Aktenzeichen 6 Ta 66/17
AGG § 15
Leitsatz
Die Beschwerde gegen einen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss ist in der Regel zurückzuweisen, wenn die mittlerweile zum Nachteil des Beschwerdeführers ergangene Hauptsacheentscheidung Rechtskraft erlangt hat (vgl. BGH 07.03.2017 – XII ZB 391/10) (Rn. 6 – 8)
Verfahrensgang
10 Ca 4183/16 2017-04-10 Bes ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 07.03.2017, Az.: 10 Ca 4183/16, wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.
Gründe
I.
Mit Schriftsatz vom 05.02.2017, eingegangen beim Arbeitsgericht Nürnberg am 07.02.2017, beantragte der Kläger für seine auf § 15 AGG gestützte Klage Gewährung von Prozesskostenhilfe sowie die Beiordnung des Rechtsanwalts F…. Gegenstand der Klage ist die – nach Ansicht des Klägers diesen wegen seiner Weltanschauung diskriminierende – Ablehnung einer Initiativbewerbung des Klägers bei der Firma L… GmbH & Co. KG. Mit E-Mail vom 18.07.2016, 12.40 Uhr, auf die inhaltlich Bezug genommen wird, lehnte die Firma L… O. GmbH & Co. KG die Bewerbung ab. Dem Kläger könne keine geeignete Position angeboten werden. Der Kläger sei aufgrund der spezifischen Anforderungen der Kunden, die andere Bewerber besser erfüllt hätten, nicht in die engere Auswahl für etwaige Stellen genommen worden. Hierauf reagierte der Kläger mit E-Mail vom 18.07.2016, 12.55 Uhr. Darin teilte der Kläger mit, dass er vor einigen Jahren für eine Kandidatur für die Partei NPD zur Verfügung gestanden habe. Dies sei der ausschlaggebende Punkt für die Ablehnung gewesen. Daher sei der Kläger wegen seiner Weltanschauung benachteiligt worden im Sinne des AGG. Hierauf schrieb eine Mitarbeiterin der Beklagten am 10.08.2016 wohl versehentlich eine E-Mail an die Mail-Adresse des Klägers, in der sie schrieb: „Was ein Nazi-Arsch!“. Die Beklagte trägt vor, erst durch die E-Mail des Klägers vom 18.07.2016 von der NPD-Kandidatur erfahren zu haben. Der Kläger trägt insoweit vor, dass selbstverständlich davon auszugehen sei, dass die Beklagte bereits vor Ablehnung der Bewerbung den Namen des Klägers „gegoogelt“ habe und dort von diesem Umstand Kenntnis erlangt habe. Dies bestreitet die Beklagte. Der Kläger bringt weiter vor, dass es bei seiner hervorragenden Qualifikation abwegig sei, dass die Beklagte keine passende Stelle für ihn gefunden hätte. Der Kläger verlangt eine Entschädigung in Höhe eines Jahresgehalts, mindestens EUR 30.000,-.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 07.03.2017 den Antrag zurückgewiesen, insbesondere, da der Kläger schon keine ausreichenden Indizien für eine Benachteiligung vorgetragen habe und die Klage daher keine Aussicht auf Erfolg habe. Vielmehr sei zudem fraglich, in welcher „vergleichbaren Situation“ im Sinne von § 3 AGG der Kläger sich befunden haben will und ob seine Mitgliedschaft und Kandidatur für die NPD einer Weltanschauung gleichzusetzen sei. Aus dem gleichen Hauptgrund ist die Klage am 04.05.2017 abgewiesen worden. Das vollständig abgefasste Urteil wurde dem Kläger am 20.05.2017 zugestellt. Berufung hat der Kläger dagegen nicht eingelegt.
Gegen den am 09.03.2017 zugestellten ablehnenden Beschluss legte der Kläger am 09.04.2017 sofortige Beschwerde ein. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 10.04.2017 nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt. Mit Schreiben vom 02.05.2017 nahm der Kläger hierzu nochmals ausführlich Stellung unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft und innerhalb der Frist von einem Monat eingelegt worden, § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO.
Die Beschwerde ist sachlich nicht begründet. Bei der für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe anzustellenden Beurteilung der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder -verteidigung ist das Rechtsmittelgericht grundsätzlich an die inzwischen eingetretene Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung gebunden. Ausnahmen gelten dann, wenn eine zweifelhafte Rechtsfrage verfahrensfehlerhaft in das Prozesskostenhilfeverfahren verlagert worden ist oder wenn das erstinstanzliche Gericht die Entscheidung verzögert hat und die Erfolgsaussicht in der Zwischenzeit entfallen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 07.03.2012 – XII ZB 391/10). Der Kläger hat gegen das Urteil des Erstgerichts nicht Berufung eingelegt und damit die Entscheidung des Arbeitsgerichts rechtskräftig werden lassen. Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor.
Bei der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist im Hinblick auf die Erfolgsaussicht die – zwischenzeitlich eingetretene – Rechtskraft der in der Hauptsache ergangenen Entscheidung grundsätzlich zu beachten. Zwar wirkt die Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits und nur insoweit, als über denselben Streitgegenstand entschieden worden ist. Gegenstand des Prozesskostenhilfeverfahrens ist demgegenüber das von der Hauptsache unabhängige Verhältnis zwischen dem Recht suchenden Antragsteller und der Staatskasse, welches den Anspruch auf Prozesskostenhilfe als staatliche Sozialleistung betrifft. Die Rechtskraft bezweckt aber nicht nur den Schutz der Parteien vor erneuter gerichtlicher Inanspruchnahme, sondern dient der Sicherung des Rechtsfriedens im Allgemeinen, indem abweichende Entscheidungen zur selben Streitfrage vermieden werden sollen und auch der Funktionsfähigkeit der Gerichte. Aus der materiellen Rechtskraft folgt daher über das Verbot der wiederholten Entscheidung über denselben Streitgegenstand hinaus auch eine Bindungswirkung der Entscheidung, soweit diese für eine weitere Entscheidung vorgreiflich ist.
Die Entscheidung in der Hauptsache hat demnach Bindungswirkung, soweit es für den Anspruch auf Prozesskostenhilfe auf die Erfolgsaussicht der Klage oder Rechtsverteidigung ankommt. Insoweit stimmen die zu beurteilenden Fragen überein und ist die Hauptsacheentscheidung für die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe vorgreiflich. Durch die Bindungswirkung der Hauptsacheentscheidung wird vermieden, dass das Rechtsmittelgericht in einem Nebenverfahren zu einem der rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung widersprechenden Ergebnis gelangt.
Danach ist die sofortige Beschwerde des Klägers zurückzuweisen.
III.
Der unterlegene Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten zu tragen, vgl. § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Kostenerstattung findet nicht statt, § 127 Abs. 4 ZPO.
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter erfolgen, § 78 Satz 3 ArbGG.