Arbeitsrecht

Verrentung eines Versorgungsguthabens – Billiges Ermessen

Aktenzeichen  3 Sa 638/16

Datum:
26.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 110074
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BetrAVG § 1
BGB § 315 Abs. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

1. Gewährt ein Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung dem Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Verrentung seines Versorgungsguthabens, sondern räumt er vielmehr dem Arbeitgeber ein Wahlrecht darüber ein, ob dieser dem Arbeitnehmer das Versorgungsguthaben als Einmalzahlung, Ratenauszahlung oder monatliche Rente zahlt, liegt die Entscheidung über die Auszahlungsart des Versorgungsguthabens beim Arbeitgeber und ist die Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 1 BGB im Zweifel nach billigem Ermessen zu treffen (unter Hinweis auf BAG BeckRS 2003, 40996). (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Entscheidet sich der Arbeitgeber in einem solchen Fall aus wirtschaftlichen Erwägungen generell dafür, für die Auszahlung des Versorgungsguthabens von vornherein allein die Einmalzahlung (Einmalkapital) und die Rentenzahlung, nicht aber die Verrentung in Betracht zu ziehen, entspricht diese Entscheidung nicht billigem Ermessen iSv § 315 Abs. 1 BGB und ist deshalb unverbindlich iSv § 315 Abs. 3 S. 1 BGB (siehe dazu nachgehend BAG BeckRS 2019, 18259 Rn. 38). (Rn. 39 – 42) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die im Rahmen der gerichtlichen Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB erforderliche Interessenabwägung kann allerdings auch bei einer unverbindlichen Leistungsbestimmung zugunsten des Arbeitgebers ausfallen, wenn die ihn durch eine Verrentung des Versorgungsguthabens treffende Mehrbelastung nicht der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der Einmal-, Raten- und Rentenzahlung entspricht, von der die Tarifvertragsparteien ausgingen, indem sie dem Arbeitgeber das Recht eingeräumt haben, zwischen verschiedenen Auszahlungsformen zu wählen. Diese Gleichwertigkeit ist jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn eine bestimmte Auszahlungsform die anderen wertmäßig um fast 40% übersteigt. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

10 Ca 2946/15 2016-08-01 Endurteil ARBGREGENSBURG ArbG Regensburg

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 01.08.2016 – 10 Ca 2946/15 – wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
I.
Die nach § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b) ArbGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO.
II.
Die Berufung ist auch begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, das Versorgungsguthaben des Klägers in unstreitiger Höhe von 116.282,00 € beginnend mit dem 01.10.2015 als monatlich gleichbleibende Rente an den Kläger zu zahlen.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verrentung seines Versorgungsguthabens aus Ziff. 3.1.1, 3.1.2 und 3.1.4 Anlage 1 BAV-TV i.V.m. § 13 seines Arbeitsvertrages.
a) Ziff. 3.1.1 und 3.1.2 Anlage 1 BAV-TV i.V.m. § 13 des Arbeitsvertrags vermitteln dem Kläger keinen Anspruch auf Verrentung seines Versorgungsguthabens. Die Tarifnormen räumen vielmehr der Beklagten nach ihrem Wortlaut ein Wahlrecht darüber ein, ob sie dem Kläger das Versorgungsguthaben als Einmalzahlung, Ratenauszahlung oder monatliche Rente zahlt. Nach Ziff. 3.1.1 Anlage 1 BAV-TV kann der Arbeitgeber das Versorgungsguthaben als Einmalzahlung oder in Raten auszahlen oder das Versorgungsguthaben ganz oder teilweise, mit oder ohne Hinterbliebenenversorgung, verrenten. Ziff. 3.1.2 S. 1 Anlage 1 BAV-TV bestimmt insoweit, dass bei der Entscheidung nach Ziff. 3.1.1 Anlage 1 BAV-TV der Arbeitgeber auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen wird. Insoweit vollziehen die Tarifnormen das Konzept des BetrAVG nach, nach dem die laufende Rentenzahlung und die einmalige Kapitalleistung grundsätzlich gleichwertige Formen der betrieblichen Altersversorgung sind (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 21.03.2000 – 3 AZR 127/99 – NZA 2001, 1308 unter II. 2 b bb der Gründe; Urteil vom 15.05.2012 – 3 AZR 11/10 – NZA-RR 2012, 433 Rn. 79).
