Arbeitsrecht

Teilweise erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit aufgrund rezidivierender depressiver Störung

Aktenzeichen  16a D 15.1110

Datum:
25.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG BayDG Art. 14
BayDG BayDG Art. 10

 

Leitsatz

1 Im Zusammenhang mit einer missbräuchlichen Internetnutzung steht die einhergehende Verletzung der Pflicht nach § 34 S. 1 BeamtStG im Vordergrund, sich mit vollem persönlichem Einsatz seinem Beruf zu widmen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2 Mit der Weigerung, die ärztlicherseits für erforderlich gehaltene und zumutbare Therapie mit begleitender fachärztlicher Behandlung durchzuführen, verstößt der Beamte zugleich gegen seine Pflicht nach § 35 S. 2 BeamtStG, dienstliche Anweisungen zu befolgen. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die schuldhafte Weigerung, die Dienstfähigkeit zu erhalten oder im gegebenen Fall durch zumutbare Maßnahmen wiederherzustellen, stellt eine Pflichtverletzung von erheblichem disziplinaren Gewicht dar. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
4 Einzelfall, in dem der Beamte krankheitsbedingt durch die mit der Weisung einhergehende Planung überfordert gewesen und trotz leicht einsehbarer Kernpflicht von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt auszugehen ist. (Rn. 63 – 66) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 13 DK 14.1515 2015-04-14 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. In Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 14. April 2015 wird der Beklagte in das Amt eines Steuersekretärs (BesGr. A 6) versetzt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und hat in der Sache (teilweise) Erfolg. In Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 14. April 2015 wird der Beklagte in das Amt eines Steuersekretärs (BesGr. A 6) versetzt.
I.
Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht – wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat – keine Mängel auf. Solche sind vom Beklagten im Beru-fungsverfahren auch nicht geltend gemacht worden.
II.
Der vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt hinsichtlich der dem Beklagten in der Disziplinarklage vorgeworfenen Anschuldigungspunkte wurde von Seiten des Beklagten eingeräumt und steht auch zur Überzeugung des Senats fest.
1. Missbräuchliche Internetnutzung während der Arbeitszeit
1.1 Der Beklagte hat zwischen dem 2. November 2012 und dem 28. Februar 2013 an 67 Arbeitstagen in unberechtigter Weise während der Dienstzeit in einem Umfang von insgesamt ca. 282 Stunden das Internet am Arbeitsplatz zu privaten Zwecken genutzt und dabei entgegen der bestehenden Dienstvereinbarung über 6400 Seiten mit pornografischem Inhalt aufgerufen.
1.2 Der Beklagte hat an insgesamt sechs Tagen im Zeitraum zwischen dem 2. November 2012 und dem 28. Februar 2013 morgens die Dienststelle aufgesucht und dort im Umfang von etwa fünf Stunden das Internet zu privaten Zwecken genutzt, wobei er auch 134 Seiten mit pornographischem Inhalt aufgerufen hat. An zwei dieser Tage hat er sich, obwohl Urlaub für diese Tage genehmigt war, nachträglich die Anwesenheit an der Dienststelle als Arbeitszeit gutschreiben lassen, wobei er während seiner Arbeitszeit im Umfang von jeweils über 30 Minuten unberechtigt zu privaten Zwecken im Internet gesurft ist.
2. Der Beklagte wurde mit Weisung vom 6. Juni 2013 aufgefordert, umgehend eine suchttherapeutische Behandlung durchzuführen sowie sich in ständige Betreuung eines niedergelassenen Facharztes für Psychiatrie und Neurologie zu begeben und bis spätestens 30. Juni 2013 Nachweise über die eingeleiteten Schritte vorzulegen. Dieser Weisung ist der Beklagte nicht nachgekommen.
III.
Der Beklagte hat durch diese zur Überzeugung des Gerichts festgestellten Sachverhalte gegen die ihm aus § 34 Satz 1 und Satz 3 BeamtStG (Beamtenstatusgesetz) obliegenden Pflichten zum vollen Einsatz für den Beruf sowie zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten sowie gegen seine Gehorsamspflicht gemäß § 35 Satz 2 BeamtStG verstoßen.
