Aktenzeichen W 7 K 17.295
Leitsatz
1 Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Haushaltsführung der Industrie- und Handelskammern (BVerwG BeckRS 2016, 41705) kann nicht zur Beurteilung von Beitragserhebungen nach dem Heilberufe-Kammergesetz herangezogen werden, da die einschlägigen Rechtsgrundlagen sich hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und der vorgegebenen Verfahrensschritte wesentlich unterscheiden. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2 Da das Heilberufe-Kammergesetz keine näheren Vorgaben für die Bemessung von Kammerbeiträgen vorsieht, steht der berufsständischen Kammer aufgrund ihrer Satzungsautonomie bei der Ausgestaltung ihrer Beitragsordnung ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dieser wird nur dann überschritten, wenn bei der Bemessung der Mitgliedsbeiträge, die der Abgeltung eines besonderen Vorteils, nämlich des sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Nutzens, dienen, gegen das Äquivalenzprinzip oder den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen wird. Hingegen ist nicht zu überprüfen, ob es sich um die in jeder Hinsicht zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung handelt. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3 Mitglieder öffentlich-rechtlicher Zwangsverbände, worunter auch die berufsständischen Kammern fallen, haben gegenüber dem Verband einen Anspruch auf Einhaltung der Grenzen, die seinem Tätigwerden durch die gesetzlich normierten Aufgabenstellung gezogen sind. Hierzu gehört auch der mitgliedschaftsrechtliche Anspruch darauf, dass die aus den Beitragsleistungen der Mitglieder aufgebrachten Haushaltsmittel nicht für verbandsfremde Zwecke verwendet werden dürfen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angegriffene Beitragsbescheid der Beklagten vom 21. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß Art. 15 Abs. 2 des Gesetzes über die Berufsausübung, die Berufsvertretungen und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker sowie der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufe-Kammergesetz – HKaG) ist die Bayerische Landesärztekammer berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben von allen Mitgliedern der ärztlichen Kreisverbände Beiträge zu erheben, deren Höhe in einer Beitragsordnung festgesetzt wird. Die Beitragserhebung beim Kläger erfolgte aufgrund der Beitragsordnung der Bayerischen Landesärztekammer in der Fassung der Änderungsbeschlüsse vom 25. Oktober 2014 (Bayerisches Ärzteblatt 12/2014, S. 698). Einwendungen gegen die formelle Rechtmäßigkeit dieser Beitragsordnung wurden vom Kläger nicht geltend gemacht. Er wendet sich auch nicht gegen die Beitragsbemessung anhand seiner ärztlichen Einkünfte sowie die Berechnung der Beitragshöhe an sich. Ebenso wenig wird die Zwangsmitgliedschaft des Klägers im ärztlichen Kreisverband angegriffen. Vielmehr ist die Argumentation des Klägers dahin gehend zu verstehen, dass die Beitragserhebung seitens der Beklagten unterbleiben bzw. wesentlich geringer ausfallen müsse, da die Beklagte selbst über ausreichend finanzielle Mittel verfüge (z.B. in Form von Rücklagen oder Sacheinlagen), die eine Beitragserhebung rechtswidrig machten.
