Arbeitsrecht

Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe trotz möglichen Verstoßes gegen das absolute Alkoholverbot

Aktenzeichen  AN 1 K 18.01817

Datum:
25.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 25210
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2
BeamStG § 4 Abs. 3 lit. a, § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 9
LlbG Art. 12
FachV-Pol/VS § 5 Abs. 1, § 69 Abs. 1 S. 1, § 71 a Abs. 1
VwGO § 113 Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

Der Dienstantritt in alkoholisiertem Zustand trotz des für die Bayerische Polizei geltenden absoluten Alkoholverbots, das es allen Beschäftigten untersagt, in angemessener Zeit vor Dienstantritt alkoholische Getränke zu sich zu nehmen, wenn der Restalkohol nicht rechtzeitig vor Dienstantritt abgebaut werden kann, kann als ein beamtenrechtliche Maßnahmen rechtfertigender charakterlicher Mangel gewürdigt werden. Dabei genügen Zweifel an der charakterlichen Eignung. Die Prognose muss allerdings aufgrund einer tragfähigen Sachverhaltsermittlung und ausreichenden Tatsachengrundlage erfolgen.  (Rn. 37 und 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid des Polizeipräsidiums … vom 19. April 2018 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verpflichtet, über die Übernahme des Klägers in ein Beamtenverhältnis auf Probe in der Fachlaufbahn „Polizei- und Verfassungsschutz“ im fachlichen Schwerpunkt „Technischer Computer- und Internetkriminaldienst“ der 3. Qualifikationsebene unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
4. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig.
a) Die Klage ist gerichtet auf die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe in der Fachlaufbahn Polizei und Verfassungsschutz (Fachlaufbahn) mit dem fachlichen Schwerpunkt Technischer Computer- und Internetkriminaldienst gemäß Art. 33 Abs. 2 GG, § 4 Abs. 3 Buchst. a des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern – (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG), § 8 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG, Art. 12 des Gesetz über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz – LlbG) und § 71 a Abs. 1 FachV-Pol/VS. Statthaft ist insoweit eine Verpflichtungsklage in Form der Bescheidungsklage gemäß § 42 Abs. 1, § 113 Abs. 5 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Beklagte hat mit Schreiben des Polizeipräsidiums … vom 19. April 2018, mit dem die vereinbarungsgemäße Beendigung des Arbeitsverhältnisses festgestellt und die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe zum … 2018 wegen fehlender persönlicher bzw. charakterlicher Eignung ausgeschlossen worden ist, jedenfalls die Ernennung, bei der es sich um einen Verwaltungsakt handelt (Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Auflage 2017, § 3 Rn. 3, 47), konkludent abgelehnt. Dass dem Schreiben vom 19. April 2018 keine Rechtsbehelfsbelehrung:beigefügt war, hat keine Auswirkung auf die Verwaltungsaktqualität (BVerwG, U.v. 19.12.1995 – 10 A 1/94 – BeckRS 9998,171266; Tiedemann in BeckOK VwVfG, § 37 Rn. 74).
b) Der Kläger konnte auch unmittelbar Klage erheben, da Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayAGVwGO auf das Einstellungsbegehren entsprechend anwendbar ist (Schnellenbach/Bodanowitz, a.a.O., § 3 Rn. 51) und damit dem Kläger ein Wahlrecht eingeräumt war, ob er erst Widerspruch gegen die ablehnende Entscheidung einlegt oder gleich den Klageweg beschreitet.
c) Mangels Rechtsbehelfsbelehrung:war gemäß § 58 Abs. 2 VwGO die Einlegung eines Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres seit Zustellung möglich, so dass die Klage gegen den Bescheid vom 19. April 2018 am 17. September 2018 noch rechtzeitig erhoben wurde.
