Aktenzeichen 1 MV 19/18
KAGO § 3 Abs. 1 S. 1
ZPO § 260
BGB § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2
Leitsatz
1. Die Bestellung als Leitung einer Einrichtung (§ 2 Abs. 2, S.1 MAVO) bedarf keiner besonderen Form. (Rn. 28)
2. Sie kann sich auch aus den tatsächlichen Umständen und der praktischen Übung ergeben, wenn dies dem Adressaten des vertreterseitigen Handelns deutlich erkennbar ist. (Rn. 28)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die notwendigen Auslagen der Klägerin (einschl. anwaltliche Vertretung) für dieses Verfahren trägt der Beklagte.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klage ist nur teilweise zulässig.
Zwar ist der Rechtsweg/ die sachliche Zuständigkeit des Kirchlichen Arbeitsgerichts gegeben, da eine Streitigkeit aus dem Mitarbeitervertretungsrecht vorliegt (§ 2 Abs. 2 KAGO).
Das Kirchliche Arbeitsgericht für die Bayerischen (Erz-) Diözesen ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KAGO auch örtlich zuständig, weil der Beklagte seinen örtlichen Sitz (Würzburg) in dessen Gerichtsbezirk hat.
Weiter begegnen der objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) keine rechtlichen Bedenken.
Für den (eigenständig) formulierten Leistungsantrag nach Ziff. 1 fehlt jedoch nach der Bewertung der Kammer das Rechtsschutzbedürfnis. Die dort begehrte Handlungspflicht auf Durchführung des Beteiligungsverfahrens „Einstellung“ ist nämlich als wesentliches Element (Rechtsbedingung) im Antrag nach Ziff. 2 auf Unterlassung (der Beschäftigung des Herrn C.) enthalten. Ob also ein Beteiligungsverfahren für die Einstellung des Herrn C. wirksam durchgeführt ist oder nicht, muss zwingend bei dem – damit weitergehenden und ebenfalls rechtshängigen – Antrag nach Ziff. 2 geprüft werden. Für den zusätzlichen Leistungsantrag nach Ziff. 1 ist deshalb kein Raum (vgl. Thomas-Putzo/Reichold, ZPO, § 261 Rdnr. 13). Im Übrigen muss es der autonomen Entscheidung des Beklagten vorbehalten bleiben, ob er im Falle der gerichtlich angeordneten Unterlassung (Beschäftigung C.) eine Einstellung für die Funktion „Notfallvorsorge“ weiterverfolgt.
II.
Die Klage ist – soweit zulässig – unbegründet.
Der von der Klägerin begehrte Unterlassungsanspruch wegen der Beschäftigung des Herrn C. als Referent Notfallvorsorge besteht nicht, weil das Beteiligungsverfahren der Klägerin zur Einstellung ordnungsgemäß durchgeführt worden ist und eine wirksame Zustimmungsverweigerung nicht vorliegt (§§ 33, 34 Abs. 2 u. 3 MAVO).
Die personelle Einzelmaßnahme (Einstellung) bedarf zu ihrer Wirksamkeit auf der Ebene der betrieblichen Mitbestimmung der Zustimmung der MAV bzw. deren gerichtlichen Ersetzung (§ 33 Abs. 2 u. 4 MAVO). Fehlt es daran, ist der MAV zur Sicherung ihres Mitbestimmungsrechts ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Personalmaßnahme gegenüber dem Dienstgeber zuzubilligen (st. Rspr. KAGH vom 25.10.2016, M 06/2016, Eichstätter Kommentar, 2. Auflage [EK]/Schmitz, Vor §§ 33 – 38 Rdnr. 15).
1. Der Zustimmungsantrag des Beklagten zur streitigen Einstellung ist ordnungsgemäß gestellt. Der für den Beklagten handelnde DGF Herr F. ist vertretungsbefugt als bestellte Leitung für die Einrichtung „A.“ (§ 2 Abs. 2, S.1 MAVO).
