Aktenzeichen 7 Ta 28/17
Leitsatz
Enthält ein gerichtlicher Vergleich, der den Arbeitgeber verpflichtet, den Annahmeverzugslohn für einen bestimmten Zeitraum abzurechnen, zwar die Höhe des abzurechnenden Gehalts, aber keinen Hinweis darauf, ob anderweitiger Verdienst anzurechnen sei, ist der Vergleich insoweit unbestimmt. Der Abrechnungsanspruch kann nicht im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden. (Rn. 23 und 28)
Verfahrensgang
4 Ca 5174/15 2017-01-10 Bes ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 10.01.2017 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Parteien schlossen in der Hauptsache am 15.03.2016 einen Vergleich. In dessen Ziffer 2 verpflichtete sich die Beklagte, das Arbeitsverhältnis bis zu dessen Beendigung auf Basis eines Bruttomonatsgehaltes in Höhe von 1.343,75 € abzurechnen und den sich ergebenden Nettobetrag vorbehaltlich auf Dritte übergegangener Ansprüche an die Klägerin auszuzahlen.
Der Klägerin wurde am 12.04.2016 eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt. Der Vergleich wurde der Beklagten von Anwalt zu Anwalt zugestellt.
Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 02.05.2016 u.a. auf, den Vergleich zu erfüllen, das Arbeitsverhältnis bis zu seiner Beendigung auf Basis eines Bruttomonatsgehalts von 1.343,75 € abzurechnen und den sich ergebenden Nettobetrag vorbehaltlich etwaiger übergegangener Ansprüche auszuzahlen.
Die Beklagte forderte die Klägerin unter dem 12.05.2016 auf, Auskunft darüber zu erteilen, ob sie in der Zeit zwischen dem 08.09.2015 und dem 31.01.2016 einer anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Sie wies die Klägerin darauf hin, dass eine Erfüllung des Vergleichs erst nach Auskunftserteilung durch die Klägerin erfolgen könne.
Die Klägerin beantragte mit Schriftsatz vom 24.10.2016 beim Arbeitsgericht Nürnberg, sie zu ermächtigen, die der Beklagten obliegende Verpflichtung, das Arbeitsverhältnis bis zu dessen Beendigung (Oktober 2015 bis Januar 2016) auf der Basis eines Bruttomonatsgehalts in Höhe von 1.343,75 € ordnungsgemäß abzurechnen, durch den Steuerberater K…, A…xx, … H…, vornehmen zu lassen. Sie beantragte ferner, die Beklagte zu verurteilen, als Vorauszahlung für die Kosten der Erstellung der Abrechnung 59,50 € zu zahlen.
Die Beklagte macht geltend, die Klägerin hätte, wenn sie die Anrechnung anderweitigen Verdienstes habe ausschließen wollen, dies in den Vergleich aufnehmen lassen müssen. Aufgrund der Untätigkeit und Verweigerungshaltung der Klägerin sei es ihr, der Beklagten, objektiv unmöglich, abzurechnen. Es sei an der Klägerin, endlich die Höhe des erhaltenen Zwischenverdienstes mitzuteilen.
Die Klägerin führt aus, es bestehe kein Anrechnungsanspruch nach § 615 Satz 2 BGB. Die Anrechnung anderweitigen Verdienstes sei im Vergleich nicht vereinbart. Auch die Abgeltungsklausel im Vergleich zeige, dass die Parteien eine abschließende Regelung gewollt hätten.
Das Arbeitsgericht wies den Zwangsvollstreckungsantrag zurück. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass die Klägerin über den Bezug anderweitigen Verdienstes keine Auskunft erteilt habe.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 62 Absatz 2 Satz 1 ArbGG iVm § 793 ZPO, sowie form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO.
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Der Antrag auf Zwangsvollstreckung ist unzulässig.
Zwar haben die Parteien am 15.03.2016 einen Vergleich geschlossen, in dem sich die Beklagte verpflichtete, eine Abrechnung zu erteilen.
Der Vergleich wurde der Beklagten unstreitig zugestellt, § 750 Absatz 1 ZPO.
