Arbeitsrecht

Unwirksamkeit einer tariflichen Regelung, nach der tarifvertragliche Ansprüche die Umsetzung durch eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel voraussetzen

Aktenzeichen  11 Sa 130/19

Datum:
9.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 36718
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
TVG § 4 Abs. 1, Abs. 3
BGB § 134

 

Leitsatz

Die in einem Tarifvertrag enthaltene Regelung “Ansprüche aus diesem Tarifvertrag setzen voraus, dass die Einführung des Tarifwerkes auch arbeitsvertraglich nachvollzogen wird.” ist wegen Verstoßes gegen das Unmittelbarkeitsprinzip des § 4 Abs. 1 TVG sowie das in § 4 Abs. 3 TVG verankerte Günstigkeitsprinzip gem. § 134 BGB unwirksam. Der Arbeitnehmer kann daher auch ohne arbeitsvertragliche Vereinbarung einer im Tarifvertrag vorgesehenen Bezugnahmeklausel tarifvertraglich vorgesehene Leistungen unter Berücksichtigung des Günstigkeitsprinzips verlangen (entgegen LAG Hessen, Urt. v. 17.01.2019 – 5 Sa 404/18 und 5 Sa 405/18; Revision gegen die vorstehenden Entscheidungen anhängig beim BAG, Az. 4 AZR 489/19 und 4 AZR 490/19). (Rn. 39 – 45) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 Ca 199/17 2018-10-08 Urt ARBGAUGSBURG ArbG Augsburg

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg (Az. 2 Ca 199/17) vom 08.10.2018 abgeändert und klarstellend wie folgt gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 3.227,60 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je € 97,08 seit 15.09.2016, 15.10.2016, 15.11.2016, 15.12.2016, 15.01.2017, 15.02.2017, 15.03.2017 sowie aus je € 172,52 seit 15.04.2017, 15.05.2017, 15.06.2017, 15.07.2017, 15.08.2017, 15.09.2017, 15.11.2017, 15.12.2017, 15.01.2018, 15.02.2018, 15.03.2018 sowie aus € 315,98 seit dem 15.04.2018 und aus je € 167,17 seit 15.05.2018 und 15.06.2018 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 2.520,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 1.260,00 seit 15.12.2016 und aus weiteren € 1.260,00 seit 15.12.2017 zu bezahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Stundenkonto der Klägerin 30,5 Stunden gutzuschreiben.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 300,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.04.2018 zu bezahlen.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
6. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 38/100, die Beklagte 62/100.
II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 37/100, die Beklagte 63/100.
III. Die Revision wird zugelassen für die Beklagte, für die Klägerin nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.
I.
Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 und 2, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Sie ist daher zulässig.
II.
Die Berufung der Klägerin ist im Hinblick auf einen Teil der Differenzlohnansprüche, einen Teil der Sonderzahlungen, die Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto sowie bezüglich der Einmalzahlung begründet, darüber hinaus unbegründet.
1. Die Klägerin besitzt Ansprüche aus dem MTV C. bzw. ERTV C., da die in § 37 MTV C. bzw. in § 8 ERTV C. vorgesehene Umsetzung des Tarifvertrages in Form einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung der enthaltenen Regelungen gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 und Abs. 3 TVG unwirksam sind, da sie gegen das Unmittelbarkeitsprinzip des § 4 Abs. 1 TVG und auch gegen das in § 4 Abs. 3 TVG verankerte Günstigkeitsprinzip verstoßen.
a. Gemäß § 4 Abs. 1 TVG gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigungen von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen. Es bedarf daher für die Geltung von tarifvertraglichen Regelungen keines weiteren Umsetzungsaktes mehr, wenn die Arbeitsvertragsparteien Mitglieder der den Tarifvertrag abschließenden Tarifvertragsparteien sind, wie es hier der Fall ist bei der Klägerin, die Mitglied der Gewerkschaft IG Metall ist, die die Tarifverträge abgeschlossen hat.