b) Die Beklagte hat im Oktober 2015 ermessensfehlerhaft die Zahlung des Versorgungsguthabens des Klägers als monatlich gleichbleibende Rente ausgeschlossen.
aa) Liegt die Entscheidung über die Auszahlungsart des Versorgungsguthabens nach Ziff. 3.1.1 Anlage 1 BAV-TV bei der Beklagten, ist die Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 1 BGB im Zweifel nach billigem Ermessen zu treffen (vgl. BAG, Urteil vom 19.11.2002 – 3 AZR 406/01 – NJOZ 2003, 3485 unter II 2 der Gründe).
bb) Eine Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände Einzelfalles einzubeziehen. Welche Umstände dies im Einzelnen sind, hängt auch von der Art der Leistungsbestimmung ab, die der Berechtigte zu treffen hat. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem die Ermessensentscheidung getroffen wird. Dem Bestimmungsberechtigten verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Eine Leistungsbestimmung durch einen Teil ist für den anderen verbindlich, falls sie der Billigkeit entspricht, § 315 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. BAG, Urteil vom 13.10.2016 – 3 AZR 445/15 – BeckRS 2016, 74805, Rn. 29 m.w.N.).
Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt gemäß § 315 Abs. 3 BGB der gerichtlichen Kontrolle (vgl. BAG, Urteil vom 07.07.2011 – 6 AZR 151/10 – NJOZ 2012, 413, Rn. 33 m.w.N.). Dabei hat die bestimmende Partei die Umstände darzulegen und zu beweisen, die ihre Leistungsbestimmung und die Billigkeit tragen (siehe BAG, Urteil vom 03.08.2016 – 10 AZR 710/14 – NZA 2016, 1334, Rn. 28).
cc) Entgegen der Auffassung der Beklagte enthalten Ziff. 3.1.1 und 3.1.2 Anlage 1 BAV-TV keine vom Maßstab billigen Ermessens abweichende Regelung, die ihren Interessen von vornherein den Vorrang einräumen. Dies ergibt sich nach der Auslegung der tariflichen Bestimmung, für deren Regeln nach § 69 Abs. 2 ArbGG auf das erstinstanzliche Urteil, S. 9, Bezug genommen wird.
Die Grundregelung in Ziff. 3.1.1 Anlage 1 BAV-TV knüpft mit dem Wort „kann“ an eine im billigen Ermessen stehende Entscheidung der Beklagten an. Solchermaßen enthält Ziff. 3.1.2 S. 1 Anlage 1 BAV-TV lediglich eine Klarstellung, wenn dort bestimmt wird, dass „der Arbeitgeber auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen“ wird. Aus Ziff. 3.1.2 S. 2 Anlage 1 BAV-TV lässt sich kein hiervon abweichendes, systematisches Argument folgern. 3.1.2 S. 2 Anlage 1 BAV-TV trifft eine Regelung für die Entscheidung des Arbeitgeber, das Versorgungsguthaben zu verrenten. Eine Verrentung ist gegen den Widerspruch des Arbeitnehmers nur zulässig, wenn das Interesse des Arbeitgebers durch Ratenzahlung nicht ausreichend gewahrt ist. Der Umstand, dass die weiteren Auszahlungsalternativen – Einmalkapital und Ratenzahlung – nicht von den Tarifvertragsparteien in die Regelung einzogen worden sind, lässt auf einen engen Anwendungsbereich allein auf den Fall der Verrentung schließen. Sie kann deshalb auf die anderen Auszahlungsformen nicht übertragen werden. Im Übrigen bestehen auch Zweifel, ob 3.1.2 S. 2 Anlage 1 BAV-TV die Interessen des Arbeitgebers im Zweifel begünstigt, oder nicht lediglich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Ausübung billigen Ermessens konkretisiert („das Interesse des Arbeitgebers durch Ratenzahlung nicht ausreichend gewahrt ist“).
c) Die Entscheidung der Beklagten, für die Auszahlung des Versorgungsguthabens von vornherein allein die Einmalzahlung (Einmalkapital) und die Rentenzahlung, nicht aber die Verrentung in Betracht zu ziehen, entspricht nicht billigem Ermessen i. S. d. § 315 Abs. 1 BGB und ist deshalb unverbindlich i.S. v. § 315 Abs. 3 S. 1 BGB.
