Aktenzeichen W 1 K 17.547
LlbG Art. 6, Art. 38, Art. 39, Art. 67
GG Art. 3 Abs. 1
FachV-VetD § 2, § 3
Leitsatz
1. Die Tätigkeit einer studentischen Hilfskraft während des Studiums ist eine Nebentätigkeit und keine hauptberufliche Tätigkeit, die bei der Stufenfestsetzung gem. Art. 31 Abs. 2 S. 1 BayBesG Berücksichtigung finden kann. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Art. 31 BayBesG erfasst nur hauptberufliche Beschäftigungszeiten unselbständiger oder selbständiger Art, die nicht bereits nach der Verordnung über den fachlichen Schwerpunkt Veterinärdienst Voraussetzung für den laufbahnrechtlichen Qualifikationserwerb sind. (Rn. 13 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 25. April 2017 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zu einer erneuten ermessensfehlerfreien Entscheidung über die Anerkennung von Zeiten als sonstige für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten gem. Art. 31 Abs. 2 BayBesG (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Gem. Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG kann der Zeitpunkt des Diensteintritts auf Antrag um sonstige für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten fiktiv vorverlegt werden.
1. Hinsichtlich der Tätigkeit als studentische Hilfskraft an der LMU liegen bereits die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift nicht vor. Voraussetzung für eine fiktive Vorverlegung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift zunächst eine hauptberufliche Tätigkeit. Eine solche Hauptberuflichkeit ist dann anzunehmen, wenn die fragliche Beschäftigung entgeltlich erbracht wird, nach den Lebensumständen des Betroffenen den beruflichen Tätigkeitsschwerpunkt darstellt und die Beschäftigung mindestens in dem im Beamtenverhältnis zulässigen Umfang abgeleistet wurde (Nr. 31.2.1 i.V.m. Nr. 31.1.1.9 BayVwVBes; LT-Drs. 16/3200 S. 382; vgl. auch Art. 24 Abs. 3 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes – BayBeamtVG). Der Begriff der „Hauptberuflichkeit“ weist zwei Komponenten auf: Zum einen dient er – über das Merkmal „Haupt-“ – der Abgrenzung zu nebenberuflichen Tätigkeiten (vgl. zu §§ 10, 11 BeamtVG – BVerwG, U.v. 25.5.2005 – 2 C 20.04 – juris Rn. 25; U.v. 24.6.2008 – 2 C 5.07 – Rn. 12). Zum anderen erfolgt über das Element „beruflich“ die Grenzziehung zu den – der beruflichen Tätigkeit vorgelagerten, den Kompetenzerwerb für die Berufsausübung erst ermöglichenden – Ausbildungsphasen, unabhängig davon, ob sie konkret erforderlich waren oder nicht. Während Zeiten einer Berufsausbildung (wozu auch ein Studium an einer Präsenzhochschule zu rechnen ist), die üblicherweise in Vollzeit erbracht werden, können grundsätzlich keine hauptberuflichen Zeiten vorliegen (Nr. 31.2.1 BayVwVBes). Da die Tätigkeit als studentische Hilfskraft während des Studiums erbracht wurde, handelt es sich lediglich um eine Nebentätigkeit und gerade nicht um eine hauptberufliche Tätigkeit.
2. Hinsichtlich der Beschäftigungszeiten als angestellte Tierärztin an der FAU sowie als angestellte Tierärztin beim Landratsamt sind diejenigen Zeiten nicht zu berücksichtigen, die bereits Voraussetzung für den laufbahnrechtlichen Qualifikationserwerb sind, mithin zwei Jahre hauptberufliche Tätigkeit (a)) sowie die Zeiten während des Amtstierarztlehrgangs (b)).
