Arbeitsrecht

Terminsgebühr bei Besprechung, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet ist

Aktenzeichen  W 1 M 15.258

Datum:
4.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VV-RVG idF vom 1.11.2012 Nr. 3104, Vorbemerkung zu Teil 3 Abs. 3
RVG RVG § 60 Abs. 1 S. 1
VwGO VwGO § 151, § 165

 

Leitsatz

1 Teilt ein Behördenvertreter in einem Telefonat mit dem Prozessbevollmächtigten “unter der Hand” mit, die Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten zu teilen, und macht gleichzeitig deutlich, aufgrund offizieller Vorgaben keine Einigungsmöglichkeit zu sehen, wird keine Terminsgebühr im Sinne der Nr. 3104 VV-RVG aF iVm Vorbemerkung des Teils 3 Abs. 3 VV-RVG aF ausgelöst. (redaktioneller Leitsatz)
2 Ändert die Behörde ihre Rechtsansicht, führt ein weiteres Telefonat ebenso wenig zu einer Terminsgebühr, wenn im Zeitpunkt des Telefonats die behördliche Willensbildung im Sinne einer (Teil)Abhilfe bereits abgeschlossen war. (redaktioneller Leitsatz)
3 Gleiches gilt für ein Telefonat des Prozessbevollmächtigten mit dem Gericht, wenn das Gericht weder Einigungsvorschläge noch Argumente der Beteiligten wechselseitig weitergeleitet, sondern auf Basis eigener Prüfung und in eigener Verantwortung richterliche Hinweise erteilt hat (ebenso ThürFG BeckRS 2011, 97011). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. September 2014 in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom 11. März 2015 wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 549,78 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. September 2014 wurden die außergerichtlichen Aufwendungen des Klägers auf 689,72 EUR festgesetzt.
2.
Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. September 2014 begehrt der Kläger die Neufestsetzung der Kosten vor dem Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung einer Terminsgebühr nach der Vorbemerkung Teil 3 Abs. 3 VV-RVG in Höhe von 1,2 sowie einer Erledigungsgebühr in Höhe von 1,0 gemäß Nr. 1003 i. V. m. Nr. 1002 VV-RVG.
3.
Mit Kostenfestsetzungs-Änderungsbeschluss vom 11. März 2015 wurden die außergerichtlichen Aufwendungen des Klägers unter Berücksichtigung der begehrten Erledigungsgebühr auf 1.121,69 EUR festgesetzt. Die ebenfalls begehrte Terminsgebühr kam jedoch nicht zum Ansatz.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Gegenstand des Erinnerungsverfahrens ist nach der Teilabhilfe hinsichtlich der Erledigungsgebühr durch den Kostenfestsetzungsänderungsbeschluss vom 11. März 2015 noch das Begehren auf Berücksichtigung einer Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG i. V. m. der Vorbemerkung Teil 3 Abs. 3 VV-RVG.
Der zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 165, 151 VwGO ist nicht begründet.
1.
Über die Erinnerung war durch den Berichterstatter zu entscheiden, da das Kostenfestsetzungsverfahren ein von der Kostenlastentscheidung in der Hauptsache abhängiges Nebenverfahren darstellt. Hat, wie vorliegend, der Berichterstatter die Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren getroffen (vgl. VG Würzburg, B. v. 4.7.2014, Az.: W 1 K 12.986 i. d. F. d. B. v. 7.8.2014, Az.: W 1 K 12.986), so ist er auch für die Entscheidung im Kostenerinnerungsverfahren zuständig (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Rn. 3 zu § 165).
2.
Der Antrag ist zulässig, insbesondere wurde er innerhalb der Zweiwochenfrist nach § 165 Satz 2 VwGO i. V. m. § 151 Satz 1 VwGO gestellt.
3.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet, weil dem Bevollmächtigten des Klägers die begehrte Terminsgebühr nicht zusteht. Zur Begründung wird zunächst auf die Ausführungen im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. September 2014 sowie im Kostenfestsetzungsänderungsbeschluss vom 11. März 2015 Bezug genommen, denen das Gericht – jedenfalls im Ergebnis – folgt.
Ergänzend ist hierzu auszuführen:
Maßgeblich für die Vergütungsfestsetzung ist im vorliegenden Falle nach § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – 2. KostRMoG) vom 23. Juli 2013 (BGBl I S. 2586), das am 1. August 2013 in Kraft getreten ist (Art. 50 2. KostRMoG) – RVG n. F. – die bis zum 31. Juli 2013 geltende Gesetzesfassung vom 1. November 2012 – RVG a. F. Denn nach § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG n. F. ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt bestellt oder beigeordnet worden ist. Der Klägerbevollmächtigte wurde ausweislich der vorgelegten Prozessvollmacht am 20. November 2012 mit der Prozessvertretung des Klägers beauftragt.
