Arbeitsrecht

Sicherstellung einer angemessenen Alimentation durch Zuschlag bei begrenzter Dienstfähigkeit

Aktenzeichen  W 1 K 16.697

Datum:
28.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 33 Abs. 5
BBesG BBesG § 13 Abs. 1
BayBesG BayBesG Art. 59
RVOrgRefÜG § 4 Abs. 3 S. 3

 

Leitsatz

1 Für den Zeitraum vom 1.11.2011 bis 31.3.2014 konnte mangels Rechtsgrundlage kein Zuschlag bei begrenzter Dienstfähigkeit gewährt werden. Denn Besoldungsleistungen können nur gezahlt werden, wenn und soweit sie gesetzlich festgelegt sind, auch wenn die Alimentation verfassungswidrig zu niedrig festgesetzt ist. Auch dann wird den Beamten zugemutet abzuwarten, bis der Gesetzgeber aufgrund einer verfassungsgerichtlichen Feststellung eine Neuregelung getroffen hat (BVerwG BeckRS 2014, 51699). (Rn. 15 und 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es besteht jedoch ein Anspruch auf Ausgleichszulage nach § 4 Abs. 3 S. 3 des Gesetzes zu Übergangsregelungen zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgRefÜG), weil sich die Bezüge infolge des Dienstherrenwechsels verringert haben. Bei den Zuschlägen bei begrenzter Dienstfähigkeit handelt es sich um “Dienstbezüge”, weil sie das Grundgehalt erhöhen, um die angemessene Alimentation sicherzustellen. (Rn. 17 – 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verpflichtet, unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2016 der Klägerin für die Zeit ab 1. Januar 2012 bis einschließlich 31. März 2014 eine Ausgleichszulage nach § 4 Abs. 3 Satz 3 RVOrgRefÜG in Höhe des Zuschlags bei begrenzter Dienstfähigkeit nach der BDZV zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet, soweit der Verwaltungsakt vom 22. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2016 rechtswidrig ist. Denn die Klägerin hat einen Anspruch auf die Gewährung einer Ausgleichzulage in Höhe des Zuschlags bei begrenzter Dienstfähigkeit nach der BDZV für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. März 2014 (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Der Anspruch der Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung des Zuschlags bei begrenzter Dienstfähigkeit ergibt sich dabei nicht direkt aus der BDZV, da es sich dabei um eine Verordnung handelt, die lediglich für die Beamten des Bundes anwendbar ist (§ 1 Satz 1 BDZV). Die Klägerin hat indessen einen Anspruch auf Ausgleichszulage R § 4 Abs. 3 Satz 3 des Gesetzes zu Übergangsregelungen zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgRefÜG).
1. Grundsätzlich hat der Dienstherrenwechsel vom Bundesin den (mittelbaren) Landesdienst zur zwingenden gesetzlichen Folge, dass nunmehr für die Klägerin sämtliche Landesvorschriften Anwendung finden (BVerwG, U.v. 30.1.2014 – 2 C 27/12 – juris; VG Köln, U.v. 28.9.2016 – 3 K 5998/15 – juris).
Art. 59 BayBesG in der bis zum 31. März 2014 geltenden Fassung enthielt eine Anrechnungsvorschrift, aufgrund derer kein Zuschlag bei begrenzter Dienstfähigkeit ausgezahlt werden konnte. Ob die Anrechnungsvorschrift des Art. 59 BayBesG a.F. nach dem Urteil des BVerwG vom 27.3.2014 (2 C 50/11) als verfassungswidrig anzusehen ist, kann dahinstehen. Denn auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 27.3.2014 – 2 C 50/11 – juris) dürfen Besoldungsleistungen nur gewährt werden, wenn und soweit sie gesetzlich festgelegt sind. Aufgrund des in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten besoldungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts und des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers im besoldungsrelevanten Bereich gilt dies auch dann, wenn die Alimentation der Beamten, d.h. ihr Nettoeinkommen, verfassungswidrig zu niedrig festgesetzt ist. Auch dann wird den Beamten zugemutet abzuwarten, bis der Gesetzgeber aufgrund einer verfassungsgerichtlichen Feststellung eine Neuregelung getroffen hat. Diese muss den Zeitraum ab der Feststellung der Verfassungswidrigkeit erfassen.
Daher konnte für den Zeitraum vom 1. November 2011 bis einschließlich 31. März 2014 mangels Rechtsgrundlage kein Zuschlag bei begrenzter Dienstfähigkeit gewährt werden.
2. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 3 RVOrgRefÜG erhalten Beamtinnen und Beamte nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 eine Ausgleichszulage, wenn sich ihre Bezüge infolge des Dienstherrenwechsels verringert haben. § 13 Abs. 4 BBesG a. F. bestimmt abschließend den Begriff „Dienstbezüge“ für die Berechnung von Ausgleichszulagen. Danach sind Dienstbezüge im Sinne dieser Vorschrift das Grundgehalt sowie Amts- und Stellenzulagen. Erhöhungen oder Verringerungen bei anderen Bezügebestandteilen, wie z.B. Sonderzuschläge, Erschwerniszulagen oder Einmalzahlungen, sind nicht zu berücksichtigen (Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, § 13 BBesG, Erl. 2.1.2).