Eine solch bestellte Leitung muss einerseits ein erkennbares Maß an Leitungsverantwortung im personellen Bereich besitzen und andererseits für den Dienstgeber als Partner der betrieblichen Mitbestimmung der MAV gegenübertreten (Freiburger Kommentar [FK]/Beyer, § 2 Rdnr. 4).
Aus der Erörterung in der mündlichen Verhandlung ist deutlich geworden, dass Herr F. langjährig für die Personalentscheidungen in der Einrichtung substantiell verantwortlich ist. Dies bezog sich sowohl auf personelle Einzelmaßnahmen wie auch auf den Abschluss von Dienstvereinbarungen. Dass beispielsweise bei Einstellungsentscheidungen eine beratende Mitwirkung durch weitere Personen geschieht, ist jedenfalls solange unbehelflich als die maßgebliche Entscheidungsbefugnis bei dem DGF verblieben ist. Davon ist nach den Feststellungen und unbestrittenen Erklärungen des Genannten in der mündlichen Verhandlung auszugehen. In gleicher Weise unschädlich ist die aus organisatorischen Gründen des Beklagten geschehene Mitzeichnung des Arbeitsvertrages durch einen Verantwortlichen der parallel bestehenden Landeseinheit (Bayern/Thüringen).
Der DGF Herr F. ist auch für die Ebene der betrieblichen Mitbestimmung der Partner oder „Gegenüber“ der Klägerin. Es ist von ihr nicht bestritten worden, dass sie sich in der zurückliegenden Zeit in den MAVO-Angelegenheiten immer an Herrn F. gewendet hat und sie Wert daraufgelegt hat, dass die einschlägigen Dinge auf der Ebene der Einrichtung und nicht weit weg in der Zentrale/Hauptverwaltung des Beklagten behandelt würden. Diese Einordnung wird auch dadurch bestätigt, dass die Klägerin bei Verfahren vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht durchgehend den DGF Herr F. in ihren Antrags- oder Klageschriften als vertretungsbefugt für den Beklagten bezeichnet hat; so in dem von der Klägerin selbst hier angeführten Eilverfahren AZ: 1 MV 15/15. In gleicher Weise ist dies in dem vor der Kammer geführten Eilverfahren 1 MV 10/16 geschehen.
Schließlich verlangt die „Bestellung“ im Sinne des § 2 Abs. 2, S.1 MAVO keine bestimmte Form. Danach kann sich eine solche Bevollmächtigung aus den tatsächlichen Umständen und der andauernden praktischen Übung ergeben. Allerdings muss sie dem Adressaten des vertreterseitigen Handelns hinreichend deutlich erkennbar sein. Davon ist bei dem hiesigen Geschehen unschwer auszugehen. Die Klägerin sah in der Vergangenheit den DGF als den natürlichen Gegenüber/ Partner in den MAVO-Aufgaben. Eine solch langjährige Übung plötzlich nicht mehr gelten lassen zu wollen, entspricht auch nicht dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit und dem Wesen der Dienstgemeinschaft (§ 26 Abs. 1 MAVO).
Weiter ist der Zustimmungsantrag des Beklagten der Klägerin am 30.11.2018 rechtswirksam zugegangen. Dieser ist unstreitig per E-Mail um 13.10 Uhr bei der Klägerin eingegangen und damit auch für einen Freitag zu einer durchaus üblichen Tageszeit. An eine besondere Form ist die Unterrichtung der MAV nicht gebunden (§ 33 Abs. 3, S.1 MAVO). Durch ihre „einschlägige“ Rückfrage um 13:59 Uhr (Anlage B2) hat die Klägerin den Eingang auch bestätigt, ohne einen Vorbehalt anzubringen. Die im hiesigen Verfahren vorgebrachten Einwendungen unter Hinweis auf die Geschäftsordnung können eigentlich dahinstehen. Nur der Vollständigkeit halber soll angefügt werden, dass der Geschäftsordnung deshalb keine Außenwirkung gegenüber Dritten zugemessen werden kann, weil sie nicht mit deren Einvernehmen zustande gekommen ist.
