Arbeitsrecht

Stichtagsregelung für Leistungen an Gewerkschaftsmitglieder

Aktenzeichen  4 AZR 646/14

Datum:
17.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2017:170517.U.4AZR646.14.0
Normen:
§ 4 Abs 1 TVG
§ 3 Abs 1 TVG
Art 3 Abs 1 GG
Art 9 Abs 3 GG
§ 75 Abs 1 BetrVG
Spruchkörper:
4. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG München, 28. Januar 2014, Az: 22 Ca 11187/13, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München, 23. Juli 2014, Az: 5 Sa 168/14, Urteil

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 23. Juli 2014 – 5 Sa 168/14 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf weitere Abfindungen und ein höheres Transferentgelt.
2
Der Kläger war seit 1984 bei der Beklagten zu 2. und deren Rechtsvorgängerin im Betrieb St.-Martin-Straße in München gegen ein Bruttomonatsentgelt von zuletzt 6.978,59 Euro beschäftigt. Eine von der Beklagten zu 2. geplante Betriebsschließung konnte durch Verhandlungen mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat und der zuständigen Industriegewerkschaft Metall (IG Metall), deren Mitglied der Kläger zu keinem Zeitpunkt geworden ist, teilweise abgewendet werden. In diesem Zusammenhang schlossen die Beklagte zu 2. und die IG Metall am 4. April 2012 einen Transfer- und Sozialtarifvertrag (nachfolgend TS-TV), der ua. die Einrichtung der Beklagten zu 1. sowie die Zahlung einer Abfindung und eines Transferentgelts (BeE-Monatsentgelts) bzw. bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus der Beklagten zu 1. als weiteren Bestandteil der Abfindung eine „Sprinterprämie“ vorsah. Am gleichen Tag vereinbarten die Beklagte zu 2. und der Betriebsrat für den Betrieb St.-Martin-Straße einen „Interessenausgleich“, in dem ua. die Regelungen zur Milderung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen des TS-TV „für alle betroffenen Beschäftigten abschließend“ übernommen wurden. Schließlich schlossen die Tarifvertragsparteien des TS-TV am gleichen Tag einen Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag (ETS-TV), der zusätzliche Leistungen unter bestimmten Voraussetzungen regelte; über den Wortlaut dieser Kollektivvereinbarungen, die auszugsweise in den Urteilen des Senats vom 15. April 2015 (- 4 AZR 796/13 – Rn. 5 ff., BAGE 151, 235) und 6. Juli 2016 (- 4 AZR 966/13 – Rn. 3 ff.) wiedergegeben sind, besteht zwischen den Parteien kein Streit.
3
Mit Schreiben vom 4. April 2012 erhielt der Kläger von den Beklagten einen „Dreiseitigen Vertrag“ (nachfolgend DV; zu dessen allgemeinen und auch im Streitfall verwendeten Formulierungen vgl. die Auszüge in den Urteilen des BAG 15. April 2015 – 4 AZR 796/13 – Rn. 8, BAGE 151, 235; 6. Juli 2016 – 4 AZR 966/13 – Rn. 6), den er fristgemäß unterzeichnete. Das BeE-Monatsentgelt berechnete die Beklagte zu 1. als Nettoentgelt auf der Basis von 70 % des letzten Bruttomonatseinkommens des Klägers (errechnet aus dem 13,5-fachen Monatsbetrag) unter Heranziehung der persönlichen Sozialversicherungs- und Steuermerkmale. Von diesem Nettoentgelt wurde das Transferkurzarbeitergeld des Klägers abgezogen, die Differenz zahlte die Beklagte zu 1. als Aufstockungsleistung.
4
Das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. endete mit Ablauf des 16. März 2014.
5
Mit seiner Klage hat der Kläger auf der Basis des ETS-TV weitere Abfindungszahlungen und ein höheres Transferentgelt begehrt und hierzu die Auffassung vertreten, dass die Beschränkung im Geltungsbereich des ETS-TV unwirksam sei. Die im DV in Bezug genommene tarifliche Regelung verstoße gegen die Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) und gegen die Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG). Ihm stünden deshalb die weiteren Leistungen des ETS-TV zu. Er sei aus Gleichbehandlungsgründen so zu behandeln, wie ein bereits zum tariflich vorgesehenen Stichtag eingetretenes Mitglied der IG Metall. Der „Interessenausgleich“ vom 4. April 2012, bei dem es sich um einen wirksam zustande gekommenen Sozialplan handele, missachte § 75 BetrVG. Rechtsfolge sei eine „Anpassung nach oben“. Im Übrigen sei das Monatsentgelt von der Beklagten zu 1. unrichtig berechnet worden.
6
Der Kläger hat zuletzt beantragt:
        