Eine solche rechtswidrige Beitragserhebung liegt jedoch nach Überzeugung der Kammer nicht vor. Zum einen kann die vom Kläger angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Haushaltsführung der Industrie- und Handelskammern nicht herangezogen werden, da die einschlägigen Rechtsgrundlagen (s.u.) sich hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und der vorgegebenen Verfahrensschritte wesentlich unterscheiden, so dass nicht von einer Vergleichbarkeit ausgegangen werden kann. Wie das Bundesverwaltungsgericht in der vom Kläger als maßgeblich zitierten Entscheidung vom 9. Dezember 2015 (Az.:10 C 6.15) ausführt, handelt es sich bei der Beitragserhebung der Industrie- und Handelskammern um ein zweistufiges Verfahren. Gemäß § 3 Absatz 2 Satz 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (Industrie- und Handelskammerngesetz – IHKG) werden die Kosten der Errichtung und der Tätigkeit der Industrie- und Handelskammern, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Haushaltsplans (Wirtschaftsplans) durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Nach § 3 Abs. 2 IHKG ist der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer daher den Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) auf, der für ein Haushaltsjahr gilt und im Voraus aufzustellen ist; vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dann dieser voraussichtliche Bedarf gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt. Dem gegenüber sieht Art. 15 Abs. 2 HKaG lediglich die Beitragserhebung zur Erfüllung der Aufgaben der Landesärztekammer vor, wobei die Höhe (allein) in einer Beitragsordnung festgesetzt wird; es handelt sich somit um ein einstufiges Verfahren. Weitere Einschränkungen, insbesondere dahingehend, dass die Kosten nicht anderweitig gedeckt sein dürfen, sieht diese Vorschrift gerade nicht vor. Zudem ist anders als in § 3 Abs. 2 IHKG auch nicht das Verfahren der vorherigen Aufstellung eines Haushaltsplans in jedem Jahr vorgesehen, so dass auch nicht der jährliche (Neu-)Erlass der Beitragsordnung erforderlich ist. Die Art der Beitragserhebung ist daher nicht vergleichbar, so dass auch eine Übertragbarkeit der genannten Rechtsprechung von vornherein ausscheidet.
Da das Heilberufekammergesetz keine näheren Vorgaben für die Bemessung von Kammerbeiträgen vorsieht, steht der Beklagten aufgrund ihrer Satzungsautonomie bei der Ausgestaltung ihrer Beitragsordnung ein weiter Gestaltungsspielraum zu, so dass sich die gerichtliche Überprüfung der Beitragsordnung darauf beschränken muss, festzustellen, ob der Satzungsgeber die äußersten Grenzen seines Gestaltungsspielraumes verlassen hat. Dies ist (nur) dann der Fall, wenn er bei der Bemessung der Mitgliedsbeiträge, die der Abgeltung eines besonderen Vorteils, nämlich des sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Nutzens, dienen, gegen das Äquivalenzprinzip oder den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen hat. Hingegen ist nicht zu überprüfen, ob die Beklagte die in jeder Hinsicht zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 15.6.2010 – 8 LC 102/08 m.w.N.). Genau auf solche Aspekte stützt sich jedoch die Argumentation der Klägerseite.
Die Kammer hatte daher nicht der Frage nachzugehen, ob die einzelnen von der Klägerseite genannten Posten, die – sofern sie in den nach Oktober 2014 gültigen Haushaltsplänen aufgeführt sind, für die hier einschlägige Beitragsordnung (siehe oben) sowieso ohne Belang sind – eine andere Beitragsgestaltung ermöglichen würden. Wie und ob sich diese auf die Beitragshöhe auswirken würden, blieb nach der klägerischen Argumentation ohnehin unklar. Ob und in welcher Höhe die Beklagte beispielsweise Rücklagen bildet, liegt in ihrem Ermessen. Sachfremde Erwägungen konnte die Kammer in diesem Zusammenhang nicht feststellen, ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankommt.
