Arbeitsrecht

Unwirksamer Ausschluss einer Sonderzahlung mit Mischcharakter bei Eigenkündigung des Arbeitnehmers

Aktenzeichen  4 Sa 427/15

Datum:
6.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DB – 2016, 2242
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133, § 157, § 306 Abs. 1, § 307, § 624

 

Leitsatz

1 Eine Sonderzahlung mit Mischcharakter kann nicht vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Bezugszeitraumes abhängig gemacht werden, wenn die Sonderzahlung auch Vergütung für die erbrachte Arbeitsleistung darstellt (BAG BeckRS 2012, 68440 und BeckRS 2013, 74343) (red. LS Ulf Kortstock)
2 Ein sich über Jahre aufbauender Treuebonus stellt eine solche Sonderzahlung mit Mischcharakter dar, wenn er unter Bezug auf eine vertragskonforme Tätigkeit während der Laufzeit und bemessen nach dem auch erfolgsabhängige Bestandteile enthaltenen Jahresgehalt gewährt wird. (red. LS Ulf Kortstock)
3 Jährliche Verzinsung und Gutschrift der Beträge auf einem Treuhandkonto und die konkrete Berechnung aus dem Jahreseinkommen sprechen für einen Rechtsanspruch auf den Treuebonus, die Regelung zum Wegfall des Anspruchs bei Kündigung des Arbeitnehmers ist deshalb auch intransparent (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). (red. LS Ulf Kortstock)