1.    
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Mai 2012 in Höhe von 6.280,73 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 2.998,17 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Juni 2012 zu bezahlen.
        
2.    
Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger eine weitere Abfindung in Höhe von 10.000,00 Euro brutto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit Klageerhebung zu bezahlen.
        
3.    
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Juni 2012 in Höhe von 6.280,73 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 2.998,17 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Juli 2012 zu bezahlen.
        
4.    
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Juli 2012 in Höhe von 6.280,73 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 2.998,17 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. August 2012 zu bezahlen.
        
5.    
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat August 2012 in Höhe von 6.280,73 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 2.998,17 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. September 2012 zu bezahlen.
        
6.    
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat September 2012 in Höhe von 6.280,73 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 2.998,17 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Oktober 2012 zu bezahlen.
        
7.    
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Oktober 2012 in Höhe von 7.734,22 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.633,66 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. November 2012 zu bezahlen.
        
8.    
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat November 2012 in Höhe von 6.280,73 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 2.998,17 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Dezember 2012 zu bezahlen.
        
9.    
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Januar 2013 in Höhe von 6.280,73 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.016,17 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Februar 2013 zu bezahlen.
        
10.     
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Februar 2013 in Höhe von 6.280,73 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.016,17 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. März 2013 zu bezahlen.
        
11.     
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat März 2013 in Höhe von 6.280,73 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.096,30 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. April 2013 zu bezahlen.
        
12.     
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat April 2013 in Höhe von 11.222,61 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 5.246,42 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Mai 2013 zu bezahlen.
        
13.     
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Mai 2013 in Höhe von 6.280,73 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.018,44 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Juni 2013 zu bezahlen.
        
14.     
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Juni 2013 in Höhe von 6.280,73 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.018,44 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Juli 2013 zu bezahlen.
        
15.     
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Juli 2013 in Höhe von 6.280,73 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.018,44 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. August 2013 zu bezahlen.
        
16.     
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat August 2013 in Höhe von 6.280,73 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.018,44 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. September 2013 zu bezahlen.
        
17.     
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat September 2013 in Höhe von 6.280,73 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.018,44 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Oktober 2013 zu bezahlen.
        
18.     
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Oktober 2013 in Höhe von 6.280,73 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.018,44 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. November 2013 zu bezahlen.
        
19.     
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat November 2013 in Höhe von 6.280,73 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.018,44 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Dezember 2013 zu bezahlen.
        
20.     
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Dezember 2013 in Höhe von 6.280,73 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.018,44 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Januar 2014 zu bezahlen.
        
21.     
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Januar 2014 in Höhe von 6.280,73 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.026,61 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Februar 2014 zu bezahlen.
        
22.     
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Februar 2014 in Höhe von 6.280,73 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.026,61 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. März 2014 zu bezahlen.
        
23.     
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 92.679,27 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 47.924,68 Euro netto zzgl. fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 17. März 2014 zu bezahlen.
7
Die Beklagten haben zur Begründung ihrer Klageabweisungsanträge ausgeführt, aus dem DV ergebe sich kein Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen. Er unterfalle nicht dem persönlichen Geltungsbereich des ETS-TV. Die Differenzierung anhand des Stichtags sei zulässig. Auch sei der geleistete Zuschuss zum Transferkurzarbeitergeld zutreffend berechnet; geschuldet sei eine Vergütung gemäß § 5 Abs. 3 TS-TV, der von einem „BeE-Monatsentgelt“ handele.
8
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Parteien haben mit Schriftsätzen vom 21. bzw. 22. Februar 2017 ihre Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

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