Arbeitsrecht

Vergütungsanspruch eines Gewerkschaftssekretärs für behauptete Mehrarbeit

Aktenzeichen  2 Ca 4997/16

Datum:
5.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 158077
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 612 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Erbringt der Arbeitnehmer Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang, ist der Arbeitgeber zu deren Vergütung nur verpflichtet, wenn die Leistung von Überstunden veranlasst ist oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Vergütungspflicht für Überstunden auf arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tarifvertraglicher Verpflichtung oder auf gesetzlicher Regelung des § 612 Abs. 1 BGB beruht. (Rn. 15 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Überstunden müssen vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sein. Die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt der Arbeitnehmer. (Rn. 17 – 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 9.345,84 € festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Die Zulässigkeit der Berufung nach den allgemeinen Vorschriften bleibt unberührt.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gegeben gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG.
Das Arbeitsgericht Nürnberg ist für die Entscheidung des Rechtsstreits auch örtlich zuständig gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 12, 17 ZPO.
II.
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 9.345,84 € brutto. Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung eines Ausgleiches für Mehrarbeit in Höhe von 255,77 Stunden. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat keinen substantiierten Tatsachenvortrag unter Beweisantritt getätigt, der die rechtliche Schlussfolgerung auf das Vorliegen einer Anspruchsgrundlage zu Gunsten des Klägers zuließe.
Die Erwägungen des erkennenden Gerichts, auf denen die vorliegende Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht, sind in einer kurzen Zusammenfassung gemäß den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 313 Abs. 3 ZPO im Einzelnen wie folgt darzustellen:
Die vom Kläger behaupteten Arbeitsstunden wurden nach Auffassung des Gerichts nicht substantiiert unter Beweisantritt dargelegt. Erbringt der Arbeitnehmer Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang, ist der Arbeitgeber zu deren Vergütung nur verpflichtet, wenn die Leistung von Überstunden veranlasst ist oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist (denn der Arbeitgeber muss sich Leistung und Vergütung von Überstunden nicht aufdrängen lassen und der Arbeitnehmer kann nicht durch überobligatorische Mehrarbeit seinen Vergütungsanspruch selbst bestimmen).
Dies gilt unabhängig davon, ob die Vergütungspflicht für Überstunden auf arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tarifvertraglicher Verpflichtung oder auf gesetzlicher Regelung des § 612 Abs. 1 BGB beruht.
Für die arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung als – neben der Überstundenleistung – weitere Voraussetzungen eines Vergütungsanspruches hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung formuliert, Überstunden müssen vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sein (BAG Urteil vom 15.06.1961 – 2 AZR 436/60 -; BAG Urteil vom 18.04.2012 – 5 AZR 248/11 -; BAG Urteil vom 10.04.2013 – 5 AZR 122/12 -).
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass geleistete Überstunden angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit erforderlich waren, trägt der Arbeitnehmer als derjenige, der den Anspruch erhebt.
Dabei begründet allein die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb noch keine Vermutung dafür, Überstunden seien zur Erbringung der geschuldeten Arbeit in dem behaupteten Umfang tatsächlich erbracht und auch notwendig gewesen (BAG Urteil vom 10.04.2013 – 5 AZR 122/12 -).
Im vorliegenden Sachverhalt hat der Kläger zwar bezogen auf den Streitzeitraum Zeiterfassungsbögen vorgelegt, die von der Vorgesetzten des Klägers auch unterschrieben wurden. Die Beklagte hat gleichwohl bestritten, dass der Kläger in dem behaupteten Umfang Überstunden geleistet hat und dargelegt, Überstunden seien von der Beklagten weder ordnungsgemäß angeordnet und auch nicht geduldet worden.
Bei dieser Sachlage hat der Kläger ungeachtet der unterschriebenen Zeiterfassungsbögen seiner Darlegung- und Beweislast für die behaupteten 255,77 Überstunden nicht genüge getan.
Der Kläger hat nämlich weder substantiiert vorgetragen, welche konkreten Arbeitsleistungen er zu den behaupteten Zeiten für die Beklagte erbracht haben will, noch dass diese Arbeitsleistungen von der Beklagten angeordnet oder auch nur geduldet wurden. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der streitgegenständlichen Überstundenvergütung ergibt sich nicht aus § 10 Abs. 3 AAB, da der Kläger als Gewerkschaftssekretär ausdrücklich und eindeutig von der Regelung des § 10 Abs. 3 AAB ausgenommen ist.
Dem Überstundenvergütungsanspruch des Klägers entgegen steht jedoch die Regelung des § 10 Abs. 5 AAB, wonach der Kläger unter der Voraussetzung, d.h. für geleistete regelmäßige Mehrarbeit 9 Ausgleichstage im Kalenderjahr erhält. Diese Regelung begegnet nach Auffassung des erkennenden Gerichts als Betriebsvereinbarung keinen rechtlichen Bedenken. Etwaigen Ansprüchen des Klägers auf Zahlung einer Mehrarbeitsvergütung steht daher jedenfalls die Regelung des § 10 Abs. 5 AAB entgegen.
Im Übrigen leistet der Kläger als Gewerkschaftssekretär sogenannte „Dienste höherer Art“ und bezieht derzeit eine monatliche Bruttovergütung von 5.542,00 €. In einem derartigen Fall lässt sich das Bestehen einer objektiven Vergütungserwartung für Überstunden im Sinne des § 612 Abs. 1 BGB nicht ohne hinzutreten weiterer besonderer Umstände oder einer entsprechenden Verkehrssitte begründen (BAG vom 27.06.2012 – 5 AZR 530/11 -).
Im vorliegenden Fall sind derartige besondere Umstände weder vorgetragen noch ersichtlich. Nach alledem steht nach Auffassung des Gerichts auch dieser rechtliche Gesichtspunkt der vom Kläger begehrten Überstundenvergütung für den Streitzeitraum entgegen.
Nach alledem steht dem Kläger keine Anspruchsgrundlage für den streitgegenständlichen Zahlungsanspruch zur Seite, weshalb die Klage der Abweisung unterlag.
Der Hilfsantrag war ebenfalls als unbegründet abzuweisen, da diesbezüglich die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Anspruchsgrundlage zu Gunsten des Klägers vom Kläger nicht hinreichend substantiiert unter Beweisantritt vorgetragen wurden. Die weiteren von den Parteien aufgeworfenen rechtlichen und tatsächlichen Fragen waren für die Entscheidung des Gerichts nicht mehr rechtserheblich und bedürfen daher keiner weiteren gerichtlichen Erörterung.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 3 ZPO i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit vom 05.04.2016.
V.
Die Berufung war gesondert nicht zuzulassen, da insoweit keine gesetzlich begründete Veranlassung bestand. Die Zulässigkeit der Berufung nach den allgemeinen Vorschriften bleibt unberührt.

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