Aktenzeichen L 13 R 196/14
FRG FRG § 22 Abs. 1 S. 1
SGB VI SGB VI § 256b Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Die Anerkennung von in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten richtet sich nach dem Fremdrentengesetz und dem Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz. (redaktioneller Leitsatz)
Entsprechende Entgeltpunkte für Beitrags- und Beschäftigungszeiten werden nach Durchschnittsverdiensten ermittelt, die sich aus der Beschäftigung nach Qualifikationsgruppen sowie in Zuordnung zu einem der Bereiche in Anlage 14 zum SGB VI ergeben. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
S 1 R 1396/11 2014-02-14 Urt SGAUGSBURG SG Augsburg
Tenor
I.
Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 14. Februar 2014 sowie des Bescheids der Beklagten vom 18. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2011 verurteilt, den Bescheid vom 24. März 2000 teilweise zurückzunehmen, die Beitragszeiten des Klägers vom 1. Juli 1967 bis 25. September 1968, 3. November 1972 bis 20. November 1988, 4. Mai 1992 bis 27. August 1992 sowie 31. August 1992 bis 5. Oktober 1992 der Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI zuzuordnen und dem Kläger ab 1. Januar 2006 Leistungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
II.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III.
Die Beklagte erstattet dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung ist ganz überwiegend begründet.
Die Beklagte hat zu Recht die Beitragszeiten des Klägers in dem strittigen Zeitraum 21. Juli 1972 bis 18. September 1972 der Qualifikationsgruppe 5 der Anlage 13 zum SGB VI zugeordnet. Insoweit war die Berufung zurückzuweisen. Vom 1. Juli 1967 bis 25. September 1968, 3. November 1972 bis 20. November 1988, 4. Mai 1992 bis 27. August 1992 sowie 31. August 1992 bis 5. Oktober 1992 hat jedoch eine Zuordnung der Versicherungszeiten des Klägers zur Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI zu erfolgen. Die Beklagte ist daher zu verpflichten, den Rentenbescheid vom 24. März 2000, durch den sich der Vormerkungsbescheid vom 24. März 1997 auf andere Weise iSd § 39 Abs. 2 SGB X erledigt hat (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011, Az. B 5 R 36/11 R), teilweise zurückzunehmen, diese Zeiträume der Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI zuzuordnen und dem Kläger ab 1. Januar 2006 Leistungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 S. 1 SGB X).
Bei Erlass des Rentenbescheids vom 24. März 2000, mit dem die Beklagte die im Vormerkungsbescheid vom 24. März 1997 enthaltene Einstufung sämtlicher in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten Beitragszeiten des Klägers in die Qualifikationsgruppe 5 zur Anlage 13 des SGB VI übernommen hat, hat die Beklagte für die Zeiträume 1. Juli 1967 bis 25. September 1968, 3. November 1972 bis 20. November 1988, 4. Mai 1992 bis 27. August 1992 sowie 31. August 1992 bis 5. Oktober 1992 den Zeitraum 31. August 1992 bis 5. Oktober 1992 das Recht unrichtig angewandt. Für diese Zeiträume hat eine Einstufung in Qualifikationsgruppe 4 zu erfolgen. Die deshalb zu Unrecht nicht erbrachten Sozialleistungen in Form von Rentenzahlungen sind für einen Zeitraum bis zu 4 Jahren vor dem Antrag des Klägers auf Rücknahme des Rentenbescheids am 24. November 2010, mithin ab 1. Januar 2006, nachzuzahlen (vgl. § 44 Abs. 4 S. 1, 3 SGB X). Im Übrigen hat die Beklagte hingegen das Recht zutreffend angewandt und ist auch von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen, so dass eine weitergehende Rücknahme des Bescheids vom 24. März 2000 nicht in Betracht kommt.
Die Anerkennung der vom Kläger in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten richtet sich nach dem Fremdrentengesetz – FRG – und dem Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz – FANG -.