1. Durch das Verhalten des Beklagten im Hinblick auf die erhebliche missbräuchliche Internetnutzung (Abschnitt II Ziff. 1) hat er seine Pflicht gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG, sich innerhalb des Dienstes vertrauenswürdig gegenüber seinem Dienstherrn zu verhalten, unabhängig davon verletzt, welchen nicht-dienstlichen Inhalt die abgerufenen Internetseiten konkret hatten. Denn er hat mit der weisungswidrigen Internetnutzung zugleich den ihm vom Dienstherrn mit der Bereitstellung des Internetzugangs gewährten Vertrauensvorschuss, dass er den ihm technisch uneingeschränkt zur Verfügung gestellten Internetzugang nur dienstlich nutzen werde, missbraucht (vgl. Sächs. OVG, U.v. 3.6.2016 – 6 A 64/15.D – juris Rn. 91 m.w.N.). Darüber hinaus ist das Aufrufen und Ansehen pornografischer Internetseiten durch einen Beamten in den Diensträumen einer Behörde und mit einem vom Dienstherrn zur Verfügung gestellten und aus Steuermitteln finanzierten Computer nach Auffassung des Senats auch geeignet, das Ansehen der Beamtenschaft im Auge des Bürgers gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG zu beeinträchtigen (vgl. SächsOVG, B.v. 27.6.2005 – 2 BS 103/05 – juris Rn. 6 f.; VG Dresden, U.v. 21.03.2017 – 10 K 873/16 – juris Rn. 61; a.A. OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 12.2.2015 – OVG 80 D 2.12 – juris Rn. 40.
Für den Senat steht in diesem Zusammenhang allerdings die mit der missbräuchlichen Internetnutzung einhergehende Verletzung der Pflicht nach § 34 Satz 1 BeamtStG im Vordergrund, sich mit vollem persönlichem Einsatz seinem Beruf zu widmen. Die hierauf verwendeten 282 Stunden Dienstzeit im verfahrensgegenständlichen Zeitraum entsprechen in etwa einer nicht geleisteten Arbeitszeit von insgesamt sieben Wochen.
2. Mit der Weigerung, sich der amtsärztlich für erforderlich gehaltenen Therapie zu unterziehen (Abschnitt 2 Ziff. 2), hat der Beklagte gegen seine Verpflichtung zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung seiner Gesundheit verstoßen.
Eine ausdrückliche Regelung über die Gesunderhaltungspflicht und deren Grenzen enthält das Beamtenstatusgesetz nicht. Eine grundsätzliche Pflicht zur Gesunderhaltung kann jedoch aus der Pflicht zum vollen Einsatz im Beruf gemäß § 34 Satz 1 BeamtStG hergeleitet werden (vgl. Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand Juli 2015, § 34 BeamtStG Rn. 83 mit weiteren Nachweisen; Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand Oktober 2007, MatR/II, Rn. 290; BVerfG, B.v. 19.2.2003 – 2 BvR 1413/01 – juris Rn. 34). Die Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz im Beruf umfasst das Bemühen, die Gesundheit so weit zu bewahren, dass die Fähigkeit zur Dienstleistung nicht schuldhaft eingeschränkt oder aufgehoben wird. Der gesunde Beamte ist danach verpflichtet, seine volle Dienstfähigkeit und damit seine Arbeitskraft im Interesse des Dienstherrn nach Möglichkeit zu bewahren und, soweit sie eingeschränkt oder aufgehoben ist, nach Möglichkeit wieder zu erlangen (vgl. BVerwG, U.v. 10.1.1980 – 1 D 56/79 – juris Rn. 17; BayVGH, U.v. 14.10.2015 – 16a D 14.351 – juris Rn. 57; U.v. 20.4.2005 – 16a D 04.531 – juris Rn. 34).
