Aktenzeichen 5 Sa 51/18
TV SozSich § 2, § 4
Leitsatz
Die Parteien streiten darüber, ob die Ansprüche des Klägers aus dem TV Soziale Sicherung entfallen sind, da der Kläger nach ursprünglicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit den US-Stationierungsstreitkräften einen neuen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, der allerdings aufgrund Veranlassung des Klägers nicht in Vollzug gesetzt wurde. (Rn. 22 – 27)
1. Das Feststellungsinteresse bei einer Feststellungsklage ist nicht gegeben, wenn durch eine effektivere Klage das Rechtsschutzziel erreicht werden kann. Ist somit eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar, dann fehlt es wegen der endgültigen Klärung des Streitstoffes in einem Prozess am abstrakten Feststellungsinteresse. (Rn. 18 – 20) (red. LS Andy Schmidt)
2. Ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe besteht in den Fällen nicht, in denen dem Arbeitnehemr eine anderweitige zumutbare Verwendung angeboten wird. Dies ist bei einer höheren Eingruppierung ohne weiteres “zumutbar”. Durch diese Angebot ist auch das Ziel und der Zweck des Tarifvertrages Soziale Sicherung erreicht worden, einem Arbeitnehmer möglichst nahtlos eine Weiterbeschäftigung nach einem Arbeitsplatzverlust gerecht zu werden. (Rn. 26 – 27) (red. LS Andy Schmidt)
3. Keine Voraussetzung nach § 2 Ziff. 3 des TV SozSich ist, dass das Arbeitsverhältnis auch tatsächlich in Vollzug gesetzt wird. (Rn. 25) (red. LS Andy Schmidt)
Verfahrensgang
3 Ca 513/17 2017-08-30 Endurteil ARBGWUERZBURG ArbG Würzburg
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Schweinfurt – vom 30.08.2017, Az. 3 Ca 513/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, 2 b ArbGG und ist auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6, Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist sachlich nicht begründet.
1. Der vom Kläger unter anderem gestellte Feststellungsantrag ist nach Auffassung der Berufungskammer zulässig.
a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Arbeitsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken – sogenannte Elementen-Feststellungsklage -.
b) Eine Feststellungsklage setzt nach § 256 Abs. 1 ZPO weiterhin als zusätzliche Prozessvoraussetzung ein rechtliches Interesse des Klägers voraus, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Dieses besondere Feststellunginteresse muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, mithin auch noch in der Berufungs- und Revisionsinstanz, gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen (ständige Rechtsprechung etwa BAG, Urteil vom 17.10.2007 – 4 AZR 1005/06 Rn. 14). Das Feststellungsinteresse ist nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG, Urteil vom 21.04.2010 – 4 AZR 755/08 Rn. 20). Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird, weil nur einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen und denselben Fragenkomplex ausschließen (BAG, Urteil vom 29.11.2001 – 4 AZR 755/00, zitiert nach Juris). Das ist beispielsweise bei einer auf eine Zahlungsverpflichtung gerichteten Eingruppierungsfeststellungsklage dann der Fall, wenn insbesondere über weitere Faktoren, die die Zahlungshöhe bestimmen, kein Streit besteht und die konkrete Bezifferung dann lediglich eine einfache Rechenaufgabe ist, die von den Parteien in einem unstreitigen Verfahren ebenso selbst umgesetzt werden können wie die weiteren Zahlungsmodalitäten. Ein Feststellunginteresse liegt nicht vor, wenn der Kläger durch eine effektivere Klage sein Rechtsschutzziel erreichen kann. Ist eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar, fehlt im Interesse der endgültigen Klärung des Streitstoffes in einem Prozess das abstrakte Feststellunginteresse.
c) Der Kläger hat die aus seiner Sicht bereits zur Zahlung fälligen Ansprüche mit einem Leistungsantrag geltend gemacht. Für noch nicht fällige Ansprüche in der Folgezeit nach Klageerhebung wäre eine Klage auf zukünftige Leistungen denkbar (§ 257 ZPO). Diese wäre insoweit nicht so ganz unproblematisch, da sie vom jeweils anrechenbaren Einkommen eines anderweitigen Verdienstes abhängt. Soweit die Klage auf zukünftige Leistung in Betracht kommt, steht diese jedoch einem Feststellunginteresse nicht entgegen (BGH, NJW 1986, 2507, m.w.N.). Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Beklagte, die Bundesrepublik Deutschland, auch ein Feststellungsurteil befolgen wird, so dass die Zulässigkeit des Feststellungsantrages zu bejahen ist.
