Aktenzeichen 5 Ca 167/19
Leitsatz
Bezugsobjekt der tariflichen Bewertung ist der Arbeitsvorgang, für dessen Bestimmung das Arbeitsergebnis maßgebend ist (BAG 28.02.2018 – 4 AZR 816/16 – BAGE 162, 81). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 52.386,84 € festgesetzt.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Gründe
A)
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG eröffnet. Das Arbeitsgericht Rosenheim – Kammer Traunstein – ist gemäß §§ 12, 17 ZPO örtlich zuständig, da die Beklagte ihren Sitz in B-Stadt hat.
B)
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klägerin ist nicht gemäß § 12 TVöD – VKA i.V.m. TVöD Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) Teil B Ziffer XI, 3. in Entgeltgruppe 14 eingruppiert.
1. Gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 TVöD – VKA ist ein Beschäftigter in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen (Satz 2). Hiernach ist Bezugsobjekt der tariflichen Bewertung der Arbeitsvorgang. Für die Bestimmung eines Arbeitsvorgangs ist das Arbeitsergebnis maßgebend (BAG 28.02.2018 – 4 AZR 816/16 – BAGE 162, 81; s.a. Protokollerklärung zu § 12 Abs. 2 TVöD – VKA). Für die Eingruppierung von Ärzten mit Leitungsfunktion hat das BAG darauf hingewiesen, dass die Ausübung einer bestimmten Funktion oder die Übernahme einer Leitungstätigkeit häufig für die Annahme eines einheitlichen Arbeitsvorgangs spreche (BAG 16.05.2012 4 AZR 300/10 – ZTR 2012, 699).
2. Die instanzgerichtliche Rechtsprechung kommt in vergleichbaren Fällen wie dem vorliegenden zu unterschiedlichen Ergebnissen (siehe etwa ArbG Kaiserslautern 06.06.2018 – 4 Ca 98/17, ArbG Rosenheim 27.0.2.2019 – 4 BV 11/18 einerseits, ArbG München 23.01.2019 – 10 Ca 646/18 andererseits). Nach Überzeugung der hier zur Entscheidung berufenen Kammer handelt es sich bei der Lehrtätigkeit der Klägerin und der Ausübung ihrer Leitungsfunktion um zwei verschiedene Arbeitsvorgänge. Während die Lehrtätigkeit in erster Linie auf Wissensvermittlung ausgerichtet ist, ist Gegenstand der von der Klägerin vorgetragenen Leitungstätigkeit insbesondere die dahinterstehende Organisation des Schulbetriebs, die Vorbereitung und Abnahme von Prüfungen, die Betreuung von Praktikanten sowie die Kommunikation mit Dritten. Diese beiden Arbeitsvorgänge sind nicht nur trennbar, sondern nach dem Vortrag der Parteien auch tatsächlich getrennt. Während die Klägerin unterrichtet, führt sie keine Leitungstätigkeiten aus, während sie Leitungsaufgaben wahrnimmt, unterrichtet sie nicht. Die Klägerin behauptet auch nicht, dass sich ihre Unterrichtsgestaltung aufgrund ihrer Leitungsfunktion in irgendeiner Weise anderes darstelle als die ihrer Kollegen. Anders als im Falle der vom BAG in der oben genannten Entscheidung bewerteten ärztlichen Tätigkeit sind vorliegend die verschiedenen Arbeitsvorgänge nicht der Gestalt verwoben, dass sie notwendig einheitlich zu beurteilen wären.
Entgegen der klägerischen Auffassung ergibt sich aus Ziffer XI.3 der Entgeltordnung (VKA) nichts Anderes. Diese regelt nach den eindeutigen Tarifwortlaut lediglich die Bewertung der einzelnen Arbeitsvorgänge. Der systematische Gesamtzusammenhang der Beschreibung der Entgeltgruppen in Ziffer XI.3. der Entgeltordnung spricht eher gegen die klägerische Interpretation. So unterfallen der Entgeltgruppe 11 Alternative 2 „Beschäftigte der Entgeltgruppe 10 als stellvertretende Leiterinnen oder Leiter […] einer Hebammenschule“. In diesem Fall haben die Tarifvertragsparteien mittelbar sowohl die Lehrtätigkeit als auch die Leitungsfunktion zu den Merkmallen der einschlägigen Entgeltgruppe gezählt. Für Entgeltgruppe 14 gilt dies nicht.
Im Ergebnis steht daher zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Lehrtätigkeit und die Ausübung der Angesichts der Tatsache, dass die Leitungsfunktion unter Zugrundelegung dieser getrennten Betrachtung unstreitig zeitlich weniger als 50% der von der Klägerin ausgeführten Arbeitsvorgänge ausmacht, ist die Klägerin demnach nicht in Entgeltgruppe 14 eingruppiert (§ 12 Abs. 2 S. 2 TVöD – VKA).
Der Feststellungantrag war daher abzuweisen.
3. Die Entscheidung der 4. Kammer des Arbeitsgerichts Rosenheim – Kammer Traunstein vom 27.02.2019 in Sachen 4 BV 11/18, welche ebenfalls die Eingruppierung der Klägerin im hiesigen Verfahren betrifft steht dem nicht entgegen. Dieses Verfahren hat keine präjudizielle Wirkung für die Eingruppierungsklage im Urteilsverfahren (Fitting, BetrVG, § 99 RdNr. 101 m.w.N.). Die Kammer ist sich der Friktionen bewusst, welche insoweit durch widersprüchliche Entscheidungen im Beschlussverfahren und im Urteilsverfahren entstehen. Aufgrund ihrer im vorliegenden Verfahren gebildeten Überzeugung sieht die Kammer jedoch keine Möglichkeit, diese Folge der Zweigleisigkeit des Rechtsschutzes in Eingruppierungsfragen zu vermeiden.
II.
Infolge der unter Ziffer I. dargestellten Rechtslage war der klägerische Zahlungsanspruch gleichfalls abzuweisen. Eine andere Rechtsgrundlage für den Zahlungsanspruch als ihre Eingruppierung in Entgeltgruppe 14 hat die Klägerin nicht dargelegt.
C)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Der Streitwert wird gemäß § 3 ZPO mit dem 36-fachen von der Klägerin geltend gemachten Unterschiedsbetrag festgesetzt.
Die Berufung war gemäß § 64 Abs. 3 Nr. 2 lit. b ArbGG zuzulassen.