Die Klägerin fällt, das ist an und für sich auch zwischen den Parteien unstreitig, in den Geltungsbereich des Tarifvertrages. Die Beklagte selbst gesteht zu, dass die Klägerin an sich vom Tarifvertrag erfasst wird, dieser auch auf das zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis zur Anwendung gelangt, jedoch nur mit der im Tarifvertrag selbst enthaltenen Einschränkung, dass die tarifvertraglichen Regelungen nur gelten sollen, wenn sie arbeitsvertraglich nachvollzogen sind.
Dabei ist auch die hier entscheidende Kammer der Auffassung, dass nach den Aussagen der in der 1. Instanz vernommenen Zeugen tatsächlich davon auszugehen ist, dass nicht nur etwa im Wege einer Bezugnahmeklausel, die in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden soll, die Umsetzung dieser tarifvertraglichen Regelung des Nachvollziehens des Tarifvertrages erfolgen soll, sondern dass tatsächlich hier damit gemeint war, dass ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen werden sollte. Denn gerade über eine Bezugnahmeklausel wäre es auch nicht möglich gewesen, das zu erreichen, was die Zeugen letztlich bestätigt haben, dass eine Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen durch diese Regelung bezweckt war. Eine reine Bezugnahmeklausel hätte aber nur dazu geführt, dass die tarifvertragliche Regelung gegolten hätte, andererseits aber wiederum die arbeitsvertraglich günstigeren Regelungen weiterhin Anwendung gefunden hätten. Das heißt, dass alleine über eine Bezugnahmeklausel der Zweck der Vereinheitlichung und gerade etwa auch der Aushebelung des Günstigkeitsprinzips nicht erreichbar war. Dies war tatsächlich nur dadurch möglich, dass etwa die arbeitsvertraglichen Regelungen vereinheitlicht wurden mit dem Inhalt der Tarifverträge.
Damit weichen aber die Tarifvertragsparteien von dem in § 4 Abs. 1 TVG enthaltenen Unmittelbarkeitsprinzip tatsächlich ab. Zwar enthält der Tarifvertrag selbst die entsprechende Regelung, er gilt also gewissermaßen unmittelbar mit diesem Inhalt, dass der Tarifvertrag nachvollzogen werden müsste im Wege eines Neuabschlusses eines Arbeitsvertrages. Letztlich führt dies aber dazu, dass gerade die Inhaltsnormen des Tarifvertrages nicht unmittelbar zwischen den Parteien gelten, sondern nur dann, wenn sie arbeitsvertraglich durch Neuabschluss nachvollzogen werden. Der Tarifvertrag selbst weicht also vom Unmittelbarkeitsprinzip tatsächlich ab. Die Beklagte selbst hat auch im Schriftsatz vom 05.06.2019 (Bl. 374 ff. d.A.) dargestellt, dass die Tarifvertragsparteien die Unmittelbarkeitswirkung nicht gewollt haben und auf die unmittelbare Wirkung verzichtet haben (vgl. Bl. 378 d.A.). Letztlich sollten die tariflichen Regelungen nur dann gelten, wenn sie transformiert werden in Arbeitsvertragsrecht. Damit weichen die Tarifvertragsparteien aber vom Grundprinzip des Tarifvertragsgesetzes, dass die Normen unmittelbar gelten sollen, ab. Entgegen der Auffassung des LAG Hessen (vgl. Urteil vom 17.01.2019 – 5 Sa 405/18) ist die Kammer hier der Auffassung, dass dies den Tarifvertragsparteien nicht möglich ist. Zwar haben die Tarifvertragsparteien tatsächlich die Möglichkeit zu entscheiden, ob sie überhaupt eine tarifvertragliche Regelung schaffen wollen oder nicht. Wenn sie aber eine tarifvertragliche Regelung schaffen wollen und dies war hier ja gerade Sinn und Zweck, um die von ihnen gewünschte Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen zu erreichen, so sind sie über § 4 Abs. 1 TVG daran gebunden, dass diese von ihnen geschaffene Regelung auch unmittelbar gilt.
