Aktenzeichen 3 Sa 563/20
Leitsatz
Die Grenzen zulässiger Vertragsgestaltung sind überschritten, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet wird, Mehrkosten für eine von ihm gewünschte Sonderausstattung eines Dienstwagens in den ersten zwölf Monaten des 36-monatigen Leasingvertrags zu zahlen, ohne dass die Dauer der tatsächlichen Nutzung des Dienstwagens durch ihn berücksichtigt wird (in Anschluss an BAG, Urteil vom 09.09.2003 – 9 AZR 574/02). (Rn. 40 – 45)
Verfahrensgang
4 Ca 566/19 2020-04-27 Endurteil ARBGREGENSBURG ArbG Regensburg
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 27.04.2020 – 4 Ca 566/19 – teilweise unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen zu Ziff. 2 abgeändert, die wie folgt neu gefasst wird:
2. a) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 993,34 € brutto nebst Zin sen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.06.2019 zu zahlen.
2. b) Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
II. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 27.04.2020 – 4 Ca 566/19 – wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 72/100 und der Kläger zu 28/100 zu tragen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Die Berufung des Klägers war zulässig, jedoch nur teilweise – im erkannten Umfange – begründet.
I.
Die nach §§ 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG statthaften Berufungen der Parteien sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V.m. §§ 519, 520 ZPO, und damit zulässig.
Dabei war das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 30.07.2020 dahin auszulegen, dass er die Zurückweisung der Berufung der Beklagten beantragt hat, §§ 133, 157 BGB analog. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ausnahmsweise die Annahme einer konkludenten Antragstellung in Betracht kommen, wenn der Gegenstand des Rechtsstreits fest umrissen und klar ist (vgl. BAG, Urteil vom 24.10.2017 – 1 AZR 166/16 – Rn. 15 m. w. Nachw.). Durch die Formulierung im Schriftsatz vom 30.07.2020, dass die Beklagte „auch“ zur Zahlung der geltend gemachten Provisions- und Bonusansprüche verpflichtet sei, ist zu schließen, dass der Kläger an den ihm erstinstanzlich zugesprochenen Ansprüchen im Berufungsverfahren festhalten wollte und mithin konkludent die Zurückweisung der Berufung der Beklagten beantragt hat. Damit steht der Umfang des Streitgegenstands im Berufungsverfahren eindeutig fest.
II.
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.
1. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von insgesamt 3.780,00 € netto als weiteres Gehalt von monatlich 315,00 € netto für die Monate März 2016 bis Februar 2017 gemäß § 611 a Abs. 2 BGB. Die Forderung gilt nicht gemäß § 389 BGB als erloschen. Die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung auf Zahlung von zwölf Monatsraten, beginnend mit der Abrechnung für März 2016, besteht nicht. Ziff. 3.2 des DienstwagenÜberlassungsvertrags ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil diese Regelung den Kläger i.V.m. Ziff. 1. 3, 7.2 und 7.4 des DienstwagenÜberlassungsvertrags unangemessen benachteiligt. Dies hat das Arbeitsgericht zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen beurteilt. Auf seine Entscheidungsgründe wird deshalb gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen. Die Berufungsangriffe der Beklagten vermögen aus nachfolgenden Gründen keine andere rechtliche Beurteilung rechtfertigen:
a) Ziff. 3.2 des DienstwagenÜberlassungsvertrags unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, weil es sich dabei entweder um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB oder jedenfalls um eine vorformulierte Vertragsbedingung i. S. v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB handelt. Die Kostenregelung zur Sonderausstattung des Dienstwagens ist von der Beklagten vorformuliert, dem Kläger in dieser Form angeboten und damit im Rechtssinne gestellt worden. Sie ist weder im Einzelnen zwischen den Parteien ausgehandelt worden (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB) noch konnte der Kläger auf ihren Inhalt Einfluss nehmen (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB).
