Arbeitsrecht

Totalrevision nach Versterben eines vormaligen Ehegatten

Aktenzeichen  7 F 2323/17

Datum:
19.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14090
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Rosenheim
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VersAusglG § 31 Abs. 2 S. 1, § 37, § 51

 

Leitsatz

Eine Totalrevision des Versorgungsausgleichs nach dem Versterben eines vormaligen Ehegatten ließe den überlebenden so stehen, als sei er nie verheiratet gewesen und als hätte es die Erstentscheidung nicht gegeben. Für eine derartige Rückabwicklung fehlt eine Rechtsgrundlage im Gesetz. (Rn. 17 – 21) (red. LS Axel Burghart)

Tenor

Die Entscheidung des Amtsgerichts Rosenheim vom 23.06.2000, Aktenzeichen 3 F 971/1997 über den Versorgungsausgleich zwischen den Ehegatten wird mit Wirkung ab 01.01.2018 wie folgt abgeändert:
Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des früheren Antragstellers bei der Generalzolldirektion zu Gunsten der früheren Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 602,53 € bei der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd mit dem Konto 51 101243 G 513 bezogen auf den 30.09.1997 begründet. Der Ausgleichswert ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Verfahrenswert wird auf 1.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller beantragt die Abänderung des durchgeführten Versorgungsausgleichs aus dem Endurteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 23.06.2000, Aktenzeichen 3 F 971/97 mit Wirkung vom 01.01.2018.
Mit Urteil vom gleichen Tag wurde der Antragsteller von seiner damaligen Frau geschieden. Die Ehe war zuvor am 12.07.1976 vor dem Standesamt G.-B. Register Nr. 467/1976 geschlossen worden.
Das Amtsgericht Rosenheim hat in Ziffer 2. des Endurteils erkannt:
„Zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei dem Wehrbereichsgebührnisamts V, Abschnitt Versorgung (Personalnummer VS/990453-K-31320) werden auf dem Versicherungskonto Nr. 51 101243 G 513 der Antragsgegnerin bei der Landesversicherungsanstalt Oberbayern Rentenanwartschaften von monatlich 1.412,85 DM bezogen auf den 30.09.1997 begründet. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaft ist in Entgeltpunkte umzurechnen“.
Die Generalzolldirektion ist Rechtsnachfolgerin des Wehrbereichsgebührnisamts, die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd Rechtsnachfolgerin der Landesversicherungsanstalt Oberbayern.
Die Ehefrau des Antragstellers ist am 22.03.2014 verstorben.
Die Ehegatten verfügten zum Zeitpunkt der damaligen Entscheidung über folgende Anrechte:
Antragsteller 3.103,66 DM pro Monat Ehezeitanteil bei dem Wehrbereichsgebührnisamt,
Antragsgegnerin 277,97 DM Ehezeitanteil bei der Landesversicherungsanstalt.
Dies ergab eine Differenz von 2.825,69 DM, so dass der Ehemann/Antragsteller die Hälfte in Höhe von 1.412,85 DM auszugleichen hatte.
Die neuen Auskünfte ergaben folgende Anrechte:
Antragsteller 2.675,80 DM Ehezeitanteil bei der Generalzolldirektion, Ausgleichswert 1.337,90 DM, korrespondierender Kapitalwert 308.038,58 DM.
Antragsgegnerin Ehezeitanteil 6,7222 Entgeltpunkte bei der Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd, Ausgleichswert 3,3611 Entgeltpunkte, was einer monatlichen Rente von 81,53 € entspricht, korrespondierender Kapitalwert 18.770,55 €.
Der zulässige Antrag erwies sich nur teilweise als begründet.
II.
Das Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG war vorliegend zulässig, da sich der Rentenbetrag bei der Generalzolldirektion im Vergleich zur Ausgangsentscheidung um etwa 14% verändert und damit die Wesentlichkeitsgrenze überschritten hat.
III.
Der Antrag erwies sich teilweise als begründet.
Nach der alten Berechnung hatte der Antragsteller in Höhe von 1.412,85 DM Anrechte an die Antragsgegnerin auszugleichen. Auf Grund der Wertänderung der beiden Anrechte ergibt sich ein neuer Saldo in Höhe von 1.178,44 DM.
Auf Grund der Neuberechnung der Rentenanrechte ergibt sich, dass der Antragsteller 234,41 DM weniger Rentenanrechte abzugeben hat. Dieses Ergebnis ergäbe sich, würden beide Ehegatten noch leben. Insoweit war dem Antrag stattzugeben.
Der Antragsteller begehrt jedoch er die vollständige Rückübertragung seines Anrechts.
IV.
Soweit der Antragsteller die vollständige Rückübertragung seines Anrechts begehrt, war der Antrag vorliegend aus Rechtsgründen zurückzuweisen.
Der Antragsteller stützt sich auf die Entscheidung des BGH vom 05.06.2013, zitiert in NJW-RR 2013, 1153, wonach bei Tod des ausgleichsberechtigten Ehegatten, der ausgleichsverpflichtete Ehegatte auf Grund der Totalrevision im Abänderungsverfahren nach den §§ 51 ff. VersAusglG und unter Anwendung des § 31 VersAusglG seine Anrechte ungeteilt zurück erhält.