2. Die Klage ist auch begründet. Die Ablehnung der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe mit Schreiben vom 19. April 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Neuverbescheidung seines Antrages auf Berufung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
a) Rechtsgrundlage für die Begründung eines Beamtenverhältnisses auf Probe sind Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG, § 69 Abs. 1 S. 1 I.V.m § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 4 bis 6 FachV-Pol/VS. Danach sind Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnischer Herkunft, Behinderung, Religion, Weltanschauung, politische Anschauungen, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität vorzunehmen. Die vom Kläger begehrte Einstellung setzt daher unter anderem die Eignung voraus, wozu auch die charakterliche Eignung als Unterfall der persönlichen Eignung gehört. Hierfür ist eine prognostische Einschätzung zu treffen, inwieweit der Bewerber der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Das erfordert eine wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Einstellungsbewerbers, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale geben können (BVerwG, B.v. 20.7.2016 – 2 B 18.16 – juris Rn. 26; Baßlsperger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand Dezember 2017, § 9 BeamtStG Rn. 39). Zur Ablehnung der Einstellung genügen bereits berechtigte Zweifel des Dienstherrn daran, ob der Beamte die charakterliche Eignung besitzt (BVerwG, B.v. 20.7.2016 – 2 B 18.16 – juris Rn. 25 f.). Der Dienstherr trifft die Entscheidung über die charakterliche Eignung im Rahmen seines ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes, sodass diese Eignungseinschätzung nur einer beschränkten Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterworfen ist. Nur der Dienstherr soll durch die für ihn handelnden Organe nach dem erkennbaren Sinn der Regelung über die Auslese nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Ernennungsbewerber den – ebenfalls vom Dienstherrn zu bestimmenden – fachlichen und persönlichen Anforderungen eines konkreten Amtes und der Laufbahn entspricht. Jede Auswahlentscheidung muss auf einer tragfähigen Sachverhaltsermittlung und einer sorgfältigen Abwägung beruhen. Das gilt auch und insbesondere, wenn die Auswahl auf einer Beurteilung der persönlichen, charakterlichen Eignung beruht (BayVGH, B.v. 12.5.2016 – 6 CE 16.371 – juris Rn. 7).
Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich demnach darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (BVerwG, U.v. 25.1.2001 – 2 C 43/99 – juris Rn. 23; U.v. 30.1.2003 – 2 A 1.02 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 23.10.2017 – 6 ZB 17.941 – juris Rn. 13; ).
b) Nach diesen Maßgaben ist die Entscheidung der Beklagten, die Einstellung des Klägers in ein Beamtenverhältnis auf Probe abzulehnen, rechtlich zu beanstanden. Denn die von der Beklagtenseite angeführten Umstände tragen die Ablehnungsentscheidung aufgrund charakterlicher Ungeeignetheit nicht.
Der Beklagte stützt seine Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers auf den Vorfall am … 2017. Dabei ist es im Rahmen einer mehrtägigen Fortbildungsveranstaltung nach dem Genuss alkoholischer Getränke zu einer Schlägerei unter Beteiligung des Klägers und anderer Lehrgangsteilnehmer gekommen. Aufgrund des beim Kläger im Nachgang zu der Schlägerei ermittelten Atemalkoholgehalts von 0,76 mg/l ging der Beklagte davon aus, dass der konsumierte Alkohol bis zum Dienstantritt am nächsten Morgen nicht vollständig abgebaut werden konnte und der Kläger daher trotz des für die Bayerische Polizei bestehenden absoluten Alkoholverbots (IMS vom 4.5.2000 – IC5-0142.1-11) am nächsten Morgen seinen Dienst in alkoholisiertem Zustand angetreten hat.
Die Kammer schließt sich grundsätzlich der in der Rechtsprechung vertretenen Bewertung an, dass der Dienstantritt in alkoholisiertem Zustand trotz des für die Bayerische Polizei geltenden absoluten Alkoholverbots, das es allen Beschäftigten untersagt, in angemessener Zeit vor Dienstantritt alkoholische Getränke zu sich zu nehmen, wenn der Restalkohol nicht rechtzeitig vor Dienstantritt abgebaut werden kann, als ein beamtenrechtliche Maßnahmen rechtfertigender charakterlicher Mangel gewürdigt werden kann (BayVGH, B.v. 20.3.2017 – 3 CS 17.257 – juris Rn. 14; VG Würzburg, B.v. 22.12.2017 – W 1 S 17.1441 -, juris Rn. 30 f.). Insoweit weist die Kammer darauf hin, dass – selbst wenn bei einer Abendveranstaltung im Rahmen einer mehrtätigen Fortbildungsveranstaltung in Anwesenheit des Ausbilders Alkohol konsumiert worden sein sollte – die Fortbildungsteilnehmer selbst dafür verantwortlich sind, dass bei Dienstantritt kein Restalkohol mehr vorhanden ist.