aa) Das Merkmal des Aushandelns nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB entspricht dem Merkmal des Einflussnehmens im Sinne des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB (vgl. BAG, Urteil vom 19.05.2010 – 5 AZR 253/09 – Rn. 25). Aushandeln bedeutet mehr als Verhandeln. Es genügt nicht, dass der Vertragsinhalt erörtert wird und den Vorstellungen des Vertragspartners entspricht (vgl. ErfK/Preis, 21. Aufl. 2021, § 310 BGB Rn. 24 m. w. N.). Der Arbeitgeber muss vielmehr den gesetzesfremden Kerngehalt der Klausel erkennbar ernsthaft zur Disposition gestellt und dem Arbeitnehmer eine Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen eingeräumt haben (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2013 – 10 AZR 286/13 – Rn. 13 m. w. N.). Dies setzt voraus, dass sich der Arbeitgeber deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklärt und dass dies dem Arbeitnehmer bei Abschluss des Vertrags bewusst war (vgl. BAG, Urteil vom 19.05.2010 – 5 AZR 253/09 – Rn. 25). Ist die Möglichkeit des Aushandelns oder der Einflussnahme streitig, muss der Arbeitgeber nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast den Vortrag des Arbeitnehmers, er habe keine Einflussmöglichkeit gehabt, qualifiziert bestreiten, indem er konkret darlegt, wie er Klauseln zur Disposition gestellt hat und aus welchen Umständen darauf geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer habe die Klauseln freiwillig akzeptiert (vgl. BAG, Urteil vom 19.05.2010 – 5 AZR 253/09 – Rn. 27).
bb) Nach diesen Grundsätzen, denen sich die erkennende Kammer anschließt, hat die Beklagte nicht hinreichend vorgetragen, dass der Kläger Einflussmöglichkeiten auf die streitgegenständliche Kostenregelung gehabt hat. Durch die E-Mail der Beklagten vom 10.11.2015 wurde der Kläger lediglich um „Rückbestätigung“ gebeten bzw. aufgefordert, „bestätigen Sie uns kurz, dass Sie mit der vereinbarten Kostenübernahme und der oben beschriebenen Abwicklung einverstanden sind“. Dies wird mit der E-Mail vom 11.11.2015 wiederholt („Könnten Sie die untenstehende Vereinbarung bitte kurz bestätigen…“). Beiden E-Mails ist nicht die Bereitschaft der Beklagten zu entnehmen, die Regelung zur Kostenübernahme zur Disposition zu stellen. Eine solche Bereitschaft hat die Beklagte auch nicht durch Bezugnahme auf sonstige Umstände vorgetragen. Soweit sich die Beklagte in der EMail vom 11.11.2015 nach etwaigen Rückfragen des Klägers erkundigt, zeigt dies ihre Bereitschaft lediglich zur Erklärung, aber nicht zur Aushandlung der Kostenregelung. Im Übrigen handelte es sich bei der vorgeschlagenen Vereinbarung, der der Kläger mit E-Mail vom 11.11.2015 schließlich zugestimmt hat, nur um eine erste Teilregelung zum Komplex „Dienstwagen“. Eine eigentliche Regelung wurde zwischen den Parteien erst mit dem DienstwagenÜberlassungsvertrag vom 08.03.2016 getroffen, der alle Aspekte der Zurverfügungstellung des Dienstwagens, insbesondere die Zeiträume der Nutzung regelt. Zum DienstwagenÜberlassungsvertrag vom 08.03.2016 legt die Beklagte eine Einflussmöglichkeit des Klägers nicht dar, insbesondere behauptet sie nicht, dass der Kläger Ziff. 7.2 und 7.4, die Fälle der Herausgabe bzw. Rückgabe des Dienstwagens vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelten, freiwillig akzeptiert habe. Hierauf hat das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen.
