.
Der aus Rumänien stammende B… A… (Vernehmung am 12.01.2018) gab an, er sei über einen Freund (B… G…) nach Deutschland gekommen, nachdem er 17 Jahre in Spanien gelebt habe. Dieser habe ihm geholfen, eine Arbeit zu finden. Daraufhin habe er begonnen, bei B… zu arbeiten. Er sei mit ihm auf das Ordnungsamt gegangen und dann hätten sie zusammen die Anmeldung abgegeben. Er sei nicht als Arbeitnehmer für B… tätig gewesen, diese Möglichkeit habe nicht bestanden. Er habe den Beschuldigten zwar nicht gefragt, aber er glaube nicht, dass dieser ihn eingestellt hätte.
Vergleichbar gestaltete sich der Beginn der Beschäftigung für die GmbH beim Zeugen C…. Dieser gab an, B… habe ihm gesagt, dass B… Arbeit für ihn habe. Er soll sich selbstständig machen. B… sei mit ihm auf das Amt gegangen, da er selbst kein Deutsch konnte.
Ähnlich verhielt es sich beim Beschäftigten K… (vgl. Vernehmung vom 21.12.2017, Bl. 134 ff. d.A.). Dieser kam 2013 nach Deutschland, um seinen Cousin zu besuchen. Danach suchte er Arbeit. Der Kontakt zum Beschuldigten kam über seinen Cousin D… L… zustande, der bereits bei der GmbH arbeitete. Bei der am 14.11.2013 erfolgten Gewerbeanmeldung habe ihm sein Cousin geholfen, weil er selbst noch kein Deutsch konnte, um für B… arbeiten zu können. Dies habe ihm sein Cousin geraten. Das erste Mal habe er im Juli 2014 für B… gearbeitet (und dann bis Mai 2016). Er gab an, dass er bei B… nicht als Arbeitnehmer arbeiten wollte, weil er dachte, er verdiene als Selbstständiger mehr Geld.
Eine Ausnahme gab es beim Beschäftigten G… G…, der im Februar 2015 zunächst als Arbeitnehmer bei der B… GmbH arbeitete, aber dann mehr Geld habe verdienen wollen und deswegen als Selbstständiger für B… zu arbeiten begann. B… sei hierbei nicht gefragt worden, ob er damit einverstanden sei. Aber auch G… G… kam durch seinen Freund und Landsmann B… G…n Kontakt zum Beschuldigten.
Die bereits für die B… GmbH tätigen Kontaktpersonen halfen in der Regel den neu Hinzugekommenen (B… half dem G… G…; dieser wiederum half seinem Bruder I…-I… G…) bei der Gewerbeanmeldung beim Ordnungsamt, zumal die aus Rumänien stammenden Beschäftigten überwiegend nur rudimentäre Deutschkenntnisse aufwiesen. Dies betrifft nach deren Selbsteinschätzung auf einer Skala von 1 bis 10 vor allem I…-I… G… (1 von 10), B… (3 von 10), C… (5 von 10), F… (6 von 10), G… G… und K… (7 von 10).
Aussagen des B… G… und des L… D… über die Gestaltung deren Beschäftigung liegen nicht vor. Gleichwohl ist auch bei diesen davon auszugehen, dass sie in einem arbeitsrechtlichen Abhängigkeitsverhältnis zur GmbH standen. Nur so lässt es sich erklären, dass vor allem B… bei der Akquise von weiteren Beschäftigten für die GmbH tätig war, was für einen für die GmbH lediglich als Subunternehmer tätigen selbständigen Handwerker fernliegend wäre, zumal echte selbstständige Subunternehmer letztlich in Konkurrenz zueinander stehen würden. Nicht anders verhält es sich im Grunde bei dem Beschäftigten L…, der ja seinen Cousin K… für die GmbH akquirierte.
(2) Insoweit ist es unerheblich, dass zwischen der GmbH und keinem der genannten Beschäftigten ein Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde, da durch die Nichtexistenz von Arbeitsverträgen bei Scheinselbstständigen gerade eine abhängige Beschäftigung verschleiert werden soll. Wie bereits ausgeführt, können die Vertragsparteien aus einem nach den tatsächlichen Verhältnissen bestehenden Beschäftigungsverhältnis resultierende sozialversicherungsrechtliche Abführungspflichten nicht durch eine abweichende Vertragsgestaltung beseitigen (BGH NStZ-RR 2014, 246 juris Rn. 15; NJW 2014, 1975, juris Rn. 24).
(3) Mit dem eher gegen eine Selbstständigkeit sprechenden Bild der Begründung der Geschäftsbeziehung mit der B… GmbH in Einklang steht, dass die Beschäftigten bei der „Firmengründung“ kein oder jedenfalls kein erhebliches eigenes Kapital einsetzten, keine eigenen Geschäftsräume und – von wenigen Hand-Werkzeugen (wie Hammer, Bohrmaschine, Tacker oder ähnliches) abgesehen – keine Maschinen, Fahrzeuge etc. besaßen.
Der Beschäftigte K… gab an, dass er einen PC und Drucker sowie Büromaterialien und eigene Büroräume besitze. Er habe aber kein eigenes Kapital zur Gründung seiner Firma eingesetzt.