Gemäß Art. 6 § 4 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 3 FANG kommt eine Anwendung des FRG in seiner bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung bei einem Rentenbeginn nach dem 31. Dezember 1995 nicht mehr in Betracht. Da die Rente des Klägers erst am 1. März 2000 begonnen hat, bestimmt sich damit die Bewertung der vom Kläger in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten Beitragszeiten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG in der seit 1. Januar 1992 geltenden Fassung. Nach dieser Bestimmung werden Entgeltpunkte für Beitrags- und Beschäftigungszeiten gem. § 256 b Abs. 1 Satz 1 SGB VI nach Durchschnittsverdiensten ermittelt, die sich nach Einstufung der Beschäftigung in eine der in Anlage 13 genannten Qualifikationsgruppen und nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in Anlage 14 genannten Bereiche ergeben. Damit hat der Gesetzgeber für die Versicherten aus den Herkunftsgebieten die Tabellenwerke übernommen, die den Einkommensverhältnissen sowie den Ausbildungs- und Fortbildungsstrukturen der ehemaligen DDR angepasst waren.
In die „Qualifikationsgruppe 4 Facharbeiter“ sind Personen eingeordnet, die über die Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung nach abgeschlossener Ausbildung in einem Ausbildungsberuf die Facharbeiterprüfung bestanden haben und im Besitz eines Facharbeiterzeugnisses (Facharbeiterbrief) sind oder denen aufgrund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Beitrittsgebiet die Facharbeiterqualifikation zuerkannt worden ist. Hierzu zählen nicht Personen, die im Rahmen der Berufsausbildung oder der Erwachsenenqualifizierung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes entsprechend der Systematik der Ausbildungsberufe im Beitrittsgebiet ausgebildet worden sind.
In die „Qualifikationsgruppe 5 angelernte und ungelernte Tätigkeiten“ sind einzuordnen
1. Personen, die in der Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung eine Ausbildung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes abgeschlossen haben und im Besitz eines entsprechenden Zeugnisses sind; 2. Personen, die in einer produktionstechnischen oder anderen speziellen Schulung für eine bestimmte Tätigkeit angelernt worden sind; 3. Personen ohne Ausbildung oder spezielle Schulung für die ausgeübte Tätigkeit.
Nach den Sätzen 1 und 2 der Anlage 13 zum SGB VI sind Versicherte in eine der Qualifikationsgruppen einzustufen, wenn sie deren Qualifikationsmerkmale erfüllen und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben. Haben Versicherte aufgrund langjähriger Berufserfahrung Fähigkeiten erworben, die üblicherweise denen von Versicherten in einer höheren Qualifikationsgruppe entsprechen, sind sie in diese Qualifikationsgruppe einzustufen.
Bei der notwendigen analogen Anwendung der auf die Verhältnisse in der ehemaligen DDR zugeschnittenen Eingruppierungsmerkmale ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 2003, B 8 KN 2/03, Urteil vom 24. Juli 2003, B 4 RA 61/02 R, alle in juris) zunächst von der im Herkunftsgebiet erworbenen beruflichen Ausbildung und Qualifikation unter Beachtung des dort geltenden beruflichen, schulischen und universitären Bildungssystems auszugehen. Sodann ist zu fragen, welcher Qualifikationsgruppe – übertragen auf die Verhältnisse in der DDR – diese berufliche Ausbildung und Qualifikation materiell entspricht. Schließlich ist zu prüfen, ob eine diesen Qualifikationsmerkmalen entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wurde.
In ehemaligen UdSSR wurden mit Beginn der fünfziger Jahre Absolventen der Grundschule innerhalb von zwei bis drei Jahren an Berufsschule zu Facharbeitern ausgebildet. Eine berufliche Grundbildung konnte daneben auch im Rahmen einer betrieblichen Ausbildung erworben werden, wobei der theoretische Teil der Ausbildung ebenfalls an Berufsschulen erfolgte. Die Ausbildungsdauer lag auch hier zwischen zwei und vier Jahren. Am Ende der Ausbildung stand dann eine Prüfung, deren Bestehen in einem Zeugnis und mit dem Erwerb des Titels „gelernter bzw. qualifizierter Arbeiter“ dokumentiert wurde. Zur Prüfung konnte auch zugelassen werden, wer eine reguläre Ausbildung nicht durchlaufen hatte, sich die notwendigen Kenntnisse aber auf andere Weise angeeignet hatte (zum Ganzen vgl. Müller, „Die Qual mit den Qualifikationsgruppen“, Mitteilungen der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken, Nr. 3/1996).
Der Kläger hat zwar keine formelle Facharbeiterqualifikation, da er keine dieser Einrichtungen besucht hat. Ihm wurde auch nicht die Facharbeiterqualifikation trotz fehlender Berufsausbildung förmlich zuerkannt; ihm wurde nicht der Titel „qualifizierter Arbeiter“ verliehen.