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Vertragsklausel ge mäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet wird, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Fahrzeug dem Arbeitgeber zurückzugeben und dennoch für die restliche Laufzeit des Leasingvertrags die Leasingraten an den Arbeitgeber in einem Einmalbetrag zu entrichten hat (vgl. BAG, Urteil vom 09.09.2003 – 9 AZR 574/02 – unter B. II. 2. b) der Gründe). Es kommt in diesem Fall zu einer Äquivalenzstörung zwischen Leistung und Gegenleistung, weil der Arbeitnehmer über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus an den Folgen der Investitionsentscheidung des Arbeitgebers, ein teureres Auto als monetären Anreiz für den Arbeitnehmer und als gesteigerten Werbeeffekt für eigene Zwecke zu kaufen, beteiligt wird. Dies ist mit den Grundprinzipien des Arbeitsrechts nicht vereinbar, wonach dienstlich veranlasste Kosten grundsätzlich der Arbeitgeber und nicht der Arbeitnehmer zu tragen hat.
Wendet man diese Grundsätze auf die vorliegende Vertragsgestaltung an, ist mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass der Kläger unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB benachteiligt wird. Zum einen gewährt der Kläger der Beklagten ein unverzinstes Darlehen, weil er den Zuzahlungsbetrag in Höhe von 3.780,00 € nicht über die gesamte 36monatige Laufzeit des Leasingvertrags, sondern nach Ziff. 3. 2 DienstwagenÜberlassungsvertrag bereits in den ersten zwölf Monaten von März 2016 bis Februar 2017 zahlen sollte (vgl. auch E-Mail der Beklagten vom 10.11.2015, Bl. 109 d. A.). Zum anderen wurde der Kläger durch Ziff. 7.2 und 7.4 DienstwagenÜberlassungsvertrag verpflichtet, den Dienstwagen im Falle der Kündigung des Arbeitsverhältnisses, gleich welcher Partei, herauszugeben bzw. in besonderen Fällen (wie bei unbezahltem Sonderurlaub oder bei Krankheit) nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums zurückzugeben, wodurch er den Dienstwagen nicht mehr nutzen konnte, obwohl er durch die zwölf Monatsraten ab März 2016 den Mehrwert des Dienstwagens durch die Sonderausstattung bereits bezahlt hat. Die diesbezüglichen Argumente des Arbeitsgerichts hat die Beklagte im Berufungsverfahren auch nicht mehr angegriffen. Eine pauschale Bezugnahme auf erstinstanzlichen Vortrag genügt nicht. Schließlich bestimmt Ziff. 1.3 DienstwagenÜberlassungsvertrag, dass die Überlassung des Fahrzeugs automatisch spätestens mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses endet. Endet das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der 36monatigen Laufzeit des Leasingvertrags, würde der Kläger ebenfalls die von ihm bereits in den zwölf Monate vom März 2016 bis Februar 2017 gezahlte Sonderausstattung nicht mehr nutzen können.
c) Ist deshalb Ziff. 3.2 des DienstwagenÜberlassungsvertrags unwirksam, war die Beklagte nicht berechtigt, gegen den monatlichen Vergütungsanspruch des Klägers gemäß § 611 a Abs. 2 BGB mit ihrer Monatsrate aufzurechnen, § 387 BGB, mit der Folge, dass die monatlichen Vergütungsansprüche des Klägers von 316,00 € netto nicht erloschen sind, § 389 BGB.
d) Die Zahlungsansprüche des Klägers aus § 611 a Abs. 2 BGB sind weder verfallen noch verjährt.
aa) Die Ausschlussfrist nach § 10 des Arbeitsvertrags ist im Verhältnis zum Kläger unwirksam. Das Arbeitsgericht hat zu Recht auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verwiesen, wonach eine vertragliche Ausschlussfrist von weniger als drei Monaten gegen § 307 BGB verstößt. Das Bundesarbeitsgericht hat dies sowohl für die erste Stufe (vgl. BAG, Urteil vom 28.09.2005 – 5 AZR 52/05 -) als auch für die zweite Stufe der Ausschlussfrist entschieden (BAG, Urteil vom 25.05.2005 – 5 AZR 572/04 -). Diese Rechtsprechung findet auf die vorliegend geltend gemachten Ansprüche Anwendung, bei denen es sich um Entgeltansprüche im Sinne des § 611 a Abs. 2 BGB und damit um Ansprüche aus dem Vertrag im Sinne des § 10 Abs. 1 Arbeitsvertrag handelt (vgl. auch BAG, Urteil vom 09.09.2003 – 9 AZR 574/02 – unter B. I. der Gründe zur Anspruchsgrundlage). Auf die Zulässigkeit tarifvertraglicher Ausschlussfristen kann es für die Beurteilung arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen nicht ankommen.