Die Zeugen F… (Vernehmung am 28.12.2017) und F… (Vernehmung am 28.12.2017) gaben an, sie unterhielten keine eigenen Büroräume und hätten kein eigenes Kapital zur Firmengründung eingesetzt. Die betriebliche Kalkulation des Beschäftigten F… mache dessen Ehefrau.
Der Beschäftigte B… gab an, seine Schreibsachen im Internet-Cafe zu erledigen. Der Beschäftigte C… bekundete, er habe einen Computer gehabt. Die Rechnungen habe er in einem Copy Shop gedruckt.
Der Beschäftigte J… B… gab ohne nähere Spezifikation an, als Kapital für die Gründung der eigenen Firma habe er Werkzeug beschafft. Der Beschäftigte I…-I… G… bekundete, er habe 3.000 € für Werkzeug (Säge, Bohrmaschine und Schlagschrauber) investiert. Der Zeuge G… G… gab an, er habe 2.000 € für Werkzeug (Bohrmaschine, Tigersäge, Akkuschrauber, Schlagschrauber; in Rumänien gekauft) investiert.
(4) Im Ergebnis steht der Umstand, dass die Beschäftigten der GmbH Rechnungen über ihre Arbeitsleistungen gestellt haben, der Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen. Die Stellung von Rechnungen spricht zwar im Grunde für eine selbstständige Tätigkeit, wobei letztlich unerheblich ist, ob eine Bezahlung nach den geleisteten Arbeitsstunden oder nach Pauschalpreisen vereinbart wurde, da beides bei selbstständigen Handwerkern (Regievertrag oder Festpreis) üblich ist. Allerdings waren einige der Betroffenen zur Rechnungsstellung mangels hinreichender Sprachkenntnisse überhaupt nicht in der Lage (C…) und bekamen deshalb die Rechnungsvorlage vom Beschuldigten (so B… und G… G…) oder von anderen Betroffenen (so etwa C… von B…; I… G… von seinem Bruder G… G…). Dementsprechend sind die sichergestellten Rechnungen der Beschäftigten A… B…, G… G… und I…-I… G… in Gestaltung und Aufbau gleich. Ebenso verhält es sich bei den Rechnungen der Beschäftigten L…, K…, C… und G… B…
Der Beschäftigte K… stellte seinen Angaben zufolge Rechnungen nach vereinbartem Stundenlohn, zunächst 15,50 €, nach ca. einem Jahr 17,50 €. Bei sehr hohen Rechnungen sei mit Pauschalen gearbeitet, aber fast immer nach Stunden bezahlt worden. Die Rechnungsvorlage habe er von seinem Cousin erhalten.
Der Beschäftigte C… bekundete, sein Freund B… G… habe ihm gesagt, wie viel Geld es für den jeweiligen Bauabschnitt gebe. Dieser habe das mit B… besprochen. Er habe sich auch nie über den Betrag beschwert, da er ja das Geld brauchte. Die Höhe hing davon ab, wieviel auf der jeweiligen Baustelle zu tun war.
Die Betroffenen wurden teilweise wöchentlich bezahlt (so C…). Der Beschäftigte B… habe keine gleichmäßige Bezahlung erhalten. Diese sei von den Stunden bzw. von den Arbeiten insgesamt abhängig gewesen.F… gab an, er habe mal pauschal, mal nach Stunden abgerechnet. Der Zeuge F… gab an, Pauschalen vereinbart zu haben. Das Geld sei wochenweise auf sein Konto überwiesen worden.
Teilweise wurden Rechnungen von einem Betroffenen an einen anderen gestellt (so etwa von C… an I…-I… G…; von B… an I…-I… G…, G… G…, S… und J… B…, von G… G… an J… B…).
G… G… gab an, er habe vom Beschuldigten einige Aufträge bekommen (Deutsches Museum in München, Baustelle in Karlsruhe), sich die Baustelle angesehen, daraufhin einen Preis mit dem Beschuldigten vereinbart, der von der Größe der Baustelle abhing, und nachdem sie sich auf den Preis geeinigt hatten, die anderen, wie F…, B…, J… B…, S… und seinen Bruder gefragt, ob sie ihm dabei helfen könnten. Wegen der Bezahlung habe er mit denen verhandelt und hätte selbst den Auftrag nicht übernommen, wenn die anderen nicht für ihn gearbeitet hätten. Für die Baustelle in M… habe er vom Beschuldigten ca. 13.000 bis 15.000 € bekommen und von diesem Geld die anderen bezahlen müssen. Die Baustelle sei einen Monat gegangen. 3.000 € seien für ihn übrig geblieben. Er habe die Rechnungen bis Februar 2017 immer an den Beschuldigten gestellt. Er könne nicht erklären, warum der Beschuldigte ihm und auch anderen Subunternehmern [Aufträge (?)] weiter gegeben habe.
I…-I… G… gab an, er habe ein Bau-Projekt bekommen, was er nicht allein habe erledigen können, deshalb habe er um Hilfe gebeten und andere Beschäftigte als Subunternehmer beauftragt. Er konnte nicht erklären, warum er bis Februar 2017 die Rechnungen immer an den Beschuldigten und seit Februar 2017 immer an andere Subunternehmer gestellt hat. Er bekundete weiter, nachdem er mit dem Beschuldigten für ein Bauvorhaben eine Pauschale vereinbart hatte, seien von ihm die Subunternehmer bezahlt worden. Sein Gewinn für das Bauvorhaben Deutsches Museum in M…, das einen Monat beansprucht habe, habe ca. 3.000 € betragen.
