Aktenzeichen 2 Sa 445/15
SGB IV § 23 c Abs. 1
SGB V § 49 Abs. 1 Nr. 1
Leitsatz
1. Nach § 17 Abs. 3 MTV-BRK vom 16.03.2006 berechnet sich der Zuschuss zum Krankengeld nach der Differenz zwischen dem Bruttokrankengeld und dem Nettoentgelt, das der Arbeitnehmer im Falle der gesetzlichen Entgeltfortzahlung erhalten hätte. Das Bruttoentgelt ist nicht maßgeblich. (amtlicher Leitsatz)
Verfahrensgang
17 Ca 1190/15 2015-10-13 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 13.10.2015 – 17 Ca 1190/15 – abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Beklagte hat den Krankengeldzuschuss nach § 17 Abs. 3 MTV-BRK richtig berechnet und ausgezahlt.
A. Die Berufung ist zulässig.
Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist ein-gelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.
B. Die Berufung ist begründet. Das Arbeitsgericht hätte der Klage nicht stattgeben dürfen, da der Beklagte die Höhe des tariflichen Krankengeldzuschusses nach § 17 MTV-BRK richtig nach der Differenz zwischen dem Bruttokrankengeld und dem sich aus der gesetzlichen Entgeltfortzahlung ergebenden Nettoentgelt berechnet und ausgezahlt hat. Die Differenz zum Bruttoentgelt ist nicht maßgebend.
I. Aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 27.10.2014 stand der Klägerin unstreitig für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 17.09.2014 bis 30.10.2014 ein Anspruch auf Zahlung des Krankengeldzuschusses zu. Unstreitig richtet sich dieser nach den Bestimmungen des im Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommenden § 17 MTV-BRK.
II. Der Beklagte hat den tariflichen Krankengeldzuschuss für den streitgegenständlichen Zeitraum richtig berechnet und ausgezahlt. Der Anspruch ist nach § 362 BGB daher vollständig durch Erfüllung erloschen. Weitergehende Ansprüche bestehen nicht.
1. Die Klage ist in Höhe von 2,33 € netto bereits unschlüssig. Die Klägerin hat in der Klage u. a. für den Monat September 2014 die Abrechnung des Beklagten über den Krankengeldzuschuss vorgelegt (Blatt 11 der Akte) und ausgeführt, nach diesen Berechnungen einen Krankengeldzuschuss von 10,16 € erhalten zu haben (Blatt 2 der Akten), gleichzeitig aber nur 7,83 € netto für September von der Klageforderung abgezogen. Wie sich aus den vom Beklagten vorgelegten Abrechnungen ergibt, hat der Beklagte im September allerdings Lohnsteuer in Höhe von 2,33 € vom Krankengeldzuschuss abgezogen (Blatt 58 der Akten). Die Klägerin begehrt damit in Höhe von 2,33 € Zahlung an sich, obwohl der Beklagte in dieser Höhe den Anspruch bereits unstreitig erfüllt hat. Für Oktober ist demgegenüber Lohnsteuer vom Krankengeldzuschuss nicht einbehalten worden (Blatt 62 der Akten).
2. Die Klage ist auch im Übrigen unbegründet. Der Beklagte hat die Höhe des Krankengeldzuschusses richtig auf der Basis des Nettoentgelts berechnet und entsprechend an die Klägerin ausbezahlt. Dies ergibt die Auslegung des § 17 Abs. 3 MTV-BRK. Dieser bestimmt, dass der Krankengeldzuschuss „in der Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den tatsächlichen Leistungen des Sozialversicherungsträgers und der gesetzlichen Entgeltfortzahlung bezahlt“ wird. Mit „tatsächlichen Leistungen des Sozialversicherungsträgers“ ist bei Zahlungen der gesetzlichen Krankenkasse das Krankengeld vor Abzug der Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen-, und Pflegeversicherung gemeint (sog. Bruttokrankengeld). Mit „gesetzlicher Entgeltfortzahlung“ ist im Gegensatz zur Ansicht der Klägerin und des Arbeitsgerichts das im Falle der Krankheit nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz fortzuzahlende Nettoentgelt gemeint.
a. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr. z. B. BAG 10.12.2015 – 3 AZR 904 – Rn. 27 m. w. N.). Verwenden die Tarifvertragsparteien in einem Tarifvertrag einen Begriff, der in der Rechtsterminologie eine bestimmte Bedeutung hat, so ist davon auszugehen, dass er im Tarifvertrag dieselbe Bedeutung haben soll, soweit sich nicht aus dem Tarifvertrag selbst etwas anderes ergibt (BAG 24.04.1996 – 5 AZR 798/94 – Rn. 17).
b. Der Begriff „tatsächliche Leistungen des Sozialversicherungsträgers“ meint das Bruttokrankengeld. Dies hat das Arbeitsgericht richtig erkannt.
Zwar ist der Wortlaut nicht eindeutig. Das BAG (Urteil vom 10.12.1986 – 5 AZR 517/85 zu § 42 MTB II) hat aber den in § 37 Abs. 8 BAT und anderen Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes für die Berechnung des Krankengeldzuschusses verwendeten Begriff „tatsächliche Barleistungen des Sozialleistungsträgers“ bereits im Sinne des Bruttokrankengeldes, wie es von der gesetzlichen Krankenkasse im Leistungsbescheid festgesetzt wird, ausgelegt. Mit Urteil vom 24.04.1996 (5 AZR 798/94) hat es in Fortentwicklung des o.g. Urteils den allgemeinen Grundsatz aufgestellt, dass tarifliche Krankengeldzuschüsse auf der Basis des Bruttokrankengeldes zu berechnen sind, es sei denn, aus dem Tarifvertrag ergibt sich etwas anderes. Dem ist zu folgen. Das Gericht kann keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass sich aus dem MTV-BRK „etwas anderes“ ergibt. Im Gegenteil: In § 17 Abs. 3 2. Unterabsatz MTV-BRK werden die Begriffe der Barleistungen und der sozialversicherungsrechtlich auszulegende Begriff Krankengeld (vgl. BAG a. a. O. Rn. 21) verwendet, um eine Gleichbehandlung der nicht gesetzlich Versicherten mit den gesetzlich Versicherten zu erreichen.
Auch die Parteien gehen übereinstimmend für die Berechnung des Krankengeldzuschusses vom gezahlten Bruttokrankengeld aus.
c. Mit dem Begriff „gesetzliche Entgeltfortzahlung“ ist das um die steuer- und sozialrechtlichen Abzüge verminderte Bruttoentgelt, also das Nettoentgelt, gemeint.
aa. Der Wortlaut der tariflichen Regelung ist nicht eindeutig.
Zwar legt die Formulierung „gesetzliche Entgeltfortzahlung“ nahe, dass damit das dem Arbeitnehmer im Sinne von § 4 Abs. 1 EFZG „zustehende Arbeitsentgelt“ gemeint ist, also das (Brutto-)Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden Arbeitszeit unter Beachtung des § 4 Abs. 1a EFZG ohne Arbeitsunfähigkeit erhalten hätte (BAG 27.04.2016 – 5 AZR 229/15 – Rn. 23). Andererseits kann der tarifliche Begriff „gesetzliche Entgeltfortzahlung“ seinem Wortlaut nach auch das um Steuer und Sozialversicherungsbeiträge verminderte Nettoentgelt meinen, das sich bei Fortdauer der Entgeltfortzahlungspflicht ergäbe. Denn auch die Pflicht des Arbeitgebers, Lohnsteuer und den Arbeitnehmeranteil der Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit der Entgeltfortzahlung einzubehalten und an die zuständigen Stellen abzuführen, beruht auf Gesetz (§ 41a Abs. 1 EStG, § 28e Abs. 1 SGB IV).
Der tarifliche Begriff des Zuschusses zum Krankengeld in § 17 MTV-BRK spricht aber schon dafür, dass er das Krankengeld aus der Sozialversicherung aufstocken und jedenfalls nicht zu einer Verminderung des Krankengeldes führen soll.
bb. Auch der Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen gibt keinen eindeutigen Aufschluss.