bb) Die Ausschlussfrist des § 18 des allgemeinverbindlichen MTV Groß- und Außenhandel W gilt nicht für das Arbeitsverhältnis der Parteien, weil es von der Geltungsbereichsbestimmung des Tarifvertrags nicht erfasst ist. Der MTV Groß- und Außenhandel W gilt nur für Betriebe, die im Land W belegen sind. Dies ergibt sich aus der kumulierenden Wirkung der § 1 Nr. 1 und 2 MTV Groß- und Außenhandel W, wonach der Tarifvertrag erstens räumlich für das Land W und zweitens betrieblich für Betriebe des Groß- und Außenhandels gilt (vgl. auch BAG, Urteil vom 26.09.2012 – 4 AZR 782/10 – Rn. 14 zum LTV Geld- und Wertdienste NI2008). Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es auf den Erfüllungsort des Arbeitsverhältnisses nicht an. Hierfür ergeben sich nach dem für die Tarifauslegung maßgeblichen Wortlaut in § 1 MTV Groß- und Außenhandel W keine Anhaltspunkte.
cc) Ebenso wenig gilt die Ausschlussfrist des § 19 MTV Groß- und Außenhandel V. Die Beklagte hat auch im Berufungsverfahren die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Ausschlussfrist nicht vorgetragen. Dabei gehört die Einhaltung der geltenden Ausschlussfrist zur Schlüssigkeit des klägerischen Vorbringens, da tarifliche Ausschlussfristen von Amts wegen auch ohne ausdrückliche Rüge des Anspruchsgegners zu berücksichtigen sind (vgl. Perschke in Natter/Gross, ArbGG, 2. Aufl. 2013, § 58 Rn. 52 m.w.N.). Es bedurfte deshalb keines Bestreitens durch den Kläger.
dd) Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Erfüllung der Vergütungsansprüche für März 2016 wegen Verjährung zu verweigern, § 214 Abs. 1 BGB. Keiner der Vergütungsansprüche seit März 2016 ist verjährt. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB. grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die dreijährige Verjährungsfrist für Vergütungsansprüche ab März 2016 begann deshalb mit dem 31.12.2016 und endete am 31.12.2019. Noch innerhalb dieser Frist, nämlich durch Klageschrift vom 09.06.2019, der Beklagten über ihre Prozessbevollmächtigten am 17.06.2019 zugestellt, hat der Kläger die streitgegenständlichen Ansprüche gerichtlich geltend gemacht.
e) Die Beklagte ist daher verpflichtet, an den Kläger die im Zeitraum März 2016 bis Februar 2017 monatliche weitere Vergütung in Höhe von 315,00 € netto, d.h. insgesamt 3.780,00 € netto, zu zahlen.
Der Zinsanspruch begründet sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB, und zwar wegen der Zustellung der Klageschrift am 17.06.2019 ab 18.06.2019. Der Zuspruch der Zinsen durch das erstinstanzliche Urteil erst ab 26.06.2019 hat der Kläger nicht angegriffen.
2. Die Widerklage der Beklagten ist unbegründet. Etwaige Schadensersatzansprüche sind nach § 10 des Anstellungsvertrags verfallen, weil die Beklagte sie nicht geltend gemacht hat.
a) Nach § 10 des Anstellungsvertrags sind alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Vertrag und solche, die mit dem Vertrag in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit der Ansprüche gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden. Fälligkeit tritt bei Schadensersatzansprüchen ein, wenn der Schaden für den Gläubiger feststellbar ist, also sobald der Gläubiger vom Schadensereignis Kenntnis erlangt oder bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt hätte Kenntnis erlangen können. Geltend gemacht werden können Schadensersatzforderungen, sobald der Gläubiger in der Lage ist, sich den erforderlichen Überblick ohne schuldhaftes Zögern zu verschaffen und seine Forderungen wenigstens annähernd beziffern kann. Denn der Schuldner muss erkennen können, aus welchem Sachverhalt und in welcher ungefähren Höhe er in Anspruch genommen werden soll (vgl. BAG, Urteil vom 30.10.2008 – 8 AZR 886/07 – Rn. 23 und 24 m.w.N.).
b) Auch nach dem Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren fehlt es an ausreichenden Behauptungen, warum die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist gewahrt sein soll.