Verfahrensgang

3 Ca 191/15 2015-07-29 Endurteil ARBGBAMBERG ArbG Bamberg

Tenor

Datum: 06.04.2016
3 Ca 191/15 (Arbeitsgericht Bamberg)
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg – Kammer Coburg – vom 29.07.2015, Az.: 3 Ca 191/15, wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Die Berufung ist zulässig.
Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.
II. Die Berufung ist sachlich nicht begründet.
Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben und die Beklagte zur Auszahlung des bis zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung angesammelten Guthabens auf dem Treuekonto des Klägers zuzüglich von Zinsen verurteilt.
Die Klauseln der Zusatzvereinbarung, die dies ausschließen sollten, sind nämlich unwirksam, ohne indes das gesamte Regelungswerk rechtlich zu Fall zu bringen.
Es kann auf die zutreffenden Ausführungen im Ersturteil verwiesen und von einer rein wiederholenden Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.
In Bezug auf das Berufungsvorbringen sind nur folgende ergänzende Ausführungen veranlasst:
1. Der Anspruch des Klägers aus der Zusatzvereinbarung vom 04.02.2008 ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger vor dem 31.12.2019 das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung zum 31.12.2014 beendet hat.
Die entsprechende Einschränkung des Anspruchs in Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 der Zusatzvereinbarung ist nach § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie den Kläger unangemessen benachteiligt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteile vom 18.01.2012 – 10 AZR 612/10 – NZA 2012, 561; vom 13.11.2013 – 10 AZR 848/12 – NZA 2014, 368) kann eine Sonderzahlung mit Mischcharakter, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Vertrag nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Bezugszeitraums der Sonderzahlung abhängig gemacht werden. Insoweit steht die Stichtagsregelung im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Absatz 1 BGB, indem sie dem Arbeitnehmer bereits erarbeitete Vergütungen entzieht. Sie verkürzt außerdem in nicht zu rechtfertigender Weise die nach Artikel 12 Absatz 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers, weil sie die Ausübung seines Kündigungsrechts unzulässig erschwert.
Der dem Kläger in der Zusatzvereinbarung vom 04.02.2008 zugesagte Treuebonus stellt eine solche Sonderzahlung mit Mischcharakter dar, denn er soll nicht nur die Betriebszugehörigkeit honorieren, sondern auch eine Gegenleistung für die „vertragskonforme Tätigkeit“ in einem Kalenderjahr darstellen. Damit wird eine Verknüpfung zwischen der Gegenleistung des Arbeitgebers und der Erfüllung der Haupt- und Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag durch den Arbeitnehmer hergestellt und das einzelne Kalenderjahr als Bezugszeitraum festgelegt. Dies erfolgt in der Zusatzvereinbarung nicht nur durch die Regelung in Absatz 3 Satz 1, sondern auch durch die Bemessung des jährlichen Anspruchs nach dem jeweiligen Jahresbruttogehalt des Klägers, das auch erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile umfasst. Insoweit bemisst sich die Höhe des jährlichen Treuebonus auch nach der im Kalenderjahr erbrachten Arbeitsleistung. Durch die in der Zusatzvereinbarung weiter geregelten jährlichen Gutschrift und deren Verzinsung wird die Begründung eines auf das jeweilige Kalenderjahr bezogenen Rechtsanspruches verstärkt.
Damit nicht in Einklang zu bringen ist der Ausschluss eines Rechtsanspruchs wegen einer vom Arbeitnehmer herbeigeführten Vertragsbeendigung vor dem 31.12.2019. Es kommt deshalb der Regelung in Absatz 3 der Zusatzvereinbarung insgesamt lediglich eine Fälligkeitsbestimmung zu, wie es dem Wortlaut des Absatzes 3 Satz 2 entspricht.
Nachdem auch der Regelung in Absatz 4 Satz 1 keine rechtliche Relevanz beigemessen werden kann, bleibt es bei den übrigen Regelungen in diesem Absatz, wonach vor Erreichen des Fälligkeitstermins der angesammelte verzinste Treuebonus mit Beendigung des Vertragsverhältnisses zur Auszahlung fällig wird.
2. Die Regelung in Absatz 3 Satz 1 der Zusatzvereinbarung hindert das Entstehen eines Rechtsanspruchs des Klägers auch deshalb nicht, da diese Vertragsbestimmung in Widerspruch zu den Regelungen in den übrigen drei Absätzen der Vereinbarung steht und damit nicht klar und verständlich im Sinne des in § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB verankerten Transparenzgebots ist. Dessen Sinn ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird (vgl. BAG vom 30.07.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173, 1179).
Die auf das Kalenderjahr bezogene Gutschrift auf ein für den Arbeitnehmer einzurichtendes Treuekonto, dessen konkrete Berechnung anhand des geschuldeten Jahresbruttogehalts und die Vereinbarung einer Verzinsung dieses Betrages sprechen für die Einräumung eines Rechtsanspruchs auf diese Gegenleistung des Arbeitgebers mit Entgeltcharakter. Ebenso die Regelungen des nachträglichen Entfalls und der diesbezüglichen Ausnahmebestimmungen.
Insoweit enthalten die Absätze 1, 2 und 4 der Zusatzvereinbarung Bestimmungen, die unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln in den §§ 133, 157 BGB für die Einräumung eines zusätzlichen, auf das Kalenderjahr bezogenen Zahlungsanspruches sprechen. Aus der Vornahme einer Gutschrift und deren jährliche Verzinsung sowie den exakten Berechnungsfaktoren der jährlichen Leistung des Arbeitgebers kann ein verständiger Erklärungsempfänger ableiten, dass ihm der Erklärende eine zusätzliche jährliche Geldleistung zuwenden wollte. Hierfür sprechen zudem die Entfallsregelungen in Absatz 4 der Zusatzvereinbarung, denn nachträglich entfallen kann nur, was zuvor rechtlich begründet worden ist. Gleiches gilt für die Ausnahmeregelungen vom Entfall, denn diese haben die Aufrechterhaltung eines eingeräumten Rechtsanspruches zum Inhalt.
Damit in inhaltlichem Widerspruch steht eine Anspruchsentstehung erst zu dem in Absatz 3 Satz1 der Zusatzvereinbarung genannten Zeitpunkt. Durch diese Vertragsklausel könnte der Arbeitnehmer von der Geltendmachung seines Anspruchs abgehalten werden.
3. Die Unwirksamkeit einzelner Vertragsklauseln, hier der Absätze 3 Satz 1 und 4 Satz 1 der Zusatzvereinbarung, führt gemäß § 306 Absatz 1 BGB nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Vertragswerks, sondern zu dessen rechtlichem Fortbestand ohne die entsprechenden Vertragsklauseln.
Danach besteht ein vertraglicher Anspruch des Klägers aus der Zusatzvereinbarung vom 04.02.2008 den Guthabensbetrag auf seinem Treuekonto einschließlich der vereinbarten Verzinsung zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung ausbezahlt zu erhalten.
III. 1. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, § 72 Abs. 2 ArbGG.

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