Wie bereits dargestellt, ist allein maßgeblich, ob Verstöße gegen den Gleichheitssatz oder das Äquivalenzprinzip vorliegen. Verstöße gegen den Gleichheitssatz sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Es liegt jedoch auch kein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip vor. Dieses fordert, dass die Höhe der Beiträge nicht im Missverhältnis zu dem Vorteil steht, den sie abgelten soll, und dass einzelne Mitglieder im Verhältnis zu anderen nicht übermäßig hoch belastet werden dürfen. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Beitrag einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil ausgleicht, der sich bei dem Kammermitglied messbar niederschlägt. Dies kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Kammern in erster Linie die Gesamtbelange ihrer Mitglieder zu wahren haben und sich diese Tätigkeit regelmäßig nur mittelbar bei dem einzelnen Mitglied auswirken kann. Der durch die Tätigkeit einer Kammer für Heilberufe vermittelte Nutzen kann nicht konkret festgestellt und bemessen, sondern weitgehend nur vermutet werden (vgl. OVG Lüneburg, a.a.O.; BVerwG, U.v. 26.1.1993 – 1 C 33.89 – u. v. 10.9.1974 – 1 C 48.70). Eine übermäßig hohe Belastung des Klägers gegenüber anderen Mitgliedern wurde nicht geltend gemacht. Ebenso wenig ist ein Missverhältnis der Höhe der Beträge zum Nutzen der Kammertätigkeit festzustellen. Der Einwand des Klägers, der Beitrag zur Landesärztekammer sei im Vergleich zum Beitrag für seinen Sportverein unverhältnismäßig, ist unsubstantiiert. Die Beklagtenvertreter haben in der mündlichen Verhandlung exemplarisch dargelegt, welche Aufgaben die Landesärztekammer wahrnimmt, z.B. insbesondere die Fort- und Weiterbildung ihrer Mitglieder. Ob hingegen einzelne Posten in den Haushaltsplänen der Beklagten anderweitig eingesetzt werden könnten, ist eine Frage der zweckmäßigsten Lösung, die nicht Gegenstand der Überprüfung ist (siehe oben). Worin darüber hinaus ein Missverhältnis zwischen Beitragshöhe und „Leistungen“ der Landesärztekammer bestehen könnte, wurde von der Klägerseite nicht dargelegt und ist schon angesichts der Höhe des Jahresbeitrages des Klägers (347,00 EUR) im Verhältnis zu seinen ärztlichen Einkünften (91.477,00 EUR) nicht ersichtlich.
Unabhängig von der Frage der Beitragserhebung haben nach der Rechtsprechung das Bundesverwaltungsgerichts Mitglieder öffentlich-rechtlicher Zwangsverbände, worunter auch die berufsständischen Kammern fallen, einen Anspruch gegenüber dem Verband auf Einhaltung der Grenzen, die seinem Tätigwerden durch die gesetzlich normierten Aufgabenstellung gezogen sind (BVerwG, U.v.24.9.1981 – 5 C 53/79 m.w.N.). Hierzu gehört auch der mitgliedschaftsrechtliche Anspruch darauf, dass die aus den Beitragsleistungen der Mitglieder aufgebrachten Haushaltsmittel nicht für verbandsfremde Zwecke verwendet werden dürfen. Ein Verstoß gegen diesen Anspruch ist jedoch für die Kammer nicht ersichtlich. Insbesondere ist es der Bayerischen Landesärztekammer auch gestattet, aus den Beitragseinnahmen Rücklagen zu bilden; allein maßgeblich ist es, ob diese zweckfremd verwendet werden oder nicht. Die Beklagtenseite hat in der mündliche Verhandlung erläutert, wofür die von der Beklagtenseite angesprochenen zweckgebundenen Rücklagen verwendet werden, so z.B. für die Delegiertenwahl oder den Unterhalt des Ärztehauses Bayern. Es wurde erläutert, dass andere Rücklagen aufgebraucht wurden; auch wurde begründet, weswegen im Jahr 2016 erstmals eine Zuführung zur Betriebsmittelrücklage eingeführt worden sei. Anhaltspunkte für eine zweckfremde Verwendung der Mittel ergeben sich daraus nicht, ebenso wenig aus der Höhe der Aufwandsentschädigungen für den Präsidenten und zwei Vizepräsidenten im Haushaltsplan 2017. Diese ist für die einschlägige Beitragsordnung (s.o.) ohnehin ohne Belang. Auch aus der Tatsache, dass von der Bundesärztekammer keine Verwendungsnachweise für die von den Landesärztekammern abgeführten Mittel übermittelt werden, sondern eine Kontrolle durch die Mitglieder der Landesverbände in den Delegiertenversammlungen erfolgt, ergibt sich nicht die Rechtswidrigkeit der Beitragsverwendungen, da nichts dafür ersichtlich ist, dass eine aufgabenfremde Verwendung der Mittel stattgefunden hat. Eine solche wurde letztendlich auch von der Klägerseite nicht vorgetragen.
Nach Überzeugung der Kammer liegen daher weder im Rahmen der Beitragserhebung noch der Beitragsverwendung Fehler vor, die zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führen würden.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.