Eine Einstufung in Qualifikationsgruppe 4 hat jedoch ab 1. Juli 1967 für die Zeiträume, in denen der Kläger als Traktorist oder mit vergleichbaren Tätigkeiten beschäftigt war, auf der Grundlage des Satzes 2 der Anlage 13 zum SGB VI zu erfolgen. Für den Zeitraum 21. Juli 1972 bis 18. September 1972, in dem der Kläger als Schlosser beschäftigt war, hat es hingegen bei der Einstufung in Qualifikationsgruppe 5 zu verbleiben, da insoweit für den Senat nicht glaubhaft gemacht ist, dass der Kläger aufgrund langjähriger Berufserfahrung Fähigkeiten erworben hat, die üblicherweise denen von ausgebildeten Schlossern entsprechen.
Professor Dr. S. hat in seiner vom Kläger zur Verfügung gestellten und für den Senat überzeugenden berufskundlichen Stellungnahme darauf hingewiesen, dass für qualifizierte Traktorfahrer die Bezeichnung „Traktorist-Maschinist“ gilt. Sie wurde gebraucht in Verbindung mit einer der drei Qualifikationsstufen (Klasse I, II, III) und der jeweiligen Lohngruppe (1-7). Dabei waren Traktoristen der I. Klasse solche, die selbstständig alle Arten von Pflege- und Reparaturarbeiten an Traktoren, Landmaschinen usw. ausführen durften, während Traktoristen der 2. Klasse solche Arbeiten nur „ausführen“ durften (hier fehlt das Wort „selbstständig“) und Traktoristen 3. Klasse dabei nur unter Anleitung tätig werden durften.
Zwar ist in dem Arbeitsbuch des Klägers allein für den Zeitraum 31. August 1992 bis 5. Oktober 1992 vermerkt, dass er als Traktorist der I. Klasse beschäftigt worden ist. Aus dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung am 18. März 2016 vorgelegten Führerschein für Landwirtschaftstechnik vom 18. März 1963 geht jedoch klar hervor, dass er bereits ab diesem Zeitpunkt als Traktorist der I. Klasse eingestuft war. Dies belegt, dass der Kläger jedenfalls ab diesem Zeitpunkt selbstständig alle Arten von Pflege- und Reparaturarbeiten und damit Tätigkeiten verrichtet hat, die für einen Facharbeiter typisch sind.
Nach Ablauf von mehr als vier Jahren mit Tätigkeiten als Traktorist der I. Klasse ist unter Mitberücksichtigung des Umstands, dass der Kläger bereits seit 1961 mit einschlägigen Tätigkeiten beschäftigt war, von langjährigen Berufserfahrungen als Traktorist auf Facharbeiterniveau auszugehen. Der Senat hält es für sehr fern liegend, dass der Kläger nur als Traktorist der II. oder III. Klasse beschäftigt worden ist, obwohl er die Qualifikation als Traktorist der I. Klasse hatte. Anhaltspunkte für eine unterwertige Verwendung des Klägers gibt es nicht. Die Angaben zu den Lohngruppen im Arbeitsbuch des Klägers stellen jedenfalls die Einstufung als Facharbeiter nicht in Frage, sondern stellen eher ein gewisses Indiz hierfür dar.
In der ehemaligen UdSSR bestand grundsätzlich eine enge Verzahnung von Berufsqualifikation und Tarifeinstufung, die Lohn- und Qualifikationsstufe miteinander verband. Am Ende einer Berufsausbildung oder betrieblichen Weiterbildung wurde nicht nur die Qualifikation bestätigt, sondern auch gleichzeitig die Eingruppierung in eine Tarif-/Lohnkategorie vorgenommen. Die hier interessierende Gruppe der qualifizierten Arbeiter umfasste die untersten Ebene der wenig qualifizierten Arbeiter (Lohnkategorie 1 und 2), die mittlere Ebene der qualifizierten Arbeiter (Lohnkategorie 3 und 4) und die obere Ebene der hoch qualifizierten Arbeiter (Lohnkategorie 5 und 6).