Der Begriff Krankengeldzuschuss in § 17 MTV-BRK weist ebenfalls nicht eindeutig in die eine oder andere Richtung. Der Begriff wird gesetzlich zwar in § 23 c Abs. 1 Satz 1 SGB IV verwendet. § 23 c Abs. 1 SGB IV definiert aber nicht den Begriff, sondern regelt lediglich, bis zu welcher Höhe ein Zuschuss des Arbeitgebers zum Krankengeld beitragsfrei in der Sozialversicherung ist. Danach ist derzeit der Krankengeldzuschuss des Arbeitgebers beitragsfrei, wenn er – ausgehend vom Nettokrankengeld (jurisPK-SGB IV/Segebrecht, 3. Auflage, 2016, § 23 c SGB IV, Rn. 45) – das Nettoarbeitsentgelt (§ 47 SGB V) nicht um mehr als 50 € übersteigt. In der zum Zeitpunkt des Abschlusses des MTV-BRK geltenden Fassung war die Bagatellgrenze von 50 € nicht enthalten. Damals war jeder das Nettoarbeitsentgelt übersteigende Zuschuss beitragspflichtig.
Allerdings ist in § 17 Abs. 3 MTV-BRK, der die Höhe des Krankengeldzuschusses regelt, nur allgemein auf die „gesetzliche Entgeltfortzahlung“ Bezug genommen. Im Gegensatz hierzu ist in § 16 Abs. 1 und 2 MTV-BRK, in denen die Höhe der Entgeltfortzahlung geregelt ist, explizit auf die §§ 3 ff EFZG oder § 4 EFZG Bezug genommen. Dies deutet darauf hin, dass mit der allgemeineren Formulierung „gesetzliche Entgeltfortzahlung“ in § 17 Abs. 3 MTV-BRK möglicherweise auch die gesetzlichen steuer- und sozialrechtlichen Abzüge mit einbezogen werden sollten. Eindeutig ist dies freilich nicht.
Auch der tarifliche Gesamtzusammenhang führt daher nicht zu einem eindeutigen Auslegungsergebnis.
cc. Die Entstehungsgeschichte des MTV-BRK spricht eher dafür, dass der Krankengeldzuschuss nur die Differenz zum Nettoarbeitsentgelt und nicht zum Bruttoarbeitsentgelt abdecken soll. Unstreitig hatte das BRK die früheren Tarifverträge und insbesondere auch den früheren Manteltarifvertrag mit dem Ziel der Kosteneinsparung gekündigt. Der vor dem MTV-BRK vom 16.03.2006 geltende Tarifvertrag verwies auf die Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrags in der für die Tarifgemeinschaft Deutscher Länder geltenden Fassung. Danach wurde der Krankengeldzuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Krankengeld und der Nettourlaubsvergütung bezahlt (§ 37 Abs. 8 BAT). Sowohl aus der Tarifauskunft von Ver.di als auch aus der des BRK ergibt sich, dass eine Änderung der Berechnungsgrundlage des Krankengeldzuschusses – nunmehr anhand der Bruttovergütung – nie Gegenstand der Verhandlungen war. Vielmehr wollte Ver.di eine Verschlechterung des status quo verhindern und an den Formulierungen der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes festhalten sowohl hinsichtlich der Urlaubsvergütung als auch des Krankengeldzuschusses (vgl. Tarifauskunft von Ver.di, Blatt 311 der Akten). Bezüglich des Krankengeldzuschusses bedeutet dies, dass Ver.di an der „Nettoberechnung“ festhalten wollte. Dies wird bestätigt durch die Tarifauskunft des BRK, wonach die Dauer des Krankengeldzuschusses, weniger aber um dessen Höhe, verhandelt wurde. Danach wollte das BRK keine Erhöhung, sondern eine Deckelung des Zuschusses auf den Stand der Höhe des Krankengeldes in der am 31.05.2005 geltenden Fassung des § 47 SGB V (Blatt 285 der Akten).