Allerdings ist für die Kammer nicht nachgewiesen, dass der Kläger tatsächlich am nächsten Morgen alkoholisiert zum Dienst, vorliegend als Teilnehmer an einer Fortbildungsveranstaltung, erschienen ist. Bei Dienstantritt am nächsten Morgen, also etwa 8,5 Stunden nach der Atemalkoholmessung, wurde beim Kläger keine erneute Alkoholkontrolle durchgeführt. Auch finden sich keine Hinweise in der Akte des Beklagten, dass der Kläger hinsichtlich rauschmittelbedingter Erscheinungen (z.B. Alkoholgeruch, schwankender Gang) auffällig geworden ist. Vielmehr hat der Beklagte unter Annahme eines Abbauwertes von 0,05 mg/l pro Stunde (entsprich 0,1 ‰/h) einen Restalkohol zum Zeitpunkt des Dienstantrittes berechnet.
Zwar ist es zutreffend, dass im Rahmen der Prognose, ob der Kläger die fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes und der Laufbahn zukünftig erfüllen wird, bereits Zweifel an der charakterlichen Eignung ausreichen können (BayVGH, B.v. 20.3.2017 – 3 CS 17.257 – juris Rn. 13). Dies gilt jedoch nicht hinsichtlich des der Prognose zugrundeliegenden Sachverhaltes. Die Prognose muss vielmehr aufgrund einer tragfähigen Sachverhaltsermittlung bzw. einer ausreichenden Tatsachengrundlage erfolgen (BayVGH, B.v. 12.5.2016 – 6 CE 16.371 – juris Rn. 7).
Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass grundsätzlich unterschiedliche Abbauwerte für Alkohol bestehen. Abhängig sind diese u.a. vom Geschlecht und von der körperlichen Statur des Betroffenen. Die stündlichen Abbauraten, die in die Rechtsprechung Eingang gefunden haben, sind der Mindestabbauwert von 0,10 ‰/h (entspricht 0,05 mg/l pro Stunde), der wahrscheinliche stündliche Abbauwert von 0,15 ‰/h (entspricht 0,75 mg/l pro Stunde) und der maximale Abbauwert von 0,20 ‰/h (entspricht 0,1 mg/l pro Stunde; Priemer in Buck/Krumbholz, Sachverständigenbeweis im Verkehrs- und Strafrecht, 2. Auflage 2013, § 10 Rn. 55).
Aufgrund dieser unterschiedlichen Abbauwerte kann nicht sicher davon ausgegangen werden, dass der Kläger tatsächlich bei Dienstantritt alkoholisiert gewesen ist. Dies hätte belastbar nur mit einer Alkoholmessung bei Dienstantritt belegt werden können. Greift der Dienstherr stattdessen auf eine Berechnung zurück, muss diese so erfolgen, dass mit Sicherheit feststeht, dass bei Dienstantritt eine Alkoholisierung vorlag. Die Heranziehung des Mindestabbauwertes widerspricht nach Auffassung der Kammer der Verpflichtung zur Ermittlung einer ausreichenden Tatsachengrundlage, da der Mindestabbauwert gerade nicht zwingend den konkreten Abbauvorgang im Körper des Klägers wiederspiegelt. Eine Alkoholisierung bei Dienstantritt kann im Falle der Berechnung nur sicher nachgewiesen werden, wenn selbst bei Annahme des maximalen Abbauwertes von einem Restalkohol ausgegangen werden kann. Nachträglich wird es dem Beklagten kaum möglich sein, festzustellen, wie der Alkohol im Körper des Klägers am … 2017 tatsächlich abgebaut worden ist.