Sowohl die mittlere als auch die obere Qualifikationsstufe konnte durch betriebliche Erstausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen erreicht werden. Die nach der „Musterordnung für die Ausbildung und Weiterqualifizierung von Arbeitern unmittelbar in der Produktion“ durchgeführten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen der Betriebe zur Erhöhung des Qualifikationsniveaus dauerten unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten des Berufs sowie des Umfanges der zu erwerbenden Kenntnisse und Fertigkeiten ohne Unterbrechung der Berufstätigkeit und mit begrenzter Freistellung bis zu sechs Monaten. Ein wichtiges Prüfungsergebnis der von einer betrieblichen Qualifikationskommission auf Werks- und Abteilungsebene abgenommenen Qualifikationsprüfungen (Probearbeiten und mündliche Prüfung) war die Festlegung der Qualifikationsgruppe und damit auch der Lohnkategorie. Insoweit wird vertreten, dass Personen, die über die unteren beiden Lohnkategorien hinausgekommen waren, als Facharbeiter im Sinne der Qualifikationsgruppe 4 angesehen werden können. Auch wenn die Weiterbildungsmaßnahmen zum Teil kürzer als entsprechende Schulausbildungen waren, sollen ihnen im Ergebnis eine Gleichwertigkeit nicht abgesprochen werden, da sie im sowjetischen Lohn- und Qualifikationssystem als gleichwertig anerkannt waren und in erster Linie Arbeiter mit langjähriger Berufspraxis und Betriebszugehörigkeit delegiert wurden (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Februar 2001, Az.: L 3 RJ 46/99).
Die Bewertung einer Tätigkeit als Facharbeitertätigkeit allein deshalb, weil eine Lohnkategorie 3 verzeichnet ist, verbietet sich jedoch nach Auffassung des Senats. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass bei dieser Eingruppierung neben der Qualifikation im engeren Sinne auch andere Faktoren, wie z. B. die konkreten Arbeitsbedingungen mit berücksichtigt werden konnten. Auch ergeben sich Unschärfen daraus, dass eine mitunter sehr großzügige Praxis der für die Einstufung zuständigen Qualifikationskommissionen vorlag (vgl. Göring, Anerkennung von Aussiedlerzeugnissen, berufliche Bildung und berufliche Qualifikation in der UdSSR, 1991, S. 147).
Auch aus dem von Kläger selbst vorgelegten Gutachten des Professor Dr. S. geht hervor, dass die Lohngruppen zwar als eindeutiges Qualifikationsmerkmal gedacht waren und in allen Betrieben einheitlich gehandhabt werden sollten. Es seien aber auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die Schwere der Arbeit etc. berücksichtigt worden. In der Praxis sei von diesen Vorschriften nicht selten abgewichen worden, wofür unterschiedliche Gründe, darunter auch persönliche Beziehungen etc. maßgebend gewesen seien.
Der Senat hält es damit zwar nicht für zulässig, allein aufgrund der Zuerkennung einer bestimmten Lohngruppe die Zuordnung zu einer bestimmten Qualifikationsgruppe vorzunehmen. Das Arbeitsbuch des Klägers enthält auch nicht durchgängig für alle Zeiträume Hinweise auf die zuerkannte Lohngruppe. Der Umstand, dass dem Arbeitsbuch ab 1. Juli 1967 für die Zeiträume, in denen eine Lohngruppe angegeben ist, durchgängig jedenfalls keine Zuordnung zu einer Lohngruppe entnommen werden kann, die für unqualifizierte Arbeiter unterhalb des Facharbeiterniveaus vorbehalten war, stellt aber dennoch ein gewisses Indiz dafür dar, dass der Kläger als Traktorist o. ä. ab 1. Juli 1967 höherwertige Tätigkeiten auf Facharbeiterniveau verrichtet hat.
Für die ausgeurteilten Zeiträume kann daher nach Auffassung des Senats mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einer tatsächlich ausgeübten, nach den Verhältnissen der ehemaligen Sowjetunion qualifizierten Tätigkeit im Sinne der Qualifikationsgruppe 4 der Anlage zum SGB VI mit einer für Facharbeiter typischen selbstständigen Erledigung von Arbeiten ausgegangen werden.
Nicht durchgreifen kann der Einwand der Beklagten, der Kläger habe das Vorliegen entsprechender theoretischer Kenntnisse nicht nachweisen können. Die einmal im Rahmen einer einschlägigen Berufsausbildung erworbenen theoretischen Kenntnisse verlieren auch bei ausgebildeten Versicherten im Laufe des Berufslebens an Bedeutung. Würde man verlangen, dass Versicherte mit langjähriger Berufserfahrung dieselben theoretischen Kenntnisse nachweisen müssten wie Versicherte mit einschlägiger Berufsausbildung, gäbe es für S. 2 der Anlage 13 zum SGB VI praktisch keinen Anwendungsbereich mehr, diese Bestimmung liefe im Ergebnis leer. Durch die explizite Gleichstellung von langjähriger Berufstätigkeit mit der formellen Ausbildung hat der Gesetzgeber diesem Ansatz jedoch eine Absage erteilt.