Allerdings erklärt dies nicht hinreichend, warum die Tarifparteien dann nicht einfach das Nettoentgelt als Bezugspunkt vereinbart haben. Möglich erscheint daher auch, dass – wie Ver.di es schildert – die in der letzten Verhandlungsrunde am frühen Morgen in einem Vier-Augen-Gespräch gefundene Kompromissformulierung „gesetzliche Entgeltfortzahlung“ aus Sicht von Ver.di eine Kompensation für das Nachgeben an anderer Stelle, insbesondere beim Urlaubsentgelt, gewesen sein könnte – auch wenn dies nicht zwischen den Verhandlungsführern kommuniziert worden ist. Möglicherweise ist hier eine bewusst unterschiedlich interpretierbare Formulierung gewählt worden.
Auch unter Heranziehung der Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages ergibt sich daher keine eindeutige Auslegung.
dd. Wie die praktische Tarifübung war, ist letztlich nicht entscheidungserheblich. Sie dürfte allerdings eher für die von dem Beklagten vertretene Auffassung sprechen. Der MTV-BRK ist am 01.01.2007 in Kraft getreten. Seither ist nach dem Vortrag des Beklagten im Bereich des BRK der Krankengeldzuschuss immer bezogen auf das Nettoentgelt berechnet und bezahlt worden. Von Ver.di wurde dies nach Vortrag des Beklagten nicht beanstandet, obwohl Ver.di nach ihrer eigenen Tarifauskunft vom Bruttoentgelt als Ergebnis der Tarifverhandlungen bezogen auf den Krankengeldzuschuss ausging. Ein gerichtliches Verfahren wurde jedenfalls erstmals mit der vorliegenden Klage am 04.03.2015 eingeleitet. Hinzu kommt, dass Ver.di nach Abschluss der Tarifverhandlungen nie nach außen als Erfolg kund getan hat, dass sie im Bereich des Krankengeldzuschusses eine Verbesserung erreicht hat.
ee. Hinsichtlich der Praktikabilität unterscheiden sich die beiden möglichen Auslegungsergebnisse nicht entscheidend. Letztlich sind die Lohnabrechnungsprogramme einmalig entsprechend der gefundenen tariflichen Regelungen zu gestalten. Ob hier als Bezugspunkt für die Berechnung des Krankengeldzuschusses das Bruttoentgelt oder das Nettoentgelt zugrunde gelegt wird, erscheint zweitrangig.
ff. Entscheidend für die Auslegung des Beklagten, also das Nettoentgelt als Bezugspunkt für die Berechnung des Krankengeldzuschusses heranzuziehen, spricht, dass dies zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.
(1) Sinn und Zweck eines tariflichen Krankengeldzuschusses ist die Minderung wirtschaftlicher Nachteile, nicht jedoch die Verschaffung einer Begünstigung im Verhältnis zum Entgeltfortzahlungszeitraum oder zu Zeiten der Arbeitsleistung (BAG vom 26.03.2003 – 5 AZR 186/02 -, Rn. 24). Auch der Gesetzgeber des § 23 c SGB IV geht davon aus, dass Ziel dieser arbeitgeberseitigen Zusatzleistung die Abdeckung einer konkreten Bedarfssituation sei (BT-Drucksache 15/4228 vom 17.11.2004, S. 22) und stellt deswegen den Krankengeldzuschuss bis zur Höhe des Nettoarbeitseinkommens beitragsfrei.
(a) Würde man den Krankengeldzuschuss jedoch nicht am Nettoentgelt, sondern am Bruttoentgelt festmachen, so würde sich in der Regel ein höheres Nettoentgelt ergeben als während des vorangegangenen Entgeltfortzahlungszeitraums. Dies folgt daraus, dass das aufgrund sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften gezahlte Krankengeld nicht der Einkommensteuer unterliegt (§ 3 Nr. 1a EStG; Küttner/Thomas, Personalbuch 2016, „Krankengeld“, Rn. 7 und 8), sondern lediglich dem Progressionsvorbehalt (§ 32 Abs. Nr. 1 b EStG). Der Krankengeldzuschuss hingegen unterliegt der Einkommensteuer, und zwar zu einem Steuersatz, wie wenn das Krankengeld steuerpflichtig wäre. Würde der Krankengeldzuschuss die Differenz zwischen Bruttokrankengeld und dem nach § 4 EFZG zu zahlenden Bruttoentgelt ausgleichen, würden Steuern nur auf den Zuschuss erhoben, während im Entgeltfortzahlungszeitraum das gesamte Arbeitsentgelt zu versteuern wäre. Hinzu kommt, dass vom Krankengeld keine Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung einbehalten werden, andererseits der Krankengeldzuschuss nach Maßgabe des § 23 c Abs. 1 SGB IV beitragspflichtiges Arbeitseinkommen darstellt.