Dies setzt gegebenenfalls auch voraus, sich zur Erhaltung oder Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit einer zumutbaren Heilbehandlung zu unterziehen. Ob diese zumutbar ist, kann nicht grundsätzlich, sondern nur nach Maßgabe der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden (vgl. BayVGH, U.v. 14.10.2015 a.a.O Rn. 58 m.w.N.). Hiernach erscheint die Anordnung, sich einer suchttherapeutischen Behandlung zu unterziehen sowie sich in ständige Betreuung eines niedergelassenen Facharztes für Psychiatrie und Neurologie zu begeben, durchaus zumutbar. Es ist auch nicht erkennbar, dass mit der Behandlung gesundheitliche Risiken verbunden gewesen wären. Zudem hat sich der Beklagte in der Vergangenheit auch wiederholt freiwillig stationär behandeln lassen, um seine gesundheitlichen Probleme in den Griff zu bekommen.
Es liegt auch kein ungerechtfertigter Eingriff in die Grundrechte des Beklagten vor. Ein Beamter ist aus bereits dargelegten Gründen verpflichtet, sich einer zumutbaren Heilbehandlung zu unterziehen. Für den Senat steht auch fest, dass der Beklagte keine geeigneten Maßnahmen zur Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit ergriffen hat. Die vier von ihm wahrgenommenen Beratungsgespräche im Zeitraum von Juni bis September 2013 erfolgten lediglich in Vorbereitung einer ambulanten Entwöhnungstherapie. Hinsichtlich der angewiesenen fachärztlichen Behandlung wurden vom Beklagten keinerlei Schritte unternommen. Mit der Weigerung, die ärztlicherseits für erforderlich gehaltene und zumutbare Therapie mit begleitender fachärztlicher Behandlung, durchzuführen, hat der Beklagte zugleich gegen seine Pflicht nach § 35 Satz 2 BeamtStG verstoßen, dienstliche Anweisungen zu befolgen (vgl. BayVGH, U.v. 14.10.2015 a.a.O Rn. 67).
3. Der Senat geht vorliegend davon aus, dass die Dienstpflichtverletzungen dem Beklagten auch vorwerfbar sind.
3.1 Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte fähig war, die Pflichtwidrigkeit seiner Handlungen einzusehen. Dem Amtsärztlichen Zeugnis vom 30. April 2013 lässt sich insofern entnehmen, dass dem Beklagten trotz der diagnostizierten Erkrankungen die Pflicht zur Befolgung der ihm erteilten Weisung erkennbar war (s. S. 2: …“hatte der Beklagte mir versprochen, er kümmert sich (…) um Termine für Suchtberatung und Therapieangebote…“), auch wenn er subjektiv den Umfang der notwendigen Behandlung anders einschätzte und eine ständige Betreuung durch einen Facharzt nicht für notwendig hielt. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen aus dem im Berufungsverfahren eingeholten psychiatrischen Sachverständigengutachten vom 18. März 2017 durch Herrn Prof. Dr. S … und seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2017.
Im Gutachten vom 18. März 2017 wurde festgestellt, dass beim Beklagten eine Alkoholabhängigkeit (ICD-10: F 10.2), eine Dysthymie (ICD-10: F 34.1) sowie eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig schwerer depressiver Episode (ICD-10: F 33.2) vorliege. Die Alkoholabhängigkeit habe bisher zu keinen hirnorganischen Beeinträchtigungen geführt und das Persönlichkeitsgefüge des Probanden sei nicht derart beeinträchtigt, dass sie einem Eingangsmerkmal des § 20 StGB zugeordnet werden könnte. Die depressive Störung des Beklagten, die in dieser Ausprägung während des verfahrensgegenständlichen Zeitraums bestanden habe, könne dem ersten Eingangsmerkmal des § 20 StGB zugeordnet werden. Es wurde ausdrücklich festgestellt, dass ein solcher Zustand nicht zur Aufhebung der Einsichtsfähigkeit beim Beklagten geführt habe (s. S. 35 des Gutachtens).
In der mündlichen Verhandlung ergänzte der Gutachter seine Ausführungen dahingehend, dass in Bezug auf die Internetnutzung zum Betrachten von Pornografie die Einsichtsfähigkeit, dass dies verboten sei, erhalten geblieben sei. Der Senat geht deshalb davon aus, dass dem Beklagten auch bewusst gewesen ist, dass er mit der während der Dienstzeit erfolgten massiven Internetnutzung inklusive dem Aufruf von über 6400 Seiten mit pornografischem Inhalt und der Nichtbefolgung der Weisung, sich suchtherapeutisch behandeln und dabei von einem niedergelassenen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie fachärztlich betreuen zu lassen, seine dienstlichen Pflichten verletzt hat (vgl. Zängl, Bayerisches Diszisplinarrecht, Stand August 2017, MatR/I Rn. 48).