aa) Die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 17.09.2015 i.V.m. dem „Formblatt zur Auszahlung bAV“ (Anlage K 10) ein Antragsformular übermittelt, das dem Kläger nur die Möglichkeit gab, das Versorgungsguthaben als Einmalkapital oder als Ratenauszahlung ausgezahlt zu bekommen. Allein die Tatsache, dass die Beklagten ein Formular ohne die Möglichkeit der Verrentung entworfen hat, spricht dafür, dass sie sich generell und unabhängig von den Interessen des Klägers gegen die Verrentung des Versorgungsguthabens entschieden hat. Diese Annahme wird durch die Einlassung der Beklagten bestätigt, sie habe seit 2013 keine Verrentungen mehr angeboten und allen Versorgungsempfängern das Versorgungsguthaben ausgezahlt. Zu Recht hat das Arbeitsgericht in diesem Zusammenhang auch auf die rechtliche Argumentation der Beklagten hingewiesen, die ebenfalls die Annahme bestätigt, die Beklagte habe von vornherein die Variante „Verrentung“ ausgeschlossen. Für diese wird auf das erstinstanzliche Urteil, S. 10, gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.
Das Vorbringen der Beklagten, mit dem sie dieser Annahme im Berufungsverfahren entgegentritt, ist zum einen widersprüchlich. So führt sie im Schriftsatz vom 08.11.2015, S. 5 aus, sie habe vor ihrer Entscheidung, dem Kläger konkret die Alternativen Einmalzahlung oder Ratenzahlung anzubieten, sein Schreiben vom 16.09.2015 erhalten, mit dem er um Verrentung gebeten habe. Im Schriftsatz vom 18.01.2017, S. 2, heißt es dann, es bestehe bereits kein Zusammenhang zwischen dem Schreiben des Klägers vom 16.09.2015 und dem Schreiben der Beklagten vom 17.09.2015. Die Übersendung ihres Schreibens sei automatisch nach Prüfung der Versorgungsansprüche des Klägers erfolgt, nachdem die Beklagte Kenntnis über den unmittelbar bevorstehenden Versorgungseintritt gehabt habe. Zum anderen ist das Vorbringen der Beklagten unzureichend. Die Beklagte legt nicht dar, wann sie aufgrund welcher ihr bekannter oder mitgeteilter Umstände die Entscheidung getroffen hat, dem Kläger keine Verrentung anzubieten. Im Übrigen spricht der untere Abschnitt des Formulars „Formblatt zur Auszahlung bAV“ gegen die Behauptung, die Beklagte habe in Bezug auf die Person des Klägers bereits mit Schreiben vom 17.09.2015 eine konkrete Auswahlentscheidung bzgl. des Versorgungsguthabens getroffen. In dem diesem Schreiben beigefügten Formular heißt es: “Der gewünschten Verwendung der betrieblichen Altersvorsorge wird zugestimmt“. Eine Verwendungsentscheidung über das Versorgungsguthaben wird damit zeitlich nach dem Antrag des Arbeitnehmers getroffen.
bb) Mit ihrer generellen Entscheidung seit 2013, den Versorgungsberechtigten nicht mehr die Verrentung ihres Versorgungsguthabens anzubieten, wahrt die Beklagten kein billiges Ermessen i.S.d. § 315 Abs. 1 BGB. Sie stellt damit von vornherein nicht die Interessen der Arbeitnehmer – hier des Klägers – ein und wägt sich nicht zu ihren eigenen Interessen ab.
d) Nach der deshalb gem. § 315 Abs. 3 S. 2 BGB zu treffenden gerichtlichen Leistungsbestimmung ist der Kläger nicht berechtigt, sein Versorgungsguthaben in Form einer monatlichen, gleichmäßigen Rente ausgezahlt zu bekommen.
aa) Aufgrund der Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung durch die Beklagte i.S.d. § 315 Abs. 3 S. 1 BGB wird die Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen, § 315 Abs. 3 S. 2 BGB, und zwar auf der Grundlage des Vortrags der Parteien (vgl. BAG, Urteil vom 03.08.2016 – 10 AZR 710/14 – NZA 2016, 1334, Rn. 30). Die Beklagte hat als Bestimmungsberechtigte diejenigen Umstände einzubringen, die in ihrem Konzept der Leistungsbestimmung möglicherweis zu berücksichtigen gewesen wären. Dem Kläger als Anspruchsteller obliegt es im eigenen Interesse, die für ihn sprechenden Umstände vorzutragen (so BAG, Urteil vom 03.08.2016, a.a.O., Rn. 30).
bb) Nach den danach zu berücksichtigen Umständen und der gebotenen Interessenabwägung war die Beklagte nicht durch Urteil zu verpflichten, dem Kläger die Verrentung seines Versorgungsguthabens anzubieten.