2. Die Klage ist unbegründet.
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Zahlung von Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag für Soziale Sicherung (TV SozSich). Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zahlung von Überbrückungsbeihilfe sind in § 2 TV SozSich festgelegt. Ausweislich des Wortlauts müssen im Zeitpunkt der Entlassung die unter § 2 Ziff. 2 a – d TV SozSich geregelten Voraussetzungen vorliegen. Darüber hinaus heißt es in § 2 Ziff. 3 TV SozSich, dass keine anderweitige zumutbare Verwendung im Geltungsbereich des TV AL II angeboten wurde. Diese zusätzliche Voraussetzung muss nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Tarifvertrages allerdings nicht im Zeitpunkt der Entlassung vorliegen.
b) Für dieses Verständnis spricht auch der tarifliche Gesamtzusammenhang vor dem Hintergrund des Sinn und Zweck des TV Soziale Sicherung. Mit der Überbrückungsbeihilfe können ältere, langjährig beschäftigte Arbeitnehmer, die aus bestimmten Gründen entlassen worden sind, noch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus, Unterstützungsleistungen erhalten. Der TV Soziale Sicherung geht dabei von einem zeitlich begrenzten Überbrückungsbedarf aus (siehe hierzu u.a. BAG vom 22.09.2016 – 6 AZR 397/15, zitiert nach Juris). Dass bei Wiederaufnahme einer Tätigkeit bei den US-Stationierungsstreitkräften keine Überbrückungsbeihilfe gezahlt wird, ergibt sich auch aus § 4 Ziff. 1 a TV Soziale Sicherung. Überbrückungshilfe wird nur zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte gezahlt. Das bei den US-Stationierungsstreitkräften erzielte Arbeitsentgelt ist keine Anknüpfungsleistung im Sinne des § 4 Ziff. 1 TV Soziale Sicherung.
Nach § 2 Ziff. 3 Satz 2 TV Soziale Sicherung gilt als zumutbar jede anderweitige Verwendung im Sinne von § 1 Ziff. 3 ff. des Kündigungsschutztarifvertrages. Nach § 1 Ziff. 3 KSch TV erstreckt sich die Verpflichtung der Stationierungsstreitkräfte auf das Angebot vorhandener freier Stellen in der gleichen Lohngruppe/Gehaltsgruppe in dem gesamten Geltungsbereich des TV AL II (siehe hierzu BAG vom 17.03.2016 – 6 AZR 92/15, zitiert nach Juris).
c) Keine Voraussetzung nach § 2 Ziff. 3 des TV Soziale Sicherung ist, dass ein zumutbares Arbeitsverhältnis tatsächlich in Vollzug gesetzt wurde. Nach § 2 Ziff. 3 TV Soziale Sicherung reicht hierfür das Angebot einer zumutbaren Verwendung aus. Im streitgegenständlichen Fall lag nicht lediglich ein Angebot vor, sondern es kam sogar zu einer Annahme, nämlich dem Abschluss eines Arbeitsvertrages.
d) Das Angebot gegenüber dem Kläger war auch zumutbar. Der Kläger war bei seinem Ausscheiden zum 30.09.2014 in die Vergütungsgruppe C-5 eingruppiert. Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 05.08.2016 (Anlage B 3, Bl. 79 f. d.A.) wäre der Kläger in Vergütungsgruppe C-6 eingruppiert worden. Eine höhere Eingruppierung ist ohne Weiteres „zumutbar“. Durch das Angebot ist auch das Ziel und der Zweck des Tarifvertrages Soziale Sicherung erreicht worden, dem Kläger möglichst nahtlos eine Weiterbeschäftigung nach einem Arbeitsplatzverlust gerecht zu werden.
Da dem Kläger eine anderweitige zumutbare Verwendung im Geltungsbereich des TV AL II angeboten wurde, liegen die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Ziff. 3 Satz 1 TV Soziale Sicherung nicht vor. Mit Unterzeichnung des Arbeitsvertrages vom 05.08.2016 lagen die Voraussetzungen für einen weiteren Bezug der Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag Soziale Sicherung nicht mehr vor, so dass ab diesem Zeitpunkt auch eine weitere Zahlung durch die Beklagte eingestellt werden konnte. Das Arbeitsgericht hat daher im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen. Die Berufung war zurückzuweisen. Ob die Voraussetzungen der Ausschlussklausel (§ 8 TV SozSich) vorlagen, kann dahingestellt bleiben.
III.
1. Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
2. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Entscheidungserheblich ist die Auslegung des § 2 des Tarifvertrages zur Sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.