3.2 Eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB konnte von Seiten des Gutachters jedoch nicht ausgeschlossen werden. Zudem stellte er klar, dass aufgrund der störungsspezifischen Ambivalenz und Antriebsstörung der Beklagte nicht ausreichend in der Lage gewesen sei, die dienstlich erteilte Weisung vom 6. Juni 2013 zu befolgen. Hier habe eine komplexere Handlungsanforderung für den Beklagten vorgelegen, der Termine planen und einen Arzt hätte aufsuchen müssen. Mit dieser Planung sei er überfordert gewesen, ein Substitut für den fehlenden eigenen Antrieb wäre erforderlich gewesen, weshalb seine Steuerungsfähigkeit aufgehoben gewesen sei. Der Senat geht folglich im Hinblick auf beide Vorwürfe von einer zumindest verminderten Schuldfähigkeit des Beklagten aus.
IV.
Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG. Gleichwohl ist nach Überzeugung des Senats von einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit noch nicht auszugehen. Die besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls erlauben ausnahmsweise eine mildere Bewertung des Dienstvergehens und führen zu einer Zurückstufung des Beklagten.
1. Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12).
2. Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßge-bendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Dabei können die von der Rechtsprechung für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zugrunde gelegt werden. Für die endgültige Bestimmung der Disziplinarmaßnahme ist dann entscheidend, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (BVerwG, U.v. 3.5.2007 – 2 C 9.06 – juris Rn. 21). Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgeblich auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können die objektiven Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte bestimmend sein (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – juris Rn. 16).
Die Verhängung der Höchstmaßnahme ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Abwä-gung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Beamten ergibt, dass es dem Dienstherrn nicht mehr zuzumuten ist, mit dem betroffenen Beamten das Beamtenverhältnis fortzusetzen. Neben der Schwere des Dienstvergehens sind dabei auch die persönlichen Verhältnisse und das sonstige dienstliche Verhalten des Beamten vor, bei und nach dem Dienstvergehen zu berücksichtigen. Es ist hierbei eine Prognose zu treffen, ob sich der Beamte aus der Sicht des Dienstherrn und der Allgemeinheit zukünftig so verhalten wird, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich zu erwarten ist. Die gesamte Prognosegrundlage, also die Bewertung der Schwere des Dienstvergehens wie auch aller anderen Bemessungsgesichtspunkte, die im Hinblick auf entlastende Kriterien nicht nur auf sog. anerkannte Milderungsgründe beschränkt sind, muss ergeben, ob der Schluss auf einen verbliebenen Rest an Vertrauen in die Person des Beamten noch möglich oder der Vertrauensverlust umfassend eingetreten ist; dies ist eine Frage der Gesamtabwägung im Einzelfall (vgl. BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 2 C 12.04 – juris Rn. 30).
3. Für den vorliegenden Fall ergibt sich danach Folgendes:
Bei der Bemessung der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme hatte der Senat zu berücksichtigen, dass es bei der zur Beurteilung stehenden Dienstverfehlung kein Regelmaß gibt, sondern stets die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind. Fallen einem Beamten – wie hier – mehrere Dienstpflichtverletzungen zur Last, die in ihrer Gesamtheit das einheitliche Dienstvergehen ergeben, so bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (BayVGH, U. v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540 – juris Rn. 66; U.v. 13.7.2011 – 16a D 09.3127 – juris). Die schwerste Dienstpflichtverletzung ist vorliegend in der Weigerung zu sehen, sich der amtsärztlich zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit angewiesenen Suchttherapie inklusive der begleitenden fachärztlichen Behandlung bei einem Facharzt für Psychiatrie und Neurologie zu unterziehen.
3.1 Die Treuepflicht und die Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz sowie zur Befolgung von Weisungen gebieten dem Beamten, dem Dienstherrn seine ganze Arbeitskraft zur Erfüllung der dienstlichen Aufgaben zur Verfügung zu stellen, demgemäß diese Arbeitskraft auch voll zu erhalten bzw. alles zur unverzüglichen Wiederherstellung der Dienstfähigkeit zu tun.