Dabei ist im Anschluss an die vorstehende Rechtsprechung zwar fraglich, ob ein etwaiger Schadensersatzanspruch bereits am 03.01.2019 fällig und geltend zu machen war. Die Beklagte hatte am 03.01.2019 ausweislich ihrer E-Mail an ihren Business-Process-Manager, Herrn F., noch keine Möglichkeit, ihre Forderung annähernd zu beziffern, da eine Beurteilung des angeblichen Steinschlags noch ausstand.
Wenn sich die Beklagte jedoch für die Wahrung der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist auf die E-Mail vom 03.01.2019 an ihren Business-Process-Manager stützt, ist nicht anzunehmen, dass diese eine ausreichende Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches gegenüber dem Kläger darstellt. Der Kläger erhielt die besagte E-Mail lediglich „CC“ und war damit schon nicht ihr Adressat. Darüber hinaus war Zweck der übersandten Fotos der Gebrauchsspuren die „Info für die Leasingrückgabe“ und damit ausdrücklich nicht die Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche gegenüber dem Kläger. Im Übrigen wurden die Schadensersatzansprüche in dieser E-Mail nicht wenigstens annähernd beziffert. Dementsprechend konnte der Kläger nicht erkennen, in welcher ungefähren Höhe er möglicherweise wegen der behaupteten Schäden am Dienstwagen in Anspruch genommen werden würde.
c) Die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist ist auf den vorliegenden Sachverhalt auch anzuwenden. Die Ausschlussfristen gelten nach § 10 Abs. 3 des Arbeitsvertrags „nicht für Ansprüche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung“. Eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung wird dem Kläger indessen nicht zum Vorwurf gemacht. Nach dem Schriftsatz der Beklagten vom 12.07.2019, Seite 5 (= Bl. 27 d. A.) sind die Beschädigungen an dem Fahrzeug auf grob fahrlässiges Verhalten des Klägers zurückzuführen.
III.
Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet.
a) Der Kläger hat Anspruch auf Provisionszahlung aus dem Verkauf des Blutanalyse geräts Q in Höhe von 408,10 € brutto, Ziff. 8 Provisionsvereinbarung 2018.
Der Kläger hat diesen Anspruch auf Ziff. 8 Provisionsvereinbarung 2018 gestützt und hierzu behauptet, er sei vom Zeugen M zur Bestellung des Systems beauftragt worden. Dieser Behauptung ist die Beklagte nicht substanziiert entgegengetreten mit der Folge, dass sie als zugestanden gilt, § 138 Abs. 3 ZPO. Insoweit genügt es nicht, wenn die Beklagte auf eine in den Bestellvorgang nicht involvierte Zeugin S verweist. Im Übrigen hat der Kläger erstinstanzlich die E-Mail des Zeugen M vom 13.04.2018 mit Betreff „BRK-Beauftragung BM7_18 Q“ vorgelegt, in der dem Kläger ausdrücklich „für Ihr Angebot an unseren strategischen Einkauf“ gedankt wird (vgl. Anlage K5 = Bl. 133 d. A.).
Der Höhe nach steht dem Kläger die erstinstanzlich geltend gemachte Provision von 408,10 € brutto zu, wie die Beklagte nicht bestritten hat. Für einen weiteren Gerätebonus hat der Kläger keine Rechtsgrundlage vorgetragen, so dass er ihm nicht zugesprochen werden kann.
b) Darüber hinaus hat der Kläger Anspruch auf Auszahlung der Abzugsbeträge von 509,15 € und 76,24 €, d.h. in Höhe von insgesamt 585,25 € brutto, Provisionsregelung 2018.
