Aktenzeichen 8 Sa 250/18
(MTV IGZ/DGB) § 6.2.3
Leitsatz
Verfahrensgang
2 Ca 145/18 2018-05-24 Endurteil ARBGWUERZBURG ArbG Würzburg
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Aschaffenburg – vom 24.05.2018, Az. 2 Ca 145/18, wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A
Die Berufung der Beklagten ist zulässig.
Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist ein-gelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.
B.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die erkennende Kammer folgt der ausführlichen und zutreffenden Begründung des Erstgerichts und macht sich dessen Ausführungen zu Eigen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Parteien sind lediglich noch folgende Ausführungen veranlasst:
I.
Dem Kläger steht nach § 7 Abs. 4 BUrlG ein Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe des bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch offenen Urlaubsanspruches zu.
Dieser zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht genommene bzw. gewährte Urlaub ist als reiner Geldanspruch mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis abzugelten. Die Erfüllung des Urlaubsanspruchs, d.h. die Befreiung von der Arbeitspflicht ist nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses unmöglich geworden. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer den Urlaub tatsächlich vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Natur hätte nehmen können. Es besteht keine Pflicht des Arbeitnehmers, bei einer Eigenkündigung einen Antrag auf Gewährung der noch offenen Urlaubstage in der Kündigungsfrist zu stellen. Auf die Frage, ob die Beklagte gegebenenfalls berechtigt gewesen wäre, den Kläger nach seiner Kündigung von der weiteren Mitarbeit unter Anrechnung auf die bestehenden Urlaubsansprüche freizustellen, kam es vorliegend nicht an. Die Beklagte selbst behauptet nicht, dass sie den Kläger aufgefordert hätte, den Urlaub in der Kündigungsfrist in Natur zu nehmen.
II.
Völlig zu Recht hat das Erstgericht dem Kläger wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der zweiten Jahreshälfte trotz der Quotelungsregelung des MTV IGZ/DGB den vollen gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen bei einer 5-Tage-Woche zugesprochen.
Zwar regelt § 6.2.3 des MTV die Zwölftelquotelung bei Ausscheiden im Laufe des Kalenderjahres ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitnehmer in der ersten oder zweiten Jahreshälfte ausgeschieden ist. Eine solche Regelung ist jedoch nur wirksam, als der gesetzliche Mindesturlaub durch die Kürzung nicht unterschritten wird. Der gesetzliche Mindesturlaub ist auch für Tarifvertragsparteien unantastbar (BAG; Urteil v. 24.10.2000, Az. 9 AZR 610/99, in juris recherchiert). Der gesetzliche Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers, der nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, kann nach § 13 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 BUrlG selbst durch eine tarifliche Regelung nicht ausgeschlossen oder gemindert werden. Den Arbeitsvertrags- und den Tarifvertragsparteien ist es nach § 13 BUrlG verwehrt, den gesetzlichen Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz bei einem Ausscheiden nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Hälfte zu kürzen (BAG, Urteil v. 09.08.2016, Az. 9 AZR 51/16, in juris recherchiert).
Im Streitfall wird der gesetzliche Mindesturlaub für das Jahr 2017 von 20 Tagen aufgrund des Ausscheidens des Klägers zum 31.10.2017 unterschritten. Soweit die Kürzungsregelung wegen Verstoßes gegen § 13 BUrlG in Verbindung mit § 134 BGB und wegen Eingriffs in den gesetzlichen Mindesturlaub unwirksam ist, ist eine tarifliche Regelung gemäß § 139 BGB insoweit aufrechtzuerhalten, als sie bei einem Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte den gesetzlichen Mindesturlaub nicht kürzen würde (BAG, Urteil v. 18.02.2014, 9 AZR 765/12; v. 12.04.2011, 9 AZR 80/10; in juris recherchiert).
III.
Der Kläger hat für 2017 tatsächlich bei der Beklagten sechs Tage Urlaub genommen, so dass noch 14 Urlaubstage verbleiben.
