Arbeitsrecht

Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich

Aktenzeichen  6 AZR 687/14

Datum:
23.7.2015
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2015:230715.U.6AZR687.14.0
Normen:
§ 1 TVG
§ 613a Abs 1 S 1 BGB
§ 1 Abs 2 KSchG
Spruchkörper:
6. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Münster, 6. März 2014, Az: 2 Ca 1479/13, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), 12. September 2014, Az: 10 Sa 493/14, Urteil

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 12. September 2014 – 10 Sa 493/14 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (TV SozSich).
2
Der 1960 geborene Kläger stand seit dem 1. Mai 2002 in einem Arbeitsverhältnis zu dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland und wurde zuletzt als Heizungsmonteur in einer Kaserne der britischen Stationierungsstreitkräfte beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 8. Juli 2002 fanden die Bestimmungen des Tarifvertrags für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV AL II) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.
3
Die britischen Stationierungsstreitkräfte unterrichteten zusammen mit der Beklagten zu 2. den Kläger mit Schreiben vom 17. Mai 2011 über den bevorstehenden Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 2., welche das Gebäudemanagement der Kaserne als Dienstleisterin übernommen hatte. In dem Unterrichtungsschreiben wurde mitgeteilt: „Soweit arbeitsvertraglich die Anwendung tarifvertraglicher Regelungen vereinbart wurde, werden diese Vereinbarungen durch den Betriebsteilübergang nicht berührt; die Bezugnahme bleibt mit dem zum Übergangsstichtag maßgeblichen Inhalt unverändert gültig.“ Der Betriebsteilübergang erfolgte zum 8. August 2011. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht und übte in der Folgezeit für die Beklagte zu 2. seine Tätigkeit weiterhin auf dem Gelände der Kaserne aus.
4
Unter dem 4. Juli 2012 informierte das britische Verteidigungsministerium die Beklagte zu 2. über die beabsichtigte Schließung der Kaserne zum 31. Dezember 2012. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2012 kündigte die Beklagte zu 2. das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger betriebsbedingt zum 31. März 2013. Das Beschäftigungsbedürfnis sei wegen des Rückgangs der durch die britischen Streitkräfte erteilten Aufträge entfallen. Die Wirksamkeit dieser Kündigung steht zwischen den Parteien nicht mehr in Streit. Die Kaserne wurde schließlich erst zum 31. Dezember 2013 geschlossen.
5
Mit seiner Klage hat der Kläger nach erfolgloser außergerichtlicher Forderung Ansprüche auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 TV SozSich geltend gemacht. Der TV SozSich lautet auszugsweise wie folgt:
        
„§ 1   
        
Geltungsbereich
        
Dieser Tarifvertrag gilt für Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung unter den Geltungsbereich der Tarifverträge vom 16. Dezember 1966 TV AL II und TV AL II (Frz) fallen und die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 erfüllen. …
        
        
        
§ 2     
        
Anspruchsvoraussetzungen
        
Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag haben Arbeitnehmer, die
        
1.    
wegen Personaleinschränkung
        
        
a)    
infolge einer Verringerung der Truppenstärke
        
        
b)    
infolge einer aus militärischen Gründen von der obersten Dienstbehörde angeordneten Auflösung von Dienststellen oder Einheiten oder deren Verlegung außerhalb des Einzugsbereichs des bisherigen ständigen Beschäftigungsortes
        
        
entlassen werden, …“
6
Der Kläger sieht diese Voraussetzungen als erfüllt an. Der TV SozSich sei aufgrund einzelvertraglicher Inbezugnahme vor und nach dem Betriebsteilübergang Inhalt des Arbeitsverhältnisses gewesen. Für die Geltung des TV SozSich sei nicht relevant, ob der übergegangene Betriebsteil den Charakter einer militärischen Einheit beibehalten habe. Die Kündigung sei mittelbar auf die Schließung der Kaserne zurückzuführen. Der daraus folgende Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe entspreche dem Schutzzweck des TV SozSich.
7
Die Beklagte zu 2. schulde die Überbrückungsbeihilfe als nunmehrige Arbeitgeberin. Daneben sei auch die Bundesrepublik Deutschland (Beklagte zu 1.) zahlungsverpflichtet. Dies folge aus § 7 Ziff. 2 TV SozSich, wonach die Überbrückungsbeihilfe bei dem zuständigen Amt für Verteidigungslasten zu beantragen sei. Die Beklagte zu 1. habe zudem die Beklagte zu 2. von den Ansprüchen auf Überbrückungsbeihilfe freizustellen. Dies ergebe sich aus einer Verbalnote des Auswärtigen Amtes vom 3. September 1971 (V 7 – 81.57/10), wonach die Beklagte zu 1. die Entsendestaaten von allen finanziellen Verpflichtungen freistelle, die sich aus dem TV SozSich ergeben. Wegen des Betriebsteilübergangs gelte dies nun bezüglich der Beklagten zu 2. Da diese über ein Stammkapital von nur 25.000,00 Euro verfüge, sei zu befürchten, dass die Summe der zu leistenden Überbrückungsbeihilfen ihre finanziellen Mittel übersteige. Allein seine (des Klägers) Überbrückungsbeihilfe belaufe sich für die Zeit von April 2013 bis November 2013 auf 632,97 Euro pro Monat, für die Zeit ab Dezember 2013 auf 575,28 Euro pro Monat und für die Zeit ab Mai 2014 auf 426,45 Euro.
8
Bei Nichtbestehen eines tariflichen Anspruchs stünden ihm diese Beträge als Schadensersatzanspruch zu. In der mit Schreiben vom 17. Mai 2011 erfolgten Unterrichtung über den bevorstehenden Betriebsteilübergang sei er nicht darauf hingewiesen worden, dass der TV SozSich nicht mehr zur Anwendung komme oder diesbezüglich zumindest eine Unsicherheit bestehe. Es sei ihm und seinen Kollegen vielmehr versichert worden, dass die bisher anwendbaren Tarifverträge weiterhin Geltung fänden. Hätte er gewusst, dass ihm nach dem Betriebsteilübergang kein tariflicher Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe mehr zustehen könnte, hätte er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen.
9
Der Kläger hat daher beantragt,
        
1.    
die Beklagten zu verurteilen, ihm Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich in Höhe von 9.497,13 Euro netto nebst fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 632,97 Euro seit dem 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November und 1. Dezember 2013, aus je 575,28 Euro seit dem 1. Januar, 1. Februar, 1. März und 1. April 2014 sowie aus je 426,45 Euro seit dem 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August und 1. September 2014 zu zahlen;
        
2.    
festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich zu zahlen;
        
3.    
festzustellen, dass die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, die Beklagte zu 2. von den Ansprüchen des Klägers gegen die Beklagte zu 2. auf Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich freizustellen.
10
Die Beklagten haben ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass weder der Geltungsbereich des TV SozSich eröffnet noch dessen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien. Unter den TV SozSich fielen nur Arbeitnehmer der Stationierungsstreitkräfte. Der Kläger sei auch nicht aus militärischen Gründen entlassen worden.
11
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision.

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