Arbeitsrecht

Verlust von Dienstbezügen – Beweiswert eines amtsärztliches Attests

Aktenzeichen  AN 11 K 16.1007

Datum:
29.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 51922
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBesG § 9
BBG § 96
GO-ÖB § 13

 

Leitsatz

Hinsichtlich der Dienstfähigkeit eines Beamten hat ein amtsärztliches Attest gegenüber einem privatärztlichen Attest einen größeren Beweiswert (vgl. BVerwG   NVwZ 1998, 289). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger aufgrund schuldhaften Fernbleibens vom Dienst in der Zeit vom 21. Dezember 2015 bis 12. Januar 2016 gemäß § 9 Satz 1 Satz 1 BBesG seine Bezüge verloren hat.
1. Gemäß § 9 Satz 1 BBesG i. V. m. § 96 Abs. 1 BBG verliert der Beamte für die Zeit des Fernbleibens seine Bezüge, wenn er dem Dienst schuldhaft fernbleibt. Dabei darf der Beamte ohne Genehmigung seines Dienstvorgesetzten nicht vom Dienst fernbleiben, Dienstunfähigkeit infolge Krankheit hat er auf Verlangen nachzuweisen. Der Verlust der Bezüge ist festzustellen, § 9 Satz 3 BBesG. Diese Feststellung ist auch nachträglich möglich, vgl. Bundesverwaltungsgericht Beschluss vom 29. November 1994, Az. 1 DB 12/94. Vorliegend ist der Kläger unstreitig vom 21. Dezember 2015 bis 12. Januar 2016 vom Dienst ferngeblieben. Dies geschah auch ohne rechtfertigenden Grund.
2. Der Kläger war im streitigen Zeitraum dienstfähig. Dies wird durch das Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung am 22. Dezember 2015 bestätigt. In der mündlichen Verhandlung hat der Zeuge ausführlich und zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, aus welchen Gründen er den Kläger im streitigen Zeitraum für arbeitsfähig hielt. Der Befund des Zeugen, er halte den Kläger für arbeitsfähig, hat gegenüber dem vom Kläger vorgelegten privatärztlichen Attest bezüglich der Beurteilung der Dienstfähigkeit des Klägers auch größeren Beweiswert (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 30.08.1995, Az. 1 DB 9/95). Hierfür sind die in der Regel im Vergleich zu einem Privatarzt besseren Kenntnisse eines beamteten Arztes bezüglich der Belange der Verwaltung und der von dem Beamten zu verrichtenden Tätigkeit sowie seine größere Erfahrung bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit maßgebend. Die privatärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 22. Dezember 2015 enthält keine Befunde oder sonstigen Hinweise auf den medizinischen Zustand des Beamten, die die abweichenden Feststellungen des Amtsarztes entkräften könnten. Vielmehr ist in dem privatärztlichen Attest des Dr. … lediglich vermerkt, dass der Kläger vom 21. Dezember 2015 bis 12. Januar 2016 voraussichtlich arbeitsunfähig sein wird. Dem Privatarzt können im konkreten Fall auch keine besseren Kenntnisse als dem Zeugen unterstellt werden. Der Grund, weshalb sich der Kläger arbeitsunfähig fühlte, liegt nach den Feststellungen in der mündlichen Verhandlung in der betrieblichen Situation, in der sich der Kläger befindet, durch die er sich gestresst und gemobbt fühle. Der Privatarzt hat insoweit keine besonderen Fähigkeiten, die über die des Amtsarztes hinausgehen, um die Arbeitsunfähigkeit des Klägers aufgrund dieses Befundes zu bescheinigen. Er ist kein Spezialist auf diesem Gebiet, da er ausweislich der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung „praktischer Arzt/Sportmedizin“ ist. Hier ist stattdessen auf die Kenntnisse des Zeugen abzustellen, der in Bezug auf die vom Kläger konkret zu verrichtende Arbeit und den dafür notwendigen Gesundheitszustand aufgrund seiner Tätigkeit als Amtsarzt und zusätzlich über frühere dienstliche Kontakte zum Kläger die gezielteren Erfahrungen hat. Der Meinung des Klägervertreters, der Zeuge hätte vermehrt beim Kläger nachfragen müssen, er habe seine ärztliche Ermessensentscheidung nicht richtig getroffen, der Zeuge hätte vielmehr den Kläger krankschreiben müssen, folgt das Gericht nicht. Der Zeuge hat in der mündlichen Verhandlung ausführlich erklärt, weshalb er den Kläger nicht für dienstunfähig hielt. Er gab an, mit ihm ein ausführliches 15- bis 20-minütiges Gespräch geführt und seine Einschätzung aus diesem Gespräch gewonnen zu haben. Der Kläger ist nach Darstellung des Zeugen seit Jahren immer wieder wegen der gleichen Symptomatik beim Zeugen vorstellig geworden. Der Zeuge kennt daher den Kläger, seine Situation, sein Arbeitsumfeld und sonstige mit der Arbeit des Klägers zusammenhängende Probleme. Er kann beurteilen, ob der Kläger aufgrund seiner aktuellen Situation und seines gegenwärtigen Zustandes arbeitsfähig war oder nicht. In der Vergangenheit hatte er bereits mehrfach die Arbeitsunfähigkeit des Klägers festgestellt. Anders als zu diesen Gelegenheiten befand der Zeuge den Zustand