Die Dienstfähigkeit ist für die Erfüllung der nach dem Beamtenverhältnis obliegenden Pflichten von erheblichem Einfluss: Ohne körperliche und geistig jederzeit voll einsetzbare Mitarbeiter ist die Verwaltung außerstande, die ihr im Interesse der Allgemeinheit auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen. Die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes ist durch körperlich bzw. geistig oder seelisch nicht oder nur beschränkt einsetzbare Beamte gefährdet. Das ist jedem Mitarbeiter im öffentlichen Dienst bekannt. Die schuldhafte Weigerung, die Dienstfähigkeit zu erhalten oder im gegebenen Fall durch zumutbare Maßnahmen wiederherzustellen, stellt daher eine Pflichtverletzung von erheblichem disziplinaren Gewicht dar. Das muss jedenfalls dann gelten, wenn dienstliche Auswirkungen einer solchen Pflichtverletzung in – wie vorliegend – erheblichem Ausmaß eingetreten sind. Hierin wird nicht nur ein Element der Dienstvergehensqualität, sondern zugleich auch die dienstrechtliche Schwere einer entsprechenden Pflichtverletzung offenbar (vgl. BayVGH, U.v. 14.10.2015 – 16a D 14.351 – juris Rn. 77).
Nach Aussage des Sachverständigen liegt beim Beklagten nach wie vor eine schwere psychiatrische Erkrankung vor, bei der eine Störung aus dem depressiven Formenkreis führend ist. Der schweren depressiven Episode, beginnend im Herbst 2012, geht eine seit 2005 diagnostizierte Dysthymie voraus. Bereits im Jahr 1994 hatte der Beklagte einen Selbstmordversuch unternommen. Die für diese schwere Störung spezifische Ambivalenz ist ursächlich dafür, dass der Beklagte nicht mehr in der Lage war, seinen Arbeitsalltag zu strukturieren und sich vor allem nicht entscheiden konnte, welche Aufgaben er erledigen soll. Nach den Feststellungen des Sachverständigen führte die psychiatrische Erkrankung beim Beklagten zu den beschriebenen Ambivalenzen und ist schwer behandelbar (sog. double Depression). Dies zeigt sich auch in seiner Krankheitsgeschichte. Allerdings kann beim Krankheitsbild des Beklagten durch Psychotherapie mit Pharmakotherapie (und längerem stationärem Aufenthalt) durchaus eine Verbesserung erreicht werden. Hierfür bedarf es jedoch einer längerfristigen Behandlung. Nach Auffassung von Prof. Dr. S … ist dies ein aufwendiger Prozess, der aber schon des Öfteren gegangen wurde.
Mit der Weigerung durch eine zumutbare Behandlung an der Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit mitzuwirken und dadurch eine dauernde Dienstunfähigkeit mit folgender Versetzung in den Ruhestand ohne weitere Dienstleistung zumindest in Kauf zu nehmen, macht ein Beamter deutlich, dass er die Belange des Dienstherrn ignoriert. Hierin liegt eine schwerwiegende Pflichtverletzung, durch die ein Beamter seine Beamtenrechte verwirken kann (BVerwG, U.v. 26.7.1983 – 1 D 98/82 – juris Rn. 16) und die die Verhängung der disziplinare Höchstmaßnahme grundsätzlich gerechtfertigt erscheinen lässt.
3.2 Der Senat geht jedoch vorliegend davon aus, dass aufgrund der besonderen Umstände im konkreten Einzelfall das schwerwiegende Dienstvergehen des Beklagten in deutlich milderem Licht zu sehen ist und deshalb von einer Entfernung aus dem Dienst abgesehen werden kann.
Von der Höchstmaßnahme ist – wie vorliegend – zugunsten einer weniger strengen Disziplinarmaßnahme abzusehen, wenn ein in der Rechtsprechung – ursprünglich zu den Zugriffsdelikten entwickelter – sog. anerkannter Milderungsgrund vorliegt. Diese lassen sich typisierend in Beweggründen oder Verhaltensweisen des Beamten finden, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Sie erfassen zum einen ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung, zum anderen tragen sie existenziellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen oder psychischen Ausnahmesituationen – auch einer etwa verminderten Schuldfähigkeit – Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden kann.