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zum Neuen Dienstrecht in Bayern vom 5. August 2010 (GVBl S. 410) wurde in Art. 30 und 31 BayBesG eine neue Regelungssystematik für das bayerische Besoldungsrecht geschaffen. Die Bemessung des Grundgehalts nach Stufen und die Zuordnung zu den Stufen ergeben sich aus Art. 30 BayBesG. Grundsätzlich erfolgt die Zuordnung zur ersten mit einem Grundgehalt ausgewiesenen Stufe der maßgeblichen Besoldungsgruppe. In den Besoldungsgruppen A 13 und A 14 wurden die ersten zwei mit einem Wert belegten Stufen gestrichen und damit zugleich die Anfangsgrundgehälter gegenüber dem Stand vom 31. Dezember 2010 angehoben. Ziel ist eine pauschale Berücksichtigung der üblichen Schul-, Ausbildungs- und Studienzeiten (vgl. Nr. 30.0.1 BayVwVBes; VG Bayreuth, U.v. 14.4.2015 – B 5 K 13.12 – juris). Die fehlende Belegung der Anfangsstufen in den genannten Besoldungsgruppen ist in den höheren Ausbildungszeiten und dem daraus typischerweise resultierenden höheren Eintrittsalter begründet (VG Bayreuth, U.v. 14.4.2015 – B 5 K 13.12 – juris). Die Mindestanforderungen für Regelbewerber nach Art. 6 ff. des Leistungslaufbahngesetzes (LlbG) – die Vorbildung gemäß Art. 7 LlbG und der Vorbereitungsdienst als Ausbildung gemäß Art. 8 LlbG (Nr. 31.1.1.2 BayVwVBes) – sind in der neuen Tabellenstruktur insbesondere durch die im Anfangsgrundgehalt angehobenen Grundgehaltssätze (im Vergleich zu den am 31. Dezember 2010 geltenden Tabellenbeträgen) bereits berücksichtigt (Nr. 31.1.1.3 BayVwVBes). Bei Beamtenanfängern in der 4. Qualifikationsebene hat der Gesetzgeber pauschalierend acht Jahre Vor- und Ausbildungszeit zugrunde gelegt (Nr. 31.1.1.7 BayVwVBes).
Hieraus lässt sich zur Überzeugung des Gerichts der Grundgedanke einer Trennung zwischen den von Art. 30 BayBesG berücksichtigten Ausbildungszeiten, d.h. den Zeiten für den Erwerb der Voraussetzung für die Zulassung zur Fachlaufbahn in der entsprechenden Qualifikationsebene, einerseits und (sonstigen) Beschäftigungszeiten, deren Berücksichtigung in Art. 31 Abs. 2 BayBesG geregelt ist, andererseits ableiten (vgl. auch die Begründung zum Gesetzentwurf vom 26. Februar 2010, LT-Drs. 16/3200 S. 383). Da die fiktive Vorverlegung des Diensteintritts nach Art. 31 Abs. 2 BayBesG eine Abweichung vom Grundsatz des Art. 30 Abs. 1 BayBesG darstellt, bedarf diese Vorverlegung als Ausnahmeregelung einer besonderen Rechtfertigung (LT-Drs. 16/3200 S. 382). Einen umfassenden Rechtsanspruch auf Anerkennung aller denkbaren Tätigkeitszeiten hat der Gesetzgeber gerade nicht beschlossen (vgl. VG Würzburg, U.v. 17.7.2012 – W 1 K 11.985 – juris Rn. 32 unter Hinweis auf den Änderungsantrag in LT-Drs. 16/3893). Art. 31 BayBesG erfasst daher nur hauptberufliche Beschäftigungszeiten unselbständiger oder selbständiger Art, die nicht bereits Voraussetzung für den laufbahnrechtlichen Qualifikationserwerb sind (Nr. 31.2.1 Satz 1 BayVwVBes).
a) § 2 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung über den fachlichen Schwerpunkt Veterinärdienst (FachV-VetD) sieht als Einstellungsvoraussetzung mindestens zwei Jahre hauptberufliche tierärztliche Tätigkeit vor, wovon mindestens neun Monate an einer Behörde der bayerischen Veterinärverwaltung abgeleistet werden müssen. Dies stellt nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Art. 38, Art. 39 Abs. 2 Nr. 2, Art. 67 LlbG eine Voraussetzung für den laufbahnrechtlichen Qualifikationserwerb dar, so dass eine Berücksichtigung im Rahmen des Art. 31 Abs. 2 BayBesG nicht in Betracht kommt. Daher sind von der Tätigkeit als angestellte Tierärztin bei der FAU ein Jahr und drei Monate, von der Tätigkeit als angestellte Tierärztin beim LRA neun Monate nicht anzurechnen.
b) Auch die Teilnahme am Amtstierarztlehrgang stellt eine Voraussetzung für den laufbahnrechtlichen Qualifikationserwerb dar gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5, § 8 Abs. 1 FachV-VetD, so dass die darauf entfallenden weiteren 18 Monate als angestellte Tierärztin am Landratsamt nicht zu berücksichtigen sind.
Ausbildungszeiten stellen gerade keine Berufsausübung dar, sondern dienen dem Erlernen eines Berufs (s.o. unter 1.). Auch wenn während der Ausbildungszeit praktische Tätigkeiten an den Ausbildungsbehörden abzuleisten sind, sind diese Zeiten Bestandteil der Berufsausbildung für die spätere hauptberufliche Tätigkeit und ermöglichen keine auf Art. 31 Abs. 2 BayBesG gestützte Anerkennung.
Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus dem Umstand, dass § 3 Abs. 1 FachV-VetD für den Amtstierarztlehrgang lediglich eine Dauer von sechs Monaten vorsieht. Unstreitig hat die Klägerin den neu konzeptionierten Amtstierarztlehrgang mit einer Dauer von 18 Monaten absolviert und sich während dieser Zeit daher in der Ausbildungsphase befunden. Zwar obliegt es dem Beklagten überholte Verordnungen zeitnah an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Jedoch ist ein daraus resultierender Nachteil für die Klägerin vorliegend nicht ersichtlich, da das Landesamt für Finanzen mit Bescheid vom 10. Mai 2017 im Rahmen des Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG aufgrund der Überschreitung der pauschal eingerechneten acht Jahre Ausbildungszeit durch den verlängerten Amtstierarztlehrgang den Diensteintritt der Klägerin bereits um ein weiteres Jahr (nämlich auf den 1. März 2015) fiktiv vorverlegt hat. Eine zusätzliche Berücksichtigung im Rahmen des Art. 31 Abs. 2 BayBesG würde daher zu einer Doppelberücksichtigung führen.
c) Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin eine Ungleichbehandlung gegenüber Amtstierärzten in anderen Regierungsbezirken rügt, ist sie trotz gerichtlichem Vorhalt in der mündlichen Verhandlung einen Nachweis schuldig geblieben. Soweit die Klägerin eine Schlechterstellung gegenüber der Amtstierärztin Dr. S. rügt, liegt eine verfassungswidrige Benachteiligung der Klägerin mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte nicht vor, da es sich bei Dr. S. um eine Beamtin der Stadt München und gerade nicht des Beklagten handelt. Der Gleichbehandlungsanspruch besteht jedoch nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung zuständigen Träger öffentlicher Gewalt. Jeder Dienstherr ist daher nur verpflichtet, in seinem Hoheitsbereich den Gleichheitssatz zu wahren (vgl. BVerfG, B.v. 21.12.1966 – 1 BvR 33/64 – juris).
Auch aus dem vorgelegten (geschwärzten) Bescheid des Landesamtes für Finanzen Landshut ergibt sich für das Gericht keine Ungleichbehandlung durch Anerkennung der Zeiten des Amtstierarztlehrgangs oder der Berücksichtigung der vorgeschriebenen hauptberuflichen Tätigkeit gem. § 2 Abs. 3 FachV-VetD. Dort wurde hinsichtlich der Tätigkeit als Tierarzt bei der Regierung von Oberbayern lediglich der Zeitraum vom 1. April 2014 bis 31. Juli 2014 anerkannt. Da es sich hierbei lediglich um vier Monate handelt, spricht dies nicht für eine Anerkennung des Amtstierarztlehrganges, der damals jedenfalls mindestens sechs Monate dauerte. Auch kann das Gericht diesem Bescheid gerade nicht entnehmen, dass zwei Jahre hauptberufliche Tätigkeit gem. § 2 Abs. 3 FachV-VetD im Rahmen des Art. 31 Abs. 2 BayBesG angerechnet worden seien. Zwar rechnet der Bescheid insgesamt sechs Jahre an. Da jedoch nur die angerechneten Zeiten aufgeführt werden, bleibt unklar, welche Zeiten gerade keine Berücksichtigung gefunden haben. Der Nachweis einer Ungleichbehandlung kann daher nicht geführt werden.
3. Unstreitig erfolgte auch die Nichtberücksichtigung der ersten beiden Jahre (ein Jahr drei Monate als Angestellte der FAU und neun Monate als Angestellte beim LRA) der hauptberuflichen Beschäftigung im Bescheid zu Recht gem. Art. 31 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBesG. Denn nach der durch § 2 des Nachtragshaushaltsgesetzes 2016 vom 22. Dezember 2015 – NHG 2016 – (GVBl S. 477) neu in das Gesetz eingefügten Vorschrift des Art. 31 Abs. 2 Satz 2 BayBesG kann der Zeitpunkt des Diensteintritts für die ersten beiden Jahre einer förderlichen hauptberuflichen Beschäftigungszeit nicht fiktiv vorverlegt werden.
4. Da es – wie oben dargelegt – bereits am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG fehlt, erübrigt sich eine Nachprüfung der Ermessensbetätigung des Beklagten gem. § 114 VwGO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.