des Klägers – auch im Vergleich zu seinen sonstigen Beschwerden – diesmal gerade nicht für so beeinträchtigt, dass er ihn für dienstunfähig hielt. Die vom Kläger geschilderten Probleme erreichten nach Auffassung des Zeugen keinen derartigen Krankheitswert, der dessen Dienstfähigkeit ausschloss. Die Einholung von Stellungnahmen von Fachärzten zum speziellen Krankheitsbild des Klägers war – anders als der Klägervertreter meint – nicht notwendig. Vorliegend ging es um die kurzfristige Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit und es galt, das Attest ohne Diagnose- und Befundinhalte eines Privatarztes, der ebenfalls kein Spezialist auf diesem Gebiet ist, zu überprüfen. Es obliegt dem Kläger, einen speziellen Facharzt aufzusuchen, sollte er sich zur Behandlung seiner Beschwerden vom einem praktischen Arzt/Sportmediziner unzureichend betreut fühlen.
3. Die Abwesenheit des Klägers war auch schuldhaft im Sinne von § 9 BBesG und zwar zumindest bedingt vorsätzlich. Der Kläger wusste, dass er dem Dienst krankheitsbedingt nur bei Vorlage eines entsprechenden ärztlichen Attestes fernbleiben durfte. Obwohl ein solches nicht vorlag, ist er nicht zum Dienst erschienen. Der Zeuge hat zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass er dem Kläger gegenüber erklärt hat, dass er die Arbeitsunfähigkeit nicht bestätigen werde: Der Kläger hat für den o.g. Zeitraum lediglich ein privatärztliches Attest vorgelegt. Mit Verfügung vom 26. März 2015 war gegenüber dem Kläger jedoch angeordnet worden, seine Dienstunfähigkeit infolge Krankheit ab sofort bis auf weiteres durch Vorlage eines amtsärztlichen Attestes ab dem ersten Krankheitstag nachzuweisen. Eine solche Anordnung muss nicht, wie der Klägervertreter meint, den Grundsätzen, die die Rechtsprechung in den Fällen einer Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung wegen möglicher dauernder Dienstunfähigkeit entwickelt hat, entsprechen. Die dort weitgehenden, besonderen Anforderungen begründen sich mit den dem Beamten drohenden erheblichen Nachteilen, da er im Falle dauernder Dienstunfähigkeit durch den Dienstherrn in den Ruhestand versetzt werden kann. Bereits die Anordnung muss detailliert sein und es dem Beamten erlauben, deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Denn einer rechtswidrigen Anordnung muss er nicht nachkommen. Dem steht gegenüber, dass dem Beamten bei der Weisung, ab dem ersten Krankheitstag ein Attest vorzulegen, keine derart schwerwiegenden Nachteile drohen. Denn anders als bei der dauernden Dienstunfähigkeit bezweckt die Untersuchung zur Dienstunfähigkeit für einen kurzen Zeitraum nur die Überprüfung, ob der Beamte vorübergehend seinen Dienst nicht ausüben kann. Die Gründe, aus denen sich die Dienstunfähigkeit ergibt, können bei jedem Ausfall andere sein. Hier obliegt es dem Amtsarzt jeweils zu prüfen, ob die vom Kläger vorgetragenen Beschwerden die Dienstunfähigkeit begründen.
Die Vorlage des amtsärztlichen Attestes ist, entgegen der Anordnung des Dienstherrn, vorliegend nicht geschehen. Der Zeuge hat in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichtes dargelegt, dass er dem Kläger ausdrücklich mitgeteilt habe, dass der Zeuge die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Privatarztes nicht nachvollziehen könne und dies der Behörde so auch weitergeben werde. Der Zeuge hat weiter in glaubhafter Weise ausgeführt, dass dieses Resultat beim Kläger auch angekommen sei, da dieser auf diese Aussage äußerlich ungehalten und kurz angebunden reagiert habe. Die Zeugenaussage wird auch dadurch gestützt, dass sich in der Behördenakte ein Aktenvermerk vom 5. Januar 2016 befindet, in dem festgehalten ist, dass der Zeuge der Behörde gegenüber angegeben habe, dass er dem Kläger gegenüber die Bestätigung des Attestes abgelehnt habe und dies dem Kläger auch so mitgeteilt habe. Gründe, weshalb der Zeuge der Beklagten gegenüber falsche Angaben machen sollte, liegen nicht vor. Zudem existiert ein Aktenvermerk des Zeugen vom 22. Dezember 2015, in dem das mit dem Kläger am selben Tag geführte Gespräch in aller Kürze zusammengefasst ist, und das ebenfalls den Hinweis enthält, dass der Zeuge die Dienstunfähigkeit diesmal nicht bescheinigen werde und dies dem Kläger gegenüber klar gemacht habe. Der Kläger hat daher zumindest billigend in Kauf genommen, trotz Dienstfähigkeit seiner Pflicht, Dienst zu tun, nicht nachzukommen.
4. Die Klage bleibt daher ohne Erfolg. Ein Berufungszulassungsgrund nach § 124a VwGO besteht nicht. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO zulasten des Klägers. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 2.416,41 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

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