2. Der Zustimmungsantrag ist auch inhaltlich ordnungsgemäß und die weitere Unterrich tung der Klägerin über die Einstellung „Referent Notfallvorsorge“ vollständig (§ 33 Abs. 2, S.1 i. V. m. § 34 Abs. 3 MAVO).
Richtig ist, dass eine lückenhafte Unterrichtung die einwöchige Einwendungsfrist (als Ausschlussfrist) nicht ablaufen lässt (FK/Sroka, § 34 Rdnr. 60). Je nach den Umständen kann aber die MAV gehalten sein, die aus ihrer Sicht noch nicht vollkommenen Auskünfte gegenüber dem Dienstgeber zu reklamieren (EK/Reiter, § 34 Rdnr. 95).
Die Unterrichtungspflicht bezieht sich zunächst auf die Person des Einzustellenden (§ 34 Abs. 3, S.1 MAVO). Erst auf Verlangen sind der MAV ein Verzeichnis der einrichtungsinternen Bewerbungen und derjenigen von Schwerbehinderten zu überlassen (a.a.O. S.2). Für das hiesige Verfahren ist noch der Vergleich vom 02.12.2015 (1 MV 15/15) zu berücksichtigen, in dem sich der Beklagte verpflichtet hatte, auch „die ausgewählten Bewerber einschließlich der eingereichten Unterlagen in Papierform“ mitzuteilen.
Nach der Sachaufklärung in der mündlichen Verhandlung ist der Beklagte diesen Vorgaben gerecht geworden. Im Zustimmungsantrag vom 30.11.2018 (Anlage B1) ist der zur Einstellung vorgesehene Bewerber C. sowie der in der Endauswahl befindliche Bewerber Herr G. aufgeführt. Für beide Genannte sind die Bewerbungsunterlagen der Klägerin übermittelt worden. Dies hat der Vorsitzende der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorbehaltlos bestätigt. Weiter war unstreitig, dass schwerbehinderte Bewerber-/ innen nicht vorhanden waren. Zu den internen Bewerbungen hat der DGF Herr F. und der Vorsitzende der Klägerin übereinstimmend erklärt, dass auf die Nachfrage der Klägerin vom 03.12.2018 nach den Namen der Bewerber noch am selben Tag die Namensliste übermittelt worden sei. Damit war bei der geringen Mitarbeiterzahl zweifelsfrei auch der Kreis der internen Bewerber-/ innen offengelegt.
Danach ist nicht erkennbar, dass der Beklagte seiner ordnungsgemäßen Unterrichtungspflicht nicht nachgekommen wäre. Die Einwendungsfrist war nicht angehalten oder unterbrochen.
3. Wie oben unter II.,1. dargestellt, lief die einwöchige Zustimmungsverweigerungsfrist am 30.11.2018 an. Die Frist für Einwendungen (§ 33 Abs. 2, S.2 MAVO) endete deshalb am 07.12.2018 ab (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB).
Dabei ist richtig, dass die von der Klägerin am 07.12.2018 beantragte Fristverlängerung grundsätzlich möglich ist (§ 33 Abs. 2, S.3 MAVO). Allerdings steht die Fristverlängerung als Kann-Bestimmung im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstgebers (ähnl. EK/Schmitz, § 33 Rdnr. 32). Der Beklagte hat am Tag der Antragstellung per E-Mail (Anlage K2 u. 4) die Fristverlängerung abgelehnt und sich dabei auf organisatorische Vorgaben, erforderliche Mitteilungspflichten sowie den Zeitrahmen bezüglich Weihnachten/ Jahresende bezogen. All dies sind jedenfalls sachlich nachvollziehbare Gründe, die keinen Ermessensfehlgebrauch erkennen lassen. Einen solchen hat die Klägerin auch nicht behauptet.
