Aktenzeichen BayAGH III-4-6/16
AÜG § 9 Nr. 2
BayAGVwGO § 15
VwGO § 42 Abs. 1
Leitsatz
Eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ist nicht möglich, wenn die anwaltliche Tätigkeit im Rahmen des Arbeitsverhältnisses nicht für den Arbeitgeber, sondern im Rahmen eines Leiharbeitsverhältnisses für Dritte erfolgt. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist für die Beklagte vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf 25.000,- € festgesetzt.
V. Die Berufung zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Gründe
I.
1. Die Klage ist zulässig.
Die Klage ist aufgrund der Rückwirkung der beantragten Zulassung gemäß § 46 a Abs. 4 Nr. 2 BRAO als Verpflichtungsklage gemäß § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO zulässig.
Sie ist fristgerecht erhoben (§ 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 VwGO).
Ein Widerspruchsverfahren war nicht durchzuführen (§ 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 68 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 15 BayAGVwGO).
2. Die Verpflichtungsklage ist nicht begründet. Die Zulassung des Klägers als Syndikusrechtsanwalt wurde zu Recht abgelehnt, weil er seine aufgrund des Arbeitsvertrags vom 22.12.2015/08.04.2016 geschuldete Arbeitsleistung von 39 Wochenstunden nicht gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BRAO für seinen Arbeitgeber C. erbracht hat.
a) Der Arbeitsvertrag mit der C. sieht eine Überlassung des Klägers mit der vollen Wochenarbeitszeit an Dritte als Legal Counsel vor. Es liegt daher ein Arbeitsvertrag mit der C. und ein Beschäftigungsverhältnis mit dem Einsatzbetrieb (hier: M) vor (Weidenkaff in Palandt BGB 75. Aufl. vor § 611 Rn. 38).
Wie vom Kläger auf Seite 2 unten der Klage zutreffend ausgeführt und im Arbeitsvertrag vereinbart, erbrachte er seine anwaltliche Tätigkeit als Leiharbeitnehmer ausschließlich für M. Die Leistung der C, bestand ausschließlich darin, den Kläger eingestellt und an die M, verliehen zu haben. Es erschließt sich dem Senat daher nicht, wieso der Kläger bei seiner anwaltlichen Vollzeittätigkeit für M. zugleich auch für seinen Arbeitgeber C. tätig gewesen sein will bzw. in welcher Weise C. hiervon profitiert haben soll.
b) Aus dem eindeutigen Wortlaut des § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BRAO ist eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nur möglich bei anwaltlicher Tätigkeit im Rahmen des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber (so auch Then in Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte in Theorie und Praxis S. 37 f). Eine Regelung für Leiharbeitsverhältnisse ist nicht versehentlich unterblieben, sondern wurde vom Gesetzgeber bewusst unterlassen. Daher ist § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BRAO auch nicht zugänglich für die Anwendung auf Leiharbeitsverhältnisse im Wege der ergänzenden Auslegung bzw. Analogie. In der Bundestagsdrucksache 18/5201 vom 16.06.2015 ist ausgeführt, dass die anwaltliche Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts auf die Beratung und Vertretung seines Arbeitgebers in allen Rechtsangelegenheiten beschränkt ist (Seite 19), und dass § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO den Begriff des Syndikusrechtsanwalts legaldefiniert dahin, dass er für seinen Arbeitgeber anwaltlich und in fachlicher Hinsicht weisungsunabhängig tätig wird, wodurch eine Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit durch das Einwirken fremder wirtschaftlicher Interessen verhindert werden soll (Seiten 26, 29, 30 f.). In der Bundestagsdrucksache 18/5563 vom 15.07.2015 wird erneut betont, dass der Syndikusrechtsanwalt grundsätzlich auf Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkt ist. in § 46 Abs. 5 Satz 2 BRAO wird der Begriff der Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers konkretisiert (Bundestagsdrucksache 18/5201 vom 16.06.2015, Seite 30 f.), nämlich dahin, dass es sich auch um Rechtsangelegenheiten von dort genannten Unternehmens-Konglomeraten sowie Verbänden und Gewerkschaften, handelt. Auch diese Konkretisierung dient der Gewährleistung der Unabhängigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und dem Verbot der Fremdkapitalbeteiligung, zumal eine Gefahr von Interessenkonflikten bei den erfassten Personen und Vereinigungen wegen des Gleichlaufs von Interessen und der Umlagefinanzierung der Beratungsleistungen des Verbands nicht zu besorgen ist.
Auch aus der Gesetzeshistorie des § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 BRAO wird deutlich, dass der Gesetzgeber zunächst den rein intern tätigen Rechtsberater vor Augen hatte (Hermesmeier in Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwäite in Theorie und Praxis, S. 274). So hat die BRAK in ihrer Stellungnahme Nr. 09/2015 vom März 2015 zum Eckpunktepapier des BMJ zum Recht der Syndikusrechtsanwälte kritisiert, dass darin nicht angesprochen ist die Tätigkeit von Verbandsjuristen, die regelmäßig nicht nur für ihren Arbeitgeber, den Verband, sondern auch für seine Mitglieder, tätig sind. Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens kam es dann schließlich zur Erweiterung in § 46 Abs. 5 Satz 2 BRAO. Eine weitergehende Ausweitung auf sonstige nach dem RDG zulässige rechtliche Beratung von Mandanten des Arbeitgebers sollte aber aus berufs(rechts) politischen Gründen unbedingt verhindert werden (vgl. Hermesmeier aaO. S. 274 f.).