C… bekundete, er habe eine Rechnung an G… G… gestellt, weil dieser den Auftrag vom Beschuldigten bekommen habe. Das Geld habe er von G… bekommen.
F… gab an, J… B… habe mit dem Beschuldigten S… B… einen Preis vereinbart, der dann durch alle Subunternehmer geteilt worden sei. Er selbst habe Rechnungen an andere Subunternehmer gestellt. Diese hätten Aufträge von B… bekommen und dann ihn beauftragt. Die Bezahlung sei nach Pauschalen erfolgt. Den Preis hätten die anderen mit B… festgelegt.
B… stellte Rechnungen an die Beschäftigten I…-I… G…, G… G…, S… und J… B…, weil diese die Aufträge vom Beschuldigten bekommen hätten. Warum dies so gelaufen sei, wisse er nicht. Ihm sei es auch egal gewesen. Hauptsache war, dass er sein Geld bekommen habe.
Der Senat ist der Überzeugung, dass die vorwiegend ab 2017 praktizierte wechselseitige Erteilung von Aufträgen und Unteraufträgen sowie die teilweise gehandhabte Form der Bezahlung nach Pauschalpreisen zwischen den Beschäftigten lediglich der Verschleierung der eigentlich gegenüber der GmbH bestehenden abhängigen Beschäftigungsverhältnisse dienten. Dies zeigt gerade der Umstand, dass der Übergang von einer Direktbezahlung durch die GmbH zum Subunternehmermodell offenbar abrupt und ohne den Beschäftigten erkennbare Veranlassung erfolgte, dass die Beschäftigten teilweise überhaupt nicht wussten, weshalb derartige Gestaltungsformen gewählt wurden und sich letztlich mit der Bezahlung zufrieden gaben, die der „Hauptauftragnehmer“ mit dem Beschuldigten ausgehandelt hatte.
(5) Alle Zeugen bekundeten, dass sie im Krankheitsfall oder im Urlaub kein Entgelt bekamen. Auch dies ist bei einer Verschleierung der abhängigen Beschäftigung nur ein schwaches Indiz für eine Selbstständigkeit, da es dem Auftraggeber letztlich darum geht, sich Aufwendungen für Entgeltzahlungen ohne Gegenleistung (also während des krankheits- oder urlaubsbedingten Ausfalls des Beschäftigten) zu ersparen. Dementsprechend waren die Betroffenen (C…) nie oder fast nie krank und nahmen – etwa abgesehen von Weihnachten (B…, K…) – nie Urlaub. Ein Beschäftigter (B…) gab einen Auftrag nach einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund eines Autounfalls zurück.
(6) Die betroffenen Personen beschäftigten während der Tätigkeit für die GmbH keine Arbeitnehmer bzw. Auszubildenden (so etwa die Aussagen von C…, K…, F…). Dementsprechend gab es keine Pflicht, im Falle der eigenen Abwesenheit eine Ersatzkraft zu stellen (so B… und F…). Die Einstellung von Vertretern oder Hilfskräften sei nicht vorgekommen (so K…). Über den Einsatz von Vertretern bzw. Hilfskräften sei nicht mit B… gesprochen worden. Dies sei kein Thema gewesen (so B…).
Eine solche Praxis spricht eher gegen die Auftragserteilung an selbstständige Unternehmer bzw. Handwerker, die grundsätzlich ohne Rücksicht auf die personelle Situation den übernommenen Auftrag auszuführen gehabt hätten.
(7) Gegen eine echte Selbstständigkeit sprechen die Aussagen der Beschäftigten zur Unternehmereigenschaft und zu einer möglichen Haftung für verursachte Schäden:
Teils fühlten die Beschäftigten sich als Arbeitnehmer (Zeugen F… und B…: es habe keinen Unterschied zu einem Arbeitnehmer gegeben), teils als Selbstständige (Zeugen K…, C… sowie I…-I… G… und G…: beide zu 80 %), einige wussten es nicht. Die Beschäftigten K… und C… konnten jedoch bei ihrer Vernehmung nicht angeben, welche Rechte und Pflichten sie als Unternehmer hatten.
Auf entsprechende Frage gaben die Zeugen teilweise an, kein unternehmerisches Risiko zu tragen (B…, I…-I… G…), außer dass sie kein Geld für die Miete (Anmerkung: also den eigenen Lebensunterhalt) gehabt hätten (C…). Teilweise sahen sie auch keine unternehmerischen Chancen (I…-I… G…). In der faktischen Durchführung wurden sie jahrelang durchgehend von der B… GmbH beschäftigt. Keiner der Zeugen gab an, etwa in einer Konkurrenzsituation zu anderen Subunternehmern zu stehen. Es war offensichtlich nicht nötig, die Preise der Konkurrenten zu unterbieten. Von Ausschreibungen war nicht die Rede.
Die betroffenen Personen betrieben auch keine Werbung (vgl. unter anderem die Aussagen der Zeugen F…, C…, I…-I… G…).