Der Provisionsregelung 2018 ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte zum Abzug derjenigen Provisionsbeträge nachträglich berechtigt ist, die sich aus einen Sondernachlass zu Gunsten bestimmter Kunden errechnen. Die Beklagte behauptet zwar die Existenz einer solcher Regelung in der Provisionsregelung 2018, benennt sie jedoch nicht. Soweit die Beklagte für die Berechtigung des nachträglichen Abzugs auf Ziff. 9.3 Provisionsregelung 2018 verweist, ist dies unbehelflich. Es findet sich auch dort keine Regelung zum Abzug, sondern zur Anrechnung der Aufträge bestimmter Kunden auf die Mindestverkaufsmenge und eine Regelung, unter welchen Bedingungen eine Sonderprämie gezahlt wird. Eine inzidente Abzugsregelung in Ziff. 9.3 Provisionsregelung 2018 würde jedenfalls dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB widersprechen. Auch eine sonstige Vereinbarung, die die Beklagte zum Abzug bereits verdienter Provisionsbeträge berechtigen würde, ist nicht vorgetragen worden.
Die Abzugsbeträge sind der Höhe nach zutreffend. Sie sind der Provisionsabrechnung der Beklagten – Anlage K4 – letzte Seite, letzte Position (= Bl. 90 d. A.) zu entnehmen. In der Summe ergeben sie rechnerisch 585,39 €, die dem Kläger jedoch wegen § 308 ZPO nicht zugesprochen werden können, so dass es bei 585,24 € brutto verbleibt.
c) Demgegenüber stehen dem Kläger weder Provisionen aus dem T-Geschäft noch die Jahresendzielprämie zu.
aa) Der Kläger hat in Bezug auf das Produkt T trotz erst- und zweitinstanzlichen Bestreitens durch die Beklagte keine diesbezügliche Vertriebstätigkeit dargelegt, die einen Provisionsanspruch in direkter oder entsprechender Anwendung der Provisionsregelung 2018 auslösen könnte. Nach der deshalb unbestritten gebliebenen Behauptung der Beklagten hat der Kunde aus L direkt bei ihr ohne die Einschaltung eines Außendienstmitarbeiters bestellt; das Gerät soll auch nach dort und nicht nach W oder U, d.h. dem Vertriebsgebiet des Klägers, geliefert worden sein (vgl. Schriftsätze vom 09.10.2019, Seite 5 = Bl. 104 d. A. und vom 21.09.2020, Seite 3 = Bl. 158 d. A.). Auf die weiteren, zwischen den Parteien in diesem Zusammenhang streitigen Fragen kommt es deshalb nicht an.
bb) Der Kläger hat darüber hinaus keinen Anspruch auf die Jahresendzielprämie gemäß Ziff. 9.2 Prämienregelung 2018. Er hat trotz Bestreitens der Beklagten nicht dargelegt, wie hoch die vereinbarte Jahresquote für 2018 war und dass er diese durch seine Vertriebstätigkeit erreicht hat. Insofern trifft seine Behauptung in der Berufungsbegründung nicht zu, es sei unstreitig, dass die Bonusschwelle bei Berücksichtigung bereits einer der vorstehend benannten Abzugspositionen erreicht worden sei.
Die Beträge zu a) und b) ergebenen einen Gesamtbetrag von 993,34 € brutto, zu dessen Zahlung die Beklagte folglich zu verurteilen war. Der Zinsanspruch begründet sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB mit Rechtshängigkeit, die mit Zustellung der Klage an die Prozessbevollmächtigte der Beklagten am 17.06.2019 begründet worden ist. Danach sind Zinsen seit dem 18.06.2019 zu zahlen. IV.
Die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens waren verhältnismäßig zu teilen, §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Bei einem Gesamtstreitwert von 11.436,62 € und einem Obsiegen des Klägers in Höhe von 8.227,12 € ergab sich eine Kostenquote zu Lasten des Klägers von 28/100 und zu Lasten der Beklagten von 72/100.
V.
Es bestand kein Grund im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG, die Revision zum Bundesarbeitsgericht für eine der Parteien zuzulassen.