b. Darüber hinaus war Sinn und Zweck dieser tarifvertraglichen Klausel gerade die Beseitigung des Günstigkeitsprinzips. Dies betont die Beklagte dahingehend, dass eine Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen erreicht werden sollte, dass es also gerade der Zweck dieser Klausel in den Tarifverträgen sein sollte, zu verhindern, dass Arbeitnehmer über ihre Arbeitsverträge andere Bedingungen haben sollten, als die tarifvertraglich vorgesehen. Dies ist aber immer nur dann der Fall, wenn der Arbeitsvertrag günstigere Regelungen beinhaltet, weil über das Günstigkeitsprinzip diese Regelungen, die auch vorher bereits bestehen können (vgl. Löwisch, TVG, § 4 Rn. 547), dann weiterhin Gültigkeit haben. Sinn und Zweck der tarifvertraglichen Klausel sollte es gerade sein, das „Rosinenpicken“ zu verhindern, d.h. dass Arbeitnehmer die jeweils günstigeren Regelungen aus Arbeitsvertrag und Tarifvertrag für sich in Anspruch nehmen. Regelungen, die dazu dienen, dass das Günstigkeitsprinzip ausgehebelt wird, verstoßen gegen § 4 Abs. 3 TVG und sind insoweit nach § 134 BGB unwirksam (vgl. BAG vom 15.12.1960 – 5 AZR 374/58; BAG vom 23.03.2011 – 4 AZR 366/09). Denn die kollektiv ausgeübte Privatautonomie verdrängt die individuelle Privatautonomie nicht grundsätzlich. Bei der Bestimmung der eigenen Arbeitsbedingungen bleibt auch den tarifgebundenen Arbeitnehmer über die Privatautonomie ein Gestaltungsspielraum. Der Arbeitsvertragsfreiheit des Tarifunterworfenen wird über das Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 3 TVG ein partieller Vorrang eingeräumt. Dieses Günstigkeitsprinzip bildet eine formelle Schranke der tariflichen Regelungsmacht. Hieraus folgt, dass es den Tarifvertragsparteien auch unter dem Gesichtspunkt der Tarifautonomie im Grundsatz verwehrt ist, Arbeitsbedingungen tariflich zu vereinbaren, die eine Verkürzung individualvertraglich begründeter Rechte bedeutet. Gegenstand kollektiver Regelung durch tarifliche Inhaltsnormen ist die Festsetzung allgemeiner und gleicher Mindestarbeitsbedingungen. Die Möglichkeit, demgegenüber günstigere Arbeitsbedingungen arbeitsvertraglich zu vereinbaren, kann ein Tarifvertrag auch für tarifgebundene Arbeitsverhältnisse nicht einschränken. Die vorliegenden Regelungen hätten dies aber gerade bezweckt. Denn die arbeitsvertraglichen Regelungen wären letztlich vereinheitlicht worden, damit der Arbeitnehmer überhaupt in den Genuss der tarifvertraglichen Normen gelangen kann. Sinn und Zweck der Regelung war es nach Aussage der Beklagten gerade, das Günstigkeitsprinzip auszuhebeln.
Nachdem diese tarifvertraglichen Regelungen entsprechend unwirksam sind (vgl. hierzu auch LAG Berlin-Brandenburg vom 28.06.2007 – 26 Sa 116/07, wonach die Anwendbarkeit des Tarifvertrages nicht den Abschluss eines Arbeitsvertrages voraussetzt, weil dies ein Widerspruch auch zur Wertung des § 4 Abs. 3 TVG wäre), hat die Klägerin vom Grundsatz her die von ihr verlangten Ansprüche aus dem Tarifvertrag bzw. aus dem Arbeitsvertrag, soweit die jeweilige Ansprüche günstiger sind. Hierzu im Einzelnen:
c. Die Klägerin hat Anspruch auf die Vergütung nach dem MTV C. i.V.m. dem Entgeltrahmentarifvertrag, in derjenigen Höhe, wie er bei Anwendbarkeit des Tarifvertrages, welche wie dargestellt gegeben ist, nach der tarifvertraglichen Regelung geschuldet gewesen wäre.