Nach Nr. 3104 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG – VV-RVG – entsteht die Terminsgebühr u. a. dann, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten oder gemäß § 307 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird (Nr. 1.). Diese Terminsgebühr entsteht nach der Vorbemerkung des Teils 3 Abs. 3 VV-RVG a. F. sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Mitwirkung an Besprechungen, die – auch ohne Beteiligung des Gerichts – auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber.
Die Telefonate des Klägerbevollmächtigten mit der Sachbearbeiterin der Beklagten am 17. Juni, 9. September und 11. Oktober 2013 erfüllen nicht die Voraussetzungen einer auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung im Sinne der Nr. 3104 VV-RVG i. V. m. der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG. Eine „Besprechung“ setzt den Austausch von mündlichen (bzw. fernmündlichen) Erklärungen mit dem Ziel voraus, eine Erledigung des Rechtsstreits unmittelbar herbeizuführen (VGH BW, B. v. 12.7.2016 – 4 S 1308/16 – juris Rn. 3 m. w. N.; BayVGH, B. v. 2.9.2015 – 10 C 13.2563 – juris Rn. 26; ThürFG, B. v. 16.5.2011 – 4 Ko 772/10 – juris Rn. 57). Die Prozessvertreterin der Beklagten hat in ihrer Stellungnahme zur Kostenerinnerung vom 23. Oktober 2014 deutlich gemacht, dass sie in den o.g. Telefonaten weder die Rechtsauffassung des Klägerbevollmächtigten geteilt noch zugesagt habe, auf das zuständige Bundesministerium oder auf Sachbearbeiter, die die entsprechenden Bescheide zu erlassen haben, im Sinne des Klägers einzuwirken. Sie habe vielmehr die Aussage getroffen, an die Vorgaben des Ministeriums gebunden zu sein und damit über keinen eigenen Entscheidungsspielraum zu verfügen, womit sie deutlich gemacht habe, dass für eine gütliche Einigung im Sinne des Klägers kein Raum bestanden habe. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers bestreitet diese Darstellung des Gesprächsinhaltes durch die Beklagtenvertreterin nicht, sondern trägt ergänzend vor, diese habe ihm „unter der Hand“ signalisiert, seine Rechtsauffassung zu teilen. Er vertritt die Rechtsauffassung, dass dies für die Annahme einer grundsätzlichen Einigungsbereitschaft der Gesprächspartnerin und damit für die Annahme einer auf unmittelbare Erledigung des Rechtsstreits gerichteten Besprechung ausreiche. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Zum einen bestreitet die Beklagtenvertreterin den diesbezüglichen Sachvortrag des Klägerbevollmächtigten. Zum anderen hat die Beklagtenvertreterin – was der Klägerbevollmächtigte wiederum nicht bestreitet – deutlich gemacht, dass eine einvernehmliche Erledigung aufgrund der Vorgaben des Bundesministeriums für Verteidigung nicht in Betracht komme. Für eine Einigung und damit auch eine Einigungsbereitschaft bestand deshalb zu diesem Zeitpunkt kein Raum. Vielmehr hat nach den nicht substantiiert bestrittenen Angaben der Beklagtenvertreterin das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. November 2013, Az.: 2 C 17.12 zu einer Änderung der Rechtsauffassung der Beklagten geführt, was auch aus ihrem Schriftsatz vom 4. April 2014 (Gerichtsakte Nr. W 1 K 12.986, Bl. 165) hervorgeht.
Dass der streitbefangene Verwaltungsvorgang nach dem richterlichen Hinweis vom 4. Oktober 2013 dem zuständigen Bundesministerium vorgelegt wurde, stellt kein Einlenken im Sinne einer außergerichtlichen Einigung dar, sondern entspricht auch nach der Darstellung der Beklagtenvertreterin dem allgemein üblichen Vorgehen und ist damit nicht als versuchte Einflussnahme auf die Meinung des Ministeriums durch die Beklagtenvertreterin zu werten.