(1) Nach dem zuletzt unstreitigen Gutachten über eine Kapitalisierung der laufenden Rente anhand der Richttafeln Heubeck 2005 unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Lebenserwartung des Klägers per 31.12.2015 müsste die Beklagte statt der Auszahlung des Einmalkapitals in Höhe von 116.282,00 € (zuzüglich der Zinsen gemäß Ziff. 3.2 Anlage 1 BAV-TV) am 15.01.2016 im Fall der Verrentung des Versorgungsguthabens 150.134,00 € und unter Berücksichtigung des aktuellen Rechnungszinses 160.968,00 € leisten. Der absolute Unterschiedsbetrag von 44.686,00 € entspricht einer Steigerung der Versorgungsleistung um 38,48% gegenüber dem Versorgungsguthaben Stand Oktober 2015. Dabei sind die jährlichen Rentenanhebungen von 3% gemäß Ziff. 3.4.2 Anlage 1 BAV-TV noch nicht berücksichtigt worden. Bereits im Verhältnis der Parteien und damit unabhängig von der Zahl weiterer oder künftiger Versorgungsempfänger zeigt sich eine erhebliche wirtschaftliche Mehrbelastung der Beklagten im Vergleich zu der Auszahlung des Versorgungsguthabens, Stand Ende Oktober 2015. Diese Mehrbelastung entspricht nicht der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der Einmal-, Raten- und Rentenzahlung, von der die Tarifvertragsparteien ausgingen, indem sie der Beklagten in Ziff. 3.1.1 Anlage 1 BAV-TV das Recht eingeräumt haben, zwischen verschiedenen Auszahlungsformen zu wählen. Eine Gleichwertigkeit ist jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn eine bestimmte Auszahlungsform die anderen wertmäßig um fast 40% übersteigt. Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, derartige Mehrbelastungen seien von der Beklagten bis zur Grenze ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit oder ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu tragen, ist ihm nicht zu folgen. Die Entscheidung des BAG vom 11.10.2011 – 3 AZR 539/09 – BeckRS 2012, 66987, auf die sich der Kläger bezieht, ist zur Betriebsrentenanpassung gemäß § 16 BetrAVG ergangen und nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Bei § 16 BetrAVG geht es um die Anpassung – also das Wie – laufender Rentenzahlungen, während sich das Wahlrecht nach Ziff. 3.1.1 Anlage 1 BAV-TV auf das „Ob“ von Rentenzahlungen bezieht. Zudem nimmt Ziff. 3.1.1 Anlage 1 BAV-TV auf § 16 BetrAVG keinen Bezug. Wenn die Tarifvertragsparteien dies gewollt hätten, hätten sie eine entsprechende Regelung getroffen, wie der Vergleich zu Ziff. 3.4.2 Anlage 1 BAV-TV zeigt. Dort wurde eine abweichende, jährliche Anpassung der Rentenzahlung „anstelle der nach § 16 … (BetrAVG) vorgesehenen Anpassung“ bestimmt. Die Entscheidung des BAG vom 15.05.2012 – 3 AZR 11/10 – NZA-RR 2012, 433, die der Kläger weiter zur Begründung heranzieht, betraf die Frage, ob und unter welchen Umständen das Versprechen laufender Betriebsrentenleistungen in ein Kapitalleistungsversprechen umgestellt werden darf. Aufgrund des Vertrauensschutzes und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ließ das BAG nur solche wirtschaftlichen Gründe im Interesse des Arbeitgebers zu, aufgrund derer er auf Dauer nicht in der Lage wäre, die Kosten des bisherigen Versorgungswerks einschließlich der zukünftigen Anpassungen nach § 16 BetrAVG aufzubringen (vgl. BAG, Urteil vom 15.05.2012, a.a.O., Rn. 84). Auch dieser Sachverhalt ist im vorliegenden Fall der Wahl der Auszahlungsvariante durch den Arbeitgeber nicht gegeben. Die Ausführungen des BAG lassen jedoch den Schluss zu, dass diese hohen Anforderungen an die zu berücksichtigenden wirtschaftlichen Gründe dann nicht geboten sind, wenn es statt einer Umstellung des bisherigen Versorgungsversprechens lediglich um die Auswahl der künftigen Auszahlungsvariante der betrieblichen Altersversorgung geht. Da die Auszahlung als Einmalkapital oder als Ratenzahlung von vornherein möglich war, konnte sich ein schützenswertes Vertrauen des Klägers in die Variante Verrentung nicht begründen.
