Arbeitsrecht

Umfang eines tarifvertraglichen Urlaubsanspruchs

Aktenzeichen  9 AZR 268/15

Datum:
12.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2016:120716.U.9AZR268.15.0
Normen:
§ 1 TVG
Spruchkörper:
9. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Leipzig, 29. August 2014, Az: 10 Ca 3721/13, Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht, 14. April 2015, Az: 3 Sa 533/14, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 14. April 2015 – 3 Sa 533/14 – aufgehoben.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 29. August 2014 – 10 Ca 3721/13 – wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Anzahl der der Klägerin im Kalenderjahr zustehenden Urlaubstage.
2
Die Parteien verbindet seit dem 1. November 1995 ein Arbeitsverhältnis, auf das die Beklagte die für sie geltenden Haustarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung anwendet. Die Beklagte schloss am 24. September 2001 mit der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) einen ab dem 1. Januar 2000 geltenden Manteltarifvertrag – Haustarifvertrag – (MTV 2000), der in § 8 ua. regelt:
        
„2.     
Urlaubsdauer
        
2.1     
Der Erholungsurlaub für Jugendliche und Behinderte … wird entsprechend den gesetzlichen Vorschriften gewährt.
        
2.2     
Alle übrigen Arbeitnehmer erhalten 23 Arbeitstage Urlaub.
        
2.3     
Für langjährige Betriebszugehörigkeit erhöht sich der Urlaubsanspruch gemäß Ziff. 2.2 wie folgt:
        
        
–       
nach vollendeter 5-jähriger Betriebszugehörigkeit um 1 Arbeitstag,
        
        
–       
nach vollendeter 10-jähriger Betriebszugehörigkeit um 2 Arbeitstage,
        
        
–       
nach vollendeter 15-jähriger Betriebszugehörigkeit um 3 Arbeitstage,
        
        
–       
nach vollendeter 20-jähriger Betriebszugehörigkeit um 4 Arbeitstage,
        
        
–       
nach vollendeter 25-jähriger Betriebszugehörigkeit um 5 Arbeitstage,
        
        
–       
nach vollendeter 30-jähriger Betriebszugehörigkeit um 6 Arbeitstage.
        
        
Ergibt das erste Jahr der Beschäftigung kein volles Kalenderjahr, so bleibt es bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit im Sinne der vorgenannten Staffelung außer Betracht.“
3
Unter dem 16. Dezember 2004 vereinbarten die Tarifvertragsparteien einen Manteltarifvertrag – Haustarifvertrag – (MTV 2005), der am 1. Januar 2005 in Kraft trat. Dieser regelt in § 7 ua. Folgendes:
        
„2. Urlaubsdauer
        
Der Erholungsurlaub für Jugendliche und Behinderte wird entsprechend den gesetzlichen Vorschriften gewährt.
        
Alle seit dem 01.01.2004 eingestellten Arbeitnehmer und Auszubildende erhalten 21 Arbeitstage Urlaub.
        
Für die langjährige Betriebszugehörigkeit aller Arbeitnehmer erhöht sich der Urlaubsanspruch wie folgt:
        
–       
nach vollendeter 10-jähriger Betriebszugehörigkeit
um 1 Arbeitstag,
        
–       
nach vollendeter 20-jähriger Betriebszugehörigkeit
um 2 Arbeitstage,
        
–       
nach vollendeter 30-jähriger Betriebszugehörigkeit
um 3 Arbeitstage.
        
Ergibt das erste Jahr der Beschäftigung kein volles Kalenderjahr, so bleibt es bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit im Sinne der vorgenannten Staffelung außer Betracht. …
        
Für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 01.01.04 begonnen hat, gelten die bis zum 31.12.04 erworbenen Urlaubsansprüche gemäß dem Manteltarifvertrag vom 24.09.01 besitzstandswahrend weiter.“
4
Die IG BAU kündigte den MTV 2005 zum 31. Dezember 2009. Ein neuer Tarifvertrag wurde bislang nicht vereinbart.
5
Die von der Beklagten erstellte Lohnabrechnung für Januar 2013 wies für die Klägerin einen Jahresurlaub im Umfang von 24 Arbeitstagen aus.
6
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, infolge ihrer 10-jährigen Betriebszugehörigkeit habe sich der 24 Arbeitstage umfassende Urlaubsanspruch, der ihr aufgrund der Besitzstandsregelung gemäß § 7 Ziff. 2 Abs. 5 MTV 2005 zustehe, um einen Arbeitstag erhöht.
7
Die Klägerin hat beantragt
        
festzustellen, dass ihr ab dem Kalenderjahr 2013 25 Arbeitstage Jahresurlaub zustehen.
8
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, der von einem Arbeitnehmer erworbene Besitzstand nach § 7 Ziff. 2 Abs. 5 MTV 2005 sei auf den Urlaubsanspruch nach dem neuen Tarifstand anzurechnen. Für Arbeitnehmer, die bereits vor dem 1. Januar 2004 in ihre Dienste getreten seien, erhöhe sich der Urlaubsanspruch deshalb erst, wenn die Summe des Urlaubsanspruchs aus § 7 Ziff. 2 Abs. 2 MTV 2005 (Grundurlaub) und § 7 Ziff. 2 Abs. 3 MTV 2005 (Mehrurlaubstage) den besitzstandsgeschützten Urlaub übersteige. Die Klägerin, die mit einem Besitzstand von 24 Arbeitstagen in den MTV 2005 übergeleitet worden sei, komme daher nicht in den Genuss einer weiteren Erhöhung ihres Urlaubsanspruchs.
9
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Minusstunden im Sommerloch: Was ist erlaubt?

In vielen Branchen ist das Sommerloch sehr präsent. Doch wie ist das eigentlich bei einem flexiblen Arbeitszeitmodell, wenn durch weniger Arbeit Minusstunden entstehen? Wir erklären, was zulässig ist und was nicht erlaubt ist.
Mehr lesen