Die Telefonate des Klägerbevollmächtigten mit der Sachbearbeiterin und Prozessvertreterin der Beklagten am 17. Juni 2013 und 8. Mai 2014 können auch nicht unter dem Gesichtspunkt als auf unmittelbare Erledigung des Rechtsstreits gerichtete Besprechungen angesehen werden, dass zu diesen Zeitpunkten die dem Klagebegehren (teilweise) abhelfenden Bescheide noch nicht ergangen waren. Denn die Willensbildung der Beklagten, dem Klagebegehren (teilweise) abzuhelfen, war zu den genannten Zeitpunkten bereits abgeschlossen. Mit ihrem Schriftsatz vom 10. Juni 2013 (Bl. 112/113 der Gerichtsakte Nr. W 1 K 12.986) hat die Beklagte ihre Absicht erklärt, dem Klagebegehren hinsichtlich des monatlichen Ansatzes der dem Kläger von der ***** gezahlten Erfolgsbeteiligung auf die Ruhensregelung abzuhelfen, und angekündigt, den Bescheid vom 24. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2012 aufzuheben und einen neuen Bescheid zu erlassen. Daraufhin hat das Gericht den Kläger mit Schreiben vom 12. Juni 2013 aufgefordert, eine prozessbeendende Erklärung abzugeben. Eine auf die unmittelbare Erledigung gerichtete Besprechung des Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der Beklagtenvertreterin konnte (spätestens) nach dem 10. Juni 2013 – im Hinblick auf den seinerzeitigen Streitpunkt der Berücksichtigung der Erfolgsbeteiligung – ihr Ziel nicht mehr erreichen, weil die Beklagte insoweit bereits ihre Bereitschaft zur Abhilfe erklärt hatte. In Bezug auf den im weiteren Prozessverlauf noch streitigen Gesichtspunkt, ob die Erfolgsbeteiligung als auf das Kalenderjahr 2006 oder das Kalenderjahr 2007 bezogen anzusehen war, erklärte die Beklagte mit Schriftsatz vom 4. April 2014 unter Bezugnahme auf das o.g. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. November 2013 (Az. 2 C 17.12), ihren Bescheid vom 24. August 2012 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 27. August 2013 im Sinne des Klagebegehrens (erneut) abzuändern. Das Telefonat am 8. Mai 2014 konnte damit ebenfalls nicht mehr auf die unmittelbare Erledigung des Rechtsstreits gerichtet sein, weil die Willensbildung der Beklagten, dem Klagebegehren auch insoweit abzuhelfen, bereits (spätestens) am 4. April 2014 abgeschlossen war. Dies steht der Annahme entgegen, der Klägerbevollmächtigte habe in dem o.g. Telefonat noch auf eine Erledigung hinwirken können; vielmehr konnte es lediglich um den Zeitpunkt des Erlasses des angekündigten Änderungsbescheides gehen.
Das Telefonat des Klägerbevollmächtigten mit dem Berichterstatter am 20. März 2014 kann ebenfalls nicht als eine auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung angesehen werden. Eine solche zur Erledigung des Verfahrens führende Besprechung kann nicht in einem Telefonat zwischen einem Prozessbevollmächtigten und dem Berichterstatter bzw. dem Kammervorsitzenden erblickt werden, weil der Richter alleine nicht befugt ist, das Verfahren „einvernehmlich“ abzuschließen, sondern nur im Rahmen einer streitigen Entscheidung. Es ist denkbar, dass eine Terminsgebühr entstehen könnte, wenn der Richter lediglich mündlich vorgetragene – auf die unmittelbare Erledigung des Rechtsstreits gerichtete – Argumente und Vorschläge der Beteiligten wie ein Telekommunikationsmedium wechselseitig weiterleitet, ohne die Sach- und Rechtslage selbstständig zu prüfen (ThürFG, B. v. 16.5.2011 – 4 Ko 772/10 – juris Rn. 57 f.), oder getrennte Telefonate mit beiden Beteiligten führte, um eine einvernehmliche Beendigung des Rechtsstreits zu erreichen (BayVGH, B. v. 2.9.2015 – 10 C 13.2563 – juris Rn. 37). Der Berichterstatter hat aber keine Einigungsvorschläge bzw. Argumente der Beteiligten wechselseitig weitergeleitet oder mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Rechtsstreits mit der Beklagtenvertreterin telefoniert. Vielmehr sind die richterlichen Hinweise vom 4. Oktober 2013 und 21. März 2014 aufgrund eigener Prüfung der Rechtslage und in eigener Verantwortung des Berichterstatters erfolgt.
4.
Damit war die Erinnerung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen.
5.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 GKG, wobei sich der festgesetzte Streitwert aus der Differenz der begehrten Kostenfestsetzung (1.671,47 EUR) und des durch den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom 11. März 2015 festgesetzten Betrages (1.121,69 EUR), mithin 549,78 EUR, ergibt.

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