Dies rechtfertigt der BGH damit, dass im Rahmen der Totalrevision der Versorgungsausgleich nunmehr zwischen den überlebenden Ehegatten und dem verstorbenen Ehegatten durchzuführen ist. In dieser Konstellation stellt der BGH fest, gibt es keinen Versorgungsausgleich mit einem verstorbenen Ehegatten, so dass ein solcher Versorgungsausgleich schlicht nicht mehr stattfindet. In diesem Fall würde der Versorgungsausgleich nicht mehr durchgeführt und der Antragsteller erhält seine Anrechte zurück, so auch OLG Stuttgart NZFam 2014, 1140, OLG Koblenz BeckRS 2015, 10508, OLG Stuttgart NJW 2015, 1254, Münchener Kommentar § 31 VersAusglG Rz. 5 ff..
Diese Rechtsansicht wird vorliegend nicht geteilt. Das Gericht schließt sich insoweit OLG Schleswig in FamRZ 2015, 757 und NJW-RR 2016, 1225; Bergner in NZFam 2014, 539; Kemper in NZFam 2016, 285; sowie Borth in FamRZ 2015, 719 an.
Die vom BGH favorisierte Lösung greift zu sehr in die Rechtskraft der Erstentscheidung ein. Der Antragsteller hatte seine Anrechte abgegeben und verloren. Ohne Erreichen einer Wesentlichkeitsgrenze war ihm klar, dass er diese Anrechte nicht mehr wiedererlangen würde. Auch wurde damit Vertrauensschutz für die Hinterbliebenenversorgung der Erben der Antragsgegnerin geschaffen.
In diese beiden Vertrauenspositionen einzugreifen ist nicht Aufgabe und Sinn eines Abänderungsverfahrens, welches grundsätzlich nur darauf abzielt, über die Jahre entstandenen Wertanpassungen der Rentensysteme z. B. durch die sog. Mütterrente oder sonstige allgemeine Wertveränderungen auszugleichen.
Die Lösung des BGH’s hätte zur Folge, dass der Antragsteller so stünde, als wäre er nie verheiratet gewesen und als hätte es die Erstentscheidung nicht gegeben. Auch unter Berücksichtigung der sog. Totalrevision fehlt für eine derartige Rückabwicklung eine Rechtsgrundlage im Gesetz.
Die Totalrevision ist insbesondere im Hinblick auf die Altfälle und die damals vorherrschende Gesamtsaldierung notwendig. Demgegenüber ist es nicht notwendig, das Anrecht nicht zu teilen, nur weil es aktuell anders bewertet wird.
Auch das Verbot der Besserstellung aus § 31 Abs. 2 S. 1 VersAusglG spricht für die hier vertretenen Auffassung. Zwar erfolgt im Rahmen der Erstentscheidung bei Vorversterben des ausgleichsberechtigten Ehegatten kein Versorgungsausgleich, was aus § 31 Abs. 1 S. 2 VersAusglG folgt, da die Erben keinen Anspruch auf Versorgungsausgleich haben.
Da die Regelung des § 31 VersAusglG jedoch analog im Rahmen des § 51 VersAusglG Anwendung findet, ist sie im Rahmen des Abänderungsverfahrens entsprechend zu lesen. Dies bedeutet, dass die ausgleichsberechtigten Erben zu Lasten des überlebenden Ehegatten keine weitere Übertragung oder Erhöhung ihrer Anrechte fordern können. Der überlebende ausgleichspflichtige Ehegatte kann dies bis zur Grenze der Besserstellung des § 31 Abs. 2 VersAusglG indessen tun. Dies kann er letztlich nach allen zitierten Auffassungen.
Eine darüber hinausgehende Besserstellung ergibt sich, wenn man dem BGH folgt, unter dem Blickwinkel einer Totalrevision, die jedoch die Rechtskraftbindung der Erstentscheidung, aber auch die geschaffene Vertrauenssituation außer Acht lässt.
Dies hat der Gesetzgeber aber gerade nicht gewollt. Wie sich aus dem Rechtsgedanken des § 37 VersAusglG ergibt, hat der Gesetzgeber jedoch den Anwendungsbereich für eine vollständige Rückabwicklung des Versorgungsausgleichs bei Tod eines Ehegatten zeitlich beschränken wollen. Auch diese zeitliche Beschränkung würde durch die Rechtsprechung des BGH’s zu Lasten letztlich der Versicherungs- und Pensionssysteme unterlaufen.
V.
Nach alldem konnte der weitergehende Antrag daher nicht zugesprochen werden und war zurückzuweisen. Dies hatte im Tenor zur Folge, dass eine externe Teilung nach Gesamtsaldierung zu erfolgen hatte, vgl. BGH aaO., die in der Höhe niedriger ausfällt als bisher.
Dies verstößt auch nicht dagegen, dass zu Gunsten eines Verstorbenen kein Rentenkonto begründet werden kann. Zum einen macht dies im Hinblick auf eine etwaige Hinterbliebenenversorgung ohne weiteres Sinn. Zum anderen geht es vorliegend nur um die Frage, um wie viel das Anrecht des Antragstellers erhöht oder verringert wird. Da das Sozialsystem auch Rentenkonten für Verstorbene kennt, war die Tenorierung nicht unmöglich. Im Ergebnis bedeutet dies rechnerisch, dass das Anrecht des Antragstellers (nur noch) um 602,53 € statt um 1.412,85 DM (= 722,38 €) zu kürzen war.
Die Kosten des Verfahrens hatte der Antragsteller zu tragen.
Der Verfahrenswert folgt aus § 50 Abs. 1 S. 2 FamGKG. Ausgehend vom 3-fachen Rentenwert der beteiligten Ehegatten und 2 x 10% für die streitigen Anrechte ergab sich ein Wert von unter 1.000,- €, so dass der Mindestwert festzusetzen war.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Befristeter Arbeitsvertrag – Regelungen und Ansprüche

Dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit einem befristeten Vertrag eingestellt werden, ist längst keine Seltenheit mehr. Häufig taucht der Arbeitsvertrag auf Zeit bei jungen Mitarbeitenden auf. Über die wichtigsten Regelungen und Ansprüche informieren wir Sie.
Mehr lesen