Nach dem Arbeitsvertrag hat die Klägerin Anspruch auf eine monatliche Vergütung zuzüglich einer monatlichen Zulage in Höhe von € 250,00 brutto. Dies ergab zuletzt eine Vergütung in Höhe von € 2.822,00. Nach dem Tarifvertrag war im Zeitpunkt der Einführung der Tarifverträge, insbesondere im Entgeltrahmentarifvertrag in § 7 geregelt, dass, wenn zum Zeitpunkt der Tarifeinführung das neue tarifliche Monatsentgelt geringer ist, als das alte arbeitsvertragliche, der Arbeitnehmer zum Ausgleich der Differenz Anspruch auf eine monatliche Besitzstandszulage hat. Dabei sollte die Berechnung dieser Besitzstandszulage erfolgen auf Basis des bisherigen regelmäßigen monatlichen Entgeltes inkl. individueller Zulagen. Damit hätte die Klägerin aufgrund der tariflichen Regelung vom Grundsatz her einen Anspruch gehabt auf ein tarifliches Entgelt bestehend aus dem tariflichen Grundentgelt der unstreitig anwendbaren Entgeltgruppe E8 zzgl. Besitzstandszulage, wobei, das zeigt das Arbeitsvertragsangebot an die Klägerin (Bl. 88 d.A.), dass das Tarifentgelt grundsätzlich niedriger gelegen hätte, als die arbeitsvertragliche Vergütung der Klägerin mit € 2.822,00. Das Tarifentgelt belief sich zunächst auf € 2.696,75, wobei die Besitzstandszulage von € 125,25 dafür gesorgt hätte, dass die Klägerin letztlich eine gleichbleibende Vergütung von € 2.822,00 erhalten hätte. Damit hätte grundsätzlich die Klägerin, anders als sie der Auffassung war, keinen Anspruch etwa auf das tarifliche Entgelt nach Entgeltgruppe E8 zzgl. ihrer arbeitsvertraglichen Zulage von € 250,00. Denn letztlich ergäbe sich nach dem Günstigkeitsprinzip eine arbeitsvertragliche Vergütung von € 2.822,00 und eine tarifvertragliche Vergütung in gleicher Höhe. Insoweit ist nach dem Sachgruppenvergleich das Entgelt, wie es in § 2 ihres Arbeitsvertrages vereinbart ist, zu vergleichen mit dem tariflichen Entgelt. Beide setzen sich aber aus einer Grundvergütung plus Zulage zusammen.
Grundsätzlich ist nach § 7 ERTV C. die Besitzstandszulage, soweit es zu künftigen tariflichen Entgelterhöhungen kommt, in Höhe von 25% der jeweils vereinbarten Steigerung abschmelzbar. Die Beklagte selbst hat aber zugestanden, dass die Besitzstandszulage, wie sie bei der Klägerin in Höhe von € 125,25 bestanden hätte, bei der Beklagten bei allen Arbeitnehmern auch bei im streitgegenständlichen Zeitraum stattgefundenen Tariflohnerhöhungen nicht angerechnet wurde. Die Besitzstandszulage wurde gleichbleibend weitergezahlt. Damit besaß die Klägerin ab dem von ihr eingeklagten Zeitraum ab August 2016 ausgehend von dem damals gültigen tariflichen Entgelt in Höhe von € 2.793,83 insgesamt einen Vergütungsanspruch in Höhe von € 2.919,08, ab dem 1. März 2017 bei einem Grundentgelt von € 2.869,27 zzgl. Besitzstandszulage von € 2.994,52 und schließlich ab März 2018 in Höhe eines Grundentgeltes von € 3.012,73 zzgl. der Besitzstandszulage von € 3.137,98. Damit belief sich, dies hat die Beklagte selbst schriftsätzlich auch anerkannt (vgl. Bl. 179 d.A.), die Differenz zur jeweils bezahlten monatlichen Vergütung von € 2.822,00 für den Zeitraum August 2016 bis Februar 2017 auf € 97,08, von März 2017 bis Februar 2018 auf € 172,52 und ab März 2018 auf € 315,98. Nachdem die Klägerin ab April 2018 nur noch Teilzeit mit 18 Stunden pro Woche beschäftigt war, hatte die Klägerin ab diesem Zeitraum zeitanteilig Anspruch auf einen Tariflohn von € 1.427,13 zzgl. anteiliger Besitzstandszulage in Höhe von € 59,33. Ausgehend von erhaltenen € 1.202,41 Grundentgelt plus € 116,88 € Zulage ergibt sich ab diesem Zeitraum April 2018 eine Vergütungsdifferenz in Höhe von € 167,17.