Bei dem Zuschlag bei begrenzter Dienstfähigkeit handelt es sich jedoch um eine Erhöhung des Grundgehalts eines nur begrenzt dienstfähigen Beamten, wie vorliegend der Klägerin. Die Ansicht der Beklagten, dass es sich dabei um eine Art Sonderzulage handele, geht fehl und ist mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezüglich des Zuschlags bei begrenzter Dienstfähigkeit nicht vereinbar.
Der Zuschlag für begrenzt dienstfähige Beamte dient nämlich dazu, eine gleichheitswidrige Benachteiligung gegenüber teilzeitbeschäftigten Beamten zu vermeiden und das erforderliche Alimentationsniveau sicherzustellen. Nach dem in Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Alimentationsprinzips hat der Dienstherr dem Beamten nach Dienstrang, Bedeutung des Amtes und entsprechend der Entwicklung der allgemeinen Verhältnisse angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Die Alimentation ist die Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte ihm zur Verfügung stellt und seine Dienstpflichten nach Kräften erfüllt. Der Beamte verliert mit dem Eintritt in das Beamtenverhältnis grundsätzlich die Freiheit zu anderweitiger Erwerbstätigkeit, denn der Staat fordert die ganze Arbeitskraft des Beamten und damit seine volle Hingabe (BVerfG, B.v. 19.9.2007 – 2 BvF 3/02 – BverfGE 119, 247). Werden Beamten Dienstbezüge gewährt, die entsprechend der ermäßigten Arbeitszeit abgesenkt sind, kann die Alimentation ihren Zweck nicht erfüllen. Denn bei einer entsprechend der Arbeitszeit reduzierten Besoldung erreichen die betroffenen Beamten nicht das Einkommensniveau, dass der Besoldungsgesetzgeber selbst als dem jeweiligen Amt angemessen eingestuft hat.
Ein teilzeitbeschäftigter Beamter und ein begrenzt dienstfähiger Beamter sind dabei nicht vergleichbar. Während ein teilzeitbeschäftigter Beamter nur mit einem Teil seiner Arbeitskraft Dienst leistet, bringt der begrenzt dienstfähige Beamte seine Arbeitskraft ganz ein. Der begrenzt dienstfähige Beamte hat nicht die Möglichkeit, es bei der Vollzeitbeschäftigung und damit bei der vollen Besoldung zu belassen oder später wieder Vollzeitbeschäftigung und -besoldung zu verlangen (BVerwG, U.v. 27.3.2014 – 2 C 50/11 – juris). Das reduzierte Grundgehalt der Klägerin, das aus ihrer begrenzten Dienstfähigkeit resultiert, ist daher grundsätzlich durch einen Zuschlag zu erhöhen, um eine angemessene Alimentation sicherzustellen.
Ziffer 13.4.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz (BBesGVwV) vom 11. Juli 1997 ist hier nicht anzuwenden, da es, wie bereits erörtert um eine Erhöhung des Grundgehalts und nicht um sonstige Bezügebestandteile geht.
Da es sich hier um einen unfreiwilligen Dienstherrenwechsel handelt, ist mit § 4 Abs. 3 Satz 3 RVOrgRefÜG i.V.m. § 13 Abs. 1 BBesG a.F. eine dynamische Rechtsstandswahrung beabsichtigt, d.h. es werden nicht nur die im Zeitpunkt des Dienstherrenwechsels bestehenden, sondern auch später eintretende Unterschiede ausgeglichen (BVerwG, U.v. 30.1.2014 – 2 C 12/13 – juris). Da der Zuschlag bei begrenzter Dienstfähigkeit der Klägerin als Bundesbeamtin gewährt wurde bzw. auch später gewährt worden wäre, haben sich ihre Bezüge infolge des Dienstherrenwechsels verringert, so dass eine Ausgleichszulage zu zahlen ist.
3. Allerdings sind die Zuschläge für November und Dezember 2011 bereits verjährt.
Der Dienstherrenwechsel vom Bundesin den (mittelbaren) Landesdienst hat zur zwingenden gesetzlichen Folge, dass nunmehr für die Klägerin sämtliche Landesvorschriften Anwendung finden (BVerwG, U.v. 30.1.2014 – 2 C 27/12 – juris; VG Köln, U.v. 28.9.2016 – 3 K 5998/15 – juris). Nach Art. 13 BayBesG verjähren Ansprüche auf Besoldung in drei Jahren, wobei die Verjährung mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist.
Die Klägerin machte erstmals im Rahmen ihres Widerspruchsverfahrens ab 23. November 2015 ihren Anspruch auf Gewährung eines Zuschlags bei begrenzter Dienstfähigkeit geltend. Daher ist der Anspruch auf Gewährung des Zuschlags bei begrenzter Dienstfähigkeit bzw. auf Ausgleichszulage vom 1. November 2011 bis 31. Dezember 2011 verjährt.
4. Die Kostenverteilung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Zuvielforderung der Klägerin beträgt weniger als 10% des gesamten Streitwerts, so dass der Beklagten die Kosten ganz auferlegt werden konnten.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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