Aktenzeichen 9 AZR 174/20
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Solingen, 13. Juni 2019, Az: 3 Ca 697/18, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 17. Januar 2020, Az: 6 Sa 465/19, Urteil
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird – unter Zurückweisung der Revision im Übrigen – das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 17. Januar 2020 – 6 Sa 465/19 – im Kostenpunkt vollständig und im Übrigen teilweise aufgehoben.
Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten wird – unter Zurückweisung der Berufungen im Übrigen – das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 13. Juni 2019 – 3 Ca 697/18 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21,49 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 3,07 Euro brutto seit dem 31. Oktober 2017, 1. Dezember 2017, 31. Dezember 2017, 31. Januar 2018, 1. März 2018, 31. März 2018 sowie 1. Mai 2018 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über Differenzvergütung für die Monate Oktober 2017 bis einschließlich April 2018.
2
Der Kläger absolvierte bei der beklagten Stadt im Streitzeitraum eine Ausbildung zum Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste mit einer gegenüber Vollzeitauszubildenden von 39 Stunden auf 30 Stunden verkürzten wöchentlichen Ausbildungszeit.
3
Auf das Ausbildungsverhältnis fand kraft vertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes vom 13. September 2005 in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung (TVAöD – BBiG) Anwendung.
4
Der Tarifvertrag vom 13. September 2005 für Auszubildende des öffentlichen Dienstes (TVAöD) – Allgemeiner Teil – (TVAöD – AT) in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 5 vom 29. April 2016 regelt ua.:
„§ 1
Geltungsbereich
(1)
Dieser Tarifvertrag gilt für
a)
Personen, die in Verwaltungen und Betrieben, die unter den Geltungsbereich des TVöD fallen, in einem staatlich anerkannten oder als staatlich anerkannt geltenden Ausbildungsberuf ausgebildet werden,
…
(3)
Soweit in diesem Tarifvertrag nichts anderes geregelt ist, gelten die jeweils einschlägigen gesetzlichen Vorschriften.
…
§ 13
Vermögenswirksame Leistungen
(1)
1Nach Maßgabe des Vermögensbildungsgesetzes in seiner jeweiligen Fassung erhalten Auszubildende eine vermögenswirksame Leistung in Höhe von 13,29 Euro monatlich. 2Der Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen entsteht frühestens für den Kalendermonat, in dem dem Ausbildenden die erforderlichen Angaben mitgeteilt werden, und für die beiden vorangegangenen Monate desselben Kalenderjahres.
(2)
Die vermögenswirksamen Leistungen sind kein zusatzversorgungspflichtiges Entgelt.“
5
Der Tarifvertrag vom 13. September 2005 für Auszubildende des öffentlichen Dienstes (TVAöD) – Besonderer Teil BBiG – (TVAöD – BT) idF des Änderungstarifvertrags Nr. 7 vom 29. April 2016 lautet auszugsweise:
„§ 1a
Geltungsbereich des Besonderen Teils
(1)
1 Dieser Tarifvertrag gilt nur für die in § 1 Abs. 1 des Tarifvertrages für Auszubildende des öffentlichen Dienstes (TVAöD) – Allgemeiner Teil unter Buchst. a), c) und d) aufgeführten Auszubildenden. 2 Er bildet im Zusammenhang mit dem Allgemeinen Teil des TVAöD den Tarifvertrag für die Auszubildenden des öffentlichen Dienstes nach BBiG (TVAöD – BBiG).
…
§ 7
Wöchentliche und tägliche Ausbildungszeit
(1)
1Die regelmäßige durchschnittliche wöchentliche Ausbildungszeit und die tägliche Ausbildungszeit der Auszubildenden, die nicht unter das Jugendarbeitsschutzgesetz fallen, richten sich nach den für die Beschäftigten des Ausbildenden maßgebenden Vorschriften über die Arbeitszeit. …
(3)
An Tagen, an denen Auszubildende an einem theoretischen betrieblichen Unterricht von mindestens 270 tatsächlichen Unterrichtsminuten teilnehmen, dürfen sie nicht zur praktischen Ausbildung herangezogen werden.
(4)
1Unterrichtszeiten einschließlich der Pausen gelten als Arbeitszeit. Dies gilt auch für die notwendige Wegezeit zwischen Unterrichtsort und Ausbildungsstätte, sofern die Ausbildung nach dem Unterricht fortgesetzt wird.
…
(6)
1Auszubildende dürfen nicht über die nach Absatz 1 geregelte Ausbildungszeit hinaus zu Mehrarbeit herangezogen und nicht mit Akkordarbeit beschäftigt werden. 2§§ 21, 23 JArbSchG und § 17 Abs. 3 BBiG bleiben unberührt.
…
§ 8
Ausbildungsentgelt
(1)
Das monatliche Ausbildungsentgelt beträgt:
ab
ab
1. März 2016
1. Februar 2017
im ersten Aus-bildungsjahr
…
…
im zweiten Ausbildungsjahr
…
968,20 Euro
im dritten Aus-bildungsjahr
…
…
(2)
Das Ausbildungsentgelt ist zu demselben Zeitpunkt fällig wie das den Beschäftigten des Ausbildenden gezahlte Entgelt.