(2) Die auf Seiten des Klägers zu berücksichtigenden Umstände haben nicht ein solches Gewicht, dass der Beklagten im Verhältnis zum Kläger die erhebliche wirtschaftliche Mehrbelastung zuzumuten wäre.
Der Kläger verfügt unstreitig über einen schuldenfreien Immobilienbesitz, aus dem er Einnahmen erzielt. Der Kläger hat im hiesigen Verfahren von der Möglichkeit, ihm günstige Umstände vorzutragen (vgl. von dieser Obliegenheit BAG, Urteil vom 03.08.2016, a.a.O., Rn. 30) in Bezug auf seinen Immobilienbesitz keinen Gebrauch gemacht. Es ist deshalb offen geblieben, ob die Einnahmen aus dem Immobilienbesitz so gering sind, dass sie für die Entscheidung nach Ziff. 3.1.1 Anlage 1 BAV-TV nicht zu berücksichtigen wären.
Entgegen der Auffassung des Klägers konnte nach dem unstreitigen Tatsachenvortrag in der Berufungsinstanz auch nicht davon ausgegangen werden, er sei gesundheitlich nicht in der Lage, das Versorgungsguthaben in Höhe von 116.282,00 € zum Zwecke seiner Altersabsicherung zu verwalten. Der Kläger ist seit Jahren Hauptkassierer und damit Mitglied im Gesamtvorstand eines mit 2.287 Mitgliedern relativ großen Sportvereins, der im Jahr 2014/2015 Sanierungsvorhaben im Umfang von 420.000,00 € und 84.000,00 € durchgeführt und Ausgaben von 600.000,00 € bei Einnahmen von 865.000,00 € getätigt hat. Zu den Einnahmen gehörte ein Bankdarlehen im Umfang von 445.000,00 €. Dabei ist die Rolle des Klägers nicht als von untergeordneter Bedeutung einzuschätzen. Der Kläger hat selbst die finanziellen Aktivitäten seines Vereins auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung öffentlich vorgestellt. Der Kassenprüfer des Vereins hat dort die zuverlässige Arbeit des Klägers bestätigt und gelobt, dass der Kläger mit Zahlen bestens umgehen könne. Dies steht der Einlassung des Klägers entgegen, er habe lediglich Überweisungen auf Anweisung und unter Kontrolle ausgeführt. Darüber hinaus verwaltet der Kläger seinen Immobilienbesitz. Im Übrigen hat Beklagte dem Kläger die Möglichkeit eingeräumt, sich das Versorgungsguthaben auch in drei gleichen Raten am 15.01.2016, 15.01.2017 und 15.01.2018 auszahlen zu lassen. Der Kläger hätte damit die Möglichkeit, die Höhe des zu verwaltenden Betrages zeitlich zu strecken, um mögliche gesundheitliche Belastungen und steuerliche Nachteile gering zu halten. Andererseits kämen ihm die Vorteile der 4,5-prozentigen Verzinsung der Teilraten nach Ziff. 3.3 Anlage 1 BAV-TV zu Gute. Im Übrigen hat die Beklagte berechtigterweise bestritten, ob und inwieweit die 2014 – 2015 festgestellte schwere reaktive Depression und Angststörung des Klägers auch noch nach seiner Versetzung in den Ruhestand zum 01.10.2015 anhalten. Nach dem als K3 vorgelegten ärztlichen Befundberichts des Dr. K. vom 20.11.2014 begründete sich die Diagnose „durch berufl. Druck und Stress incl. Mobbing u.a. durch unberechtigte Abmahnung am Arbeitsplatz“, die mit dem Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis zum 01.10.2015 entfallen sind. Auch der Kläger spricht lediglich von der Möglichkeit, erneut einen depressiven Schub zu erleiden. Weiterer konkreter Sachvortrag fehlt.