Selbst wenn keiner der vorrangig zu prüfenden anerkannten Milderungsgründe vorliegt, können entlastende Umstände gegeben sein, deren Gewicht in ihrer Gesamtheit dem Gewicht der anerkannten Milderungsgründe vergleichbar ist. Entlastungsmomente können sich dabei aus allen denkbaren Umständen ergeben. Solche Umstände können das Absehen von der disziplinaren Höchstmaßnahme rechtfertigen, wenn sie in ihrer Gesamtheit das Gewicht eines anerkannten Milderungsgrunds aufweisen. Sie sind bereits dann nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ miteinzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen (BVerwG, U.v. 23.2.2012 – 2 C 38.10 – juris Rn. 15).
3.2.1 Vorliegend ist im Hinblick auf den Vorwurf, die Weisung vom 6. Juni 2013 nicht befolgt zu haben (s. Abschnitt II Ziff. 2), als wesentlich entlastend zu werten, dass der Beklagte aufgrund einer krankhaften seelischen Störung gemäß §§ 20, 21 StGB im Zustand erheblich eingeschränkter Steuerungs- und damit Schuldfähigkeit gehandelt hat.
Erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung i.S.v. § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Für die Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass der Betroffene den Anreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegen zu setzen vermochte (vgl. BayVGH, U.v.17.11.2011 -16a D 09.465 – juris Rn. 64). Nur unter diesen Voraussetzungen kann eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB in Betracht kommen.
Der im Rahmen des Berufungsverfahrens beauftragte Sachverständige Prof. Dr. S … hat in seinem Psychiatrischen Gutachten vom 18. März 2017 ausdrücklich festgestellt, dass der Beklagte aufgrund der mit der depressiven Störung im verfahrensgegenständlichen Zeitraum einhergehenden störungsspezifischen Ambivalenz und Antriebsstörung nicht ausreichend in der Lage gewesen sei, die dienstlich erteilte Weisung vom 6. Juni 2017 zu befolgen. Die schwere depressive Episode, deren Beginn wahrscheinlich im Herbst 2012 anzusiedeln ist, ordnete der Sachverständige aus psychiatrischer Sicht als krankhafte seelische Störung ein und damit dem ersten Eingangsmerkmal des § 20 StGB zu. Er kam insgesamt zum Ergebnis, dass ein solcher Zustand zwar beim Beklagten nicht zur Aufhebung der Einsichtsfähigkeit geführt habe, eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB aber nicht auszuschließen sei. In der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2017 ergänzte er seine Ausführungen dahingehend, dass der Beklagte durch die mit der Weisung einhergehende Planung überfordert gewesen und nach seiner Ansicht insoweit die Steuerungsfähigkeit aufgehoben gewesen sei.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen geht der Senat im Hinblick auf den Vorwurf der Nichtbefolgung der Weisung vom 6. Juni 2013 (vgl. Abschnitt II Ziff. 2) davon aus, dass beim Beklagten eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB vorgelegen hat.
Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die „Erheblichkeit“ eine Rechtsfrage darstellt, die die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger im Rahmen einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur der Betroffenen, ihres Erscheinungsbilds vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise in eigener Verantwortung zu beantworten haben (BVerwG, U.v.3.5.2007 a.a.O. Rn. 33) und deren Beurteilung auch von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten abhängt (BVerwG, U.v. 25.3.2010 – 2 C 83.08 – juris Rn. 29 f. und U.v. 29.5.2008 – 2 C 59.07 – juris Rn. 30 m.w.N.).