Es gab bei keiner der Beschäftigten eine Vereinbarung mit der B… GmbH über Konventionalstrafen. Sie mussten auch nicht für Schäden haften (Zeugen C…, F…, F…, K…). F…, G…, G… und B… bekundeten, dass sie eine Bauversicherung gehabt hätten, aber nie für Schaden haften mussten. K… gab an, für Schäden habe „B…“ gehaftet, er selbst nie. Lediglich der Zeuge J… B… gab an, er hafte selbst für Schäden, habe aber nicht groß haften müssen. Ähnlich bekundete I…-I… G…, er hafte für Schäden. Es habe aber (nur) kleine Schäden gegeben, für die sie nicht hätten haften müssen.
(8) Hauptauftraggeber der Beschäftigten war von wenigen Ausnahmen abgesehen, ausschließlich die B… GmbH.
Die meisten der Betroffenen arbeiteten in den verfahrensgegenständlichen Beschäftigungszeiträumen nur für die B… GmbH (J… B…, K…, C…, B…, F…) und lehnten auch überwiegend keinen Auftrag der B…k GmbH ab (Zeugen C…, K…, F…).
Der Beschäftigte G… G…, der seit ca. 2014 für die B… GmbH arbeitete, habe nur in einem Fall für jemand anderen gearbeitet (Familie S…).
Der Beschäftigte F… bekundete, er habe auch andere Auftraggeber außer B… gehabt. Er habe auch schon mal einen Auftrag von B… abgelehnt, wenn er was anderes hatte. In den Jahren 2014 und 2015 habe er aber ausschließlich für B… gearbeitet, da er nichts anderes gehabt habe.
Der Zeuge J… B… bekundete, er habe auch mal einen Auftrag abgelehnt, wenn sie sich nicht auf den Preis einigen konnten. Er habe sich nach Auftragserhalt die Baustellen angeschaut oder das Leistungsverzeichnis angesehen und dann dem Beschuldigten ein Angebot gemacht und sich mit diesem auf den Preis geeinigt. Dieser Schilderung steht jedoch entgegen, dass er nach eigenen Angaben bis zum August 2017 nur für die B… GmbH gearbeitet habe.
Der Beschäftigte B… gab an, er habe einen Auftrag abgelehnt, bei dem krebserregende Baustoffe entsorgt werden mussten.
Der Zeuge I…-I… G… bekundete, er habe einen Auftrag abgelehnt, weil er „nicht gekonnt habe“ und dann auch nicht hingegangen sei. Er habe einen Auftrag des Beschuldigten abgelehnt, da er schon einen anderen Auftrag des J… B… übernommen hatte.
Dies zeigt, dass nur in wenigen Einzelfällen Aufträge abgelehnt wurden. Im Übrigen verhielt es sich offensichtlich so, dass nach Fertigstellung einer Baustelle der B… GmbH die Beschäftigten auf der nächsten Baustelle der B… GmbH eingesetzt wurden.
(9) Die Beschäftigten waren in den Betrieb der B… GmbH eingegliedert, führten arbeitsteilig die gleichen Arbeiten zu den im Großen und Ganzen gleichen Arbeitszeiten wie die festangestellten Arbeitnehmer (G… und K…) der B… GmbH durch, wobei die GmbH die wesentlichen Arbeitsmaterialien stellte.
(9.1.) Es handelt sich bei den Arbeiten der betroffenen Personen um einfache Tätigkeiten eines ungelernten Arbeiters, wie etwa das Abkratzen von Asbest von Wänden, Abbrucharbeiten, das Entfernen von Asbestplatten, das Einreißen von Wänden und Decken, Abschottungsarbeiten (Zeuge C…, F…, das Auslegen des Raumes mit Folien (B…).
Hierbei fungierte der Beschäftigte J… B… seinen eigenen Angaben zufolge (Vernehmung vom 28.12.2018) als Vorarbeiter auf den Baustellen. Er habe im weitesten Sinne die Bauleitung innegehabt, habe zusammen mit G… (einem Arbeitnehmer der B… GmbH) das Bautagebuch geführt, die Abschottungen aufgestellt und die Demontage betrieben. Er bekundete weiterhin, alle Beschäftigten, also die Subunternehmer und die Arbeitnehmer der GmbH hätten die gleichen Arbeiten erledigt, wobei die Subunternehmer die etwas schmutzigere Arbeit ausgeführt hätten.
Der Beschäftigte I…-I… G… gab an, er habe alles, was angefallen sei, erledigt, Schleusen aufgebaut, Bauschutt weggefahren, allgemeine Abbrucharbeiten erledigt. Die Beschäftigten hätten hierbei regelmäßig dem Vorarbeiter J… B… unterstanden.
Der Zeuge C… bekundete, er habe die Anweisungen von B… bekommen, da er kein Deutsch konnte.
Der Beschäftigte K… hat seinen Angaben zufolge Abbrucharbeiten durchgeführt, wie Wände und Decken einreißen. Die Asbestschleusen habe J… B… aufgebaut. Dieser war Vorarbeiter und eigentlich immer dabei und sagte, was zu tun sei.
