Aktenzeichen 2 Sa 341/18
Leitsatz
Die Zahlung von Überstundenzuschlägen nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVöD setzt für sog. geplante Überstunden im Sinne von § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD voraus, dass die über der Sollarbeitszeit liegenden Ist-Arbeitsstunden tatsächlich geleistet wurden. Zeiten des Urlaubs oder der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit gelten insofern nicht als geleistete Arbeitsstunden. (Rn. 27)
Verfahrensgang
2 Ca 1334/17 2018-08-08 Endurteil ARBGWEIDEN ArbG Weiden
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden – Kammer Schwandorf – vom 08.08.2018, Az.: 2 Ca 1334/17, aufgehoben, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 117,32 € brutto nebst Zinsen hieraus verurteilt worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht trägt die Beklagte 6/10, die Klägerin 4/10.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Nach § 8 Abs. 1 S. 1 TVöD-K erhält der/die Beschäftigte neben dem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung Zeitzuschläge. Dies setzt voraus, dass Überstunden tatsächlich geleistet wurden. Dies war in dem von der Berufung angegriffenen Umfang nicht der Fall. Das Urteil des Arbeitsgerichts war daher auf die erstmals im Berufungsverfahren vorgetragenen Argumente hin entsprechend zu korrigieren.
A.
Die Berufung ist zulässig. Sie gemäß § 64 Abs. 1 Abs. 2 a ArbGG statthaft und auch in der gesetzlichen Form- und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.
B.
I.
Die Berufung ist auch begründet. Zunächst ist dem Arbeitsgericht darin zu folgen, dass sich die Bezahlung von Überstunden ausschließlich nach den tariflichen Vorschriften richtet und der Einigungsstellenspruch zur Regelung der Arbeitszeitflexibilisierung vom 05.02.2013 hieran nichts ändert. Insoweit wird vollumfänglich auf die Ausführungen unter II. 3. der Entscheidungsgründe im Urteil des Arbeitsgerichts (Bl. 114, 115 d.A.) verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
II.
Die Klägerin leistete unstreitig Wechselschicht- und Schichtarbeit im Tarifsinne (§ 7 Abs. 1 und 2 TVöD-K). Überstunden sind in diesem Falle nach § 7 Abs. 8 c TVöD-K nur die Arbeitsstunden, die über die im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden einschließlich der im Schichtplan vorgesehenen Arbeitsstunden, die bezogen auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden, angeordnet worden sind. Diese sprachlich wenig verständliche Norm soll nach der Rechtsprechung des BAG (Urteile vom 25.04.2013 – 6 AZR 800/11 und vom 23.03.2017 – 6 AZR 161/16) offensichtlich zwei unterschiedliche Sachverhalte regeln und ist daher wie folgt zu lesen:
„Abweichend von Abs. 7 sind nur die Arbeitsstunden Überstunden, die im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit über die im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden hinaus angeordnet worden sind, und/oder die im Schichtplan vorgesehenen (festgesetzten) Arbeitsstunden, die – bezogen auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (im Sinne von § 6 Abs. 1 TVöD-K) – im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden.“
Danach regelt die Vorschrift zwei Alternativen. Die erste Alternative betrifft den Sachverhalt, dass zu den im Schichtplan festgesetzten „täglichen“ Arbeitsstunden zusätzliche, nicht im Schichtplan ausgewiesene Stunden angeordnet werden („ungeplante Überstunden“). Dem stehen die Fälle der zweiten Alternative gegenüber, in denen die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bereits durch die im Schichtplan angeordneten Stunden überschritten wird (sog. „geplante Überstunden“, vgl. BAG, a.a.O.).
III.
Mit der Berufung greift die Beklagte nur die vom Arbeitsgericht zugesprochenen Überstundenzuschläge für geplante Überstunden nach § 7 Abs. 8 Buchst. c, Alternative 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVöD-K an, soweit die Arbeit nicht tatsächlich geleistet wurde. Unstreitig hat die Klägerin in dem nach den betrieblichen Vereinbarungen zugrunde zu legenden monatlichen Schichtplanturnus wegen Urlaubs in den Monaten Mai und Juli 2017 nicht mehr als die zugrunde zu legende Sollarbeitszeit tatsächlich geleistet. Im Juni 2017 hat sie wegen der wegen Krankheit ausgefallenen Arbeitszeit nur 4,25 und nicht 6,5 Stunden mehr als die Sollarbeitszeit tatsächlich geleistet.
1. Es kann dahinstehen, ob Überstunden i.S.v. § 7 Abs. 8 Buchst. c 2. Alt. TVöD-K auch dann vorliegen können, wenn die Arbeit nicht geleistet wurde, sondern wegen Krankheit oder Urlaub ausgefallen ist. In diese Richtung deuten allerdings mehrere Entscheidungen des BAG:
So kommt es nach dem Urteil des BAG vom 25.04.2013 – 6 AZR 800/11 – auf die tatsächliche Überschreitung der Arbeitszeit von Vollbeschäftigten innerhalb des Schichtplanturnus, vorliegend also ein Monat, an. In Rn 38 der Urteilsgründe heißt es: „…Bei Stunden, die wie vorliegend im Schichtplan – sei es bei dessen Aufstellung, sei es infolge späterer Änderungen/Ergänzungen des Plans – vorgesehen (festgesetzt) sind, können Überstunden nach der Regelung in § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD nur dann entstehen, wenn mehr Stunden vorgesehen sind, als sie ein Vollzeitbeschäftigter erbringen müsste. Ob tatsächlich Überstunden geleistet worden sind, ergibt sich in diesem Fall allerdings erst aus dem am Ende eines Schichtplanturnus vorzunehmenden Abgleich zwischen der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung und der von einem Vollzeitbeschäftigten in diesem Zeitraum geschuldeten Arbeit…“. In Zeiten des Urlaubs oder der Arbeitsunfähigkeit wird eine Arbeitsleistung aber tatsächlich nicht erbracht. Für Zeiten des Urlaubs ist eine Arbeitsleistung außerdem noch nicht einmal geplant, sondern die bezahlte Freistellung von der Arbeit.
