Aktenzeichen W 8 K 19.30609
Leitsatz
1 Die ausländerrechtliche Verpflichtungserklärung eines Verwandten, aus der sich eine Regresspflicht des Erklärenden gegenüber öffentlichen Stellen ergibt, steht der Annahme der Bedürftigkeit der Asylsuchenden im Prozesskostenhilfeverfahren nicht entgegen. Die Verpflichtungserklärung begründet keine unmittelbaren Ansprüche der Asylsuchenden gegenüber dem Verpflichteten. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2 Da die Verpflichtungserklärung keinen durchsetzbaren zivilrechtlichen Anspruch der Klägerin gegen den Verpflichteten begründet, wäre die öffentliche Mittel vorleistende Behörde allenfalls gehalten, einen Erstattungsanspruch gegen den Verpflichtungsgeber geltend zu machen. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin …, beigeordnet, soweit dadurch keine weiteren Kosten als durch die Bevollmächtigung eines im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts entstehen.
Gründe
Nach § 166 VwGO, § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Nach der vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin ist diese nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung zu tragen.
Die ausländerrechtliche Verpflichtungserklärung des Bruders über die Tragung des Lebensunterhalts (§ 68 AufenthG) steht der Annahme der Bedürftigkeit der Klägerin vorliegend nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob die Tragung der (anwaltlichen) Prozesskosten im Asylprozess überhaupt von dieser Verpflichtungserklärung erfasst wird (vgl. VG Freiburg, B.v. 26.10.2016 – 7 K 2062/16 – juris). Denn aus der Verpflichtungserklärung erfolgt regelmäßig nur eine Regresspflicht des Erklärenden (hier des Bruders) gegenüber der öffentlichen Stelle. Damit dürfen Leistungen gegenüber der betreffenden Hilfebedürften (hier der Klägerin) nicht per se unter Hinweis auf das bloße Bestehen der Verpflichtungserklärung ausgeschlossen werden. Des Weiteren ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin als Schwester einen durchsetzbaren zivilrechtlichen Anspruch gegen ihren Bruder als leicht realisierbares bereites Mittel hat, der auch die Tragung der Anwaltskosten im Asylprozess umfasst (vgl. LSG NRW, B.v. 2.2.2017 – L 9 SO 691/16 B ER, L 9 SO 692/16 – Asylmagazin 2017, 315 – juris). Begründet die Verpflichtungserklärung aber keine unmittelbaren Ansprüche der Klägerin gegen den verpflichtenden Bruder, wäre die öffentliche Mittel vorleistende Behörde allenfalls gehalten, einen Erstattungsanspruch gegen den Verpflichtungsgeber geltend zu machen. Sie müsste aber in diesem Zusammenhang eventuelle Pfändungsfreigrenzen beim Verpflichtungsgeber berücksichtigen (OVG BBg, B.v. 11.9.2012 – OVG 3 M 33.12 – NVwZ-RR 2013, 207).
Die Erfolgsaussichten der Klage sind offen und demnach hinreichend im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO, soweit die Klägerin ihr Klagebegehren auf eine Verfolgungsgefahr bzw. sonst ernsthafte Gefahr in Marokko wegen ihrer Homosexualität und auf die daraus in ihrem Einzelfall möglicherweise resultierenden Schutzansprüche stützt. Dafür bedarf es noch einer Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung. Der Klägerin ist für dieses Klagebegehren vor dem Verwaltungsgericht ihre Prozessbevollmächtigte beizuordnen, weil dies angesichts der Schwierigkeiten der Sache erforderlich ist (§ 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO). Die Begrenzung der Kosten beruht auf § 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 3 ZPO.