Der Beschäftigte F… gab an, er habe Entkernungen durchgeführt, sich um Entsorgungen aber nicht gekümmert. Er habe mit G… und K… (Arbeitnehmern der B… GmbH) zusammen gearbeitet, auch mit den anderen Beschäftigten (J… B…, F…, B…, K…, B…; an die Namen der anderen Rumänen konnte er sich nicht erinnern) und die gleichen Arbeiten gemacht. Es habe bei den Arbeiten keinen Unterschied zwischen den fest Angestellten und ihm gegeben (so auch der Zeuge C… bei seiner Vernehmung). Auf der Baustelle habe niemand gesagt, was zu tun sei, dies hätten alle selbst gewusst; den Rumänen, die schlecht Deutsch konnten, hätten J… B…, dieser sei der Vorarbeiter gewesen, und er selbst Arbeitsanweisungen gegeben.
Der Beschäftigte B… gab an, er habe mit J… B…, G… G…, I…-I… G…, B…, F…, C…, K…, G…, L… und einem „Fuchs“ (Spitzname) zusammen gearbeitet.
Die Beschäftigten gaben überwiegend an, dass der Beschuldigte ohne ihre Zustimmung den Einsatzort nicht verändern hätte können. Der Zeuge B… bekundete, er hätte nicht gehen müssen, hätte dann aber auch kein Geld bekommen. Der Beschäftigte K… bekundete, J… B… habe auch ohne Zustimmung des K… den Einsatzort verändern können. Der Zeuge F… gab an, eine Veränderung des Einsatzortes sei nicht vorgekommen.
(9.2.) Abgesehen von einfachen Werkzeugen (wie etwa Hammer, Bohrmaschine, Schlagschrauber; Akkuschrauber, Tigersäge, Tacker) und Arbeitskleidung wurden die Arbeitsmaterialien für die Asbestentsorgung wie Schleusen und Abdeckplanen kostenlos entweder vom Auftraggeber P… K… oder von der B… GmbH gestellt (so die Angaben der Beschäftigten C…, J… B…, B…, F…, K…, F…). Die Asbestschutzkleidung sei von der B… GmbH gestellt worden (so die Angaben der Beschäftigten B…, F…, K…, F…), ebenso die Asbestschutzmaske (so C…, F…, F…, K…), Anzüge, Handschuhe, Sicherheitsschuhe also quasi die komplette Schutzausrüstung (Kovacs).
Abweichend hiervon gab der Zeuge J… B… an, die Kleidung und Asbestmasken selbst besorgt zu haben.
(9.3.) Hinsichtlich der Arbeitszeiten gab der Beschäftigte J… B… an, er habe im Wesentlichen die gleiche Pausen und Arbeitszeiten wie die anderen Beschäftigten gehabt. Die Abwesenheitszeiten habe er mit dem jeweiligen Auftraggeber abgesprochen
Der Beschäftigte Kovacs gab an, mit den Arbeitnehmern des Beschuldigten, A… G… und P… K…, habe er (K…) ganz normal auf der Baustelle gearbeitet. Es habe hinsichtlich der durchzuführenden Arbeiten, der Arbeitszeiten (7.00 bis 19.00 Uhr, bei längeren Anreisen bis 17.00 Uhr) und Pausen zwischen diesen und K… keine Unterschiede gegeben. Anwesenheits- und Arbeitszeitnachweise habe (J…) B… geführt.
Im Übrigen haben die Betroffenen – soweit hierzu Angaben gemacht worden sind – keine Anwesenheits- und Arbeitsnachweise geführt (C…, F…), bzw. solche Aufzeichnungen lediglich für sich selber gemacht (so F…), um zu wissen, wie viel Geld sie bekommen (B…) oder für ihren Steuerberater (I…-I… G…).
Der Zeuge F… bestätigte, dass Tätigkeiten und Arbeitszeiten immer gleich mit den festangestellten Mitarbeitern von B… gewesen seien. Er habe aber keine regelmäßigen Arbeits- und Anwesenheitszeiten einzuhalten gehabt. Er habe seine Abwesenheit nicht mit J… und S… B… besprechen müssen. Wenn wirklich mal etwas war, habe er J… oder S… angerufen. Gleichwohl gab er an, er habe sich keine Unterbrechungen oder Urlaub leisten können, weil er dann kein Geld bekommen hätte.
Der Beschäftigte F… gab an, es seien die gleichen Arbeitszeiten wie bei den Angestellten gewesen, nämlich von 7 Uhr bis 18 Uhr, manchmal bis 19 Uhr. Es habe keine festen Zeiten gegeben, aber sie hätten immer gleich angefangen und zusammen aufgehört.
Der Zeuge B… gab an, Feierabend war, wenn G… (ein Arbeitnehmer der B… GmbH) Feierabend gemacht habe.
I…-I… G… und G… G… gaben hingegen an, sie hatten keine regelmäßigen Arbeits- und Anwesenheitszeiten einzuhalten gehabt. G… G… habe sich im Großen und Ganzen keine Vorschriften machen lassen. Allerdings seien Fertigstellungsfristen vereinbart worden. I…-I… G… gab an, er habe seine Arbeitszeiten selbst festgelegt, seinen Urlaub bestimmt, wie er das möchte. Jürgen Blank habe gesagt, was zu tun sei. Daraufhin habe er seine Arbeit erledigt. G… G… gab ebenfalls an, er habe nicht zu den gleichen Arbeitszeiten wie die festangestellten Mitarbeiter des Beschuldigten gearbeitet.