Aufgrund der dargelegten Einschränkungen der Steuerungsfähigkeit ist vorliegend jedoch trotz leicht einsehbarer Kernpflicht von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt auszugehen. Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang nachvollziehbar dargelegt, dass der Beklagte krankheitsbedingt nicht in der Lage war, der Weisung vom 6. Juni 2017 nachzukommen. Auch die mehrmaligen Versuche des Beklagten, eine Aufhebung oder Änderung der Weisung zu erreichen, sprächen demnach nicht gegen die erheblich verminderte Schuldfähigkeit, sondern fügten sich vielmehr in den Krankheitszustand des Beklagten ein, dessen Bestreben immer darauf gerichtet gewesen sei, eine der angewiesenen Therapie immanente Auseinandersetzung mit dem eigenen, als defizitär wahrgenommenen Verhalten (Sucht und Depression), zu vermeiden. Bei solchen Erkrankungen sei es – nach Aussage des Sachverständigen – normal, sich so lange wie möglich im bisherigen Zustand zu arrangieren und eine Therapie erst dann aufzunehmen, wenn ein „Weiter so“ nicht mehr möglich sei. Der Sachverständige bestätigte in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich, dass sich der Beginn der schweren depressiven Phase im Herbst 2012 am Verhalten des Beklagten – wie z.B. vermehrtes Erscheinen im Dienst im alkoholisierten Zustand – festmachen lasse. Hieran ändere auch die damals mit dem kurzfristigen Urlaubnehmen an bestimmten Tagen gezeigte Unternehmungslust des Beklagten nichts, die ebenfalls die Ambivalenz gegenüber den vom Beklagten als nicht erfüllbar angesehenen und deshalb zu vermeidenden Arbeitsanforderungen belege.
Diese Einschätzung hat zur Folge, dass die Verhängung der Höchstmaßnahme nur noch in Ausnahmefällen in Betracht kommt (vgl. BVerwG, U.v. 27.10.2008 – 2 B 48/08 – juris Rn. 7; U.v. 25.3.2010 – 2 C 83/08 – juris Rn. 34; BayVGH, U.v. 17.11.2011 a.a.O. Rn. 68). Ein solcher Ausnahmefall liegt nach Auffassung des Senats auch in der Gesamtschau mit der missbräuchlichen Internetnutzung während der Dienstzeit (vgl. Abschnitt II Ziff. 1) hier nicht vor.
3.2.2 Auch im Hinblick auf diesen Vorwurf geht der Senat zu Gunsten des Beklagten von einer verminderten Schuldfähigkeit aus. Nach den Feststellungen des Sachverständigen lässt sich eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB nicht ausschließen. Aus dem psychiatrischen Gutachten vom 18. März 2017 (S. 31) kann zwar entnommen werden, dass keine (nicht substanzgebundene) Abhängigkeit in Bezug auf den Internetkonsum vorlag und der Beklagte zu Hause ohne weiteres auf einen derartigen Konsum verzichten konnte. Auch war es ihm ohne weiteres möglich, den Internetkonsum am Arbeitsplatz aufgrund des Disziplinarverfahrens abrupt einzustellen, ohne hierbei in innere Anspannung zu geraten. Der Internetkonsum am Arbeitsplatz stellt sich aber aufgrund des Vermeidungsverhaltens gegenüber den Arbeitsanforderungen anders dar als z.B. im privaten Umfeld. Gerade der Aufruf der verbotenen pornografischen Seiten gegenüber der Alternative des reinen Nichtstuns belege nach Auffassung des Sachverständigen die eingeschränkte Steuerungsfähigkeit des Beklagten, da eine entsprechende Gewichtung des Tuns in Abwägung der Konsequenzen Steuerungsfähigkeit voraussetze. Eine solche Gewichtung hat der Beklagte gerade nicht vorgenommen. Aus diesen Gründen geht der Senat nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ davon aus, dass die Schuldfähigkeit des Beklagten auch im Hinblick auf den Vorwurf der missbräuchlichen Internetnutzung während der Dienstzeit (Abschnitt II Ziff. 1) vermindert war.
Allerdings verneint der Senat im Hinblick auf die Begleitumstände der Pflichtverletzung die Erheblichkeit der verminderten Schuldfähigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB. Hier ist zum einen zu berücksichtigen, dass der Beklagte bei der Internetnutzung im Hinblick auf sein weiteres Verhalten zunächst bewusst Grenzen ausgetestet hat. So erklärte er im Rahmen seiner Anhörung vom 15. Oktober 2013 während des Disziplinarverfahrens, dass er mit dem Aufruf pornografischer Seiten im Dienst zunächst habe prüfen wollen, ob gewisse Kontrollmechanismen beim Dienstherrn auch greifen. Da in der Folgezeit niemand von der Amtsleitung oder von den Kollegen auf ihn zugekommen sei und ihn diesbezüglich belehrt habe, sei er davon ausgegangen, dass die Internetnutzung der Mitarbeiter nicht kontrolliert werde. Auch seine Kollegen hätten ihn nicht auf seinen vermehrten PC-Gebrauch angesprochen. Daher habe er die Nutzung stetig gesteigert.