Unabhängig davon, dass der Beklagte bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht nachgewiesen hat, dass der Kläger am … 2017 tatsächlich von dem für die Bayerische Polizei bestehenden absoluten Alkoholverbot (IMS vom 4.5.2000 – IC5-0142.1-11) Kenntnis hatte, kann jedenfalls nicht unterstellt werden, dass es der Kläger zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass er am nächsten Morgen in alkoholisiertem Zustand zum Dienst erscheinen würde, da es durchaus möglich hätte sein können, dass bei Annahme eines maximalen Abbauwertes eine Alkoholisierung bei Dienstantritt nicht mehr vorgelegen hätte.
Hinzukommt, dass es sich bei dem hier streitgegenständlichen Vorfall vom … 2017 im Rahmen der zweijährigen polizeifachlichen Unterweisung (1.5.2016 – 30.4.2018) um eine einmalige Auffälligkeit des Klägers handelte. Zwar kann auch ein einmaliges schwerwiegendes außerdienstliches Fehlverhalten die Annahme der fehlenden charakterlichen Eignung rechtfertigen (BVerwG, B.v. 20.7.2016 – 2 B 17/16 – juris Rn. 7 f.). Zweifelhaft erscheint dies nach Auffassung der Kammer jedoch dann, wenn dem Betroffenen durch Erteilung einer Abmahnung Gelegenheit gegeben worden ist, das unangemessene Verhalten abzustellen, und sich dieser in der Folge dann auch beanstandungsfrei verhalten hat. Insoweit unterscheidet sich der der Entscheidung des VG Augsburg vom 20. März 2017 (Au 2 S 16.1730 – BeckRS 2017,105436) zugrunde liegende Sachverhalt von dem vorliegenden Sachverhalt dahingehend, dass der dortige Betroffene wiederholt alkoholisiert zum Dienst erschienen war. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof weist im Beschluss vom 15. Juli 2003 (3 CS 03.1583 – juris Rn. 19) darauf hin, dass eine Entlassungsverfügung nur dann auf das Trinkverhalten gestützt werden kann, wenn es in der Vergangenheit zu wiederholtem Alkoholmissbrauch gekommen sei, nicht aber, wenn es sich bei dem Anlass um eine Feier, bei der viele Teilnehmer dem Alkohol zugesprochen haben, gehandelt hat und sich der Vorfall damit als „einmaliger Ausrutscher“ darstellt.
Dieses Ergebnis lässt sich nach Auffassung der Kammer auch aus der Intention des Alkoholverbots im Bereich der Bayerischen Polizei, nämlich die Erhaltung der ständigen und uneingeschränkten Einsatzbereitschaft der Polizei, deren besondere Aufgabenstellung und Gründe der Unfallverhütung (vgl. Schreiben des StMI vom 4.5.2000, IC5-0142.1-11) herleiten. Auch unter Berücksichtigung einer Gleichbehandlungspflicht aller für die Polizei tätigen Beamte, Angestellten und Arbeiter, erscheint fraglich, ob der anzulegende besonders strenge Maßstab auch für eine Fortbildungsveranstaltung gelten soll, bei der die Einsatzbereitschaft der Polizei gerade nicht betroffen ist.