Das BAG teilt auch die Auffassung der Klägerin nicht, wonach § 7 Abs. 8 Buchst. c die Voraussetzungen für das Vorliegen von Überstunden eigenständig und abschließend geregelt habe und die tatsächliche Arbeitsleistung hier eben nicht erwähnt sei. So heißt es im o.g. Urteil vom 25.04.2013 in Rn 25: „Zudem enthält § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD lediglich Modifikationen der Grundregel in § 7 Abs. 7 TVöD.“ Zwar weicht § 7 Abs. 8 Buchst. c 2. Alt. TVöD-K von der Grundregelung zur Entstehung von Überstunden in § 7 Abs. 7 TVöD z. B. dadurch ab, dass ein veränderter Ausgleichszeitraum im Sinne des jeweiligen Schichtplanturnus – hier ein Monat – statt der Folgewoche gegeben ist. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Überstundendefinitionen des § 7 Abs. 8 Buchst. a – c TVöD nicht auch das tatsächliche Ableisten der Arbeitsstunden voraussetzen würden. In Abs. 8 wird ebenso wie in Abs. 7 der Begriff der Arbeitsstunden verwendet. Nach dem Wortlaut des Abs. 8 enthält dieser nur die Abweichungen von Abs. 7 und eben keine völlige Neuregelung. Das bloße Nichterwähnen des Wortes „geleisteten“ im Zusammenhang mit Arbeitsstunden bedeutet daher nicht, dass das Ableisten der Arbeitsstunden nicht auch vorausgesetzt wird.
2. Entscheidend für die Zuschlagspflicht ist jedoch die in § 8 Abs. 1 Satz 1 TVöD-K enthaltene Regelung. Danach enthält der/die Beschäftigte neben dem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung Zeitzuschläge. Darin ist als materielle Voraussetzung für die Zahlung aller im Folgenden genannten Zeitzuschläge eindeutig die tatsächliche Arbeitsleistung festgelegt. Ausgenommen von der Zuschlagspflicht sind deshalb Zeiten der Entgeltfortzahlung ohne Arbeitsleistung: Arbeitsunfähigkeit/Krankheit: § 22 TVöD-K; Urlaub: §§ 26, 27 TVöD-K; Arbeitsbefreiung aus persönlichen Gründen nach § 29 TVöD-K; 24.12./31.12.: § 6 Abs. 3 TVöD-K (BAG vom 28.07.2010 – 5 AZR 342/09 – Rn 11; Burger, Tarifverträge für den öffentlichen Dienst 3. Aufl. 2015 § 8 TVöD Rn 3; BeckOK TVöD/Welkoborsky TVöD-AT § 8 Rn 1; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrink, § 8 TVöD Rn 5).
Im Übrigen hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 14.05.2013 – 1 AZR 178/12 – Rn 12 festgehalten, dass mit § 8 Abs. 1 Satz 1 TVöD von den Tarifvertragsparteien sichtlich das Ziel verfolgt wurde, nur eine tatsächlich eingetretene besondere Arbeitsbelastung durch ein zusätzliches Entgelt auszugleichen. Dass nur die tatsächliche Arbeitsleistung Zuschläge auslösen kann, wird auch aus der Tarifgeschichte deutlich. Nach § 17 Abs. 3 BAT waren abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch auch bei der Überstundenberechnung für jeden im Berechnungszeitraum liegenden Urlaubstag, Krankheitstag sowie für jeden sonstigen Tag einschließlich eines Wochenfeiertags, an dem der Angestellte von der Arbeit freigestellt war, die Stunden mitzuzählen, die der Angestellte ohne diese Ausfallgründe innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit dienstplanmäßig geleistet hätte. Diese besondere Berücksichtigung von Ausfalltagen ist in den TVöD nicht übernommen worden.
Mit diesem Verständnis verstößt die Regelung zur Zuschlagspflicht von Überstunden auch nicht gegen gesetzliche Regelungen, insbesondere nicht gegen das Entgeltfortzahlungsgesetz oder das Bundesurlaubsgesetz. Denn sowohl nach § 11 BUrlG als auch nach § 4 Abs. 1 a EFZG sind Überstundenzuschläge gerade nicht zur Bemessung des Geldfaktors des Urlaubsentgelts bzw. der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall heranzuziehen.
3. Nach alledem war der Berufung, soweit sie sich gegen das Ersturteil gerichtet hat, stattzugeben und das Ersturteil entsprechend zu korrigieren.
C.
Die Kostenentscheidung beruht bezüglich der Kosten des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 2 ZPO trotz Obsiegens zu tragen, da sie nur aufgrund neuen Vorbringens im Berufungsverfahren obsiegt hat und sie nicht gehindert war, dieses bereits im Verfahren vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen.
Die Voraussetzungen, die eine Zulassung der Revision notwendig gemacht hätten, liegen nicht vor (vgl. § 72 Abs. 2 ArbGG).