Die Voraussetzung des § 724 ZPO liegt vor. Der Klägerin wurde am 12.04.2016 eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs erteilt.
Gleichwohl ist die Zwangsvollstreckung unzulässig.
Der Vergleich vom 15.03.2016 enthält in Ziffer 2 keinen vollstreckbaren Inhalt, § 704 ZPO. Er ist insoweit unbestimmt.
Ein wirksamer Titel als Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung nach § 704 ZPO setzt voraus, dass sich aus ihm Inhalt, Art und Umfang der Vollstreckung bestimmt oder bestimmbar ergeben. Ein Titel ist nur dann bestimmt genug und zur Zwangsvollstreckung geeignet, wenn er den Anspruch des Gläubigers ausweist und Inhalt und Umfang der Leistungspflicht bezeichnet.
Daran fehlt es vorliegend.
Nach Ziffer 2 des Vergleichs soll die Beklagte eine Gehaltsabrechnung erstellen. Dabei haben die Parteien zwar mit der Aufnahme des abzurechnenden Betrags (1.343,75 € brutto) die Höhe des monatlichen Gehalts festgelegt.
Der Vergleich ist allerdings bereits insoweit unbestimmt, als nicht geregelt ist, für welchen konkreten Zeitraum Abrechnungen zu erteilen sind. Es heißt im Vergleich „bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses“. Dieses steht zwar infolge der Ziffer 1 des Vergleichs fest. Dies gilt indes nicht für den Beginn der Abrechnungspflicht. Hierzu enthält der Vergleich keine Aussage.
Nachdem die Parteien übereinstimmend vorgetragen haben, dass die Klägerin Vergütung bis Ende September 2015 erhalten hat, kann vertreten werden, dass der Beginn des Abrechnungszeitraums der 01. Oktober 2015 ist.
Der Vergleich enthält eine weitere Unklarheit, über die bei den Parteien ein Dissens besteht.
Es ergibt sich aus dem Vergleich nicht, ob die Beklagte berechtigt ist, § 615 Satz 2 BGB anzuwenden, wonach auf Ansprüche aus Annahmeverzug anderweitiger Verdienst anzurechnen ist. Ist dies der Fall, kann die Beklagte die Erfüllung des Vergleichs verweigern, bis die Klägerin die verlangte Auskunft erteilt hat. Die Beklagte kann sich in diesem Fall insbesondere darauf berufen, dass sie die Abrechnung erst erteilen kann, wenn der Zwischenverdienst mitgeteilt wurde.
Ist die Beklagte hingegen nicht berechtigt, einen etwaigen Zwischenverdienst vom Bruttogehalt in Abzug zu bringen, steht der Erstellung der Berechnung keine von der Klägerin geschuldete Mitwirkungshandlung entgegen.
Der Vergleich bedarf der Auslegung, ob mit der Bestimmung des abzurechnenden monatlichen Betrags, 1.343,75 € brutto, eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes ausgeschlossen sein sollte. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die Parteien etwaige übergegangene Ansprüche mitgeregelt haben.
Dies lässt sich allein aus dem Wortlaut des Vergleichs nicht ableiten.
Der Vergleich bedarf vielmehr insoweit einer Auslegung nach den in den §§ 133, 157 BGB geregelten Grundsätzen.
Die bestehenden Unsicherheiten können nicht im Zwangsvollstreckungsverfahren behoben werden. Es ist nicht Aufgabe der Vollstreckungsorgane ‒ auch nicht des Prozessgerichts, das für die Zwangsvollstreckung an sich zuständig ist ‒ die dem Konflikt zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Fragen zu klären. Das ist vielmehr Aufgabe des Prozessgerichts im Erkenntnisverfahren. Das erkennende Gericht schließt sich insoweit der ständigen Rechtsprechung der Obergerichte an (Bundesarbeitsgericht ‒ Beschluss vom 30.10.2006 ‒ 3 AZB 39/06; juris).
Die sofortige Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, §§ 92, 72 ArbGG.