Letztlich ergibt sich für die Kammer aufgrund des Vorgehens des Beklagten, das Verhalten des Klägers am … 2017 offensichtlich nicht als schwerwiegenden Verstoß einzustufen hat, sondern eher als „einmaligen Ausrutscher“ anzusehen. Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis nicht unmittelbar nach Kenntniserlangung durch Kündigung beendet, sondern mit einer Abmahnung reagiert. Aufgrund dessen durfte der Kläger davon ausgehen, dass es bei zukünftiger Beachtung der dienstlichen Vorgaben keine weiteren Probleme hinsichtlich der Begründung des Beamtenverhältnisses bei Erwerb der sonstigen Qualifikationsvoraussetzungen des § 70 FachV-Pol/VS geben würde. Soweit der Beklagte darauf hinwies, dass der Kläger bereits seit dem Personalgespräch am 3. März 2017 über die Folgen des Vorfalles hinsichtlich seiner persönlichen Eignung informiert gewesen sei, lässt sich dies anhand der Behördenakte nicht belastbar feststellen. Dass der einmalige Vorfall beim Polizeipräsidium … als weitgehend erledigt betrachtet worden sein dürfte, ergibt sich für das Gericht auch daraus, dass durch die Personalabteilung des Polizeipräsidiums … ab März 2018 das Verfahren zur Berufung des Klägers in das Beamtenverhältnis durch Beteiligung z.B. des unmittelbaren Vorgesetzten, des Personalrates und des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr eingeleitet worden war. So wurde z.B. festgestellt, dass sich der Kläger seit der tarifrechtlichen Abmahnung tadellos geführt habe, er für das K … sehr brauchbar sei und sich daher das KFD … für eine Übernahme ausspreche. Des Weiteren wurde dem Kläger mit Schreiben vom 13. März 2018 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihn in das Beamtenverhältnis zu übernehmen, wegen der noch ausstehenden polizeiärztlichen Untersuchung aber eine Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrages vom … 2016 bis zum … 2018 erforderlich sei. Es darf wohl davon ausgegangen werden, dass sich das Polizeipräsidium nicht um die Herstellung der Ernennungsvoraussetzungen bemüht hätte, wenn es zu diesem Zeitpunkt tatsächlich von einer Nichteignung des Klägers ausgegangen wäre. Insoweit kann es dahinstehen, ob der Kläger bereits bei dem Personalgespräch am 3. März 2017 auf die bestehenden Zweifel an seiner charakterlichen Eignung hingewiesen worden ist.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass derzeit nicht das dauerhafte Verbleiben des Klägers im Polizeidienst im Raum steht, sondern dass der Beklagte während der Zeit eines etwaigen Beamtenverhältnisses auf Probe noch ausreichend Zeit hat, die Entwicklung des Verhaltens und der Persönlichkeit des Klägers zu beobachten und gegebenenfalls bei einem (erneuten) Fehlverhalten entsprechende Konsequenzen zu ziehen (BayVGH, B.v. 10.6.2003 – 3 CS 03.1398 – juris Rn. 21).
c) Da der Kläger trotz des Erwerbs der Qualifikationsvoraussetzungen gemäß Art. 38 Abs. 2, Art. 67 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 des Leistungslaufbahngesetzes (LlbG) i.V.m § 70 Abs. 1 Nr. 2 FachV-Pol/VS keinen Rechtsanspruch auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe hat (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2016 – 6 CE 16.371 – juris Rn. 7 für einen Anwärter nach Bestehens der Laufbahnprüfung), war der Beklagte gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu verurteilen, über die Ernennung des Klägers in das Beamtenverhältnis auf Probe erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Das Ermessen des Beklagten ist auch nicht durch die Fassung des § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrages („Der Arbeitgeber sichert zu, dass der Beschäftigte bei Vorliegen der allgemeinen beamtenrechtlichen und laufbahnrechtlichen Voraussetzungen […] voraussichtlich zum 18.4.2018 in ein Beamtenverhältnis übernommen wird“) auf Null reduziert, da die Zusicherung vorbehaltlich der Prüfung der allgemeinen beamtenrechtlichen und laufbahnrechtlichen Voraussetzungen abgegeben worden ist.
Vor erneuter Entscheidung ist es dem Beklagten unbenommen, Sachverhaltsermittlungen dahingehend aufzunehmen, ob der Kläger bei der Schlägerei am … 2017 – wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen – aktiv und tätlich in das Geschehen eingegriffen hat. Die zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde vorliegenden Erkenntnismittel (BayVGH, B.v. 23.10.2017 – 6 ZB 17.941 – juris Rn. 13) rechtfertigen nach Auffassung des Gerichts diese Annahme nicht in belastbarer Art und Weise, insbesondere da der bei dem Vorfall Geschädigte dem Kläger eine ausschließlich schlichtende Rolle zugesprochen hatte (vgl. Stellungnahme des Geschädigten vom 23.7.2017).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 bzw. Nr. 4 VwGO).

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