(b) Im Falle der Klägerin ergäbe sich ausgehend von den unstreitigen Beträgen für Oktober 2014 (Blatt 57 ff d. A.) und einem Krankengeldzuschuss in Höhe der Differenz zum Bruttoentgelt folgendes Bild:
Bruttoarbeitsentgelt
3140,65 €
Lohnsteuer (15,24%, Quote entsprechend Lohnabrechnung vom Oktober 2014))
– 478,59 €
Sozialversicherungsbeiträge (20,63%, Quote s.o.)
– 647,98 €
Nettoarbeitsentgelt
2014,08 €
Gezahltes Krankengeld brutto
1992,30 €
Gezahltes Krankengeld netto
1746,60 €
Krankengeldzuschuss brutto (3140,40 € – 1992,30 €)
1148,35 €
Lohnsteuer aus Krankengeldzuschuss(15,24%)
– 175,01 €
Sozialversicherungsbeiträge aus Krankengeldzuschuss (20,63% aus 880,87 €)
– 181,72 €
Differenz Arbeitgeberzuschuss und SV-Freibetrag (1148,35 € – 267,48 € = 880,87 €) ist in Sozialversicherung beitragspflichtig, da größer als 50 € Bagatellgrenze in 23 c Abs. 1 SGB IV SV-Freibetrag: Nettoarbeitsentgelt – Nettokrankengeld (2014,08 € – 1746,60 = 267,48 €)
Krankengeldzuschuss netto
791,62 €
Nettokrankengeld und Krankengeldzuschuss netto würden nach dem Verständnis der Klägerin also monatlich zusammen 2538,22 € betragen, das Nettoeinkommen während eines monatlichen Entgeltfortzahlungszeitraums dagegen nur 2014,08 €. Damit würden der Klägerin monatlich 524,14 € netto mehr zufließen. Darin läge nicht nur eine Minderung der Nachteile während des Krankengeldbezuges oder die Abdeckung einer konkreten Bedarfssituation, sondern eine erhebliche Begünstigung, die auch vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes nur schwer zu rechtfertigen wäre.
(c) Andererseits hat die Klägerin bei ihrer Argumentation nicht bedacht, dass der Krankengeldanspruch ruht, wenn und soweit der Arbeitnehmer beitragspflichtiges Arbeitsentgelt erhält. Krankengeldzuschüsse sind von der Anrechnung auf das Krankengeld aber nur ausgenommen, soweit sie das Nettoarbeitsentgelt zusammen mit dem Nettokrankengeld nicht um mehr als 50 € überschreiten (§§ 23 c Abs. 1 Satz 1 SGB IV, § 49 Abs. 1 Nr. 1 HS 1 SGB V; Küttner/Ruppelt, Personalbuch 2016 „Krankengeldzuschuss“ Rn. 3 f). Bei Abschluss des MTV-BRK durfte das Nettoarbeitsentgelt nach der damaligen gesetzlichen Regelung überhaupt nicht überschritten werden.
Würde man nun § 17 Abs. 3 MTV-BRK so interpretieren, dass der Krankengeldzuschuss die Differenz zum während des Entgeltfortzahlungszeitraumes zu entrichtenden Bruttoentgelt ausgleichen soll, würde der Krankengeldanspruch ruhen, soweit darin beitragspflichtiges Arbeitsentgelt enthalten ist. Das wäre im Falle der Klägerin nach der o.g. Berechnung für Oktober 2014 in Höhe von 880,87 € der Fall. Diesen Betrag müsste die Krankenkasse monatlich weniger aufwenden und würde der Klägerin monatlich auch fehlen. Unter dem Strich hätte die Klägerin monatlich weniger zur Verfügung als bei einer Berechnung des Krankengeldzuschusses anhand des Nettoentgelts. Andererseits würde der Zuschuss im Ergebnis nicht der Klägerin, sondern der Krankenkasse zugute kommen. Beides würde jedoch dem Zweck des tariflichen Krankengeldzuschusses widersprechen.