Hinsichtlich Arbeits- und Anwesenheitszeiten gaben die Betroffenen überwiegend an, es seien nicht immer Vorgaben gemacht worden. Dies sei von der jeweiligen Baustelle abgehangen.
(9.4.) Die Fahrt zu den Baustellen erfolgte durch die Beschäftigten teilweise mit dem eigenen Pkw, und hierbei manchmal in Fahrgemeinschaft, teilweise mit einem Bus der GmbH.
Der Zeuge F… gab an, er sei früher mit eigenem Pkw auf Baustellen gefahren und habe hierbei keine Fahrtkosten angesetzt, aber seit ein paar Jahren (kostenlos) mit dem Bus des S… B…, der von J… B… gesteuert wurde, zu den Baustellen gebracht worden.
Der Zeuge C… gab an, manchmal mit dem eigenen Auto und manchmal mit B… gefahren zu sein. Ab und zu auch mit J… B…, der einen Firmenbus gehabt habe.
Der Beschäftigte K… gab an, er sei mit dem Bus von Blank, den fast immer J… B… gefahren habe, auf die Baustellen gekommen.
Der Beschäftigte F… gab an, entweder zusammen mit einem Pkw oder mit dem Bus von B… zu den Baustellen gefahren zu sein. Falls sie mit dem eigenen Pkw gefahren seien, hätten sie keine Fahrtkosten angesetzt (so F… und B…).
Der Zeuge J… B… gab an, mit seinem privatem Fahrzeug, manchmal auch mit dem Bus des Beschuldigten auf die Baustellen gefahren zu sein.
I…-I… G… gab an, als er fest angestellt war, habe der Beschuldigte ihm die Fahrtkosten bezahlt.
(9.5) Bei auswärtigen Baustellen waren die Beschäftigten in selbst bezahlten Ferienwohnungen Hostels oder Hotels untergebracht worden (Aussagen J… B…, K…, F…). Der Beschäftigte F… gab an, die Ferienwohnungen seien von B… gebucht, aber von ihm (F…) selber bezahlt worden.
(10) Bei der Gesamtabwägung sprechen die überwiegenden Umstände für eine abhängige Beschäftigung der betroffenen Personen. Hervorzuheben ist, dass die betroffenen Personen täglich und in Vollzeit eingesetzt wurden und während der Zeit ihrer Beschäftigung bei der GmbH fast ausschließlich für dieses Unternehmen arbeiteten. Soweit hinsichtlich der Einhaltung vorgeschriebener Arbeitszeiten abweichende Angaben von I…-I… G… und G… gemacht wurden, verhielt es sich aber tatsächlich so, dass diese innerhalb des gleichen Zeitrahmens wie die anderen Beschäftigten tätig waren. Eine Tätigkeit für andere Auftraggeber war den betroffenen Personen wegen ihres zeitlichen Engagements für die B… GmbH so gut wie nicht möglich. Sie hatten – abgesehen von den Weihnachtsfeiertagen – nicht einmal freie Zeiträume, in denen sie Urlaub hätten machen können. Darüber hinaus verfügten sie nicht über eigene Geschäftslokale und teilweise auch nicht über die Sprachkenntnisse, die für eine selbstständige Tätigkeit in Deutschland erforderlich wären (vgl. hierzu BGH, NStZ 2010, 337). Sie hatten außer kleineren Handwerkzeugen keine eigenen Betriebsmittel. Die GmbH stellte die Schutzkleidung sowie die Asbestschutzvorrichtungen, die erforderlich waren, damit die Beschäftigten überhaupt ihre Arbeitsleistungen ausführen konnten. Die genauen Arbeitsanweisungen wurden durch den Vorarbeiter J… B… (vgl. u.a. dessen Vernehmung am 28.12.2017) erteilt. Die Beschäftigten wurden zum Teil mit Kleinbussen der GmbH zu den auswärtigen Baustellen gebracht. Den Beschäftigten blieb keinerlei Spielraum zur selbstständigen Gestaltung ihrer Tätigkeit. Sie waren umfassend weisungsgebunden und in den Betriebsablauf der GmbH eingeordnet. Sie trugen kein unternehmerisches Risiko (vgl. hierzu BGH, NStZ 2010, 337). Dies war dem Beschuldigten als Geschäftsführer der GmbH natürlich bekannt. Demgegenüber fällt der Umstand, dass die Beschäftigten nur teilweise auf Basis von Stundenlöhnen bezahlt wurden und im Übrigen nach Pauschalpreisen vergütet wurden, keine erhebliche Rolle. Denn letztlich mussten sich mehrere der Beschäftigten – egal ob auf gleicher Ebene oder in einem Stufenverhältnis stehend – den von einem Beschäftigten mit dem Beschuldigten „ausgehandelten“ Pauschalpreis gleichmäßig teilen. Die Auftragsvergabe an selbstständige Unternehmer und deren Vergütung sieht regelmäßig anders aus.