…
(4)
Ist wegen des Besuchs einer weiterführenden oder einer berufsbildenden Schule oder wegen einer Berufsausbildung in einer sonstigen Einrichtung die Ausbildungszeit verkürzt, gilt für die Höhe des Ausbildungsentgelts der Zeitraum, um den die Ausbildungszeit verkürzt wird, als abgeleistete Ausbildungszeit.
…
§ 14 Jahressonderzahlung
(1)
1Auszubildende, die am 1. Dezember in einem Ausbildungsverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung. 2lm Bereich des Bundes beträgt diese im
Tarifgebiet West
Tarifgebiet Ost
im Kalenderjahr
2016
2017
2018
2019
ab 2020
90 v.H.
72 v.H.
76,5 v.H.
81 v.H.
85,5 v.H.
90 v.H.
des den Auszubildenden für November zustehenden Ausbildungsentgelts (§ 8).
3lm Bereich der VKA beträgt die Jahressonderzahlung bei Auszubildenden, für die die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden, und für Auszubildende der ostdeutschen Sparkassen 90 v.H. sowie bei den sonstigen Auszubildenden, für die die Regelungen des Tarifgebiets Ost Anwendung finden, 67,5 v.H. des den Auszubildenden für November zustehenden Ausbildungsentgelts (§ 8). …
(2)
…
(3)
1Die Jahressonderzahlung wird mit dem für November zustehenden Ausbildungsentgelt ausgezahlt.“
6
Mit dem Änderungstarifvertrag Nr. 8 zum TVAöD – BT vom 18. April 2018 wurde das monatliche Ausbildungsentgelt für das es zweite Ausbildungsjahr zum 1. März 2018 auf 1.018,20 Euro brutto erhöht.
7
Die Beklagte zahlte an den Kläger entsprechend der verkürzten wöchentlichen Ausbildungszeit ein im Vergleich zu Auszubildenden in Vollzeit gekürztes monatliches Ausbildungsentgelt, das in den Monaten Oktober 2017 bis Februar 2018 744,77 Euro brutto und in den Monaten März 2018 und April 2018 jeweils 783,23 Euro brutto betrug. Für zwei Tage in der Woche, an denen der Kläger – im gleichen zeitlichen Umfang wie Auszubildende in Vollzeit – am Berufsschulunterricht teilnahm, zahlte die Beklagte das Ausbildungsentgelt entsprechend seiner Teilzeit fort. Im November 2017 erbrachte sie an den Kläger eine Jahressonderzahlung iHv. 90 % des an ihn für November 2017 gezahlten monatlichen Ausbildungsentgelts. Den Arbeitgeberanteil zu den vermögenswirksamen Leistungen kürzte die Beklagte in den streitgegenständlichen Monaten von 13,29 Euro brutto monatlich auf 10,22 Euro brutto monatlich. Sie führte allerdings von der Nettoausbildungsvergütung weiterhin die Beträge in ungekürzter Höhe auf das vom Kläger angegebene Sparkonto ab.
8
Nach erfolgloser Geltendmachung mit Schreiben vom 9. November 2017 und 2. April 2018 hat der Kläger mit seiner am 8. Mai 2018 eingegangenen, der Beklagten am 28. Mai 2018 zugestellten Klage, die Differenz zur Vergütung eines Auszubildenden in Vollzeit, berechnet auf Grundlage des in § 8 TVAöD – BT für das zweite Ausbildungsjahr angegebenen Ausbildungsentgelts iHv. 968,20 Euro brutto in den Monaten Oktober 2017 bis Februar 2018, in den Monaten März 2018 und April 2018 iHv. 1.018,20 Euro brutto begehrt. Auf entsprechender Berechnungsgrundlage hat er zudem die Differenz zu der an ihn für 2017 gezahlten Jahressonderzahlung und dem von der Beklagten im Streitzeitraum erbrachten Arbeitgeberanteil zu den vermögenswirksamen Leistungen verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, der TVAöD – BBiG sehe bei Verringerung der wöchentlichen Ausbildungszeit keine Kürzung des Ausbildungsentgelts und der weiteren tariflichen Leistungen vor. Die an ihn gezahlte Vergütung sei zudem unangemessen niedrig. Durch die Kürzung des Ausbildungsentgelts werde er gegenüber Vollzeitauszubildenden benachteiligt, die für Berufsschultage bei gleicher Unterrichtszeit das volle Ausbildungsentgelt erhielten.
9
Der Kläger hat – soweit für die Revision noch von Bedeutung – beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.809,67 Euro brutto zu zahlen nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 3,07 Euro brutto seit dem 31. Oktober 2017, 1. Dezember 2017, 31. Dezember 2017, 31. Januar 2018, 1. März 2018, 31. März 2018 sowie 1. Mai 2018 zu zahlen.
10
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
11
Das Arbeitsgericht hat die Klage teilweise abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der vollumfänglichen Klageabweisung weiter.