Unter Berücksichtigung des Günstigkeitsprinzips hätte daher die Klägerin im Falle der Anwendbarkeit des Tarifvertrages, wie gegeben, den jeweiligen höheren Lohn beanspruchen können und damit Anspruch auf Nachzahlung der Differenzen.
Diese Differenzlohnansprüche sind auch bis auf die Vergütungsdifferenz für September 2017 nicht durch die Ausschlussfrist des Tarifvertrages bzw. des Arbeitsvertrages entfallen. Nach dem Arbeitsvertrag der Klägerin verfallen gemäß § 12 alle Ansprüche der Vertragsparteien, wenn sie nicht binnen einer Ausschlussfrist von 3 Monaten seit Fälligkeit schriftlich gegenüber dem anderen Vertragspartner geltend gemacht worden sind. Nach dem Manteltarifvertrag § 24 erlöschen Ansprüche auf Zuschläge innerhalb von 2 Monaten nach Abrechnung, weitere Ansprüche innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit, soweit sie nicht rechtzeitig geltend gemacht werden, darüber hinaus ist eine 2. Stufe der Ausschlussfrist für die gerichtliche Geltendmachung von 3 Monaten nach Ablehnung der Erfüllung vorgesehen. Insoweit greift nach dem Günstigkeitsprinzip zu Gunsten der Klägerin die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung, da sie für sie günstiger ist, zum einen wegen der Länge der Ausschlussfrist, zum anderen infolge der lediglich einstufig vorgesehenen Ausschlussfrist. Die Klägerin hat aber die Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht; dies gilt für die Ansprüche von August 2016 bis Oktober 2016 durch das Schreiben vom 28.11.2016 (Bl. 153 d. A.), der Ansprüche für November bis Dezember 2016 durch die Klage vom 27.01.2017, der Ansprüche von Januar und Februar 2017 durch Klageerweiterung vom 27.03.2017, der Ansprüche von März und April 2017 durch Klageerweiterung vom 31.05.2017, der Ansprüche von Mai und Juni 2017 durch Klageerweiterung vom 19.07.2017, der Ansprüche von Juli und August 2017 durch die Klageerweiterung vom 27.09.2017. Die Ansprüche für September 2017 hingegen sind zwar gerichtlich rechtzeitig mit Schriftsatz vom 29.11.2017 geltend gemacht, aufgrund der Zustellung dieser Klageerweiterung erst am 18.01.2018 aber der Beklagten gegenüber nicht rechtzeitig geltend gemacht worden. Sie sind daher verfallen. Die Ansprüche von Oktober 2017 hingegen wurden durch diese Klageerweiterung rechtzeitig geltend gemacht. Die Ansprüche November 2017 und Dezember 2017 sind rechtzeitig mit der Klageerweiterung vom 05.02.2017, die Ansprüche von Januar bis März 2018 mit Klageerweiterung vom 26.04.2018 und schließlich die Ansprüche von April 2018 mit Klageerweiterung vom 29.06.2018 rechtzeitig geltend gemacht worden. Dies ergibt insgesamt Ansprüche in Höhe von € 3.227,60 brutto. Insoweit hatte die Berufung der Klägerin Erfolg.
