Aktenzeichen 36 Ca 9795/17
ArbGG § 46 Abs. 2
MTV § 15 Ziffer 6
BGB § 286 Abs. 2 Zif.1, § 288 Abs. 1
Leitsatz
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, € 1.666,98 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2017 zu bezahlen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 72% und die Beklagte 28%.
3. Der Streitwert wird auf € 6.012,67 festgesetzt.
Gründe
Die zum zuständigen Arbeitsgericht erhobene Klage ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
I.
Der Kläger kann mit Erfolg von dem Beklagten die Abgeltung von zehn Urlaubstagen, berechnet auf der Grundlage eines Bruttomonatsverdienstes in Höhe von 3.500,65 €, mithin also 1.666,98 € brutto verlangen. Darüber hinausgehende Ansprüche waren zurückzuweisen.
1. Der der Kläger kann mit Erfolg die Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs von 10 Tagen auf der Grundlage des § 15 Ziffer 6 MTV verlangen.
a. Nach § 15 Ziffer 6 MTV ist Erholungsurlaub, der vor dem Ausscheiden nicht mehr gewährt werden kann, abzugelten, und zwar ohne weitergehende Anforderungen aus dem MTV selbst oder aber aus Bezugnahmen auf gesetzliche Regelungen. Nach dem Wortlaut der Ziffer 6 des Manteltarifvertrages ist es insbesondere nicht erforderlich, dass die nicht gewährten Urlaubstage – noch – nicht nach dem Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG und der dazu ergangenen Rechtsprechung verfallen sind.
Das Gericht teilt nicht die Auffassung der Beklagten, wonach sich aus § 15 Ziffer 1 MTV ergebe, dass der Erholungsurlaub grundsätzlich auf das Kalenderjahr befristet sei, so dass hier zunächst ein Gleichlauf mit der Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG festzustellen sei. § 15 Ziffer 1 MTV enthält eine den gesetzlichen Regelungen der §§ 1 und 3 Abs. 1 BUrlG vergleichbare Regelung über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruches. Ebenso wenig wie allein aus den §§ 1 und 3 Abs. 1 BUrlG hergeleitet werden kann, dass der jährliche Urlaubsanspruch im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss und ansonsten grundsätzlich zum Ende des Kalenderjahres verfällt, lässt sich dies dem § 15 Ziffer 1 MTV entnehmen.
Die Tarifvertragsparteien haben in § 15 MTV im Wesentlichen dieselben Regelungsgegenstände wie das BUrlG geregelt. So finden sich in dieser Bestimmung Regelungen und zum Teil Modifizierungen der gesetzlichen Bestimmungen zu Teilurlaub, Berücksichtigung von Urlaubswünschen, zusammenhängende Urlaubsgewährung, Erwerbstätigkeit und Erkrankung während des Urlaubs und Urlaubsabgeltung sowie abschließend der Hinweis, dass günstigere gesetzliche Regelungen unberührt bleiben. Dass sich die Tarifvertragsparteien erkennbar mit nahezu allen gesetzlichen Urlaubsbestimmungen auseinandergesetzt haben und selbst da, wo inhaltlich im Grunde keine Veränderung vorgenommen wurde, die gesetzliche Regelung in eigenen Formulierungen wiedergegeben wurde, hinsichtlich der zentralen Bestimmung des § 7 Abs. 3 BUrlG aber gerade keine Regelung getroffen und auch keine Inbezugnahme vorgenommen wurde, lässt nach Auffassung des Gerichts nur den Schluss zu, dass eine Verfristungsregelung entsprechend oder in Anlehnung an § 7 Abs. 3 BUrlG weder gewollt war noch geregelt werden sollte.
Das Gericht vermag nicht nachzuvollziehen, woraus zwingend zu folgen hat, dass mangels einer Verfristungsregelung im Manteltarifvertrag auf § 7 Abs. 3 BUrlG zurückgegriffen werden muss und dies insbesondere auch deshalb, weil die Tarifvertragsparteien in § 15 Ziffer 6 MTV nicht geregelt hätten, dass Urlaubsansprüche ohne Rücksicht auf das Verfallsregime des § 7 Abs. 3 BUrlG angesammelt werden können. Grundsätzlich unterliegen Ansprüche der gesetzlichen Verjährung, es sei denn es greifen gesetzliche, tarifvertragliche oder einzelvertraglich vereinbarte Ausschluss-/Verfallsfristen ein. Es ist deshalb nicht ersichtlich, weshalb die Tarifvertragsparteien in § 15 MTV hätten regeln müssen, dass ein entstandener Urlaubsanspruch nicht verfällt, wo doch allein schon der Verzicht auf eine entsprechende Verfristungsregelung zum selben Ergebnis führt.