Dies gilt angesichts der oben angeführten Umstände auch hinsichtlich des Beschäftigten … der zwar angegeben hat, seit 19.04.2011 selbstständig zu sein, weil er einen Auftrag in Aussicht hatte, den er nur als Selbstständiger bekommen hätte, der aber immer wieder mal für B… tätig gewesen sei (vorliegend in den Zeiträumen von 01.06.2014 bis 31.12.2015 und vom 01.03. bis 31.07.2017). Auch er war, wie dargestellt, in den genannten Zeiträumen in den Betrieb der GmbH weisungsabhängig eingebunden.
Die (im Wesentlichen) einheitliche Gestaltung der täglichen Arbeitszeiten, die Arbeitsorganisation sowie die Erteilung von arbeitsrechtlichen Weisungen zur Ausführung der konkreten Tätigkeit anstelle werkbezogener Weisungen des Auftraggebers eines Werkvertrags (vgl. BGH, NStZ 2014, 321 juris Rn. 12 f.), die Überlassung von Arbeitsgeräten seitens der GmbH (hierzu BGH, NStZ 2014, 321 juris Rn. 12), das Fehlen eigener Geschäftslokale und das Fehlen von weiteren Auftraggebern (hierzu BGH, NStZ 2014, 321 juris Rn. 12; NStZ 2010, 337; NJW 2014, 1975, juris Rn. 24) stellen Kriterien dar, die auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Schluss auf das Bestehen sozialversicherungsrechtlicher Beschäftigungsverhältnisses zulassen.
c) Damit besteht infolge der Nichtmeldung dieser Arbeitsverhältnisse jedenfalls ein für die Anordnung des Vermögensarrestes ausreichender (einfacher) – vorliegend sogar ein dringender – Tatverdacht des Vorenthaltens von Beiträgen des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung nach § 266a Abs. 1 StGB ebenso wie des Vorenthaltens von Beiträgen des Arbeitgebers zur Sozialversicherung nach § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB durch den Beschuldigten. Nach § 266 a Abs. 2 Nr. 2 StGB macht sich strafbar, wer als Arbeitgeber die für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen – hier die Unselbstständigkeit der Beschäftigten – in Unkenntnis lässt (Nr. 2) und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung vorenthält. Diese Regelung ist durch das Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit vom 23.07.2004 mit Wirkung vom 01.08.2004 eingeführt worden, umfasst also den vorliegenden Tatzeitraum vollständig.
d) Hinsichtlich der vorenthaltenen Beträge wird auf die vorläufige Schadensberechnung der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern vom 27.02.2018 Bezug genommen.
Zutreffend hat das Amtsgericht Nürnberg die Summe der nicht abgeführten Arbeitnehmer- und der nicht abgeführten Arbeitgeberanteile als Grundlage für den Arrestbetrag herangezogen.
Die vorenthaltenen Beiträge zur Sozialversicherung bzw. deren Wert hätte die GmbH „aus der Tat erlangt“ i.S.d. § 73 Abs. 1 StGB, so dass Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass in einem späteren Urteil die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c StGB angeordnet werden wird. Ersparte Aufwendungen der GmbH – hier die zu Unrecht nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge – können ein erlangtes Etwas i.S.d. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sein (Fischer StGB 65. Aufl. § Rn. 20). Die Zuordnung auf die GmbH erfolgt gemäß § 73b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB, § 35 GmbH.
Ein Arrest ist lediglich eine vorläufige Sicherungsmaßnahme und damit nicht mit einer endgültigen Einziehungsanordnung gleichzusetzen. Die genaue Berechung der endgültig einzuziehenden Beträge bleibt somit der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung vorbehalten.
2. Ein Sicherungsbedürfnis i.S.d. § 111 e Abs. 1 StPO liegt vor.
a) Durch die Neuregelung in § 111 e Abs. 1 StPO und die ersatzlose Aufhebung des § 111 d Abs. 2 StPO a.F. ist der Verweis auf § 917 ZPO (Arrestgrund bei dinglichem Arrest), mithin die Besorgnis einer Erschwerung oder wesentlichen Vereitelung der Forderungsvollstreckung, entfallen, womit jedoch das bisherige Erfordernis eines „Arrestgrundes“ nicht entfällt. Denn die Notwendigkeit eines Sicherungsbedürfnisses ergibt sich nunmehr unmittelbar aus der Strafprozessordnung (vgl. die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 18/9525 S. 49). Nach dem Wortlaut von § 111 e Abs. 1 Satz 1 StPO (entsprechendes gilt gemäß § 111 b Abs. 1 Satz 1 StPO für die Beschlagnahme) ist nach der ab 01.07.2017 geltenden Regelung der Vermögensarrest wie bisher nur zulässig, wenn dies zur Sicherung der Vollstreckung der Einziehung erforderlich ist. Das Übermaßverbot als Teilaspekt des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes muss angesichts des möglichen intensiven Eingriffs in das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG) von Verfassungs wegen bereits bei der Anordnung sowie auch bei der Fortdauer vorläufiger Sicherungsmaßnahmen besonders beachtet werden (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 49 unter Hinweis auf BVerfG, wistra 2015, 348, juris Rn. 12). Der Schutz der Betroffenen vor nicht erforderlichen oder unverhältnismäßigen Sicherungsmaßnahmen wird durch die Neuregelung nicht beeinträchtigt. Dementsprechend wird auch die bisherige Rechtsprechung zum „Arrestgrund“ und zur Dauer vorläufiger Sicherungsmaßnahmen durch die Neuregelung nicht berührt (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 49).