Innerhalb der mit Ablauf des 07.12.2018 endenden Einwendungsfrist hat die Klägerin solche nicht vorgebracht. Es gilt die Zustimmungsfiktion (§ 33 Abs. 2, S.2 MAVO). Die in der E-Mail vom 07.12.2018 formulierten „Fragen“ sind schon nach dem Wortsinn keine Einwendungen. Auch können „Fragen“ nicht die nach dem Einwendungskatalog (§ 34 Abs. 2 MAVO) zwingend gebotene Konkretisierung erlangen. Die Klägerin sieht die Fragen vom 07.12.2018 ja selbst nicht als Einwendungen. Sonst hätte sie nicht eine Zustimmungsverweigerung mit E-Mail vom 08.12.2018, 22:18 Uhr (Anlage K4) formuliert und erklärt.
Nur der Vollständigkeit halber ist deshalb anzumerken, dass diese Zustimmungsverweigerung – wie oben dargestellt – verfristet ist. Selbst wenn sie noch fristgerecht wäre, ist sie trotzdem unbehelflich, weil sie keinerlei Bezug zu den abschließenden Zustimmungsverweigerungsgründen nach § 34 Abs. 2 MAVO erkennen lässt. Interne Abstimmungsprobleme der MAV sind keine gesetzlichen Gründe der Zustimmungsverweigerung. Solche offenkundig unrichtigen Einwendungen sind im Rechtssinne wie fehlende bzw. unterlassene Einwendungen der MAV zu behandeln (EK/Schmitz, § 34 Rdnr. 42/43). Es tritt also auch hier die gesetzliche Zustimmungsfiktion nach § 33 Abs. 2, S.2 MAVO ein.
4. Nach alledem ist das Beteiligungsverfahren der Klägerin bei der Einstellung des Herrn C. ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Zustimmung der Klägerin zu dieser Personalmaßnahme gilt kraft gesetzlicher Fiktion als erteilt. Für den Unterlassungsanspruch wegen der Beschäftigung des Vorgenannten ist deshalb kein Raum.
Falls – entgegen der Rechtsauffassung der Kammer – der klägerische Antrag nach Ziff. 1 zulässig sein sollte, folgt aus dem oben II., 1- 3 Dargelegten seine fehlende Begründetheit.
III.
Auf den Antrag der Klägerin waren deren notwendige Auslagen dieses Verfahrens, nämlich diejenigen ihrer anwaltlichen Vertretung vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht, dem Beklagten – unabhängig von der Entscheidung in der Sache – aufzuerlegen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 KAGO i. Verbindung mit §§ 17 Abs. 1 Satz 1, Satz 2, 4. Spiegelstrich MAVO). Das Erfordernis der anwaltlichen Vertretung zur Rechtswahrung folgt zunächst aus der streitgegenständlichen Rechtsmaterie. Die Rechtsverfolgung selbst war nicht von vorneherein so offensichtlich ohne Erfolgsaussicht, dass die materielle Pflicht zur Kostenübernahme hätte verneint werden müssen.
Dabei ist allerdings unklar, was die Klägerin mit den „außergerichtlichen Kosten des Prozessbevollmächtigten“ meint. Solche sind weder nach Anlass noch Umfang dargelegt. Die Kammer kann deshalb dazu auch keine Anspruchsgrundlage erkennen.
Gerichtgebühren werden vor den kirchlichen Arbeitsgerichten nicht erhoben (§ 12 Abs. 1, S.1 KAGO).
IV.
Die Zulassung der Revision kam nicht in Frage, da die (kirchen-) gesetzlichen Voraussetzungen nach § 47 Abs. 2 KAGO nicht vorlagen. Es war der vorgefundene Einzelfall zu entscheiden. Eine Divergenz ist nicht zu erkennen.