1. Wie das Erstgericht völlig zu Recht ausführt, können – selbst unterstellt der Kläger hätte tatsächlich unentschuldigt gefehlt – Fehltage nicht mit Urlaubstagen verrechnet werden. Urlaub wird durch eine Erklärung des Arbeitgebers gewährt, mit der er den Arbeitnehmer für eine bestimmte Zeit von der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung befreit. Der Leistungserfolg tritt ein, wenn der Arbeitnehmer infolge der Freistellungserklärung tatsächlich von der Arbeitsleistung befreit wird. Die Freistellungserklärung muss deutlich zu erkennen geben, dass eine Befreiung von der Arbeitspflicht zur Erfüllung des gesetzlichen oder tariflichen Anspruchs auf Urlaub erteilt wird. Sonst handelt es sich nicht um eine Urlaubsgewährung (Erfurter Kommentar, 18. Auflage, § 7 BUrlG, Rz. 5 ff., mit weiteren Hinweisen).
Für Zeiten unentschuldigten Fehlens des Arbeitnehmers kann der Arbeitnehmer somit nicht nachträglich eine entsprechende Freistellungserklärung zur Erfüllung des Urlaubsanspruches erklären.
2. Ebenfalls völlig zu Recht hat das Erstgericht entschieden, dass die Beklagte den Kläger nicht auf seinen anteiligen beim neuen Arbeitgeber entstandenen Urlaubsanspruch verweisen kann, und zwar selbst dann nicht, wenn der Kläger dort tatsächlich für zwei Monate Urlaub erhalten hat.
Nach § 6 BUrlG wird nur der Anspruch im neuen Arbeitsverhältnis ganz oder teilweise ausgeschlossen, soweit Urlaubsansprüche bereits im früheren Arbeitsverhältnis erfüllt worden sind. § 6 BUrlG schließt nur Urlaubsansprüche im neuen Arbeitsverhältnis aus, enthält aber für den umgekehrten Fall keine Regelung. Im alten Arbeitsverhältnis entstandener Urlaubsanspruch bleibt von der weiteren Entwicklung der Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers in einem neuen Arbeitsverhältnis unberührt.
IV.
Die Beklagte kann auch nicht mit einem bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Rückerstattung des gegebenenfalls mit Lohnabrechnungen für Oktober und November zu viel entrichteten Gehaltes aufrechnen. Die Beklagte wäre – selbst unterstellt, der Kläger hätte tatsächlich im August und September unentschuldigt gefehlt und für diese Tage keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall – mit der Aufrechnung dieser Ansprüche aufgrund der tarifvertraglichen Ausschlussfrist ausgeschlossen.
Dies hat das Erstgericht völlig zutreffend erkannt. Zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung im Schriftsatz vom 08.03.2018, bei Gericht eingegangen am 09.03.2018, waren etwaige Rückforderungsansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung bereits wegen Nichteinhaltung der tariflichen Ausschlussfrist gemäß § 18 des Arbeitsvertrages in Verbindung mit § 10 MTV IGZ/DGB verfallen. Auf eventuelle Unwirksamkeitsgründe einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist war nicht einzugehen, da sich der Verwender auf solche grundsätzlich nicht berufen kann.
Nach eigenem Sachvortrag der Beklagten erfolgte die angeblich unberechtigte Lohnzahlung für Fehltage mit den Lohnabrechnungen für Oktober und November. Ein möglicher Rückzahlungsanspruch aus § 812 BGB wäre somit im Oktober bzw. November fällig gewesen. Zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung und mit der insoweit erstmaligen schriftlichen Geltendmachung entsprechender Rückzahlungsansprüche waren diese jedoch bereits verfallen. Die tarifvertragliche dreimonatige Ausschlussfrist, beginnend mit der Fälligkeit, war spätestens Ende Februar abgelaufen.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 91, 97 ZPO.
D.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (vgl. § 72 Abs. 2 ArbGG).