Nach der bisherigen Rechtsprechung ist ein Sicherungsbedürfnis dann anzunehmen, wenn die Besorgnis besteht, dass die künftige Vollstreckung ohne Anordnung eines Arrestes vereitelt oder wesentlich erschwert würde (vgl. etwa OLG Oldenburg, StraFo 2009, 283 juris Rn. 10; vgl. im Übrigen hierzu Huber, in: BeckOK-StPO § 111 e Rn. 9 ff. m.w.N.).
b) So verhält es sich hier:
Der letzte Jahresabschluss der B… GmbH wurde zum 31.12.2016 erstellt. Danach hat die GmbH bei einer Bilanzsumme von rund 181.000 € Sachanlagen (Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten) im Wert von rund 155.500 € und Finanzanlagen, die sich als Anteile an verbundenen Unternehmen darstellen, im Wert von rund 25.500 €.
Bankguthaben sind nicht aktiviert. Sonstige Aktiva sind nicht vorhanden. Die Verbindlichkeiten (gegenüber Kreditinstituten) betragen 44.550 €, davon mit einer Restlaufzeit bis zu einem Jahr 44.550 €. Das Eigenkapital beläuft sich auf rund 131.800 €. Somit ist eine Eigenkapitalquote von fast 73 % vorhanden. Die Entnahmen von rund 11.800 € überstiegen die Einlagen von rund 7.100 € um rund 4.700 €. Der (verbleibende) Jahresüberschuss wird mit 1.303,50 € angegeben. Die Umsatzerlöse betrugen rund 11.800 €.
Insgesamt ist die GmbH somit nicht in der Lage, die zu erwartenden Nachforderungen der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von rund 655.000 € zu erfüllen. Kredite in dieser Höhe dürfte sie trotz der hohen Eigenkapitalquote angesichts der im Verhältnis zu diesen kurzfristig zu tilgenden Verbindlichkeiten geringen Höhe der Aktiva, die als Sicherheit zur Verfügung stünden, nicht erhalten. Durch die bilanzrechtlich notwendige Passivierung dieser Verbindlichkeiten, deren Bestehen vorausgesetzt, würde eine bilanzielle Überschuldung eintreten. Durch den Vermögensarrest entsteht insoweit ein grundsätzlich insolvenzfestes Sicherungsrecht (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 2 InsO; BT-Drucks. 18/9525 S. 78).
3. Die Anordnung des Vermögensarrests ist auch verhältnismäßig.
Der Vermögensarrest verfolgt – wie früher der dingliche Arrest – das Ziel einer frühzeitigen Sicherung des Vermögens des Beschuldigten. Der Vermögensarrest umfasst nicht nur Gegenstände, die der Beschuldigte vermeintlich rechtswidrig erlangt hat, sondern auch solche, die rechtmäßig erlangt wurden. Der Vermögensarrest kann deshalb in das gesamte, gerade auch legal erworbene Vermögen des Beschuldigten vollzogen werden (OLG Stuttgart, NJW 2017, 3731 juris Rn. 11).
Zwar gelten die Fristen des § 111 b Abs. 3 StPO a.F. durch dessen ersatzlose Streichung nun nicht mehr, dennoch ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen, bei der das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit gegen das Grundrecht des Betroffenen aus Art. 14 Abs. 1 GG abzuwägen ist (siehe OLG Celle, Beschluss vom 20.05.2008 – 2 Ws 155/08, juris Rn. 11; OLG Rostock, Beschluss vom 19.12.2013, – Ws 320/13, juris Rn. 43). Dabei wachsen mit der den Eigentumseingriff intensivierenden Fortdauer der Maßnahme von Verfassungs wegen die Anforderungen an die Rechtfertigung der Anspruchssicherung (BVerfG, Beschluss vom 07.07.2006 – 2 BvR 583/06, juris Rn. 5; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.09.2010 – 2 Ws 81/10, juris Rn. 23).
Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der gegen den Beschuldigten bestehende Verdachtsgrad nicht unerheblich ist und die verursachten Vermögensschäden ein beachtliches Ausmaß haben. Zudem wurde der Arrest erst Ende Juli 2018 angeordnet und durch die angefochtene Entscheidung der 12. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30.08.2018 wieder aufgehoben.
Zusammengefasst überwiegt nach Abwägung des Sicherungsinteresses des Staates mit dem Eigentumsschutzbedürfnis der GmbH trotz des in Anbetracht der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der GmbH nicht unerheblichen Eingriffs in ihre wirtschaftliche Bewegungsfreiheit das staatliche Sicherungsbedürfnis. Hierbei wurde berücksichtigt, dass sowieso eine Passivierungspflicht hinsichtlich der Nachforderungen der Sozialversicherungsträger mit entsprechenden wirtschaftlichen und möglicherweise insolvenzrechtlichen Folgen für die GmbH besteht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO, § 465 Abs. 1 StPO in entsprechender Anwendung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 473 Rn. 15).

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