d. Die Klägerin hat des weiteren auch Anspruch auf die Sonderzahlungen nach § 25 MTV C.. Danach stehen der Klägerin aufgrund ihrer Betriebszugehörigkeit grundsätzlich Sonderzahlungen in Höhe von € 2.360,00 zu. Nachdem in § 25 Nr. 8 allerdings die Anrechnung betrieblicher Leistungen vorgesehen ist, wie etwa von Jahresabschlussvergütungen, Gratifikationen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen, Weihnachtsgeld u.ä. wird hierdurch der tarifliche Anspruch erfüllt. Entsprechend hat die Klägerin von diesen € 2.360,00 für das Jahr 2016 ein Weihnachtsgeld in Höhe von € 600,00 € in Abzug gebracht. Für das Jahr 2017 hat die Klägerin ausgehend von einer Sonderzahlung in Höhe von € 2.360,00 hingegen erhaltene € 1.100,00 brutto in Abzug gebracht. Dies beinhaltet neben dem Weihnachtsgeld von € 600,00 das erhaltene Urlaubsgeld von € 500,00 brutto gemäß § 2 Ziff. 2 ihres Arbeitsvertrages, wonach die Klägerin ein Urlaubsgeld und Weihnachtsgratifikation als Sonderleistungen erhält. Nachdem die Klägerin auch im Jahr 2016 das Urlaubsgeld in Höhe von € 500,00 erhalten hat, war dieses allerdings auch aufgrund der Anrechnungsregelung des Tarifvertrages zu berücksichtigen, so dass die Klägerin letzten Endes in beiden Jahren Anspruch auf Zahlung in Höhe von € 1.260,00 besitzt. Insgesamt war daher auf die Berufung der Klägerin die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 2.520,00 brutto Sonderzahlungen zu leisten. Sonderzahlungsansprüche wurden auch rechtzeitig mit der Klage sowie mit Klageerweiterung vom 05.02.2018 geltend gemacht.
e. Des Weiteren besitzt die Klägerin Anspruch auf Gutschrift von 30,5 Stunden auf ihr Stundenkonto. Der Anspruch ergibt sich daraus, dass nach dem Tarifvertrag die Arbeitszeit wöchentlich lediglich 38 Stunden beträgt, nach dem Arbeitsvertrag jedoch 38,5 Stunden. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass die Klägerin nicht etwa die 38,5 Stunden gearbeitet hätte, so dass nach dem Günstigkeitsprinzip die Klägerin ausgehend von der oben dargestellten tariflichen Vergütung nur 38 Stunden hierfür arbeiten musste, jedoch pro Woche 0,5 Stunden zusätzlich gearbeitet hat, die ihr auf ihr Stundenkonto gutzuschreiben sind. Die Klägerin hat hier diese Stunden geltend gemacht für den Zeitraum 29.08.2016 bis einschließlich 30.03.2018. Dies erfasst insgesamt einen Zeitraum vom 71 Wochen, also an sich 35,25 Stunden. Sie hat aber nur 30,5 Stunden eingeklagt. Die Ansprüche wurden auch rechtzeitig mit dem Schreiben der Klägerin vom 28.11.2016 geltend gemacht. Mit diesem Schreiben (Bl. 48 d.A.) macht die Klägerin geltend, dass der Tarifvertrag unmittelbar und zwingend gegenüber ihr gelte und ihrerseits auch umgesetzt werden müsste. Dabei bittet sie um unverzügliche Korrektur der Gehaltsabrechnungen sowie des Gleitzeit- bzw. Stundenkontos. Nachdem für die Beklagte ohne Weiteres ersichtlich und nachvollziehbar war, inwieweit sich die Arbeitszeit durch die tarifliche Regelung verändert hat, war auch eine Bezifferung der Ansprüche nicht erforderlich. Denn neben der Beschreibung des Anspruchs erfordert die Geltendmachung zwar grundsätzlich, dass ungefähr die Höhe mitgeteilt wird, dies ist allerdings dann nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Forderung bekannt oder ohne Weiteres errechenbar ist (vgl. BAG vom 28.02.2003 – 5 AZR 223/02). Hier – im vorliegenden Fall – war es aber der Beklagten ohne Weiteres errechenbar, in welcher Höhe sich das Stundenkonto der Klägerin erhöhen musste. Für gleichgelagerte wiederkehrende Ansprüche ist darüber hinaus auch die einmalige Geltendmachung ausreichend. Gleichartige Ansprüche müssen nicht für jeden Sachverhalt erneut geltend gemacht werden (vgl. BAG vom 26.10.1994 – 5 AZR 404/93). Daher reichte die einmalige Geltendmachung mit Schreiben vom 28.11.2016 auch für künftige gleichgelagerte wiederkehrende Gutschriftansprüche aus.