Die Tarifvertragsparteien haben deshalb mit § 15 MTV eine eigenständige, für die Arbeitnehmer günstigere Urlaubsregelung geschaffen, die keine dem § 7 Abs. 3 BUrlG vergleichbare Fristen – und Verfallsbestimmungen enthält.
b. Der Beklagte weist mit Recht darauf hin, dass der Kläger bei der konkreten Berechnung der Urlaubsabgeltung zu Unrecht sein zuletzt bezogenes Vollzeitgehalt aus dem Dezember 2013 in Höhe von 5.689,37 € zu Grunde legt. Zutreffender Weise sind die zuletzt erhaltenen 3.500,65 € bei der Ermittlung des Abgeltungsbetrages nach § 15 Abs. 6 MTV heranzuziehen. 10/21 aus 3.500,65 € ergeben den zugesprochenen Betrag.
2. Die Klage war jedoch abzuweisen, soweit der Kläger Urlaubsabgeltung für weitere zwölf Tage beansprucht.
a. Wie oben ausgeführt, enthält § 15 MTV eine eigenständige, günstigere Urlaubsregelung, dies jedoch beschränkt auf den über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden tariflichen Mehrurlaub. Der tariflichen Regelung kann nicht mit dem erforderlichen Maß an Gewissheit ein Regelungswille dahin entnommen werden, dass auch für den gesetzlichen Mindesturlaub das Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG außer Kraft gesetzt werden soll.
b. Der im Jahr 2015 verbliebene gesetzliche Mindesturlaub von zwölf Tagen, der wegen Eintritt in die Freistellungsphase nicht mehr eingebracht werden konnte, ist am 31.03.2017 verfallen, eine Abgeltung kommt deshalb mehr in Betracht.
Das Gericht teilt vollumfänglich die Auffassung des Arbeitsgerichts München in seiner Entscheidung vom 15.12.2016, AZ 13 Ca 6905/16, wenn es ausführt:
„Ist ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen andauernd an seiner Arbeitsleistung gehindert, verfallen seine gesetzlichen Urlaubsansprüche aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG erst 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres (vgl. im Einzelnen: BAG, Urteil vom 07.08.2012 – 9 AZR 353/10). Zugunsten des Klägers kann weiter unterstellt werden, dass – selbst wenn er mit Beginn der Freistellungsphase wieder arbeitsfähig war und damit sein Urlaubsanspruch eigentlich spätestens bereits am 31.03.2016 verfallen wäre – krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und Unerfüllbarkeit des Urlaubs in der Freistellungsphase des Blockmodells gleichzustellen sind (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 16.10.2012 – 9 AZR 234/11). Anhaltspunkte dafür, dass im Falle der Altersteilzeitbeschäftigung im Blockmodell anderes gelten könnte, gibt es nicht. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seiner Entscheidung vom 22.11.2011, AZ C-214/10, festgestellt, dass spätestens 15 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, nicht in Anspruch genommene Urlaub verfällt. Zwar betraf die Entscheidung eine Konstellation, bei der der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugsund Übertragungszeitraums dienstunfähig war. Die hierfür maßgebende Erwägung, dass der Zweck des Urlaubsanspruch dann nicht mehr vollständig erreicht werden kann, gilt aber auch für Arbeitnehmer, die Altersteilzeit im Blockmodell gewählt haben wegen der Freistellung ihren Urlaub mehr einbringen können. Eine Verlängerung des Übertragungszeitraums kommt insoweit nicht in Betracht. Dies würde zu einer Besserstellung gegenüber Arbeitnehmern in Vollzeitbeschäftigung nach sich ziehen, für die ein entsprechender Urlaubsverfall im Krankheitsfall einträte (vgl. hierzu zu einem vergleichbaren Fall im Beamtenrecht: BVerwG, Urteil vom 19.11.2015 – AZ 2 C 3/15).“
Ergänzend hierzu sei angeführt, dass es sehr wohl gerechtfertigt erscheint, krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und Unerfüllbarkeit des Urlaubs in der Freistellungsphase des Blockmodells gleich- und nicht besser zu stellen mit der Folge, dass nicht einbringbarer Urlaub während der Freistellungsphase jedenfalls 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt. Ausgehend von der Überlegung, dass der Urlaubsanspruch nicht ein bloßer zusätzlicher Zahlungsanspruch ist, sondern vielmehr daneben auch den Anspruch des Arbeitnehmers auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zum Zwecke der Erholung beinhaltet, stellt sich die Frage, weshalb ein Urlaubsanspruch eines Mitarbeiters, dem der Urlaubsanspruch nur deshalb nicht gewährt werden kann, weil er bereits von jeglicher Arbeitsverpflichtung freigestellt ist, nach Ablauf des Urlaubsjahres 15 Monate bzw. sogar noch darüber hinaus aufrechterhalten werden muss. Während einem dauererkrankter Arbeitnehmer bezahlter Urlaub deshalb nicht gewährt werden kann, weil er von der Arbeitsverpflichtung zum Zwecke der Genesung freigestellt ist, kann einem Arbeitnehmer in Altersteilzeit während der Freistellungsphase keine bezahlte Freistellung gewährt werden, weil es sich bereits in einer bezahlten Freistellung befindet.
3. Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Ziffer 1 BGB.
II.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 92 ZPO.
2. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO.
3. Gegen diese Entscheidung können der Kläger und der Beklagte Berufung einlegen. Auf anliegende Rechtsmittelbelehrungwird verwiesen.