Auch nach den Verhältnissen in der ehemaligen DDR ergibt sich, dass Tätigkeiten als Traktorist, Baumaschinenführer usw. als Facharbeitertätigkeiten zu qualifizieren waren. Als vergleichbarer Beruf in der ehemaligen DDR kommt der eines Baumaschinisten in Betracht. In der ehemaligen DDR wurde der Baumaschinist etwa mit der Spezialisierungsrichtung Flachbaggerfahrer (Planierraupenfahrer) im Rahmen einer zweijährigen Ausbildung nach Abschluss der 10. Klasse der polytechnischen Oberschule zum Facharbeiter ausgebildet. Wesentliche Tätigkeiten bestanden in dem Ausheben von Baugruben oder Gräben, Umsetzen von Erdstoffen auf Halden oder Transportgeräte, das Planieren von Trassen und Flächen, das Führen und Pflegen sowie Warten der Geräte. Verlangt wurde selbstständiges Entscheiden innerhalb der vorgegebenen Technologie über Einsatz des Gerätes und dessen optimaler Wirkung, das Auswählen und Anbauen der technologisch bedingten Arbeitsausrüstungen des Geräts. Störungen in der Funktion des Gerätes mussten erkannt und kleinere Reparaturen selbstständig ausgeführt bzw. bei größeren Fehlern Maßnahmen zur Beseitigung eingeleitet werden (vgl. Schriftenreihe Bildung und Beruf, DDR-Ausbildungsberufe Bd. 5, 1990, S. 134). Diese Berufsbeschreibung deckt sich im Wesentlichen mit derjenigen eines Traktoristen in der ehemaligen UdSSR, der in die I. Klasse eingestuft ist.
Für den Zeitraum 21. Juli 1972 bis 18. September 1972 scheidet eine Zuordnung der Versicherungszeiten des Klägers zur Qualifikationsgruppe 4 jedoch aus. Insoweit ist es für den Senat nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger tatsächlich Arbeiten verrichtet hat, die Facharbeitertätigkeiten entsprechen. Der Kläger war in diesem Zeitraum als Schlosser der 3. Kategorie tätig. Dies stellt die erste Eintragung mit dieser Berufsbezeichnung dar. Der Kläger war zuvor nicht langjährig als Schlosser tätig. Es kann keine Rede davon sein, dass Traktoristen „fahrende Kfz-Schlosser“ gewesen sind. Ganz überwiegend hat der Kläger im Arbeitsalltag nach seinen Angaben Erd-, Räum- und Aushubarbeiten etc. verrichtet. Diese Tätigkeiten entsprechen auch dem Berufsbild eines Maschinisten, Planierraupenfahrers oder Traktoristen. Auch wenn der Kläger dem Berufsbild eines Traktoristen entsprechend vor dem 21. Juli 1972 Reparaturen durchgeführt hat, hat er damit noch nicht langjährig Schlosserarbeiten verrichtet, die dazu führen können, dass man von Schlossertätigkeiten auf Facharbeiterniveau vom 21. Juli 1972 bis 18. September 1972 ausgehen könnte. Dies würde nämlich voraussetzen, dass die zuvor verrichteten Schlosserarbeiten ausschließlich oder zumindest ganz überwiegend Inhalt der Tätigkeit gewesen sind. Dies ist jedoch bei einem Traktoristen nicht der Fall. Die bloße Verrichtung von Schlosserarbeiten „bei Bedarf“ genügt hierfür nicht, selbst wenn dies über einige Jahre hinweg geschehen ist.
Nach Auffassung des Senats stellen – wie oben ausgeführt – allein die im Arbeitsbuch enthaltenen Hinweise auf die Einstufung in Lohnkategorie 3 als solche keinen zwingenden Grund dafür dar, die in diesem Zeitraum verrichteten Tätigkeiten der Qualifikationsgruppe 4 zuzuordnen. Die sich aus den soeben genannten Gründen ergebenden Zweifel an einer Tätigkeit als Schlösser auf Facharbeiterniveau können hierdurch nicht überwunden werden.
Insoweit war die Berufung daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung berücksichtigt, dass der Kläger im Berufungsverfahren ganz überwiegend erfolgreich war.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.