f. Darüber hinaus war auf die Berufung der Klägerin die Beklagte auch zu verurteilen, an die Klägerin die Einmalzahlung in Höhe von € 300,00 brutto für den Zeitraum Januar und Februar 2018 zu bezahlen. Aufgrund der ab dem 01.03.2018 geltenden Entgelttabelle gemäß Anlage 1 zum ERTV C. war vorgesehen, dass Vollzeitbeschäftigte für die Monate Januar und Februar 2018 statt einer Tabellenerhöhung einen Pauschalbetrag in Höhe von insgesamt € 300,00 brutto, der mit der Abrechnung März 2018 auszuzahlen ist, erhalten sollten. Nachdem die Klägerin im Zeitraum Januar und Februar 2018 noch vollzeitbeschäftigt war, besitzt sie auch Anspruch auf diese Einmalzahlung.
g. Darüber hinaus war die Klage jedoch abzuweisen, zum einen im Hinblick auf höhere geltend gemachte Differenzlohnansprüche und Ansprüche auf Zahlung von Sonderzahlungen. Gleiches gilt auch für die von Seiten der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen. Hierfür ist eine Anspruchsgrundlage weder ersichtlich noch hinreichend vorgetragen. Das Gericht konnte es letzten Endes dahingestellt lassen, ob die Mehrarbeitsstunden hinreichend vorgetragen wurden. Denn nach dem Arbeitsvertrag der Klägerin ist ein Zuschlag für Mehrarbeit nicht vorgesehen. Vielmehr ist für Mehrarbeit, sofern sie anfällt, ein Freizeitausgleich vorgesehen in § 3 des Arbeitsvertrages. Dies schließt also eine Zahlung grundsätzlich aus. Die Klägerin hätte Ansprüche ggf. auf Freizeitausgleich. Im Tarifvertrag wiederum ist für Mehrarbeit zwar ein Zuschlagsanspruch in Höhe von 25% in § 6 Ziffer 6a vorgesehen, wobei jedoch in § 5 des Tarifvertrages Mehrarbeit dahingehend definiert ist, dass es sich um solche Mehrstunden handelt, die über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nach § 2 Ziffer 2 hinausgehen und die weder über das Arbeitszeitkonto noch durch entsprechende Freizeit gemäß § 2 Ziffer 4 ausgeglichen werde.
Zwar sind gemäß § 5 Ziffer 2 Mehrarbeitszuschläge grundsätzlich in Geld zu vergüten, das gilt aber nur, soweit entsprechende Mehrarbeit im Sinne der Vorschrift vorliegt, insbesondere soweit keine entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen über das Arbeitszeitkonto oder durch Freizeitausgleich geschehen. Insoweit sieht § 2 vor in Ziffer 6, dass für jeden Beschäftigten ein individuelles Arbeitszeitkonto zu führen ist, welches innerhalb eines Ausgleichszeitraums von 12 Kalendermonaten 200 Guthaben- und 40 Negativstunden nicht über- bzw. unterschreiten darf. Nach 12 Monaten soll das Arbeitszeitkonto grundsätzlich ausgeglichen sein. Besteht am Ende eines Ausgleichszeitraums dennoch ein Guthaben, so dürfen 40 Guthabenstunden auf den nächsten Ausgleichszeitraum übertragen werden. Darüber hinausgehende Guthabenstunden sind nebst Mehrarbeitszuschlägen mit dem Monatsentgelt des darauffolgenden Monats an den Beschäftigten auszubezahlen. Entsprechend hätte die Klägerin also frühestens nach 12 Monaten entsprechende Mehrarbeitszuschlagsansprüche. Die Klägerin hat aber nicht im Einzelnen dargelegt, wann die Mehrarbeitsstunden letzten Endes, wären sie im Arbeitszeitkonten aufgenommen worden, zur Abgeltung angestanden hätten. Entsprechend konnte insoweit die Berufung keine Erfolg haben.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO und berücksichtigt, unter Einschluss einer Teilklagerücknahme der Klägerin in der 1. Instanz das jeweilige Obsiegen und Unterliegen der Parteien.
III.
Im Hinblick auf die divergierende Entscheidung des LAG Hessen war die Revision für die Beklagte zuzulassen.
Anlass die Revision für die Klägerin zuzulassen besteht nicht, da insoweit keine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits, soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz unterlegen ist, besteht. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird hingewiesen.

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