Bei Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers im Sinne des § 46 Abs. 5 Satz 2 BRAO ist das Risiko eines Interessenkonflikts für den anwaltlich tätigen Arbeitnehmer wegen des Gleichlaufs der Interessen nicht zu besorgen und die anwaltliche Tätigkeit wird in der Sphäre des Arbeitgebers erbracht. Im Gegensatz dazu können etwaige Interessenkonflikte für den anwaltlich tätigen Leiharbeitnehmer zwischen seinem Arbeitgeber (hier: C.) einerseits und seinem Einsatzbetrieb (hier: M.) andererseits nicht ausgeschlossen werden. Schließlich findet sich die im Referentenentwurf noch enthaltene Einschränkung, dass „eine vorübergehende Abordnung zu anderen Tätigkeiten“ für den Syndikusrechtsanwalt unschädlich sei, im Regierungsentwurf nicht mehr. Hier taucht jetzt nur noch die Klarstellung der wesentlichen Änderung der Tätigkeit auf (vgl. Dr. Offermann-Burckart AnwBI 2015, 633 ff., 637).
Aus den vorstehend genannten Gründen ergibt sich daher zwingend, dass eine Regelung der Leiharbeitsverhältnisse im Rahmen der Normen für die Syndikusrechtsanwälte bewusst unterblieben ist.
Daher folgt der Senat auch nicht den teils gegenteiligen Ansichten in der Literatur, wie z. B. von Huff in AnwBI 2017, 40 ff., 42, Dr. Schuster in AnwBI 2016, 121 ff., 124 und Dr. Kleine-Cosak in AnwBI 2016, 101 ff., 108. Zudem kann der Kläger seine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auch nicht, wie u.a. von Dr. Schuster vorgeschlagen, über eine wesentliche Änderung der Tätigkeit im Sinne des § 46 b Abs. 3 BRAO erreichen, da unabhängig vom Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen beim Kläger eine solche wesentliche Änderung der Tätigkeit während des Laufs des Leiharbeitsverhältnisses gerade nicht eingetreten ist.
c) Auch die in der Literatur geäußerte Theorie der funktionalen Betrachtungsweise (vgl. Löwe/Wallner/Werner BRAK-Mitteilungen 2017, 104) vermag dem Kläger nicht zum Erfolg zu verhelfen, da sie nicht zur Aufhebung der Regeln betreffend die Gesetzesauslegung, die Analogie und das argumentum e contrario führt. Ansonsten wäre der Rechtsunsicherheit Tür und Tor geöffnet.
d) Soweit eine Einengung der Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt durch die Bestimmungen der BRAO erfolgt, geschieht dies aufgrund eines Gesetzes. Eine irgendwie geartete Beeinträchtigung des Berufsbildes ist durch §§ 46 ff BRAO gewollt und erfolgt. Gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG kann die Berufsausübung durch Gesetz geregelt werden. Eine verfassungswidrige Regelung und eine nicht zulässige faktische Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit liegen nicht vor, eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 46 ff BRAO ist daher nicht veranlasst.
e) Eine „Verleihung“ von Juristen/zugelassenen Rechtsanwälten an Dritte zwecks Erbringung von Rechtsdienstleistungen ist lediglich im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung möglich, die jedoch, wie vorstehend dargelegt, nicht dem Recht der Syndikusrechtsanwälte unterfällt. Zur Vermeidung von „Kollisionen/Widersprüchen“ mit dem RDG wird hinsichtlich des Merkmals der Fremdheit ohnehin nicht auf den Verleiher (hier: C.), sondern auf den Entleiher (hier: M) abgestellt. Andere rechtliche Konstruktionen bei der Verleihung widersprächen den Regelungen des RDG, die der Gesetzgeber bei Schaffung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte ganz bewusst nicht geändert hat.
f) Es liegt auch kein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Nr. 2 AÜG vor, weil diese Vorschrift nur auf die wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Entgelts anwendbar ist, die berufsrechtlichen Regelung der BRAO aber nicht tangiert.
g) Schließlich liegt auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz und das AGG nicht vor, weil eine etwaige Ungleichbehandlung sachlich begründet ist und hier die Kriterien der verbotenen Diskriminierung nach dem AGG ohnehin nicht vorliegen.
h) Auf die Frage, ob der Kläger tatsächlich ab Beginn des Leiharbeitsverhältnisses oder erst ab Zustandekommen der Ergänzung des Arbeitsvertrags am 08.04.2016 fachlich unabhängig und insoweit weisungsfrei tätig war, kommt es daher nicht mehr an.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen VolIstreckbarkeit beruht auf § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 167 Abs. 2 VwGO, § 709, Satz 1 und 2 ZPO. Anträge nach §§ 710 und 712 ZPO wurden nicht gestellt.
Der Streitwert wurde gemäß § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 3 GKG festgesetzt unter Berücksichtigung des im vorliegenden Einzelfall relativ kurzen Zeitraums der beantragten Zulassung als Syndikusrechtsanwalt.
Die Berufung war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 112 e BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).