Berücksichtigt werden muss hier auch, dass der Beklagte bei jedem Aufruf einer verbotenen Seite durch Einblendungen auf dem Bildschirm („Sie verlassen den geschützten Bereich“) erneut ausdrücklich auf das insoweit bestehende Verbot hingewiesen wurde. Im Gegensatz zum aktiven Tun, das vom Beklagten für die Befolgung der Weisung vom 6. Juni 2013 gefordert war, hätte ein bloßes Unterlassen dem Beklagten deutlich weniger Überwindung abverlangt. Insoweit liegt nach Auffassung des Senats im Aufruf von über 6400 Seiten pornografischen Inhalts während der Dienstzeit selbst dann ein (vermindert) schuldhafter Verstoß gegen Dienstpflichten, wenn er aufgrund der schweren depressiven Episode ab November 2012 bereits dienstunfähig gewesen sein sollte. Eine Dienstunfähigkeit ist zwar nicht objektiv z.B. durch ein ärztliches Attest belegt, allerdings geht auch der Sachverständige im psychiatrischen Gutachten vom 18. März 2017 (S. 34 des Gutachtens) davon aus, dass der Beklagte aufgrund seiner depressiven Störung und den beschriebenen Symptomen nicht dienstfähig gewesen sei, es aber nicht schaffte, sich diesbezüglich Hilfe zu holen. Auch die Arbeitsrückstände beim Beklagten seien aus psychiatrischer Sicht darauf zurückzuführen, dass er aufgrund seiner Erkrankung ab November 2012 zur Dienstleistung gar nicht mehr in der Lage gewesen sei. Aus diesen Gründen hält es der Senat vorliegend für nicht angezeigt, der mit dem Internetkonsum einhergehenden Nichtleistung von 282 Stunden Dienst, durch die sich erhebliche Arbeitsrückstände aufbauten, ein ähnliches Gewicht wie dem unentschuldigten Fernbleiben vom Dienst für einen vergleichbaren Zeitraum zuzumessen (vgl. hierzu Zängl a.a.O. Stand August 2016, MatR/II Rn. 239).
Im Rahmen der gebotenen Prüfung, ob vorliegend noch die schärfste Disziplinarmaßnahme geboten ist, kommt der Senat in einer Gesamtschau aller bemessungsrelevanten Umstände im Hinblick auf den Krankheitszustand des Beklagten deshalb zu dem Ergebnis, dass er das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit noch nicht endgültig gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG verloren hat. Nach Überzeugung des Senats erweist sich aus diesem Grund die Zurückstufung des Beklagten in das Eingangsamt als angemessene, im Hinblick auf die missbräuchliche Internetnutzung in erheblichem Umfang aber auch gebotene Disziplinarmaßnahme.
Die Maßnahme der Zurückstufung verstößt auch nicht gegen den Verhältnismäßig-keitsgrundsatz. Entsprechend dem Sinn des Disziplinarrechts, die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu wahren, ist es notwendig, die disziplinare Maßnahme zu wählen, die dem Gewicht des Dienstvergehens und dem dadurch eingetretenen Vertrauensschaden entspricht. Ins Verhältnis zu setzen sind die Schwere des Fehlverhaltens und der durch den Beamten veranlasste Vertrauensschaden.
Hat beides, wie im vorliegenden Fall, erhebliches Gewicht, so ist der Nachteil, der für den Beamten durch die Disziplinarmaßnahme eintritt, nicht unverhältnismäßig. Er liegt in seinem persönlichen Verantwortungsbereich und ist seinem – wenn auch teilweise erheblich verminderten – schuldhaften pflichtwidrigen Verhalten zuzurechnen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).

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