Darüber hinaus konnte der Kläger schutzwürdig nicht darauf vertrauen, die Beklagte werde ihm auf seinen Antrag hin das Versorgungsguthaben verrenten. Die tarifliche Regelung in Ziff. 3.1.1 Anlage 1 BAV-TV sieht, wie ausgeführt, ein Wahlrecht der Beklagten vor. Die hohen freiwilligen Einzahlungen des Klägers auf das Versorgungsguthaben geschahen in einer rechtlich nicht abgesicherten Erwartung. Soweit sich der Kläger erstinstanzlich zudem darauf berufen hat, der Betriebsratsvorsitzende habe im Herbst 2015 noch vor dem 01. Oktober 2015 von der Prokuristin der Beklagten Ki. anlässlich eines dienstlichen Gespräches über die Altersversorgung die Auskunft erhalten, dass der Kläger, sollte er die Verrentungsvariante in der betrieblichen Altersversorgung wählen, diese selbstverständlich auch erhalten werde, konnte dies keinen Vertrauenstatbestand zugunsten des Klägers begründen. Der Kläger behauptet selbst nicht, dass die Prokuristin der Beklagten ihm gegenüber diese Auskunft gegeben hat. Er behauptet des Weiteren auch nicht, dass der Betriebsratsvorsitzende gebeten worden war, diese Auskunft rechtlich bindend an ihn weiter zu geben.
Im Rahmen der Interessenabwägung konnte schließlich der Wunsch des Klägers, seine Ehefrau für den Fall seines Todes versicherungsmäßig abzusichern, nicht zu einer Ermessensreduzierung auf „Null“ im Sinne eines Anspruchs auf Verrentung führen. Seine Ehefrau wäre sowohl durch die Witwenrente aus dem Beamtenverhältnis als auch durch den ihr im Fall des Ablebens des Klägers – bei Vermächtnis sogar allein – zustehenden Immobilienbesitz nebst Einnahmen wirtschaftlich abgesichert. Hiervon war jedenfalls auszugehen, nachdem der Kläger konkrete Angaben zu der Immobilie nicht gemacht hat. Im Übrigen kann das Versorgungsguthaben nach Ziff. 3.1.1 Anlage 1 BAV-TV auch „ohne Hinterbliebenenversorgung“ verrentet werden. Es ist fraglich, ob der Kläger hat einen entsprechenden Antrag auf Anwartschaft auf 60% Witwenrente (Ziff. 3.4.1 Anlage 1 BAVTV) mit seinem Schreiben vom 16.09.2015 oder seiner Klage vom 14.12.2015 überhaupt angebracht hat. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre dieser Umstand in der Interessenabwägung nicht zu berücksichtigen.
Auf die Wertungen des Gesetzgebers, wie sie das Arbeitsgericht zugunsten des Klägers aus den Regelungen der §§ 3, 16 BetrAVG entnommen hat, kommt es wegen der nach § 17 Abs. 3 BetrAVG zulässigen tarifvertragliche Abweichung durch Ziff. 3.1.1 Anlage 1 BAV-TV nicht an.
e) Nach allem war die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger keine Verrentung seines Versorgungsguthabens, sondern die Wahlmöglichkeiten gemäß Formblatt mit Schreiben vom 17.06.2015 anzubieten, nicht ermessensfehlerhaft. Der Beklagten war insoweit ein Ermessensspielraum eingeräumt, den sie nicht überschritten hat. Gründe für eine Ermessensreduzierung auf Null mit dem Inhalt, dass allein ein Anspruch auf Verrentung als Ermessensentscheidung möglich wäre, liegen nicht vor und wurden im Grunde auch vom Kläger nicht behauptet.
2. Darüber hinaus begründet sich der geltend gemachte Anspruch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Der Kläger hat schon nicht behauptet, dass die Beklagte unabhängig von den Umständen des konkreten Einzelfalles in jedem Fall auf Antrag des Arbeitnehmers das Versorgungsguthaben verrentet hat. Im Übrigen hätte der Kläger für die Zeit ab 01.01.2013 Arbeitnehmer, deren Versorgungsguthaben verrentet worden ist, wenigstens namentlich benennen müssen. Er hätte diese Arbeitnehmer ohne Weiteres über den Betriebsrat in Erfahrung bringen können. Nach dem Vortrag des Klägers hat der Betriebsrat noch vor dem 01.10.2015 mit der Beklagten ein Gespräch über die Altersversorgung geführt.
III.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG.
IV.
Die Revision wird gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

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