Zu ähnlichen Ergebnissen käme man, wenn man statt des gezahlten Krankengeldes nur 90% des während der Entgeltfortzahlung zu zahlenden Nettoentgelts zugrunde legen würde (vgl. § 47 Abs. 1 S. 2 SGB V). Das Bruttokrankengeld würde dann 1812,67 € betragen, der Krankengeldzuschuss 1327,98 € und das Nettokrankengeld 1589,12 €. Bei dem sich aus der Lohnabrechnung für Oktober 2014 ergebenden Lohnsteuerabzug von 15,24% (= 202,38 €) und den Sozialversicherungsbeiträgen von 20,63% aus dem beitragspflichtigen Anteil von 903,02 € (= 186,72) ergäbe sich ein Krankengeldzuschuss netto von 938,88 €. Nettokrankengeld und Krankgeldzuschuss netto würden dann zusammen 2528,- € betragen. Der Krankengeldzuschuss würde in Höhe von 903,02 € auf das Krankengeld angerechnet.
Insgesamt ist für das Gericht nicht erkennbar, dass es überhaupt Fälle geben könnte, in denen die Differenz zwischen Bruttokrankengeld und Bruttoentgelt niedriger sein könnte, als der Freibetrag nach § 23c Abs. 1 SGB IV, also der Differenz zwischen Nettokrankengeld und dem Nettoentgelt + 50 €. Nach der Berechnungsmethode der Klägerin würde der tarifliche Krankengeldzuschuss daher in aller Regel zu einer Minderung des Krankengeldes führen.
Ein solches Ergebnis widerspräche aber eindeutig dem tariflichen Begriff des Zuschusses zum Krankengeld. Denn Zuschuss heißt Aufstocken dessen, was bezuschusst werden soll, und nicht dessen Minderung.
(2) Legt man § 17 Abs. 3 MTV-BRK hingegen so aus, dass der Krankengeldzuschuss die Differenz zwischen Bruttokrankengeld und während des gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraums zu zahlenden Nettoentgelts ausgleichen soll, wird der Zweck, die Minderung der Nachteile zumindest zum Teil auszugleichen, erfüllt. Der erkrankte Arbeitnehmer würde durch die Zahlung des Krankengeldzuschusses nicht besser gestellt als während des Entgeltfortzahlungszeitraums oder während Zeiten der Arbeitsleistung, auch wenn die Krankenkasse eine Anrechnung nicht vornehmen oder auf die Rückforderung überzahlten Krankengeldes verzichten würde. Andererseits würde eine Anrechnung des Zuschusses auf das gezahlte Krankengeld von vorneherein nicht stattfinden. Der Krankengeldzuschuss würde nicht die Krankenkasse entlasten, sondern dem Arbeitnehmer voll zugute kommen.
d. Die Höhe des sich aus der gesetzlichen Entgeltfortzahlung ergebenden Nettobetrages ist sowohl für September als auch Oktober 2014 zwischen den Parteien unstreitig. Ein Berechnungsfehler ist weder gerügt, noch sonst ersichtlich. Als Bemessungsgrundlage ist allerdings nicht von den Regelungen im BAT oder nachfolgend dem TVL auszugehen. Vielmehr ist das Bruttoentgelt im Zeitraum der Entgeltfortzahlung nach § 16 Abs. 2 MTV-BRK zu ermitteln und hiervon die gesetzlichen Abzüge nach dem Steuer- und Sozialversicherungsrecht vorzunehmen. Denn § 17 Abs. 3 MTV-BRK verweist auf die gesetzliche Entgeltfortzahlung. § 16 Abs. 2 MTV-BRK bestimmt die Berechnungsgrundlage dabei in gesetzlich zulässiger Weise eigenständig (§§ 12 und 4 Abs. 4 EFZG).
C. Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§§ 91, 97 ZPO).
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Die Auslegung des § 17 Abs. 3 MTV-BRK betrifft eine Vielzahl von Arbeitnehmern über den Bezirk des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hinaus.